L 9 AY 70/12

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Schleswig (SHS)
Aktenzeichen
S 11 AY 91/09
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AY 70/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Auch bei Anwendung der §§ 9 Abs. 3 AsylbLG i.V.m. 44 Abs. 1 SGB X kann ein Grundurteil nach § 130 Abs. 1 SGG ergehen.
2. Leistungen nach dem AsylbLG wurden hier nicht auf der Grundlage eines Dauerverwaltungsaktes gewährt.
3. Einkommen und Vermögen müssen nach dem unabdingbaren Tatbestandsmerkmal in § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG, auf das § 7 Abs. 2 Satz 1 AsylbLG seinerseits als eigenständiges Tatbestandsmerkmal ausdrücklich verweist, verfügbar sein. Demzufolge ist die Ermittlung des Freibetrages aus der Netto-Einkommenssumme vorzunehmen.
4. Mangels Rechtsgrundlage ist ein Zinsanspruch für (hier allerdings nicht rückwirkend zu gewährenden) Leistungen nach dem AsylbLG nicht gegeben.
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Schleswig vom 10. September 2012 aufgehoben, soweit darin die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23. März 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. April 2009 verpflichtet worden ist, die Bescheide vom 9. Januar 2009 und 13. Februar 2009 abzuändern und dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis 31. März 2009 unter Ermittlung des Freibetrages auf Erwerbseinkommen von dem jeweiligen monatlichen Brutto-Einkommen höhere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu zahlen und den sich für die Monate Januar, Februar und März 2009 ergebenden Nachzahlungsbetrag mit 4 % p.a. ab dem 1. Juli 2009 zu verzinsen. Die Klage des Klägers wird insgesamt abgewiesen. Die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger in beiden Rechtszügen vollumfänglich selbst zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beklagte wendet sich gegen ein Grundurteil des Sozialgerichts, soweit darin dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. März 2009 bestimmte höhere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zugesprochen worden sind.

Der am -. - 1989 geborene Kläger, der schon seit längerem Leistung nach dem AsylbLG von der Beklagten bezogen hatte, nahm ab November 2008 an einer von der Bundesagentur für Arbeit zugewiesenen berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme im Sinne des § 61 Sozialgesetzbuch, Drittes Buch (SGB III), teil. Aufgrund dessen war er bei dem Bildungsträger INT - Gesellschaft zur Förderung der beruflichen und sozialen Integration mbH angestellt. Laut Arbeitsvertrag erhielt er eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von 412,55 EUR. Außerdem erhielt er von der Bundesagentur für Arbeit eine Berufsausbildungsbeihilfe auf der Grundlage der §§ 59 ff. SGB III in Höhe von monatlich 58,00 EUR.

Mit Bescheid vom 9. Januar 2009 gewährte die Beklagte dem Kläger Leistungen nach § 3 AsylbLG für die Zeit ab dem 1. Januar 2009 "bis auf Weiteres". Für den Monat Januar 2009 ermittelte sie einen Leistungsanspruch von 77,37 EUR unter Anrechnung seines Einkommens. Dabei rechnete sie zum einen (teilweise) das Erwerbseinkommen auf die Leistungen an, zum anderen (in voller Höhe) die Berufsausbildungsbeihilfe der Bundesagentur für Arbeit. Nach einer Vorsprache des Vaters des Klägers bei der Beklagten erteilte diese dem Kläger unter dem 13. Februar 2009 einen "Bescheid über die Änderung von laufenden Leistungen" nach dem AsylbLG, in dem sie für den Monat Februar 2009 wiederum einen Leistungsanspruch in Höhe von 77,37 EUR errechnete.

Am 19. März 2009 beantragte der Kläger, die Bescheide vom 9. Januar und 13. Feb-ruar 2009 aufzuheben und dahingehend abzuändern, dass die jeweils als "sonstige Leistung" bezeichnete monatliche Zuwendung in Höhe von 58,00 EUR nicht als Einkommen auf seinen Leistungsanspruch angerechnet werde. Zur Begründung machte er im Wesentlichen geltend, die von der Bundesagentur für Arbeit gewährte Fahrtkostenerstattung nach § 67 SGB III stelle eine zweckgebundene Zuwendung dar, die nicht nach § 7 Abs. 1 AsylbLG als Einkommens- und Vermögensbestandteil, über die der Leistungsempfänger verfüge, auf die Leistungen angerechnet werden könne.

Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23. März 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. April 2009 ab. Zur Begründung machte sie im Wesentlichen geltend, im Rahmen des § 7 AsylbLG komme es bei zweckgebundenen Zuwendungen von Geldbeträgen an den Leistungsberechtigten nicht auf den Zweck der Zuwendung an. Mangels ausdrücklicher Regelung gälten bei einem Leistungsanspruch nach § 3 AsylbLG die in § 82 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII), enthaltenen Ausnahmen des Einkommensbegriffs ebenso wenig wie die in § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII sowie in den §§ 83 bis 89 SGB XII geregelten Grenzen des Einsatzes von Einkommen. Einzig ausgenommen von der Einsatzpflicht seien Einkünfte, über die nicht verfügt werden könne, sowie die in § 7 Abs. 2 AsylbLG normierten Freibeträge für Erwerbseinkommen und das in § 7 Abs. 5 AsylbLG genannte Schmerzensgeld. Dem in § 7 Abs. 1 AsylbLG definierten Einkommensbegriff seien u. a. auch Sozialleistungen sowie Zuwendungen der Ausbildungsförderung zuzurechnen. Es sei nicht erkennbar, dass der Kläger über die Zuwendungen der Berufsausbildungsbeihilfe nicht frei verfügen könne, zumal die Geldleistung für persönliche Bedürfnisse nach § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG auch bereits einen Anteil für die Bestreitung von Fahrtkosten enthalte. Auch aus diesem Grund gebiete sich die Anrechnung der Berufsausbildungsbeihilfe auf die Leistungen nach § 3 AsylbLG. Eine Bereinigung dieser Einkünfte nach § 7 Abs. 2 AsylbLG komme nicht in Betracht, weil es sich bei den Zuwendungen der Ausbildungsförderung nicht um Erwerbseinkommen handele. Die vom Kläger angefochtenen Bescheide vom 9. Januar 2009 bzw. vom 13. Februar 2009 seien daher zu Recht ergangen.

Gegen den ihm am 17. April 2009 zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger, der seit dem 1. April 2009 nicht mehr im Leistungsbezug stand, nachdem er zu einer Freundin gezogen war, am 16. Mai 2009 beim Sozialgericht Schleswig Klage erhoben. Zu deren Begründung hat er weiterhin geltend gemacht, die Beklagte habe die Anrechnung seines Einkommens auf den Leistungsanspruch nach § 3 AsylbLG nicht korrekt vorgenommen. Die Gewährung eines 25%igen Freibetrages auf sein monatliches Netto-Erwerbseinkommen in Höhe von 321,84 EUR sei insoweit nicht ausreichend. Es sei auch die von der Bundesagentur für Arbeit ergänzend bezogene Berufsausbildungsbeihilfe in Höhe von 58,00 EUR monatlich, zumindest aber die darin enthaltene Fahrtkostenerstattung, von der Anrechnung freizustellen, da es sich insoweit um zweckgebundene Zuwendungen handele.

Der Kläger hat – nach den Angaben des Sozialgerichts – beantragt,

"die Beklagte unter Aufhebung und Abänderung des Bescheides vom 23. März 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. April 2009 zu verpflichten, die Bescheide vom 9. Januar 2009 und 13. Februar 2009 aufzuheben und dahingehend abzuändern, dass dem Kläger Leistungen nach AsylbLG ohne Anrechnung der dem Kläger seitens der Bundesagentur für Arbeit gewährten Berufsausbildungsbeihilfe gewährt werden."

Der Kläger hat – nach Angaben des Sozialgerichts – ferner beantragt,

"die Beklagte zu verurteilen, den an den Kläger nach zu entrichtenden Betrag mit 4 % p. a. für die Zeit ab dem 1. auf die Fälligkeit jeweils folgenden Kalendermonats bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung zu verzinsen."

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat weiterhin die Auffassung vertreten, der Kläger habe keinen Anspruch auf höhere Leistungen nach dem AsylbLG. Hinsichtlich des Einkommensbegriffs in § 7 AsylbLG sei von dem des Sozialhilferechts auszugehen. Somit handele es sich auch bei der vom Kläger bezogenen Berufsausbildungsbeihilfe um Einkommen. Zu beachten sei aber, dass das AsylbLG gegenüber dem SGB XII einen umfassenderen Einsatz von Einkommen und Vermögen vorsehe. Dieses gelte hinsichtlich der Nichtanwendbarkeit der Regelungen zur Schonung zweckbestimmter Leistungen gemäß § 83 Abs. 1 SGB XII wie auch hinsichtlich der Absetzung von Werbungskosten gemäß § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII. Bei der Berufsausbildungsbeihilfe handele es sich somit um verfügbares Einkommen, zumal der Kläger nicht dargelegt habe, ob ihm überhaupt Aufwendungen entstanden seien. Eine Berücksichtigung höherer Freibeträge unter Zugrundelegung des bezogenen monatlichen Brutto-Einkommens sei ebenfalls nicht vorzunehmen; denn insoweit stelle § 7 Abs. 2 AsylbLG auf das Netto-Einkommen ab. Streitgegenständlich seien im Übrigen lediglich die Monate Januar und Februar 2009, da sie – die Beklagte – keine Dauerverwaltungsakte erlassen habe und die Bewilligung der Leistungen für März 2009 nicht angefochten worden sei. Für den geltend gemachten Zinsanspruch fehle es bereits an einer Rechtsgrundlage.

In der mündlichen Verhandlung vom 3. Juli 2012 hatten die Beteiligten zunächst einen Vergleich geschlossen. Dieser war von der Beklagten sodann widerrufen worden.

Mit Schreiben vom 7. August 2012 hat das Sozialgericht den Beteiligten mitgeteilt, dass es beabsichtige, über die Klage durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Durch Gerichtsbescheid vom 10. September 2012 hat das Sozialgericht dem Begehren des Klägers (teilweise) stattgegeben. Es hat die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23. März 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. April 2009 verpflichtet, die Bescheide vom 9. Januar 2009 und 13. Februar 2009 abzuändern und dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis 31. März 2009 unter Ermittlung des Freibetrages auf Erwerbseinkommen von dem jeweiligen monatlichen Brutto-Einkommen höhere Leistungen nach dem AsylbLG zu zahlen. Ferner hat das Sozialgericht den Beklagten verpflichtet, den sich für die Monate Januar, Februar und März 2009 ergebenden Nachzahlungsbetrag mit 4 % p. a. ab dem 1. Juli 2009 zu verzinsen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und zugleich die Berufung gegen den Gerichtsbescheid (fälschlicherweise im Tenor als "Urteil" bezeichnet) zugelassen. Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen nach § 3 AsylbLG im Zeitraum 1. Januar bis 31. März 2009. Dabei sei der Freibetrag nach § 7 Abs. 2 AsylbLG von dem erzielten Brutto-Erwerbseinkommen des Klägers zu ermitteln. Der Kläger habe gemäß § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X), i. V. m. § 9 Abs. 3 AsylbLG einen Anspruch auf Abänderung der Bescheide vom 9. Januar 2009 und 13. Februar 2009 und gemäß § 44 Abs. 4 SGB X i. V. m. § 9 Abs. 3 AsylbLG einen Anspruch auf Nachzahlung der vorenthaltenen Leistungen nach den genannten Berechnungsregelungen. Da sich danach ein Leistungsanspruch ergebe, könne gemäß § 130 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eine Verurteilung dem Grunde nach vorgenommen werden. Zulässiger Streitgegenstand sei der Zeitraum vom 1. Januar bis 31. März 2009. Die Beklagte sei rechtlich im Rahmen des AsylbLG nicht gehindert, eine Leistungsgewährung lediglich für einen Kalendermonat oder für einen mit Anfangs- und Endzeitpunkt definierten Zeitraum oder auch im Rahmen eines Dauerverwaltungsaktes ohne vorab definierten Endzeitpunkt zu bewilligen. Danach liege in dem Bescheid vom 9. Januar 2009 eindeutig ein Dauerverwaltungsakt ohne Bestimmung eines Leistungsendzeitpunktes vor. Gleichwohl sei der Zeitraum bis zum 31. März 2009 begrenzt; denn ab dem 1. April 2009 habe sich der Kläger vorübergehend aus dem Leistungsbezug nach dem AsylbLG abgemeldet.

Eine vollständige oder teilweise Freistellung der Berufsausbildungsbeihilfe von der Einkommensanrechnung nach § 7 Abs. 1 AsylbLG könne nicht erfolgen; denn bei der Berufsausbildungsbeihilfe handele es sich nicht um Erwerbseinkommen, sondern um eine andere Sozialleistung. Auch eine Freistellung als zweckbestimmte Leistung sei nicht vorzunehmen; denn eine dem § 83 Abs. 1 SGB XII entsprechende Regelung finde sich im AsylbLG nicht und es werde von dort auch nicht auf die Anwendung dieser Regelung verwiesen.

Der Kläger habe jedoch einen höheren Anspruch auf Leistungen nach dem § 3 AsylbLG unter Berücksichtigung höherer Freibeträge von dem Erwerbseinkommen nach § 7 Abs. 2 AsylbLG. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass im Rahmen der Anrechnung von Erwerbseinkommen nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II), und dem SGB XII sowie der Bildung von Freibeträgen darauf nach § 11b SGB II, vormals § 30 SGB II und § 82 Abs. 3 SGB XII, die Freibeträge jeweils vom Brutto-Einkommen ermittelt würden. Da die genannten Gesetze mit dem AsylbLG in ihrer Zielrichtung zumindest insoweit übereinstimmten, als sie jeweils eine Mindestsicherung des Existenzminimums differenziert nach unterschiedlichen Personenkreisen anstrebten, sei im Sinne einer insgesamt gleichmäßigen Anwendung der Grundsicherungsregelungen auch nach § 7 Abs. 2 AsylbLG eine Ermittlung des 25 %igen Freibetrages aus dem Brutto-Einkommen vorzunehmen.

Der Zinsanspruch folge wegen des grundsicherungsrechtlichen Charakters des AsylbLG, das inhaltlich eindeutig sozialrechtliche Regelungen treffe, aus einer analogen Anwendung des § 44 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch (SGB I). Sollte man dem nicht folgen, so wäre ein Anspruch auf – höhere – Verzugs- bzw. Prozesszinsen nach den §§ 288, 299 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu erwägen.

Da die mit streitentscheidende Frage der Ermittlung der Freibeträge nach § 7 Abs. 2 AsylbLG vom Brutto- oder Netto-Einkommen in der Literatur unterschiedlich beantwortet werde und höchstrichterliche Rechtsprechung insoweit fehle, sei die Berufung nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen.

Gegen den ihr am 20. September 2012 zugestellen Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 11. Oktober 2012 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht sie zunächst geltend, dass das erstinstanzliche Gericht zu Unrecht auch den Monat März 2009 als streitgegenständlichen Zeitraum angesehen habe. Das Gericht sei nicht auf die mehrfache ausdrückliche Formulierung in den Leistungsbescheiden, dem Berechnungsbogen wie auch in den beigefügten rechtlichen Hinweisen in den Bescheiden eingegangen. Aus ihnen ergebe sich, dass die Leistungen jeweils nur für den einzelnen Monat gewährt worden seien. Das stehe auch im Einklang mit der Rechtspre¬chung des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts, das über einen identisch formulierten Leistungsbescheid aus ihrem Bereich – dem der Beklagten – entschieden habe, es handele sich nicht um einen Dauerverwaltungsakt (Beschluss vom 13. April 2011 – L 9 AY 54/11 B ER). Neben den Bewilligungen von Leistungen für Januar und Februar 2009 jeweils durch schriftlichen Verwaltungsakt sei die Bewilligung über Leistungen für den Monat März 2009 als konkludenter Einzelverwaltungsakt in Form der Zahlung der Leistungen ergangen; jener konkludent erteilte Verwaltungs¬akt sei vom Kläger nicht angefochten worden. Das habe zur Folge, dass sich der streitgegenständliche Zeitraum nur auf die Monate Januar und Februar 2009 erstrecke.

Schon aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 2 AsylbLG, nach dem Einkommen aus Erwerbstätigkeit bei Anwendung des Absatzes 1 in Höhe von 25 v. H. außer Betracht bleibe, ergebe sich, dass maßgeblich auf das Netto-Einkommen und nicht auf das Brutto-Einkommen abzustellen sei; denn nach dieser Regelung sei das verfügbare Einkommen im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG maßgeblicher Anknüpfungspunkt. Das Argument, es müsse hier aus Gründen der Rechtseinheit angelehnt an die Regelungen aus dem SGB II bzw. dem SGB XII von dem Brutto-Einkommen ausgegangen werden, überzeuge nicht. Die gesetzgeberische Entscheidung gehe gerade dahin, die Leistungen aus dem AsylbLG nicht als solche des Sozialgesetzbuches zu verstehen (vgl. § 68 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch [SGB I]). Gerade weil ein solcher Verweis fehle, könnten Leistungen nach dem AsylbLG nicht mit anderen Sozialleistungen gleichgesetzt werden. Der Grundsatz der Rechtseinheit könne nicht zur Vermischung von inhaltlich unterschiedlichen Gesetzesregelungen und dahinterstehenden unterschiedlichen Gesetzeszwecken führen.

Selbst wenn der Kläger – entgegen obigen Ausführungen – einen weitergehenden Anspruch auf Leistungen nach dem AsylbLG hätte, wären diese jedenfalls nicht zu verzinsen. Ein Zinsanspruch bestehe nicht, da weder eine ausdrückliche gesetzliche Regelung für Zinsansprüche bei Leistungsansprüchen nach dem AsylbLG vorliege, noch entsprechende Anspruchsgrundlagen aus dem Sozialgesetzbuch anwendbar seien und der Zinsanspruch mangels planwidriger Regelungslücke ebenso wenig nach den §§ 288, 291 BGB analog gewährt werden könne.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Schleswig vom 10. September 2012 aufzuheben, soweit sie – die Beklagte – dadurch verpflichtet worden ist, dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. März 2009 höhere Leistungen nach dem AsylbLG unter Ermittlung des Freibetrages auf Erwerbseinkommen von dem jeweiligen Brutto-Einkommen zu zahlen und den sich daraus ergebenden Nachzahlungsbetrag zu verzinsen, und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung rechtlich für zutreffend. Er teile die Feststellung des Sozialgerichts, dass durch den Bewilligungsbescheid vom 9. Januar 2009 über den Monat Januar 2009 hinaus auch Leistungen für die Folgemonate gewährt worden seien. Bereits auf der ersten Seite jenes Bescheides habe die Beklagte ausgeführt, dass sie die Beträge für die Folgemonate jeweils monatlich im Voraus auszahlen werde, solange sich seine – des Klägers – persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht geändert hätten. Damit habe sie ausdrücklich Leistungen auch für die Folgemonate gewährt. Diese Auffassung werde noch dadurch gestützt, dass es sich bei dem Bescheid vom 13. Februar 2009 um einen ausdrücklich als "Änderungs¬bescheid" bezeichneten Bescheid handele. Ein Änderungsbescheid könne aber nur dort ergehen, wo bereits eine durch Bescheid getroffene Regelung existiere. Als solcher komme allein der Bescheid vom 9. Januar 2009 in Betracht.

Die Ausführungen der Beklagten zu angeblichen materiellen Unterscheidungen zwischen den Leistungen des Asylbewerberleistungsrechts und den Grundsicherungsleistungen für Hilfeempfänger mit gesichertem Aufenthaltsstatus seien spätestens mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2012 obsolet geworden. Zwar gebiete jenes Urteil nicht, dass gesetzliche Neuregelungen des Asylbewerberleistungsrechts Rückwirkungen auf die Zeit vor dem 1. Januar 2011 haben müssten. Angesichts jenes Urteils müsse sich aber die Auslegung des Rechts auch für die Zeit vor dem 1. Januar 2011 daran orientieren, dass Hilfeempfänger ohne gesicherten Aufenthaltsstatus in gleicher Weise zu behandeln seien wie Hilfeempfänger mit gesichertem Aufenthaltsstatus. Daraus folge zum einen, dass die Freibetragsregelung des § 7 Abs. 2 AsylbLG nach den gleichen Maßstäben zu berechnen sei wie die Freibeträge im sonstigen Grundsicherungsrecht. Daraus folge zum anderen, dass eine Verzinsung rechtswidrig vorenthaltener Leistungen in gleicher Weise zu erfolgen habe wie eine Verzinsung rechtswidrig vorenthaltener Leistungen im sonstigen Grundsicherungsrecht. Die gelte auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 24. Mai 2012 – B 9 V 2/11 R –), derzufolge für das AsylbLG ein sozialhilferechtlicher Einkommensbegriff heranzuziehen sei. Das bedeute ferner, dass sich mit der von ihm – dem Kläger – vorgetragenen Argumentation, wonach der in den Leistungen der Agentur für Arbeit enthaltene Fahrkostenzuschuss als zweckgebundene Einnahme nicht auf die Leistungen nach dem AsylbLG angerechnet werden könne, auseinander gesetzt werden müsse.

Durch Beschluss vom 26. November 2012 hat der Senat dem Kläger für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt P ohne Prüfung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung im Berufungsverfahren gewährt, weil die Beklagte das Rechtsmittel eingelegt hat.

Auf Antrag der Beklagten hat die Vorsitzende des 9. Senats durch Beschluss vom 16. Januar 2013 zum Aktenzeichen L 9 AR 1/13 AY ER und L 9 AR 1/13 AY ER PKH die Vollstreckung aus dem Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Schleswig vom 10. September 2012 im Wege der einstweiligen Anordnung bis zur Erledigung des Rechtsstreits in der Berufungsinstanz ausgesetzt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verfahrensakte L 9 AR 1/13 AY ER/L 9 AR 1/13 AY ER PKH sowie der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen; diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten, mit der sie sich gegen die in einem Grundurteil ausgesprochene Verpflichtung wendet, dem Kläger für den Zeitraum Januar bis einschließlich März 2009 unter Ermittlung des Freibetrages auf Erwerbseinkommen nach dem jeweiligen monatlichen Brutto-Einkommen höhere Leistungen nach dem AsylbLG zu zahlen und den sich ergebenden Nachzahlungsbetrag zu verzinsen, hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts hat der Kläger keinen Anspruch auf rückwirkend zu gewährende höhere Leistungen für den von ihm geltend gemachten Zeitraum; denn die Berechnung der Beklagten hinsichtlich des Freibetrages nach § 7 Abs. 2 AsylbLG auf der Grundlage des erzielten Netto-Einkommens ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Gewährung höherer Leistungen kommt nicht in Betracht; schon deshalb erwächst auch keine Verpflichtung der Beklagten zu einer Zinszahlung. Die insoweit anderslautende Entscheidung des Sozialgerichts ist daher aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 23. März 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. April 2009, mit dem die Beklagte es abgelehnt hat, dem Kläger unter Aufhebung der entgegenstehenden bestandskräftigen Bescheide rückwirkend höhere Leistungen nach dem AsylbLG zu zahlen. Gegen diesen wendet sich der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 4 SGG, § 56 SGG (BSG SozR 4-1300 § 44 Nr. 22 Rdn. 9; BSG, Urteil vom 20. Dezember 2012 – B 7 AY 4/11 R – Rdn. 10, recherchiert bei juris), auf die auch bei Anwendung des § 44 SGB X ein Grundurteil nach § 130 Abs. 1 SGG ergehen kann (BSGE 88, 299, 300 = SozR 3-4300 § 137 Nr. 1 S. 2; BSG SozR 4-3520 § 3 Nr. 3 Rdn. 10; BSG, Urteil vom 28. Februar 2013 – B 8 SO 4/12 R – Rdn. 9, recherchiert bei juris).

Das allein von der Beklagten angefochtene Grundurteil des Sozialgerichts in der Fassung des Gerichtsbescheides vom 10. September 2012 weist zwei eigenständige Prüfungs- und Entscheidungsteile auf: Zum einen den Komplex, der sich mit der Frage der Anrechnung der Bundesausbildungsbeihilfe der Bundesagentur für Arbeit auf das Einkommen befasst, zum anderen denjenigen, der sich auf die Frage bezieht, ob der Freibetrag auf Erwerbseinkommen vom jeweiligen Brutto- oder Netto-Einkommen zu berechnen ist. Entgegen der Auffassung des Klägers ist lediglich der zuletzt genannte, zu Lasten der Beklagten ausgeurteilte Komplex Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Der erstgenannte Komplex ist hingegen mit der diesbezüglichen Klagabweisung durch das Sozialgericht mangels Einlegung eines Rechtsmittels durch den insoweit belasteten Kläger inzwischen rechtskräftig geworden; denn dabei handelt es sich um einen eigenständigen Streitgegenstand im Rahmen des Grundurteils. Eine Abweichung von den Regeln der Rechtskraftwirkung, denen zufolge eine erneute Prüfung der rechtlichen Einordnung des in den Leistungen der Bundesagentur für Arbeit enthaltenen Fahrtkostenzuschusses durch das Berufungsgericht nicht zulässig ist, ist auch nicht unter dem Aspekt des (materiell-rechtlichen) Meistbegünstigungsprinzips vorzunehmen (vgl. BSG, Urteil vom 18. März 2008 – B 8/9b SO 9/06 R – m. w. N.). Insoweit ist ausschlaggebend, dass das Sozialgericht hier keine von der Beklagten an den Kläger im Rahmen der Leistungsgewährung zu zahlende Summe ausgeurteilt hat, die durch das Berufungsgericht mit anderen Begründungselementen unterlegt werden könnte als vom Sozialgericht bejaht bzw. verneint.

Gemäß § 9 Abs. 3 AsylbLG i. V. m. § 44 Abs. 1 SGB X (zur Anwendbarkeit des § 44 SGB X im Asylbewerberleistungsrecht vgl.: BSGE 104, 213 ff. = SozR 4-1300 § 44 Nr. 20 und 22) ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht er-bracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. § 44 Abs. 1 SGB X zielt im Ergebnis auf die Ersetzung des rechtswidrigen Verwaltungsakts, mit dem eine (höhere) Leistung zu Unrecht abgelehnt wurde, durch einen die (höhere) Leistung gewährenden Verwaltungsakt ab.

Streitgegenständlicher Zeitraum ist – entgegen der Auffassung des Klägers wie auch des Sozialgerichts – (lediglich) die Zeitspanne vom 1. Januar bis 28. Februar 2009; denn der (durch Zahlung) konkludent erteilte Verwaltungsakt über die Bewilligung von Leistungen für den Monat März 2009 ist vom Kläger nicht angefochten worden. Er ist auch nicht von dem am 19. März 2009 gestellten Überprüfungsantrag mit umfasst worden.

Die Bescheide der Beklagten vom 9. Januar 2009 und 13. Februar 2009 stellen keine Dauerverwaltungsakte dar. Wie die Beklagte zutreffend in ihrer Berufungsbegründung ausgeführt hat, ist die Formulierung "Sie erhalten ab" zu Beginn des Bescheides im Zusammenhang mit den Formulierungen "für den Monat" und vor allem mit den "rechtlichen Hinweisen" auf der zweiten Seite der angefochtenen Bescheide zu lesen. In jenen rechtlichen Hinweisen wird über mehrere Sätze hinweg deutlich beschrieben, dass es sich nicht um Dauerverwaltungsakte handele. Zu einem inhaltlich insoweit identischen Leistungsbescheid der Beklagten hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 13. April 2011 – L 9 AY 54/11 B ER und L 9 AY 54/11 B ER PKH – ausdrücklich die Auffassung vertreten, Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII und auch Leistungen nach dem AsylbLG würden zeitabschnittsweise – verwaltungsvereinfachend – monatlich gewährt. Dazu heißt es im vorgenannten Beschluss:

" Allerdings hat es der Leistungsträger in der Hand, die Formulierung eines Bescheides so zu gestalten, dass nach dem Empfängerhorizont ein Dauerverwaltungsakt anzunehmen ist. Hier ist die Antragsgegnerin aber erkennbar von einer monatlichen Leistungsgewährung ausgegangen und hat ihren Bescheid auch entsprechend formuliert. Laut Bescheid vom 31. Mai 2010 werden Leistungen für den Monat Juni 2010 gewährt. Es wurde darauf hingewiesen, dass für die Folgemonate eine Auszahlung oder Überweisung ohne Bescheid¬erteilung erfolgen solle. Es ergibt sich insbesondere auch durch die "wichtigen rechtlichen Hinweise", dass die Leistungen nur für einen Monat gewährt werden und dass dann, wenn die Anspruchsvoraussetzungen entfallen, die Hilfe eingestellt oder gekürzt wird, ohne dass es eines besonderen Widerrufs bedarf. Daher konnten und mussten die Antragstellerinnen davon ausgehen, dass jeweils nur für einen Monat Leistungen gewährt werden und dass erkennbar nicht gewollt war, Leistungen für mehrere Monate zu gewähren. Das folgt auch daraus, dass keine zeitliche Begrenzung für die Leistungen genannt ist. Ein langfristiger Bindungswille, Leistungen über mehrere Jahre zu gewähren, widerspricht dem Sinn und Zweck des AsylbLG und dem Dritten Kapitel des SGB XII. "

Zu weiteren, entsprechend konzipierten Bescheiden (u. a. der Beklagten) nach dem AsylbLG hat der Senat jene Auffassung in seinen Urteilen vom 29. Mai 2013 – L 9 AY 20/12 – und vom 9. April 2014 – L 9 AY 30/11 – jeweils bestätigt und zudem darauf hingewiesen, die Beklagte habe unter Bezug auf die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 8. Februar 2007 – B 9b AY 1/06 R –, recherchiert bei juris) zutreffend darauf hingewiesen, dass Sozialhilfeleistungen keine rentenähnlichen Dauerleistungen, sondern Hilfeleistungen in einer besonderen Notsituation seien. Die rechtliche Konzeption und tatsächliche Ausgestaltung einer Leistungsgewährung für jeweils einen Monat ermögliche es der Beklagten, kurzfristig auf Änderungen in den persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen zu reagieren.

Dass der Bescheid vom 13. Februar 2009, durch den die Leistungen für den Monat Februar 2009 festgesetzt und (wiederum mit derselben Summe) berechnet worden sind, überschrieben ist als "Bescheid über die Änderung von laufenden Leistungen nach dem AsylbLG", ändert nicht den Bescheid vom 9. Januar 2009 dahingehend, dass dieser nunmehr nachträglich als Dauerverwaltungsakt einzustufen wäre. Anlass für den Erlass jenes Bescheides vom 13. Februar 2009 war ausweislich der Vermerke in der Verwaltungsakte der Beklagten (Bl. 63 bis 69R BA-A) das Gespräch, das der Vater des Klägers am 8. Januar 2009 im Amt für Wohnen und Grundsicherung geführt hatte und bei dem er Verdienstbescheinigungen des Klägers aus November und Dezember 2008 sowie den Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 9. De¬zember 2008 vorgelegt hatte. Aufgrund dessen wurde sodann eine Rückforderung hinsichtlich von Leistungen für Dezember 2008 veranlasst und die Verfügung getroffen, bei gleichbleibendem Einkommen Leistungen nach § 3 AsylbLG (statt nach § 2 AsylbLG), wie bis einschließlich Dezember 2008 erfolgt, zu erbringen und für Februar 2009 anzuweisen.

Da der streitbefangene Zeitraum (Januar/Februar 2009) dem im März 2009 gestellten Überprüfungsantrag unmittelbar vorangeht, stellt sich in diesem Fall die rechtliche Frage nicht, ob rechtswidrig vorenthaltene Leistungen – sofern sie denn vorliegen – gemäß § 9 Abs. 3 AsylbLG i. V. m. § 44 Abs. 4 SGB X für bis zu vier Jahre rückwirkend nachzuzahlen sind, oder ob § 116a SGB XII, der die Frist auf ein Jahr verkürzt, analog auf Leistungen nach dem AsylbLG anzuwenden ist (vgl. zu diesem Komplex insgesamt BSG, Urteil vom 26. Juni 2013 – B 7 AY 6/12 R – SGb 05.14, S. 274 ff.). Insofern kann dem Kläger nicht schon ein fehlendes rechtliches Interesse an der Rücknahme im Sinne von § 44 Abs. 1 SGB XII entgegengehalten werden mit dem Argument, er könne über § 44 Abs. 4 SGB X ohnehin keine Leistungen mehr für die Vergangenheit erhalten.

Die Voraussetzungen für die Gewährung höherer Leistungen (als der bereits zugebilligten) über § 44 Abs. 1 SGB X sind hier aber zu verneinen, weil der nach § 7 Abs. 2 AsylbLG zu ermittelnde Freibetrag – wie geschehen – vom Netto- und nicht vom Brutto-Einkommen zu berechnen ist. Insofern ist die hier allein in Betracht kommende Tatbestandsvariante, dass bei Erlass der Bescheide vom 9. Januar 2009 und 13. Februar 2009 das Recht unrichtig angewandt worden wäre, nicht erfüllt.

Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG sind Einkommen und Vermögen, über das verfügt werden kann, von dem Leistungsberechtigten und seinen Familienangehörigen, die im selben Haushalt leben, vor Eintritt von Leistungen nach diesem Gesetz aufzubrauchen. Gemäß § 7 Abs. 2 bleiben Einkommen aus Erwerbstätigkeit bei Anwendung des Abs. 1 in Höhe von 25 v. H. außer Betracht, höchstens jedoch in Höhe von 60 v. H. des maßgeblichen Betrages aus § 3 Abs. 1 und 2 (Satz 1). Eine Aufwandsentschädigung nach § 5 Abs. 2 gilt nicht als Einkommen (Satz 2). Einkommen und Vermögen werden an keiner Stelle des Gesetzes definiert. Was unter Einkommen und Vermögen zu verstehen ist, wird daher unter Rückgriff auf die Bestimmungen der §§ 82 und 90 SGB XII zu ermitteln sein. Es kommt zur Abgrenzung auf den tatsächlichen Zufluss in Geld oder Geldeswert an. Vermögen ist das bereits Vorhandene. Eine Zuwendung zu einem bestimmten Zweck schließt nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift eine Anrechnung auf den Bedarf nicht aus. Einkommen und Vermögen müssen nach dem unabdingbaren Tatbestandsmerkmal in § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG, auf das § 7 Abs. 2 Satz 1 AsylbLG seinerseits als eigenständiges Tatbestandsmerkmal ausdrücklich verweist, verfügbar sein. Wie im SGB XII muss es dem Hilfe Nachfragenden tatsächlich zur Verfügung stehen; das bedeutet, dass weder tatsächliche noch rechtliche Hindernisse einem Einsatz entgegenstehen dürfen. Aus diesem Grund sind die auf das Einkommen zu entrichtenden Steuern und Beiträge entsprechend § 82 Abs. 2 SGB XII abzuziehen; demzufolge ist die Ermittlung des Freibetrages aus der Netto-Einkommenssumme vorzunehmen (so auch die ganz herrschende Meinung in der Literatur: Wahrendorf in: Grube/Wahren¬dorf, SGB XII-Kommentar, 4. Aufl., § 7 AsylbLG, Rdn. 6 und 11; Birk in LPK-SGB XII-Kommentar, 9. Aufl., § 7 AsylbLG Rdn. 8; Hohm in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII-Kom¬mentar, 17. Aufl., § 7 AsylbLG, Rdn. 28; Fasselt in Fichtner/Wenzel, SGB XII-Kommentar, 4. Aufl., § 7 AsylbLG, Rdn. 4; Hohm, AsylbLG-Kommentar, § 7 Rdn. 17; GK-AsylbLG, § 7 Rdn. 121).

Die vom Sozialgericht, gestützt auf die Kommentierung bei Schmidt in juris-PK, SGB XII, § 7 AsylbLG Rdn. 33, vertretene anderslautende Auffassung überzeugt nicht. Sie beruft sich darauf, dass im Rahmen der Anrechnung von Erwerbseinkommen nach dem SGB II und dem SGB XII und der Bildung von Freibeträgen darauf nach § 11b SGB II (vormals § 30 SGB II) und § 82 Abs. 3 SGB XII die Freibeträge jeweils vom Brutto-Einkommen ermittelt würden. Da die genannten Gesetze mit dem AsylbLG in ihrer Zielrichtung zumindest insoweit übereinstimmten, als sie jeweils eine Mindestsicherung des Existenzminimums differenziert nach unterschiedlichen Personenkreisen anstrebten, sei im Sinne einer insgesamt gleichmäßigen Anwendung der Grundsicherungsregelungen auch nach § 7 Abs. 2 AsylbLG eine Ermittlung des 25 %igen Freibetrages aus dem Brutto-Einkommen vorzunehmen. Dieser Betrachtungsweise folgt der Senat nicht; denn sie lässt außer Acht, dass für die rein wirtschaftlich zu beurteilende Frage der Verfügbarkeit nach Sinn und Zweck des § 7 AsylbLG sowie unter systematischen Gesichtspunkten das Netto-Einkom¬men zugrundezulegen ist. Nach der Konzeption der Norm bestehen bei der Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens keine Schongrenzen bzw. Freibeträge; es sind auch keine persönlichen Härten zu berücksichtigen (so auch Schmidt: a. a. O., § 7 AsylbLG Rdn. 46). Weder die in § 82 Abs. 1 SGB XII enthaltenen Ausnahmen des Einkommensbegriffs noch die in den §§ 83 bis 89 SGB XII für Leistungsbezieher nach dem SGB XII geregelten Einkommensgrenzen gelten für Asylbewerberleistungsberechtigte. Das hängt damit zusammen, dass das AsylbLG Sonderregelungen enthält (Wahrendorf, a. a. O., AsylbLG § 7, Rdn. 9 und 13; Hohm, a. a. O., AsylbLG, § 7 Rdn. 21). Der Gesetzgeber hat Art und Umfang von Sozialleistungen an Ausländer grundsätzlich von der voraussichtlichen Dauer ihres Aufenthalts in Deutschland abhängig gemacht. Es steht im sozialpolitischen Ermessen des Gesetzgebers, für Asylbewerber – was mit dem AsylbLG geschehen ist – ein eigenes Konzept zur Sicherung ihres Lebensbedarfs zu entwickeln und dabei auch Regelungen über die Gewährung von Leistungen abweichend vom Recht der Sozialhilfe zu treffen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 11. Juli 2006 – 1 BvR 293/05 –, BVerfGE 116, 229 ff., zitiert nach juris Rdn. 44).

Abweichend vom SGB XII und SGB II wird nach dem AsylbLG bei nicht verfestigtem Aufenthalt der Berechtigten Hilfe nur im Umfang des zum Lebensunterhalt Unerlässlichen geleistet. Dies spiegelt sich auch in dem vorrangig geltenden Sachleistungsprinzip (§ 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG) wieder. Dass der Gesetzgeber zwei getrennte Leistungssysteme errichtet hat, ergibt sich auch aus § 9 Abs. 1 AsylbLG, wonach Leistungsberechtigte keine Leistungen nach dem SGB XII oder vergleichbaren Landesgesetzen erhalten. Ferner dokumentieren § 2 und § 1a AsylbLG die "Zweigleisigkeit" der Leistungssysteme, indem in § 2 Abs. 1 AsylbLG ausdrücklich unter bestimmten Voraussetzungen für bestimmte Fälle eine ausnahmsweise Anwendbarkeit des SGB XII normiert ist. Aus diesen Regelungen ergibt sich zugleich, dass der Gesetzgeber mit dem AsylbLG nicht nur sozialstaatliche, sondern auch ausländer- und aufenthaltsrechtliche Ziele verfolgt. Im Umkehrschluss ergibt sich daraus, dass eine entsprechende Heranziehung von Vorschriften des SGB XII oder des SGB II aus systematischen und teleologischen Gesichtspunkten zur Auslegung des § 7 AsylbLG ausscheidet; dafür spricht auch die historische Auslegung (vgl. BT-Drucks. 12/4451 Seite 10 zu § 6 (gleichlautend mit dem jetzigen § 7 AsylbLG ) sowie das Urteil des Senats vom 27. November 2013 – L 9 AY 1/11 –).

Soweit der Kläger meint, für seine Auffassung spreche auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/12 – (recherchiert bei juris), so greift dieser Ansatz schon nicht durch, weil die vorgenannte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Regelungen in § 3 AsylbLG ergangen ist und die Höhe der (existenzsichernden) Geldleistungen nach § 3 AsylbLG als evident unzureichend erklärt hat, weil sie mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG unvereinbar sei. Hiervon erfasst wird nicht die für diesen Fall allein maßgebliche Frage der Einkommensbereinigung nach den Vorgaben in § 7 AsylbLG. Zudem hat das Bundesverfassungsgericht – worauf auch der Kläger selbst hingewiesen hat – ausdrücklich erklärt, für Leistungszeiträume bis zum 31. Dezember 2010 seien die Vorschriften weiterhin anwendbar.

Da kein Anspruch über § 9 Abs. 3 AsylbLG i. V. m. § 44 Abs. 1 SGB X über die Berechnung des Freibetrages auf der Basis des Brutto-Einkommens nach § 7 Abs. 2 AsylbLG auf höhere Leistungen rückwirkend zu bejahen ist, besteht schon aus diesem Grund ebenfalls kein Anspruch auf Zinsleistungen in dem vom Sozialgericht dem Grunde nach zugesprochenen Umfang. Nur der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass der Senat einen solchen Zinsanspruch mangels Rechtsgrundlage auch nicht für gegeben hielte. Für die Verzinsung von Leistungen nach dem AsylbLG gibt es keine Rechtsgrundlage. Insbesondere ist § 44 SGB I nicht anwendbar, weil das AsylbLG nicht zu den Sozialleistungsbereichen gehört, die vom SGB I erfasst werden. Für eine analoge Anwendung des § 44 SGB I oder der §§ 288, 291 BGB ist kein Raum. Insoweit wäre den diesbezüglichen Ausführungen des Landessozialgerichts Baden-Württemberg in den Urteilen vom 25. Oktober 2012 – L 7 AY 726/11 – und 20. Dezember 2012 – L 7 AY 2576/11 – (recherchiert bei juris) zu folgen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

Gründe, die Revision durch den Senat gemäß § 160 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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