Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 32 AS 5646/14 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 AS 1285/14 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Angelegenheiten nach dem SGB II - Leistungen für Bildung und Teilhabe
Eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung nach § 28 Abs. 5 SGB II - hier in Form von Einzelnachhilfeunterricht in Mathematik und Deutsch - ist von Gesetzes wegen nicht ausschließlich kurzzeitig zu erbringen. In begründeten Fällen ist auch eine Förderung in mehreren Schuljahren möglich.
Eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung nach § 28 Abs. 5 SGB II - hier in Form von Einzelnachhilfeunterricht in Mathematik und Deutsch - ist von Gesetzes wegen nicht ausschließlich kurzzeitig zu erbringen. In begründeten Fällen ist auch eine Förderung in mehreren Schuljahren möglich.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 23. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.
II. Der Beschwerdeführer hat die dem Beschwerdegegner im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Eilverfahren um Leistungen der Lernförderung, die dem Antragsteller und Beschwerdegegner (nachfolgend Antragsteller) die Teilnahme am außerschulischen Einzelunterricht in den Fächern Deutsch und Mathematik ermöglichen sollen.
Der am ...2002 geborene Antragsteller bezieht laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Er lebt bei seinem Vater, der ebenfalls Leistungen nach dem SGB II bezieht, und besucht die Klasse 6a der G -E -L -Oberschule in F.
Bei dem Antragsteller wurde im Dezember 2013 eine Lese-Rechtschreibstörung (LRS) im Sinne der Verwaltungsvorschrift LRS-Förderung des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus diagnostiziert. Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (nachfolgend Antragsgegner), der dem Antragsteller seit 2010 mit Unterbrechungen – zum Teil nach Rechtsbehelfsverfahren – Leistungen der Lernförderung erbrachte, bewilligte zuletzt mit Bescheid vom 23.04.2014 für den Zeitraum vom 01.05.2014 bis 30.06.2014 Lernförderung in den Fächern Mathematik und Deutsch im Umfang von wöchentlich jeweils zweimal 45 Minuten Einzelunterricht für den Studiertreff F.
Die Klassenleiterin des Antragstellers bestätigte am 17.07.2014 Lernförderbedarf für die 6. Klasse, insbesondere in den Fächern Mathematik und Deutsch. Werde Lernförderung erbracht, bestehe eine positive Versetzungsprognose. Die Leistungsschwäche beruhe weder auf unentschuldigten Fehlzeiten noch anhaltenden Fehlverhalten oder Nichtteilnahme an außerunterrichtlichen Angeboten der Schule. Geeignete kostenfreie schulische Angebote stünden nicht zur Verfügung.
Mit Bescheid vom 19.08.2014 lehnte der Antragsgegner die vom Antragsteller am 23.07.2014 beantragte Lernförderung beim Studiertreff F ab. Außerschulische Lernförderung vom Grundsicherungsträger sei nur im Ausnahmefall zur Behebung vorübergehender Lernschwäche zu erbringen. Eine kontinuierliche Nachhilfeleistung sei gesetzlich nicht gewollt. Zudem könne zu Beginn des 6. Schuljahres noch keine Prognose über die weitere Notwendigkeit der Lernförderung getroffen werden; dies sei frühestens nach Vorlage der Halbjahresinformation 2014/2015 und einer entsprechenden Bescheinigung der Schule der Fall. Der Widerspruch des Antragstellers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 05.09.2014). Über die hiergegen am 17.09.2014 zum Sozialgericht Dresden (SG) erhobene Klage S 32 AS 5664/14 ist noch nicht entschieden.
Am 18.09.2014 hat der Antragsteller beim SG beantragt, ihm im Wege des Eilrechtschutzes vorläufig monatlich 385,00 EUR für wöchentlich vier Stunden Einzelnachhilfeunterricht zu gewähren. Im Verfahren hat er eine Stellungnahme seiner Klassenleiterin vom 26.09.2014 beigebracht, in der diese ihre Versetzungsprognose vom 17.07.2014 näher erläutert und Einzelnachhilfeunterricht für den Antragsteller empfiehlt. Zwar nutze der Antragsteller alle schulischen Möglichkeiten des Förderunterrichts; er könne jedoch nur durch kontinuierliche Unterstützung bei der Lernarbeit seine Schwierigkeiten beim Lesen und Rechtschreiben bewältigen.
Mit Beschluss vom 23.10.2014 hat das SG unter Antragsablehnung im Übrigen den Antragsgegner verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 18.09.2014 bis 28.02.2015 vorläufig Leistungen in Form der Übernahme der Kosten in Höhe von monatlich 320,00 EUR für die Teilnahme an Nachhilfe beim Studiertreff F in den Unterrichtsfächern Mathematik und Deutsch im Umfang von jeweils zwei Unterrichtsstunden zu je 45 Minuten in Form eines personalisierten Gutscheins oder einer Direktzahlung an den Studiertreff F zu gewähren. Der Antragsteller habe einen Anspruch auf vorläufige Übernahme der Kosten für eine angemessene Lernförderung nach § 28 Abs. 5 SGB II glaubhaft gemacht. Nach der schlüssigen und nachvollziehbaren Darstellung seiner Klassenleiterin habe er in den Fächern Deutsch und Mathematik große Lernschwierigkeiten und erhebliche Probleme, sich den Lernstoff anzueignen. Geeignete kostenfreie schulische Angebote für Nachhilfe bestünden nicht. Eine kontinuierliche Lernförderung sei zur Bewältigung der Schwierigkeiten in der Lernarbeit jedoch erforderlich. Gegen die Angemessenheit der entstehenden Kosten von 320,00 EUR monatlich beim Studiertreff F spreche nichts. Der Besuch des Einzelnachhilfeunterrichts sei auch geeignet und erforderlich, um die wesentlichen Lernziele zu erreichen. Die Lernprognose sei positiv. Die Klassenleiterin des Antragstellers, die ihn bereits ein Jahr betreue, habe ihre sachkundige Einschätzung und positive Versetzungsprognose vom 17.07.2014 auf mehrfache Rücksprache mit den Fachlehrern gestützt und mit der Stellungnahme vom 26.09.2104 weiter erläutert. Ein Anspruch scheitere auch nicht daran, dass bereits Lernförderung bewilligt worden war. Abgesehen davon, dass die Unterbrechung der Lernförderung im Jahr 2013 kontraproduktiv gewesen sei, sei § 28 Abs. 5 SGB II nicht ausschließlich für kurzfristige Programme geschaffen worden. Zwar gehe die Gesetzesbegründung davon aus, dass der Bedarf im Regelfall nur kurzzeitig notwendig sei. Mit dem Abstellen auf einen Regelfall sei aber bereits der Ausnahmefall bedacht. Zudem enthalte der Gesetzeswortlaut keine zeitliche Einschränkung. Eine – wie hier – mittelfristige Förderung bis 28.02.2015 sei daher zulässig. Sie eröffne auch die Möglichkeit, dass der Jugendhilfeträger auf den Antrag des Antragstellers vom 20.10.2014 hin seine Pflicht zur Gewährung von Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe nach § 35a Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) abschließend prüfen könne. Basierend auf dem Angebot des Studiertreffs F vom 23.09.2104 sei von Kosten in Höhe von 320,00 EUR monatlich auszugehen.
Gegen den ihm am 28.10.2014 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 29.10.2104 Beschwerde erhoben. Weder Anordnungsgrund noch -anspruch seien glaubhaft gemacht. Aktuell könnten keine verlässlichen Feststellungen getroffen werden, ob der Antragsteller die Lernziele erreichen werde. Da dieser bereits durch die Inanspruchnahme der schulischen Angebote gefördert werde, seien keine wesentlichen Nachteile abzuwenden. Zudem würde die Hauptsache vorweggenommen. Auch sei dem gesetzlichen Ziel mit der bisherigen Förderung ausreichend Rechnung getragen worden. Der Antragsteller erhalte seit 2010 Lernförderung – ursprünglich nur in Deutsch, mittlerweile auch in Mathematik. Auch in Geographie erziele er weit unterdurchschnittliche Leistungen. Es sei nicht Aufgabe des Sozialleistungsträgers, ein stetig defizitäres Leistungsvermögen mit Lernförderung auszugleichen. Vielmehr sei die seit 2010 gewährte Lernförderung im Fall des Antragstellers ungeeignet, da es fraglich sei, ob sie die Ursache für die mangelnde Aufmerksamkeit beseitige oder nur an den Symptomen arbeite, sodass die Kosten immer mehr stiegen. Es könne nicht Ziel sein, dass ein Schulabschluss gerade so erreicht werde und der Antragsteller bei einer späteren Berufswahl auf weitere Förderungen des Antragsgegners und der Agentur für Arbeit angewiesen sei. Die derzeitigen finanziellen Aufwendungen aus Steuermitteln stünden hierzu in keinem Verhältnis. Um die offenbar tiefer liegenden Probleme des Antragstellers zu beheben, seien andere Ansätze zu wählen. Ob der Antragsgegner für eine "Therapie" zuständig sei, müsste erneut geprüft werden. Die Versetzung an eine Schule für Lernförderung, die gezielte Ganztagesangebote anbiete, sollte erwogen werden.
Der Antragsteller ist der Beschwerde entgegengetreten. Die Sache sei eilbedürftig, denn eine lediglich kurzzeitige Förderung stelle nicht die für den Antragsteller geeignete Förderform dar. Er benötige kontinuierliche Förderung gemäß § 28 Abs. 5 SGB II. Der Vorschrift sei nicht zu entnehmen, dass Anspruch nur auf kurzzeitige Förderung bestehe. Sie müsse das Existenzminimum im Bereich der gesellschaftlichen Bildungsteilhabe sicherstellen. Eine nur vorübergehende Leistungsgewährung laufe dem gesetzlichen Grundgedanken, allen Kindern und Jugendlichen gleiche Bildungschancen zu gewähren, zuwider.
Die Akten beider Rechtszüge sowie die Verwaltungsakten des Antragsgegners lagen vor.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet. Das SG hat den Antragsgegner zu Recht nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig Leistungen der Lernförderung in Form der Finanzierung des Einzelunterrichts beim Studiertreff F im Umfang von vier Unterrichtseinheiten zu jeweils 45 Minuten wöchentlich zu gewähren.
Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die zutreffenden Gründe des angegriffenen Beschlusses des SG, denen der Senat folgt (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen des Antragsgegners ist lediglich Folgendes zu ergänzen:
1. Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn sich aus den glaubhaft gemachten Tatsachen ergibt, dass es die individuelle Interessenlage des Antragstellers – unter Umständen auch unter Berücksichtigung der Interessen des Antragsgegners, der Allgemeinheit oder unmittelbar betroffener Dritter –unzumutbar erscheinen lässt, den Antragsteller zur Durchsetzung seines Anspruchs auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl., RdNr. 108 m. w. N.). Ob die Anordnung derart dringlich ist, beurteilt sich insbesondere danach, ob sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen, ebenso schwer wiegenden Gründen nötig erscheint. Dazu müssen Tatsachen vorliegen oder glaubhaft gemacht sein, die darauf schließen lassen, dass der Eintritt des wesentlichen Nachteils im Sinne einer objektiven und konkreten Gefahr unmittelbar bevorsteht.
So liegt es hier: Der Antragsteller kann nicht zumutbar auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen werden. Vor Ablauf des streitigen Zeitraums, der lediglich bis 28.02.2015 reicht, ist nicht mit dem rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu rechnen. Dem Antragsteller drohen jedoch ohne weitere Lernförderung, die über das schulische Angebot hinausgeht, wesentliche Nachteile. Nach den schlüssigen und für den Senat vollständig nachvollziehbaren Stellungnahmen des Antragstellers, seiner Klassenleiterin sowie des Studiertreffs F ist eine kontinuierliche Lernförderung des Antragstellers nötig, um einen hinreichenden Lernerfolg zu sichern. Er ist wenig selbstbewusst und Misserfolge entmutigen ihn sehr. Bei Förderunterbrechungen ist – wie die Vergangenheit zeigt – ein erheblicher Teil der Nachhilfe darauf zu verwenden, die Lernarbeit des Antragstellers wieder aufzubauen. Ohne stetige Nachhilfe droht daher die Gefahr, dass die in § 6 Abs. 1 Satz 1 des Schulgesetzes für den Freistaat Sachsen (SächsSchulG) festgelegten Lernziele in der derzeit besuchten 6. Klassenstufe endgültig nicht erreicht werden können. Es spricht auch nichts dafür, dass der Antragsteller, der bei seinem Vater lebt, die Leistungen vorfinanzieren kann. Auch der Vater bezieht Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II und hat keine Rücklagen, die ihm die Finanzierung der Förderung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache ermöglichen würden.
Eine etwaige Vorwegnahme der Hauptsache steht der Regelungsanordnung nicht entgegen. Unabhängig davon, ob bei der vorläufigen Gewährung von Geldleistungen zur Beschaffung der Lernförderung eine spätere Rückforderung im Fall des Unterliegens im Hauptsacheverfahren überhaupt ausgeschlossen wäre, war im Interesse der Effektivität des Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz) eine einstweilige Regelung jedenfalls deshalb notwendig, weil dem Antragsteller – wie ausgeführt – ein weiteres Zuwarten nicht zumutbar war.
2. Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Rechtsgrundlage der begehrten Leistung sind § 19 Abs. 2, § 28 Abs. 1 und Abs. 5 SGB II. Im Rahmen der Bedarfe für Bildung und Teilhabe wird nach § 28 Abs. 5 SGB II bei Schülerinnen und Schülern eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Systematisch handelt es sich um einen Mehrbedarf, mit dem der Gesetzgeber berücksichtigt, dass auch außerschulische Lernförderung (sog. Nachhilfe) vom Anspruch auf Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums erfasst sein kann (vgl. BT-Drs. 17/3404, S. 105; vgl. auch Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 u.a. – juris RdNr. 197).
a) Grundsätzlich vorrangige Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe nach § 35a SGB VIII (vgl. § 10 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII; hierzu: Luik in: Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 28 RdNr. 38) schließen einen vorläufigen Anspruch des Antragstellers nach dem Sachstand zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats nicht aus.
Nach § 35a SGB VIII gewährt der Träger der Jugendhilfe Eingliederungsleistungen, wenn bei einem Kind oder Jugendlichen eine seelische Behinderung vorliegt und dadurch die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist. Nach der bislang herrschenden Rechtsprechung stellen Teilleistungsstörungen – wie die hier diagnostizierte LRS (ICD F81.1) – in der Regel bereits keine seelische Behinderung dar. Als Folge solcher Teilleistungsschwächen können jedoch psychische Störungen eintreten, die dann zu einer seelischen Behinderung im Sinne des § 35a SGB VII führen (vgl. zum Meinungsstand Fegert in: Wiesner, SGB VIII, 3. Aufl., § 35a RdNr. 71 m. w. N.; vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28.02.2012 – L 7 AS 43/12 B ER – juris RdNr. 12; Lenze, a.a.O., § 28 RdNr. 33). Für eine solche eingetretene oder drohende seelische Behinderung spricht beim Antragsteller nach Aktenlage bereits nichts. Auch der Antragsgegner hat bislang keine Notwendigkeit für entsprechende Ermittlungen gesehen. Der beim Jugendhilfeträger gestellte Antrag ist noch nicht verbeschieden. Weitergehende – insbesondere medizinische – Ermittlungen zum Bestehen einer seelischen Behinderung würden den Rahmen dieses Eilverfahrens freilich bei weitem überschreiten. Nach einer deshalb anzustellenden Folgenabwägung ist aber von einer Zuständigkeit des Antragsgegners auszugehen. Denn die – wie dargestellt – drohenden wesentlichen Nachteile für den Antragsteller überwiegen die vorrangig fiskalischen Interessen des Antragsgegners an einer sparsamen und sachgerechten Verwendung seiner Haushaltsmittel.
b) Die Lernförderung ist sowohl geeignet als auch zusätzlich erforderlich, um die schulrechtlichen wesentlichen Lernziele zu erreichen.
Die Mittelschule vermittelt eine allgemeine und berufsvorbereitende Bildung einschließlich des Erlernens elementarer Kulturtechniken wie Lesen und Schreiben und schafft hiermit die Voraussetzungen für eine berufliche Qualifizierung (§ 6 Abs. 1 Satz 1 SächsSchulG), die sich im Erwerb eines Schulabschlusses (qualifizierter Hauptschulabschluss oder Realschulabschluss) manifestiert. Nach den Versetzungsbestimmungen des § 28 Abs. 1 der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus über Mittel- und Abendmittelschulen im Freistaat Sachsen werden diejenigen Schüler in die nächsthöhere Klassenstufe versetzt, die in allen Fächern mindestens die Note "ausreichend" erzielt haben oder die nicht ausreichenden Leistungen nach Maßgabe des § 28 Abs. 2 und 3 der zitierten Verordnung ausgleichen können.
Nach den schlüssigen und für den Senat vollständig nachvollziehbaren fachkundigen Stellungnahmen der Klassenleiterin des Antragstellers als Oberstufenlehrerin und Pädagogin vom 17.07.2014 und 26.09.2014 sowie des Studiertreffs F ist unter Inanspruchnahme der Nachhilfe prognostisch zu erwarten, dass der Antragsteller die dargestellten wesentlichen Lernziele der 6. Klassenstufe und damit die Versetzung erreichen wird. Die Entwicklung des Antragstellers in der Vergangenheit bestätigt die Prognose. Denn sie hat gezeigt – dies konzediert auch der Antragsgegner (vgl. Schriftsatz vom 03.12.2014, S. 2 f.) –, dass der Antragsteller unter Inanspruchnahme der außerschulischen Lernförderung ausreichende Lernergebnisse einschließlich der Versetzung in die jeweils nächste Klassenstufe und damit perspektivisch einen Schulabschluss erreichen kann. Es muss auch nicht erst die Halbjahresinformation abgewartet werden, um eine verlässliche Prognose treffen zu können. Ein Lernförderbedarf kann – wie hier – auch im ersten Schulhalbjahr festgestellt werden (vgl. Lenze in LPK-SGB II, 5. Aufl., § 28 RdNr. 27).
Gegen die Geeignetheit spricht ferner nicht – wie der Antragsgegner meint –, dass die Probleme des Antragstellers "tiefer als die zutage tretenden Probleme mit Deutsch und Mathematik" liegen. Dafür, dass objektiv das Lernziel nicht erreicht werden kann und deshalb ein Wechsel der Schulform zwingend angezeigt ist, spricht schon aufgrund der positiven Lernprognose im Fall des Antragstellers nichts. In Förderschulen werden nach § 13 Abs. 1 Satz 1 SächsSchulG Schüler unterrichtet, die wegen der Beeinträchtigung einer oder mehrerer physischer oder psychischer Funktionen auch durch besondere Hilfen in den anderen allgemein bildenden Schulen nicht oder nicht hinreichend integriert werden können und deshalb über einen längeren Zeitraum einer sonderpädagogischen Förderung bedürfen. Die Integration des Antragstellers in der Regelschule ist bislang freilich gelungen, sodass der vom Antragsgegner wohl präferierte Wechsel in eine Schule zur Lernförderung im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SächsSchulG – abgesehen von der hierfür fehlenden Zuständigkeit des Antragsgegners – gerade nicht angezeigt ist. Jedenfalls sieht der Senat im Eilverfahren, in dem grundsätzlich eine lediglich summarische Prüfung notwendig, aber auch ausreichend ist, keinen weiteren Ermittlungsbedarf. Eine Folgenabwägung geht – wie bereits oben ausgeführt – zu Lasten des Antragsgegners aus (vgl. in einem ähnlichem Fall auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13.05.2011 – L 5 AS 498/10 B ER – juris).
Sofern der Antragsgegner für den Antragsteller eine "Therapie" für geeignet(er) hält, fehlt es bereits an hinreichend substantiierten Vortrag, was hierunter zu verstehen sein soll. Zu weiteren Ermittlungen sieht der Senat im Eilverfahren insoweit ebenfalls keinen Anlass.
Auch der vom Antragsgegner angestellten "Kosten-Nutzen-Bilanzierung" kann der Senat nicht nähertreten. Abgesehen davon, dass die Gewährung der Leistungen nach § 28 Abs. 5 SGB II abseits der Tatbestandsmerkmale (insbesondere Angemessenheit, Geeignetheit und Erforderlichkeit der Lernförderung) nicht unter einem generellen Finanzierungsvorbehalt steht, stellt die vage Befürchtung des Antragsgegners, der Antragsteller werde nach einem "nur" mit Nachhilfeleistungen erworbenen Schulabschluss bei der Berufswahl auf steuerfinanzierte Leistungen angewiesen sein, von vornherein kein gesetzliches Entscheidungskriterium dar. Im Übrigen wäre die Gefahr, auf staatliche Transferleistungen angewiesen zu sein, ohne Schulabschluss für den Antragsteller wohl ungleich höher.
c) Zuletzt scheitert die Eignung der Nachhilfe auch nicht daran, dass sie im konkreten Einzelfall bereits länger als nur kurzzeitig erforderlich war und weiterhin ist.
Soweit der Antragsgegner mit dem Willen des Gesetzgebers argumentiert, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zwar heißt es in der Tat in der Gesetzesbegründung, dass die Lernförderung "in der Regel nur kurzzeitig notwendig" sein wird (BT-Drs. 17/3404 S. 105, kritisch hierzu Thommes in: Gagel, SGB II, § 28 RdNr. 33). Abgesehen davon, dass der Formulierung "in der Regel" bereits zu entnehmen ist, dass jedenfalls ausnahmsweise auch längerfristige Förderung in Betracht kommen muss, lässt sich dem Wortlaut der Norm, der die äußerste Grenze der üblichen Auslegungsmethoden darstellt, jedoch keine generelle zeitliche Beschränkung der Bewilligung derartiger Mehrbedarfe entnehmen (ebenso Lenze in: LPK-SGB II, 5. Aufl., § 28 RdNr. 29; Luik in: Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 28 RdNr. 48; Leopold in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl., § 28 RdNr. 110; bejahend für Einzelfälle Loose in: Hohm, SGB II, § 28 RdNr. 115). Gegen eine generell nur kurzzeitig mögliche Förderung sprechen auch Sinn und Zweck der Vorschrift; denn die Gesetzesbegründung stellt gerade auf den Nachhaltigkeitsaspekt sowie den Zusammenhang zwischen Bildung und Armutsbekämpfung ab (vgl. BT-Drs. 17/3404 S. 45; Luik, a.a.O.). Zu Recht wird insoweit konstatiert, dass Lernschwächen von Schülerinnen und Schüler aus einkommensschwachen Haushalten nach den Erfahrungen der Praxis häufig auf Defiziten beruhen, die gerade nicht kurzfristig behoben werden können (vgl. Lenze, a.a.O.). Dem Grundsicherungsträger bleibt es so zwar unbenommen, wegen der immer wieder zu aktualisierenden Prognose die Leistungen nach § 28 Abs. 5 SGB II für kürzere Zeiträume (z. B. halbjahresweise) zu bewilligen; er kann jedoch nicht bei im Einzelfall bestehender Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Leistungen diese allein unter Verweis auf die etwaige, schon seit längerem erbrachte Leistungen ablehnen.
d) Hinsichtlich der Angemessenheit der Einzelnachhilfe beim Studiertreff F bestehen in Übereinstimmung mit dem SG keine Bedenken. Die Leistung hält sich im Rahmen der örtlichen Angebotsstruktur und den ortsüblichen Sätzen (vgl. hierzu BT-Drs. 17/3404 S. 105). Kostengünstigere, gleich geeignete Maßnahmen sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist zu beachten, dass die Lernförderung bei der diagnostizierten LRS durch eine Fachkraft erfolgen muss (vgl. auch Lenze in LPK-SGB I, 5. Aufl., § 28 RdNr. 26).
III.
Mit dieser Entscheidung ist zugleich der Hilfsantrag des Antragsgegners auf Aussetzung der Vollstreckung nach § 199 Abs. 2 SGG erledigt.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache. Diese Entscheidung ist endgültig, § 177 SGG.
Schmidt Korneli Salomo
II. Der Beschwerdeführer hat die dem Beschwerdegegner im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Eilverfahren um Leistungen der Lernförderung, die dem Antragsteller und Beschwerdegegner (nachfolgend Antragsteller) die Teilnahme am außerschulischen Einzelunterricht in den Fächern Deutsch und Mathematik ermöglichen sollen.
Der am ...2002 geborene Antragsteller bezieht laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Er lebt bei seinem Vater, der ebenfalls Leistungen nach dem SGB II bezieht, und besucht die Klasse 6a der G -E -L -Oberschule in F.
Bei dem Antragsteller wurde im Dezember 2013 eine Lese-Rechtschreibstörung (LRS) im Sinne der Verwaltungsvorschrift LRS-Förderung des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus diagnostiziert. Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (nachfolgend Antragsgegner), der dem Antragsteller seit 2010 mit Unterbrechungen – zum Teil nach Rechtsbehelfsverfahren – Leistungen der Lernförderung erbrachte, bewilligte zuletzt mit Bescheid vom 23.04.2014 für den Zeitraum vom 01.05.2014 bis 30.06.2014 Lernförderung in den Fächern Mathematik und Deutsch im Umfang von wöchentlich jeweils zweimal 45 Minuten Einzelunterricht für den Studiertreff F.
Die Klassenleiterin des Antragstellers bestätigte am 17.07.2014 Lernförderbedarf für die 6. Klasse, insbesondere in den Fächern Mathematik und Deutsch. Werde Lernförderung erbracht, bestehe eine positive Versetzungsprognose. Die Leistungsschwäche beruhe weder auf unentschuldigten Fehlzeiten noch anhaltenden Fehlverhalten oder Nichtteilnahme an außerunterrichtlichen Angeboten der Schule. Geeignete kostenfreie schulische Angebote stünden nicht zur Verfügung.
Mit Bescheid vom 19.08.2014 lehnte der Antragsgegner die vom Antragsteller am 23.07.2014 beantragte Lernförderung beim Studiertreff F ab. Außerschulische Lernförderung vom Grundsicherungsträger sei nur im Ausnahmefall zur Behebung vorübergehender Lernschwäche zu erbringen. Eine kontinuierliche Nachhilfeleistung sei gesetzlich nicht gewollt. Zudem könne zu Beginn des 6. Schuljahres noch keine Prognose über die weitere Notwendigkeit der Lernförderung getroffen werden; dies sei frühestens nach Vorlage der Halbjahresinformation 2014/2015 und einer entsprechenden Bescheinigung der Schule der Fall. Der Widerspruch des Antragstellers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 05.09.2014). Über die hiergegen am 17.09.2014 zum Sozialgericht Dresden (SG) erhobene Klage S 32 AS 5664/14 ist noch nicht entschieden.
Am 18.09.2014 hat der Antragsteller beim SG beantragt, ihm im Wege des Eilrechtschutzes vorläufig monatlich 385,00 EUR für wöchentlich vier Stunden Einzelnachhilfeunterricht zu gewähren. Im Verfahren hat er eine Stellungnahme seiner Klassenleiterin vom 26.09.2014 beigebracht, in der diese ihre Versetzungsprognose vom 17.07.2014 näher erläutert und Einzelnachhilfeunterricht für den Antragsteller empfiehlt. Zwar nutze der Antragsteller alle schulischen Möglichkeiten des Förderunterrichts; er könne jedoch nur durch kontinuierliche Unterstützung bei der Lernarbeit seine Schwierigkeiten beim Lesen und Rechtschreiben bewältigen.
Mit Beschluss vom 23.10.2014 hat das SG unter Antragsablehnung im Übrigen den Antragsgegner verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 18.09.2014 bis 28.02.2015 vorläufig Leistungen in Form der Übernahme der Kosten in Höhe von monatlich 320,00 EUR für die Teilnahme an Nachhilfe beim Studiertreff F in den Unterrichtsfächern Mathematik und Deutsch im Umfang von jeweils zwei Unterrichtsstunden zu je 45 Minuten in Form eines personalisierten Gutscheins oder einer Direktzahlung an den Studiertreff F zu gewähren. Der Antragsteller habe einen Anspruch auf vorläufige Übernahme der Kosten für eine angemessene Lernförderung nach § 28 Abs. 5 SGB II glaubhaft gemacht. Nach der schlüssigen und nachvollziehbaren Darstellung seiner Klassenleiterin habe er in den Fächern Deutsch und Mathematik große Lernschwierigkeiten und erhebliche Probleme, sich den Lernstoff anzueignen. Geeignete kostenfreie schulische Angebote für Nachhilfe bestünden nicht. Eine kontinuierliche Lernförderung sei zur Bewältigung der Schwierigkeiten in der Lernarbeit jedoch erforderlich. Gegen die Angemessenheit der entstehenden Kosten von 320,00 EUR monatlich beim Studiertreff F spreche nichts. Der Besuch des Einzelnachhilfeunterrichts sei auch geeignet und erforderlich, um die wesentlichen Lernziele zu erreichen. Die Lernprognose sei positiv. Die Klassenleiterin des Antragstellers, die ihn bereits ein Jahr betreue, habe ihre sachkundige Einschätzung und positive Versetzungsprognose vom 17.07.2014 auf mehrfache Rücksprache mit den Fachlehrern gestützt und mit der Stellungnahme vom 26.09.2104 weiter erläutert. Ein Anspruch scheitere auch nicht daran, dass bereits Lernförderung bewilligt worden war. Abgesehen davon, dass die Unterbrechung der Lernförderung im Jahr 2013 kontraproduktiv gewesen sei, sei § 28 Abs. 5 SGB II nicht ausschließlich für kurzfristige Programme geschaffen worden. Zwar gehe die Gesetzesbegründung davon aus, dass der Bedarf im Regelfall nur kurzzeitig notwendig sei. Mit dem Abstellen auf einen Regelfall sei aber bereits der Ausnahmefall bedacht. Zudem enthalte der Gesetzeswortlaut keine zeitliche Einschränkung. Eine – wie hier – mittelfristige Förderung bis 28.02.2015 sei daher zulässig. Sie eröffne auch die Möglichkeit, dass der Jugendhilfeträger auf den Antrag des Antragstellers vom 20.10.2014 hin seine Pflicht zur Gewährung von Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe nach § 35a Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) abschließend prüfen könne. Basierend auf dem Angebot des Studiertreffs F vom 23.09.2104 sei von Kosten in Höhe von 320,00 EUR monatlich auszugehen.
Gegen den ihm am 28.10.2014 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 29.10.2104 Beschwerde erhoben. Weder Anordnungsgrund noch -anspruch seien glaubhaft gemacht. Aktuell könnten keine verlässlichen Feststellungen getroffen werden, ob der Antragsteller die Lernziele erreichen werde. Da dieser bereits durch die Inanspruchnahme der schulischen Angebote gefördert werde, seien keine wesentlichen Nachteile abzuwenden. Zudem würde die Hauptsache vorweggenommen. Auch sei dem gesetzlichen Ziel mit der bisherigen Förderung ausreichend Rechnung getragen worden. Der Antragsteller erhalte seit 2010 Lernförderung – ursprünglich nur in Deutsch, mittlerweile auch in Mathematik. Auch in Geographie erziele er weit unterdurchschnittliche Leistungen. Es sei nicht Aufgabe des Sozialleistungsträgers, ein stetig defizitäres Leistungsvermögen mit Lernförderung auszugleichen. Vielmehr sei die seit 2010 gewährte Lernförderung im Fall des Antragstellers ungeeignet, da es fraglich sei, ob sie die Ursache für die mangelnde Aufmerksamkeit beseitige oder nur an den Symptomen arbeite, sodass die Kosten immer mehr stiegen. Es könne nicht Ziel sein, dass ein Schulabschluss gerade so erreicht werde und der Antragsteller bei einer späteren Berufswahl auf weitere Förderungen des Antragsgegners und der Agentur für Arbeit angewiesen sei. Die derzeitigen finanziellen Aufwendungen aus Steuermitteln stünden hierzu in keinem Verhältnis. Um die offenbar tiefer liegenden Probleme des Antragstellers zu beheben, seien andere Ansätze zu wählen. Ob der Antragsgegner für eine "Therapie" zuständig sei, müsste erneut geprüft werden. Die Versetzung an eine Schule für Lernförderung, die gezielte Ganztagesangebote anbiete, sollte erwogen werden.
Der Antragsteller ist der Beschwerde entgegengetreten. Die Sache sei eilbedürftig, denn eine lediglich kurzzeitige Förderung stelle nicht die für den Antragsteller geeignete Förderform dar. Er benötige kontinuierliche Förderung gemäß § 28 Abs. 5 SGB II. Der Vorschrift sei nicht zu entnehmen, dass Anspruch nur auf kurzzeitige Förderung bestehe. Sie müsse das Existenzminimum im Bereich der gesellschaftlichen Bildungsteilhabe sicherstellen. Eine nur vorübergehende Leistungsgewährung laufe dem gesetzlichen Grundgedanken, allen Kindern und Jugendlichen gleiche Bildungschancen zu gewähren, zuwider.
Die Akten beider Rechtszüge sowie die Verwaltungsakten des Antragsgegners lagen vor.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet. Das SG hat den Antragsgegner zu Recht nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig Leistungen der Lernförderung in Form der Finanzierung des Einzelunterrichts beim Studiertreff F im Umfang von vier Unterrichtseinheiten zu jeweils 45 Minuten wöchentlich zu gewähren.
Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die zutreffenden Gründe des angegriffenen Beschlusses des SG, denen der Senat folgt (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen des Antragsgegners ist lediglich Folgendes zu ergänzen:
1. Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn sich aus den glaubhaft gemachten Tatsachen ergibt, dass es die individuelle Interessenlage des Antragstellers – unter Umständen auch unter Berücksichtigung der Interessen des Antragsgegners, der Allgemeinheit oder unmittelbar betroffener Dritter –unzumutbar erscheinen lässt, den Antragsteller zur Durchsetzung seines Anspruchs auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl., RdNr. 108 m. w. N.). Ob die Anordnung derart dringlich ist, beurteilt sich insbesondere danach, ob sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen, ebenso schwer wiegenden Gründen nötig erscheint. Dazu müssen Tatsachen vorliegen oder glaubhaft gemacht sein, die darauf schließen lassen, dass der Eintritt des wesentlichen Nachteils im Sinne einer objektiven und konkreten Gefahr unmittelbar bevorsteht.
So liegt es hier: Der Antragsteller kann nicht zumutbar auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen werden. Vor Ablauf des streitigen Zeitraums, der lediglich bis 28.02.2015 reicht, ist nicht mit dem rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu rechnen. Dem Antragsteller drohen jedoch ohne weitere Lernförderung, die über das schulische Angebot hinausgeht, wesentliche Nachteile. Nach den schlüssigen und für den Senat vollständig nachvollziehbaren Stellungnahmen des Antragstellers, seiner Klassenleiterin sowie des Studiertreffs F ist eine kontinuierliche Lernförderung des Antragstellers nötig, um einen hinreichenden Lernerfolg zu sichern. Er ist wenig selbstbewusst und Misserfolge entmutigen ihn sehr. Bei Förderunterbrechungen ist – wie die Vergangenheit zeigt – ein erheblicher Teil der Nachhilfe darauf zu verwenden, die Lernarbeit des Antragstellers wieder aufzubauen. Ohne stetige Nachhilfe droht daher die Gefahr, dass die in § 6 Abs. 1 Satz 1 des Schulgesetzes für den Freistaat Sachsen (SächsSchulG) festgelegten Lernziele in der derzeit besuchten 6. Klassenstufe endgültig nicht erreicht werden können. Es spricht auch nichts dafür, dass der Antragsteller, der bei seinem Vater lebt, die Leistungen vorfinanzieren kann. Auch der Vater bezieht Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II und hat keine Rücklagen, die ihm die Finanzierung der Förderung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache ermöglichen würden.
Eine etwaige Vorwegnahme der Hauptsache steht der Regelungsanordnung nicht entgegen. Unabhängig davon, ob bei der vorläufigen Gewährung von Geldleistungen zur Beschaffung der Lernförderung eine spätere Rückforderung im Fall des Unterliegens im Hauptsacheverfahren überhaupt ausgeschlossen wäre, war im Interesse der Effektivität des Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz) eine einstweilige Regelung jedenfalls deshalb notwendig, weil dem Antragsteller – wie ausgeführt – ein weiteres Zuwarten nicht zumutbar war.
2. Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Rechtsgrundlage der begehrten Leistung sind § 19 Abs. 2, § 28 Abs. 1 und Abs. 5 SGB II. Im Rahmen der Bedarfe für Bildung und Teilhabe wird nach § 28 Abs. 5 SGB II bei Schülerinnen und Schülern eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Systematisch handelt es sich um einen Mehrbedarf, mit dem der Gesetzgeber berücksichtigt, dass auch außerschulische Lernförderung (sog. Nachhilfe) vom Anspruch auf Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums erfasst sein kann (vgl. BT-Drs. 17/3404, S. 105; vgl. auch Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 u.a. – juris RdNr. 197).
a) Grundsätzlich vorrangige Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe nach § 35a SGB VIII (vgl. § 10 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII; hierzu: Luik in: Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 28 RdNr. 38) schließen einen vorläufigen Anspruch des Antragstellers nach dem Sachstand zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats nicht aus.
Nach § 35a SGB VIII gewährt der Träger der Jugendhilfe Eingliederungsleistungen, wenn bei einem Kind oder Jugendlichen eine seelische Behinderung vorliegt und dadurch die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist. Nach der bislang herrschenden Rechtsprechung stellen Teilleistungsstörungen – wie die hier diagnostizierte LRS (ICD F81.1) – in der Regel bereits keine seelische Behinderung dar. Als Folge solcher Teilleistungsschwächen können jedoch psychische Störungen eintreten, die dann zu einer seelischen Behinderung im Sinne des § 35a SGB VII führen (vgl. zum Meinungsstand Fegert in: Wiesner, SGB VIII, 3. Aufl., § 35a RdNr. 71 m. w. N.; vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28.02.2012 – L 7 AS 43/12 B ER – juris RdNr. 12; Lenze, a.a.O., § 28 RdNr. 33). Für eine solche eingetretene oder drohende seelische Behinderung spricht beim Antragsteller nach Aktenlage bereits nichts. Auch der Antragsgegner hat bislang keine Notwendigkeit für entsprechende Ermittlungen gesehen. Der beim Jugendhilfeträger gestellte Antrag ist noch nicht verbeschieden. Weitergehende – insbesondere medizinische – Ermittlungen zum Bestehen einer seelischen Behinderung würden den Rahmen dieses Eilverfahrens freilich bei weitem überschreiten. Nach einer deshalb anzustellenden Folgenabwägung ist aber von einer Zuständigkeit des Antragsgegners auszugehen. Denn die – wie dargestellt – drohenden wesentlichen Nachteile für den Antragsteller überwiegen die vorrangig fiskalischen Interessen des Antragsgegners an einer sparsamen und sachgerechten Verwendung seiner Haushaltsmittel.
b) Die Lernförderung ist sowohl geeignet als auch zusätzlich erforderlich, um die schulrechtlichen wesentlichen Lernziele zu erreichen.
Die Mittelschule vermittelt eine allgemeine und berufsvorbereitende Bildung einschließlich des Erlernens elementarer Kulturtechniken wie Lesen und Schreiben und schafft hiermit die Voraussetzungen für eine berufliche Qualifizierung (§ 6 Abs. 1 Satz 1 SächsSchulG), die sich im Erwerb eines Schulabschlusses (qualifizierter Hauptschulabschluss oder Realschulabschluss) manifestiert. Nach den Versetzungsbestimmungen des § 28 Abs. 1 der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus über Mittel- und Abendmittelschulen im Freistaat Sachsen werden diejenigen Schüler in die nächsthöhere Klassenstufe versetzt, die in allen Fächern mindestens die Note "ausreichend" erzielt haben oder die nicht ausreichenden Leistungen nach Maßgabe des § 28 Abs. 2 und 3 der zitierten Verordnung ausgleichen können.
Nach den schlüssigen und für den Senat vollständig nachvollziehbaren fachkundigen Stellungnahmen der Klassenleiterin des Antragstellers als Oberstufenlehrerin und Pädagogin vom 17.07.2014 und 26.09.2014 sowie des Studiertreffs F ist unter Inanspruchnahme der Nachhilfe prognostisch zu erwarten, dass der Antragsteller die dargestellten wesentlichen Lernziele der 6. Klassenstufe und damit die Versetzung erreichen wird. Die Entwicklung des Antragstellers in der Vergangenheit bestätigt die Prognose. Denn sie hat gezeigt – dies konzediert auch der Antragsgegner (vgl. Schriftsatz vom 03.12.2014, S. 2 f.) –, dass der Antragsteller unter Inanspruchnahme der außerschulischen Lernförderung ausreichende Lernergebnisse einschließlich der Versetzung in die jeweils nächste Klassenstufe und damit perspektivisch einen Schulabschluss erreichen kann. Es muss auch nicht erst die Halbjahresinformation abgewartet werden, um eine verlässliche Prognose treffen zu können. Ein Lernförderbedarf kann – wie hier – auch im ersten Schulhalbjahr festgestellt werden (vgl. Lenze in LPK-SGB II, 5. Aufl., § 28 RdNr. 27).
Gegen die Geeignetheit spricht ferner nicht – wie der Antragsgegner meint –, dass die Probleme des Antragstellers "tiefer als die zutage tretenden Probleme mit Deutsch und Mathematik" liegen. Dafür, dass objektiv das Lernziel nicht erreicht werden kann und deshalb ein Wechsel der Schulform zwingend angezeigt ist, spricht schon aufgrund der positiven Lernprognose im Fall des Antragstellers nichts. In Förderschulen werden nach § 13 Abs. 1 Satz 1 SächsSchulG Schüler unterrichtet, die wegen der Beeinträchtigung einer oder mehrerer physischer oder psychischer Funktionen auch durch besondere Hilfen in den anderen allgemein bildenden Schulen nicht oder nicht hinreichend integriert werden können und deshalb über einen längeren Zeitraum einer sonderpädagogischen Förderung bedürfen. Die Integration des Antragstellers in der Regelschule ist bislang freilich gelungen, sodass der vom Antragsgegner wohl präferierte Wechsel in eine Schule zur Lernförderung im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SächsSchulG – abgesehen von der hierfür fehlenden Zuständigkeit des Antragsgegners – gerade nicht angezeigt ist. Jedenfalls sieht der Senat im Eilverfahren, in dem grundsätzlich eine lediglich summarische Prüfung notwendig, aber auch ausreichend ist, keinen weiteren Ermittlungsbedarf. Eine Folgenabwägung geht – wie bereits oben ausgeführt – zu Lasten des Antragsgegners aus (vgl. in einem ähnlichem Fall auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13.05.2011 – L 5 AS 498/10 B ER – juris).
Sofern der Antragsgegner für den Antragsteller eine "Therapie" für geeignet(er) hält, fehlt es bereits an hinreichend substantiierten Vortrag, was hierunter zu verstehen sein soll. Zu weiteren Ermittlungen sieht der Senat im Eilverfahren insoweit ebenfalls keinen Anlass.
Auch der vom Antragsgegner angestellten "Kosten-Nutzen-Bilanzierung" kann der Senat nicht nähertreten. Abgesehen davon, dass die Gewährung der Leistungen nach § 28 Abs. 5 SGB II abseits der Tatbestandsmerkmale (insbesondere Angemessenheit, Geeignetheit und Erforderlichkeit der Lernförderung) nicht unter einem generellen Finanzierungsvorbehalt steht, stellt die vage Befürchtung des Antragsgegners, der Antragsteller werde nach einem "nur" mit Nachhilfeleistungen erworbenen Schulabschluss bei der Berufswahl auf steuerfinanzierte Leistungen angewiesen sein, von vornherein kein gesetzliches Entscheidungskriterium dar. Im Übrigen wäre die Gefahr, auf staatliche Transferleistungen angewiesen zu sein, ohne Schulabschluss für den Antragsteller wohl ungleich höher.
c) Zuletzt scheitert die Eignung der Nachhilfe auch nicht daran, dass sie im konkreten Einzelfall bereits länger als nur kurzzeitig erforderlich war und weiterhin ist.
Soweit der Antragsgegner mit dem Willen des Gesetzgebers argumentiert, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zwar heißt es in der Tat in der Gesetzesbegründung, dass die Lernförderung "in der Regel nur kurzzeitig notwendig" sein wird (BT-Drs. 17/3404 S. 105, kritisch hierzu Thommes in: Gagel, SGB II, § 28 RdNr. 33). Abgesehen davon, dass der Formulierung "in der Regel" bereits zu entnehmen ist, dass jedenfalls ausnahmsweise auch längerfristige Förderung in Betracht kommen muss, lässt sich dem Wortlaut der Norm, der die äußerste Grenze der üblichen Auslegungsmethoden darstellt, jedoch keine generelle zeitliche Beschränkung der Bewilligung derartiger Mehrbedarfe entnehmen (ebenso Lenze in: LPK-SGB II, 5. Aufl., § 28 RdNr. 29; Luik in: Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 28 RdNr. 48; Leopold in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl., § 28 RdNr. 110; bejahend für Einzelfälle Loose in: Hohm, SGB II, § 28 RdNr. 115). Gegen eine generell nur kurzzeitig mögliche Förderung sprechen auch Sinn und Zweck der Vorschrift; denn die Gesetzesbegründung stellt gerade auf den Nachhaltigkeitsaspekt sowie den Zusammenhang zwischen Bildung und Armutsbekämpfung ab (vgl. BT-Drs. 17/3404 S. 45; Luik, a.a.O.). Zu Recht wird insoweit konstatiert, dass Lernschwächen von Schülerinnen und Schüler aus einkommensschwachen Haushalten nach den Erfahrungen der Praxis häufig auf Defiziten beruhen, die gerade nicht kurzfristig behoben werden können (vgl. Lenze, a.a.O.). Dem Grundsicherungsträger bleibt es so zwar unbenommen, wegen der immer wieder zu aktualisierenden Prognose die Leistungen nach § 28 Abs. 5 SGB II für kürzere Zeiträume (z. B. halbjahresweise) zu bewilligen; er kann jedoch nicht bei im Einzelfall bestehender Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Leistungen diese allein unter Verweis auf die etwaige, schon seit längerem erbrachte Leistungen ablehnen.
d) Hinsichtlich der Angemessenheit der Einzelnachhilfe beim Studiertreff F bestehen in Übereinstimmung mit dem SG keine Bedenken. Die Leistung hält sich im Rahmen der örtlichen Angebotsstruktur und den ortsüblichen Sätzen (vgl. hierzu BT-Drs. 17/3404 S. 105). Kostengünstigere, gleich geeignete Maßnahmen sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist zu beachten, dass die Lernförderung bei der diagnostizierten LRS durch eine Fachkraft erfolgen muss (vgl. auch Lenze in LPK-SGB I, 5. Aufl., § 28 RdNr. 26).
III.
Mit dieser Entscheidung ist zugleich der Hilfsantrag des Antragsgegners auf Aussetzung der Vollstreckung nach § 199 Abs. 2 SGG erledigt.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache. Diese Entscheidung ist endgültig, § 177 SGG.
Schmidt Korneli Salomo
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