Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
-
Aktenzeichen
keine Vorinstanz
Datum
-
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AS 1232/14 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Aufforderung zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente
1. Die auf § 5 Abs. 3 S. 1 SGB II gestützte Aufforderung an einen Leistungsberechtigten, eine vorrangige Leistung bei einem anderen Leistungsträger zu beantragen, steht zwar im Ermessen des SGB II-Leistungsträgers.
2. Soweit der Leistungsberechtigte aber nach § 12a SGB II zur Inanspruchnahme der anderen Leistung verpflichtet ist, liegt ein intendiertes Ermessen vor mit der Folge, dass eine die Interessen des Leistungsberechtigten mit dem öffentlichen Interesse im Einzelnen abwägende Ermessensentscheidung nur in atypischen Fällen erforderlich ist, insbesondere dann, wenn die erzwungene Inanspruchnahme der anderen Leistung mit einem außergewöhnlichen Nachteil verbunden ist, der eine unangemessene (unbillige) Härte begründen kann.
3. Bei der Aufforderung zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente liegt ein atypischer Fall nicht schon dann vor, wenn der Leistungsberechtigte bei Bezug einer vorzeitigen Altersrente auf ergänzende Leistungen nach dem SGB XII angewiesen wäre. Dies gilt unabhängig davon, ob die abschlagfreie Altersrente bedarfsdeckend wäre oder nicht.
4. Kein außergewöhnlicher Nachteil folgt daraus, dass die Anrechnungsvorschriften bei Einkommen aus geringfügiger Beschäftigung in der Sozialhilfe (§ 82 Abs. 3 SGB XII) ungünstiger sind als in der Grundsicherung für Arbeitsuchende (§ 11b Abs. 2 S. 1, Abs. 3 SGB II).
1. Die auf § 5 Abs. 3 S. 1 SGB II gestützte Aufforderung an einen Leistungsberechtigten, eine vorrangige Leistung bei einem anderen Leistungsträger zu beantragen, steht zwar im Ermessen des SGB II-Leistungsträgers.
2. Soweit der Leistungsberechtigte aber nach § 12a SGB II zur Inanspruchnahme der anderen Leistung verpflichtet ist, liegt ein intendiertes Ermessen vor mit der Folge, dass eine die Interessen des Leistungsberechtigten mit dem öffentlichen Interesse im Einzelnen abwägende Ermessensentscheidung nur in atypischen Fällen erforderlich ist, insbesondere dann, wenn die erzwungene Inanspruchnahme der anderen Leistung mit einem außergewöhnlichen Nachteil verbunden ist, der eine unangemessene (unbillige) Härte begründen kann.
3. Bei der Aufforderung zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente liegt ein atypischer Fall nicht schon dann vor, wenn der Leistungsberechtigte bei Bezug einer vorzeitigen Altersrente auf ergänzende Leistungen nach dem SGB XII angewiesen wäre. Dies gilt unabhängig davon, ob die abschlagfreie Altersrente bedarfsdeckend wäre oder nicht.
4. Kein außergewöhnlicher Nachteil folgt daraus, dass die Anrechnungsvorschriften bei Einkommen aus geringfügiger Beschäftigung in der Sozialhilfe (§ 82 Abs. 3 SGB XII) ungünstiger sind als in der Grundsicherung für Arbeitsuchende (§ 11b Abs. 2 S. 1, Abs. 3 SGB II).
I. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (L 8 AS 780/14) wird abgelehnt.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen.
Die am 1951 geborene Antragstellerin wohnt allein und bezieht seit dem 01.01.2005 laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Antragsgegner bewilligte diese Leistungen u.a. mit Bescheid vom 21.10.2013 für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis 31.05.2014 unter Berücksichtigung des Regelbedarfs für Alleinstehende in Höhe von 382,00 EUR und von Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 309,76 EUR sowie eines monatlich schwankenden Einkommens zwischen 100,00 und 150,00 EUR aufgrund eines Arbeitsverhältnisses als Reinigungskraft.
Nachdem dem Antragsgegner aufgrund einer Bescheinigung der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland (DRV) bekannt geworden war, dass die Antragstellerin eine abschlagsfreie Altersrente ab dem 01.02.2016 beziehen könnte und eine Altersrente mit Abschlägen schon seit dem 01.02.2011 hätte beziehen können, wies er sie mit Bescheid vom 29.07.2013 auf die Pflicht zur Beantragung einer geminderten Altersrente ab Vollendung des 63. Lebensjahres hin und forderte sie unter Fristsetzung bis 22.08.2013 zur umgehenden Rentenantragstellung auf.
Dagegen legte die Antragstellerin mit der Begründung Widerspruch ein, im Falle einer vorzeitigen Altersrente auf "ergänzenden Hartz IV-Bezug" angewiesen zu sein. Mit Bescheid vom 21.10.2013 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin erneut zur umgehenden Beantragung einer vorzeitigen Altersrente auf und setzte hierzu nochmals eine Frist bis zum 14.11.2013. Auch gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin Widerspruch. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens legte sie zwei Kurzauskünfte der DRV vor. Danach würde der Antragstellerin bei Rentenbeginn am 01.02.2014 eine vorzeitige Altersrente für Frauen in Höhe von monatlich 609,42 EUR netto gezahlt (7,2 Prozent Abschlag); bei einem Rentenbeginn am 01.02.2016 betrüge eine abschlagsfreie Altersrente für Frauen auf Basis des damaligen Rentenwerts monatlich 655,53 EUR netto. Der Antragsgegner wies die Widersprüche gegen die Bescheide vom 29.07.2013 und 21.10.2013 mit Bescheid vom 02.12.2013 zurück. Die Antragstellerin sei nach § 12a Satz 2 Nr. 1, § 65 Abs. 4 SGB II ab dem 12.01.2014 zur Beantragung einer Altersrente verpflichtet. Die Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente sei nicht unbillig im Sinne des § 13 Abs. 2 SGB II i.V.m. der Unbilligkeitsverordnung (UnbilligkeitsV). Auch aus einer Abwägung der Interessen der Antragstellerin mit den Interessen der Allgemeinheit ergebe sich im Hinblick auf das Gebot der wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel nicht, dass von der Aufforderung zur Rentenantragstellung abgesehen werden könne. Voraussichtlich würde nicht einmal die abschlagsfreie Altersrente zur Bedarfsdeckung ausreichen, da (nach damaligem Rentenwert) eine Nettorente von voraussichtlich 655,53 EUR einem Bedarf von 691,79 EUR (382,00 EUR Regelbedarf zzgl. 309,76 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung) gegenüberstehen würde. Es sei somit kein mit dem Bezug einer vorzeitigen Altersrente verbundener unzumutbarer Nachteil erkennbar und damit auch kein Grund, vom Grundsatz der Nachrangigkeit der Grundsicherungsleistungen abzuweichen.
Mit Schreiben vom 04.12.2013 beantragte der Antragsgegner bei der DRV für die Antragstellerin eine Altersrente und meldete zugleich einen Erstattungsanspruch an.
Am 27.12.2013 hat die Antragstellerin zum Sozialgericht Leipzig (SG) Klage gegen die Bescheide vom 29.07.2013 und 21.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.12.2013 erhoben. Das SG hat daraufhin mit Gerichtsbescheid vom 13.05.2014 (S 17 AS 4284/13 – juris) diese Bescheide aufgehoben, soweit die Antragstellerin aufgefordert worden sei, eine Altersrente mit Rentenbeginn vor dem 01.02.2014 zu stellen, und den Antragsgegner des Weiteren verpflichtet, seinen Rentenantrag auf die Gewährung einer Altersrente ab 01.02.2014 zu beschränken; im Übrigen hat das SG die Klage abgewiesen. Soweit der Antragsgegner die Antragstellerin aufgefordert habe, "umgehend" einen Rentenantrag zu stellen, habe er das ihm zustehende Ermessen überschritten. Mit der Einschränkung auf einen vorzeitigen Rentenbezug ab 01.02.2014 seien die angegriffenen Bescheide und der Rentenantrag aber nicht zu beanstanden. Die Antragstellerin sei nach § 12a Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB II verpflichtet, die Bewilligung einer Altersrente ab Vollendung des 63. Lebensjahrs zu beantragen, um ihre Hilfebedürftigkeit zu vermindern. Dies gelte ungeachtet dessen, dass diese Rente nicht bedarfsdeckend wäre und somit ergänzend Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Anspruch genommen werden müssten. Zweck des dem Antragsgegner eingeräumten Ermessens sei es lediglich, im Falle einer Unbilligkeit von der Inanspruchnahme des Hilfebedürftigen absehen zu können. Gründe, die eine Unbilligkeit begründen könnten, seien in der Unbilligkeitsverordnung aufgeführt; solche lägen aber, wie der Antragsgegner im Widerspruchsbescheid zu Recht aufgeführt habe, nicht vor. Weitere Ermessenserwägungen seien nicht anzustellen gewesen. Insbesondere sei keine umfassende Abwägung aller für und wider der Inanspruchnahme des Hilfebedürftigen sprechenden Gesichtspunkte vorzunehmen, zumal dies individuell aufwändige Ermittlungen und Überlegungen erfordern würde. Diese beträfen nur die regelmäßig und zwingend eintretenden Folgen des vorzeitigen Rentenbezugs aufgrund des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Alt. 2 SGB II und mithin nur eine vom Gesetzgeber gewollte generelle bzw. ausnahmslos gewollte Konsequenz. Es könne nicht Aufgabe des Grundsicherungsträgers sein, diese Folgen nochmals umfassend zu bedenken und abzuwägen.
Gegen den Gerichtsbescheid vom 13.05.2014 hat die Antragstellerin am 13.06.2014 Berufung zum Sächsischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt (L 8 AS 780/14), über die noch nicht entschieden ist.
Am 15.09.2014 hat die DRV die Antragstellerin unter Hinweis auf den Rentenantrag des Antragsgegners aufgefordert, bis zum 10.10.2014 einen formellen Rentenantrag zu stellen, da die gegen den Rentenantrag gerichtete Klage gemäß § 39 Nr. 3 SGB II keine aufschiebende Wirkung habe.
Daraufhin hat die Antragstellerin am 10.10.2014 beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage (L 8 AS 780/14) gegen die Bescheide vom 29.07.2013 und 21.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.12.2013 anzuordnen.
Der Antragsgegner ist dem Eilantrag entgegengetreten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf gerichtlichen Eilrechtsschutz bleibt erfolglos.
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen die in den Bescheiden vom 29.07.2013 und 21.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.12.2013 enthaltene Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen, ist zulässig.
Dieser Antrag ist gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Denn § 39 Nr. 3 SGB II bestimmt, dass Widerspruch und Anfechtungsklage gegen "einen Verwaltungsakt", "mit dem zur Beantragung einer vorrangigen Leistung aufgefordert wird", keine aufschiebende Wirkung haben. Hieraus ergibt sich zum einen, dass die Aufforderung des Grundsicherungsträgers, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen, als Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) anzusehen ist (vgl. auch Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 16.12.2011 – B 14 AS 138/11 B – juris RdNr. 5; Armbrost in: Münder, SGB II, 5. Aufl., § 5 RdNr. 49; Knickrehm/Hahn in: Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 5 RdNr. 33, jeweils m.w.N.), und zum anderen, dass der Anfechtungsklage gegen derartige Verwaltungsakte, d.h. hier gegen die von der Antragstellerin angegriffenen Bescheide, entgegen der in § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG enthaltenen Regel keine aufschiebende Wirkung zukommt.
Es besteht auch trotz des bereits vom Antragsgegner gestellten Rentenantrags ein Rechtsschutzbedürfnis, weil eine Rente noch nicht bestandskräftig bewilligt worden ist (vgl. hierzu BSG, Beschluss vom 12.06.2013 – B 14 AS 225/12 B – juris RdNr. 5). Da nicht nur die Stellung des Rentenantrags, sondern auch seine Aufrechterhaltung und somit das Verfahren zum Erlass des Rentenbescheids als Teil der Vollziehung der Aufforderung nach § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II anzusehen ist, darf auch das Rentenverfahren bei Anordnung der aufschiebenden Wirkung vom Rentenversicherungsträger nicht weiterbetrieben werden (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.09.2014 – L 2 R 430/14 B ER – juris RdNr. 11). Sollte ein Rentenversicherungsträger in einem solchen Fall gleichwohl einen Rentenbescheid erlassen wollen, spricht vieles dafür, dass er notfalls im Rahmen einer Anordnung gemäß § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG nach Beiladung (vgl. dazu Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 75 RdNr. 5) verpflichtet werden kann, vorläufig keinen Rentenbescheid zu erteilen. Kaum in Betracht kommt dagegen die Anordnung der Rücknahme des Rentenantrags, weil damit aufgrund der materiell-rechtlichen Wirkungen nach § 99 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) eine partielle Vorwegnahme der Hauptsache eintreten würde (für diese Lösung aber LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10.12.2014 – L 2 AS 520/14 B ER – juris RdNr. 27).
2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.
Voraussetzung für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Satz 1 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 SGG ist, dass die Interessen des Einzelnen an der aufschiebenden Wirkung das öffentliche Interesse am Vollzug des Bescheides ausnahmsweise überwiegen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 86b RdNr. 12c). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mit der Regelung in § 39 Nr. 3 SGB II dem öffentlichen Interesse an dem sofortigen Vollzug grundsätzlich den Vorrang vor dem Interesse an einem Aufschub der Vollziehung eingeräumt hat (Sächsisches LSG, Beschluss vom 28.08.2014 – L 7 AS 836/14 B ER – juris RdNr. 21; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.05.2013 – L 19 AS 291/13 B ER – juris RdNr. 17). Im Übrigen orientiert sich die Abwägung an den – summarisch zu prüfenden – Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Je geringer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind, umso gewichtiger müssen die gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen des Antragstellers sein (Sächsisches LSG, Beschluss vom 23.06.2014 – L 3 AS 88/12 B ER – juris RdNr. 30).
Nach diesen Maßstäben ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen, da die angegriffenen Bescheide vom 29.07.2013 und 21.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.12.2013 nach summarischer Prüfung nicht zu beanstanden sind und die Hauptsache demzufolge aller Voraussicht nach nicht erfolgreich sein wird.
Rechtsgrundlage für die hier streitige Aufforderung ist § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II. Danach können Leistungsträger einen Antrag auf Leistungen eines anderen Trägers stellen sowie Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen, wenn der Leistungsberechtigte einen erforderlichen Antrag auf Leistungen eines anderen Trägers trotz Aufforderung nicht selbst stellt.
Der Antragsgegner ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Antragstellerin zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente verpflichtet war (dazu a). Die Aufforderung an den Leistungsberechtigten, eine solche Sozialleistung zu beantragen, steht im Ermessen des SGB II-Leistungsträgers (dazu b). Dabei ist von einem intendiertem Ermessen auszugehen, sodass eine näher begründete Abwägungsentscheidung nur dann erforderlich ist, wenn ein atypischer Fall vorliegt (dazu c). Für einen atypischen Fall ist hier nichts ersichtlich (dazu d), weshalb die vom Antragsgegner jedenfalls noch im Widerspruchsbescheid getroffene Ermessensentscheidung nicht zu beanstanden ist (dazu e).
a) Die Regelung in § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II setzt eine Pflicht des Leistungsberechtigten voraus, einen Antrag auf mögliche Sozialleistungen eines anderen Trägers zu stellen (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.05.2013 – L 19 AS 291/13 B ER – juris RdNr. 20). Diese Pflicht ergibt sich schon aus den Nachrangregelungen in den §§ 5, 7 und 9 SGB II. Sie wird vom Gesetzgeber zusätzlich in § 12a Satz 1 SGB II klargestellt (vgl. BT-Drucks. 16/7460, S. 12). Demnach sind Leistungsberechtigte verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist. Der Antragsgegner ist vorliegend zu Recht davon ausgegangen, dass die Antragstellerin nach § 12a Satz 1 SGB II verpflichtet war, ab Vollendung des 63. Lebensjahrs eine vorzeitige Altersrente in Anspruch zu nehmen.
Insoweit ist zunächst unstreitig, dass der Antragstellerin seit dem 01.02.2011 eine vorzeitige Rente wegen Alters zustehen würde (hier: Altersrente für Frauen gemäß § 237a SGB VI) und dass sie somit im Sinne des § 12a Satz 1 SGB II eine Sozialleistung eines anderen Trägers in Anspruch nehmen kann, die zur Verminderung ihrer Hilfebedürftigkeit beitragen würde. In zeitlicher Hinsicht bestand die Pflicht, diese vorzeitige Altersrente in Anspruch zu nehmen, gemäß § 12a Satz 2 Nr. 1 SGB II erst nach Vollendung des 63. Lebensjahrs. Aus § 65 Abs. 4 SGB II ergibt sich keine Ausnahme von der Regelung in § 12a Satz 1 SGB II, da die Antragstellerin am 01.01.2008 das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte (vgl. zu diesen Fällen Sächsisches LSG, Beschluss vom 03.11.2010 – L 7 AS 677/10 B ER – juris RdNr. 21).
Es lag auch keine der Fallgruppen vor, in denen Leistungsberechtigte nach der UnbilligkeitsV, die in Wahrnehmung der Ermächtigung aus § 13 Abs. 2 SGB II erlassen wurde, nach Vollendung des 63. Lebensjahrs ausnahmsweise zur Vermeidung von Unbilligkeiten nicht verpflichtet sind, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen. Die Antragstellerin hatte nicht, wie § 2 UnbilligkeitsV verlangt, einen Anspruch auf Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch. Sie konnte auch nicht im Sinne des § 3 UnbilligkeitsV "in nächster Zukunft", d.h. demnächst bzw. innerhalb von drei Monaten (vgl. dazu Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand: Januar 2013, § 12a RdNr. 88 m.w.N.), sondern erst ab 01.02.2016 ohne Abschläge in Altersrente gehen. Ferner war sie nicht, wie nach § 4 UnbilligkeitsV erforderlich wäre, sozialversicherungspflichtig beschäftigt oder erzielte aus sonstiger Erwerbstätigkeit ein entsprechend hohes Einkommen (gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IV] mehr als 450,00 EUR). Schließlich lag auch kein Fall des § 5 UnbilligkeitsV vor, weil die Antragstellerin keine bevorstehende sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit mit einem entsprechend hohen Einkommen glaubhaft gemacht hat.
Soweit des Weiteren § 1 UnbilligkeitsV bestimmt, dass "Hilfebedürftige nach Vollendung des 63. Lebensjahres nicht verpflichtet [sind], eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen, wenn die Inanspruchnahme unbillig wäre", ist dies nicht dahingehend zu verstehen, dass hiermit durch Rechtsverordnung die Unbilligkeit – im Sinne eines unbestimmten Rechtsbegriffs – als negative Voraussetzung für die von Gesetzes wegen (nach § 12a SGB II) bestehende Pflicht zur Inanspruchnahme einer Altersrente statuiert werden soll (so wohl Hengelhaupt in: Hauck/ Noftz, SGB II, Stand: Januar 2013, § 12a RdNr. 80, der die §§ 2 bis 5 UnbilligkeitsV als Regelbeispiele des § 1 UnbilligkeitsV auffasst). Denn § 13 Abs. 2 SGB II ermächtigt den Verordnungsgeber nur zu bestimmen, "unter welchen Voraussetzungen und für welche Dauer" die Inanspruchnahme der Altersrente unbillig ist, d.h. er darf lediglich "eng umgrenzte Fälle" der Unbilligkeit definieren (vgl. BT-Drucks. 16/7460, S. 12; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.05.2013 – L 19 AS 291/13 B ER – juris RdNr. 22 f.). Jedoch hat der Leistungsträger ungeachtet der Reichweite der Tatbestände der §§ 2 bis 5 UnbilligkeitsV, wie nachfolgend aufzuzeigen ist, im Rahmen der Ermessensausübung zu prüfen, ob im Einzelfall die erzwungene Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente mit einer unbilligen Härte verbunden sein könnte.
b) Die bei einer Pflicht nach § 12a Satz 1 SGB II an den Leistungsberechtigten gerichtete Aufforderung des Leistungsträgers nach § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II, die Sozialleistung bei einem anderen Träger zu beantragen, ist eine Ermessensentscheidung.
§ 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II bestimmt, dass Leistungsträger erforderliche Anträge auf Leistungen eines anderen Trägers stellen "können". Dies ist nicht in dem Sinne zu verstehen, dass ihnen lediglich eine Befugnis zur Antragstellung eingeräumt wird (sog. "Kompetenz-Kann", vgl. dazu BSG, Urteil vom 08.02.2007 – B 7a AL 36/06 R – juris RdNr. 14), sondern dahingehend, dass ihnen auch ein Ermessen hinsichtlich der Frage zustehen soll, ob sie für an sich nach § 12a Satz 1 SGB II zur Antragstellung verpflichtete Leistungsberechtigte ersatzweise Anträge stellen (sog. "Ermessens-Kann"; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.10.2014 – L 7 AS 886/14 – juris RdNr. 31; Sächsisches LSG, Beschluss vom 28.08.2014 – L 7 AS 836/14 B ER – juris RdNr. 24; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.05.2013 – L 19 AS 291/13 B ER – juris RdNr. 19). Dies muss schon deshalb gelten, weil sich die Inanspruchnahme von Sozialleistungen nach § 5 Abs. 3, § 12a Satz 1 SGB II als eine Verwertung von Vermögenspositionen zur Minderung bedarfsabhängiger Sozialleistungen darstellt, die insbesondere dann, wenn es sich wie bei der Altersrente nach §§ 35 ff. SGB VI um eigentumsrechtlich geschützte Positionen handelt (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 11.01.2011 – 1 BvR 3588/08 u.a. – juris RdNr. 28), aus Verfassungsgründen unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit steht (vgl. z.B. BVerfG, Kammerbeschluss vom 15.01.2007 – 1 BvR 2971/06 – juris RdNr. 17), d.h. verhältnismäßig, insbesondere angemessen, sein muss (Knickrehm, Soziale Sicherheit, 2008, 192, 195). Von daher muss auch im Regelungszusammenhang der § 5 Abs. 3, § 12a Satz 1 SGB II – ähnlich wie für das übrige Vermögen in § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II bestimmt – generell eine Möglichkeit bestehen, besonderen, nicht von der UnbilligkeitsV und § 12a Satz 2 Nr. 1 SGB II erfassten Härtefällen Rechnung zu tragen, was nur durch die Eröffnung von Ermessen erreicht werden kann (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18.11.2014 – L 10 AS 2254/14 B ER – juris RdNr. 15). Dabei ist zu berücksichtigen, dass von Anträgen nach § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II nicht nur Altersrenten betroffen sein können, sondern eine Vielzahl weiterer Sozialleistungen (Übersicht bei Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand: Januar 2013, § 12a RdNr. 35 bis 158), die unter Umständen ebenfalls dem Eigentumsschutz unterfallen (vgl. zum Krankengeld BVerfG, Beschluss vom 24.03.1998 – 1 BvL 6/92 – juris RdNr. 26 ff.).
Die folglich erforderliche Ermessensausübung muss entgegen dem insoweit missverständlichen Wortlaut des § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II nicht erst bei der ersatzweisen Antragstellung durch den Leistungsträger erfolgen, sondern bereits bei der Aufforderung zur Antragstellung (z.B. Knickrehm/Hahn in: Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 5 RdNr. 35). Dies gilt zumal dann, wenn man die Aufforderung als einen Verwaltungsakt ansieht (dazu oben unter 1), der nur rechtmäßig sein kann, wenn auch die Antragstellung rechtmäßig wäre.
c) Das nach vorstehenden Erwägungen bei einer Aufforderung nach § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II vom Leistungsträger auszuübende Ermessen ist nach dem Regelungszusammenhang und -zweck ein intendiertes Ermessen (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18.11.2014 – L 10 AS 2254/14 B ER – juris RdNr. 16).
Von einem intendierten Ermessen ist – soweit nicht schon dem Wortlaut nach eine Sollvorschrift vorliegt – auszugehen, wenn die Auslegung des Gesetzes nach dem Zweck der Ermächtigung (vgl. auch § 54 Abs. 2 SGG) ergibt, dass der Behörde für den Regelfall eine bestimmte Entscheidung vorgegeben sein soll (z.B. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., § 114 RdNr. 21b m.w.N.; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 54 RdNr. 25). Dies ist bei § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II der Fall. Denn die dort vorausgesetzte Pflicht des Leistungsberechtigten, eine vorrangige Sozialleistung in Anspruch zu nehmen, ist bereits in § 12a Satz 1 SGB II geregelt (wobei für die vorzeitige Altersrente die Ausnahmebestimmungen der § 12a Satz 2 Nr. 1 und § 65 Abs. 4 SGB II sowie § 13 Abs. 2 SGB II i.V.m. §§ 2 bis 5 UnbilligkeitsV gelten). Demgegenüber betrifft die Ermessensvorschrift des § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II nur die Durchsetzung dieser Pflicht und regelt damit letztlich eine besondere Form des Verwaltungszwangs (vgl. zu diesem Begriff §§ 6 ff. Verwaltungsvollstreckungsgesetz). Für die Befugnis, einen derartigen Zwang ausüben zu können, besteht ein Bedürfnis, weil nicht beantragte Sozialleistungen – trotz der Nachrangigkeit der SGB II-Leistungen (siehe oben unter 2a) – nicht als fiktives Einkommen oder Vermögen im Sinne der §§ 11, 12 SGB II berücksichtigt werden dürfen. Das Gesetz räumt also dem SGB II-Leistungsträger in § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II Ermessen nicht im Hinblick auf die Frage ein, ob die andere Sozialleistung in Anspruch zu nehmen ist, sondern nur im Hinblick auf die Frage, ob eine Pflicht zur Inanspruchnahme auch zwangsweise durchgesetzt wird.
Daher kann es insbesondere im Fall der Pflicht zur Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente nach § 12a Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB II nicht Aufgabe des Leistungsträgers sein, im Rahmen der Ermessensausübung die regelmäßig damit verbundenen nachteiligen, aber vom Gesetzgeber grundsätzlich gebilligten Konsequenzen nochmals in eine Abwägung einzustellen (so zu Recht SG Leipzig, Gerichtsbescheid vom 13.05.2014 – S 17 AS 4284/13 – juris RdNr. 23). Bei der Frage, ob die Inanspruchnahme der vorrangigen Sozialleistung erzwungen werden darf, ist nicht ersichtlich, weshalb der Leistungsträger – anders als sonst bei Einkommen und Vermögen im Sinne von §§ 11, 12 SGB II – hinsichtlich der Verwertung dieser Rechte bzw. Anwartschaften ein offenes Ermessen sollte ausüben müssen. Soweit der Leistungsberechtigte nach § 12a Satz 1 SGB II zur Inanspruchnahme der anderen Sozialleistung gesetzlich verpflichtet ist, muss der Leistungsträger diesen vielmehr im Regelfall auch auffordern dürfen, seiner Pflicht nachzukommen, und notfalls ersatzweise selbst den Antrag stellen.
Eine die Interessen des Leistungsberechtigten mit dem öffentlichen Interesse im Einzelnen abwägende Ermessensentscheidung ist im Rahmen des § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II deshalb nur in atypischen Fällen und insbesondere dann erforderlich, wenn die erzwungene Inanspruchnahme der anderen Sozialleistung mit einem außergewöhnlichen Nachteil für den Leistungsberechtigten verbunden wäre, der eine unangemessene ("unbillige") Härte begründen könnte (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18.11.2014 – L 10 AS 2254/14 B ER – juris RdNr. 16; ähnlich LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.10.2014 – L 7 AS 886/14 RdNr. 32; anderer Ansicht LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10.12.2014 – L 2 AS 520/14 B ER – juris RdNr. 24 ff., SG Dresden, Beschluss vom 21.02.2014 – S 28 AS 567/14 ER juris RdNr. 24 ff.). Soweit dagegen keine Umstände offensichtlich sind oder sich nach den Umständen des Falles aufdrängen, die einen atypischen Fall begründen, versteht sich das Ergebnis der Abwägung von selbst und muss dementsprechend auch nicht nach § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X weitergehend begründet werden (vgl. zur Abwägung und Begründung beim intendierten Ermessen Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23.05.1996 – 3 C 13/94 – juris RdNr. 51; Borowski, DVBl 2000, 149, 150 f., 155; siehe auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.05.2013 – L 19 AS 291/13 B ER – juris RdNr. 27 f., wonach die Frage, ob ein atypischer Fall vorliegt, der Abwägung vorgelagert sei; ähnlich bei Sollvorschriften BSG, Urteil vom 06.08.2014 – B 4 AS 37/13 R – juris RdNr. 19).
d) Ein atypischer Fall im vorstehenden Sinne liegt hier jedoch nicht vor.
Dass die Antragstellerin ab 01.02.2016 eine höhere abschlagfreie Altersrente beziehen könnte, ist kein Umstand, der einen atypischen Fall begründen kann. Denn nach dem Regelungskonzept des Gesetzgebers, wie es in § 12a Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB II zum Ausdruck gekommen ist, soll eine mögliche vorzeitige Altersrente ab dem 63. Lebensjahr regelmäßig in Anspruch genommen werden – und dies obwohl damit gemäß § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI in jedem Fall die Rechtsfolge verbunden ist, dass die Rente lebenslang mit Abschlägen versehen ist (vgl. BT-Drucks. 16/7460, S. 12: "Damit wird einheitlich für alle Hilfebedürftigen ein Alter festgelegt, ab dem sie eine vorzeitige Altersrente mit Abschlägen in Anspruch zu nehmen haben."; siehe auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.10.2014 – L 7 AS 886/14 – juris RdNr. 30).
Demnach kann zunächst in den Fällen, in denen nicht nur die abschlagfreie, sondern auch die vorzeitige Altersrente bedarfsdeckend wäre, der bloße Umstand der niedrigeren Rentenleistung keinen atypischen Fall begründen (vgl. z.B. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19.08.2014 – L 4 AS 159/14 B ER – juris RdNr. 27 f.).
Ein atypischer Fall liegt ferner nicht schon dann vor, wenn die vorzeitige Altersrente des Leistungsberechtigten, die nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II ergänzende Leistungen nach dem SGB II ausschließt, nicht bedarfsdeckend sein würde und er daher Leistungen nach dem SGB XII (Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 27 ff. SGB XII, nach Erreichen der Altersgrenze Grundsicherung im Alter nach §§ 41 ff. SGB XII), ggf. alternativ Wohngeld in Anspruch nehmen müsste (ausführlich dazu LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18.11.2014 – L 10 AS 2254/14 B ER – juris RdNr. 17; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.10.2014 – L 7 AS 886/14 – juris RdNr. 32; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.05.2013 – L 7 AS 525/13 B ER u.a. – juris RdNr. 22). Denn allein der Wechsel vom SGB II zum SGB XII kann nicht als unbillig gewertet werden. Dies gilt erst recht, wenn sogar die abschlagsfreie Altersrente so niedrig sein würde, dass voraussichtlich ein Leistungsbezug nach dem SGB XII erforderlich würde (vgl. Sächsisches LSG, Beschluss vom 28.08.2014 – L 7 AS 836/14 B ER – juris RdNr. 38; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.05.2013 – L 7 AS 525/13 B ER u.a. – RdNr. 22 f.).
Ebenso wenig leuchtet aber ein, weshalb für diejenigen Leistungsempfänger, die eine voraussichtlich bedarfsdeckende abschlagsfreie Altersrente beziehen könnten, jedoch bei Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente weitere Sozialleistungen beantragen müssten – die also zwischen der erstgenannten Fallgruppe mit einer bedarfsdeckenden vorzeitigen Altersrente und der zweitgenannten Fallgruppe einer nicht bedarfsdeckenden abschlagsfreien Altersrente liegen – grundsätzlich etwas anderes gelten sollte. Denn indem auch diese Leistungsberechtigten bei Bezug einer vorzeitigen Altersrente ergänzend Sozialleistungen mindestens auf Grundsicherungsniveau – nämlich Wohngeld oder notfalls Leistungen nach dem SGB XII – erhalten, wird ihre Rentenminderung gemildert. So gesehen sind sie wirtschaftlich weniger hart betroffen als diejenigen, deren vorzeitige Altersrente bedarfsdeckend ist (ggf. sogar nur in etwa auf Grundsicherungsniveau) und die somit die Rentenabschläge im vollen Umfang als dauerhafte Einbuße hinnehmen müssen.
Von daher ist es nicht Aufgabe des Leistungsträgers, im Rahmen der Ermessensausübung nach § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II den Versuch einer Schätzung zu unternehmen, ob die – ggf. erst nach Jahren zu zahlende – abschlagsfreie Altersrente voraussichtlich bedarfsdeckend sein würde. Eine solche Schätzung wäre ohnehin äußerst unsicher, da die künftige Höhe der Rentenwerte, Regelsätze, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge wie auch der Kosten der Unterkunft und Heizung (Energiepreise, Witterung im Winter usw.) nur mit großen Unsicherheiten vorhergesagt werden könnten. So ist vorliegend nicht einmal klar, dass die abschlagsfreie Altersrente der Antragstellerin bedarfsdeckend sein könnte. Ausgehend vom Leistungsbescheid des Antragsgegners vom 10.06.2014 wäre – nach einer Erhöhung der Kosten der Unterkunft und Heizung – sogar von einem Bedarf in Höhe von 703,46 EUR auszugehen gewesen, dem nach damaligem Rentenwert eine abschlagsfreie Altersrente in Höhe von nur 655,53 EUR netto gegenübergestanden wäre.
Atypische Fälle erscheinen jedoch denkbar, wenn mit dem durch die vorzeitige Altersrente erzwungenen Wechsel in die Sozialhilfe im konkreten Einzelfall außergewöhnliche Nachteile einhergehen. In Betracht zu ziehen ist dies insbesondere dann, wenn nicht nur die Altersrente abgesenkt wird und dadurch die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB XII erforderlich wird, sondern darüber hinaus erhebliches Schonvermögen im Sinne von § 12 Abs. 2 und 3 SGB II des Leistungsberechtigten oder seines Einstandspartners verloren ginge, das nach § 90 Abs. 2 und 3 SGB XII nicht geschützt wäre (zur selbstgenutzten Immobilie, die u.U. nach § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II umfassender als nach § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII geschützt sein kann: Geiger in: Münder, SGB II, 5. Aufl., § 12 RdNr. 55 m.w.N.; zur Verwertungspflicht bei Vermögen, das gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II der Altersvorsorge dient, vgl. auch BSG, Urteil vom 25.08.2011 – B 8 SO 19/10 R – juris RdNr. 18).
Im Fall der Antragstellerin ist ein außergewöhnlicher Nachteil im vorstehenden Sinne jedoch nicht anzunehmen. Insbesondere vermögen die nachteiligeren Absetzbeträge bei geringfügiger Beschäftigung nach § 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XII (30 Prozent) im Vergleich zur Regelung nach § 11b Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB II (100,00 EUR Grundfreibetrag und 20 Prozent des 100,00 EUR übersteigenden Betrags) keinen atypischen Fall zu begründen (so aber LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.05.2014 – L 7 AS 545/14 B ER – juris RdNr. 25; vgl. dagegen LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.06.2012 – L 2 AS 573/12 – juris RdNr. 2, 7 und 19). Es spricht schon vieles dafür, dass der Verordnungsgeber mit § 4 UnbilligkeitsV eine abschließende Ermessensdirektive vorgeben wollte, wonach der Bezug von Entgelten aus geringfügiger Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV (die bei Bezug einer Vollrente gemäß § 34 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI anrechnungsfrei bleiben) generell keine unbillige Härte darstellt. Im Ergebnis können die Anrechnungsvorschriften für Einkommen jedoch auch deshalb keine unbillige Härte zur Folge haben, weil die unterschiedlichen Absetzbeträge nach dem SGB XII und SGB II im Vergleich zu den Einbußen, die Leistungsberechtigte mit einer bedarfsdeckenden vorzeitigen Altersrente im Regelfall hinzunehmen haben, vergleichsweise gering sind. Bei einem Maximalverdienst nach § 4 UnbilligkeitsV von 450,00 EUR monatlich sind nach SGB XII 135,00 EUR anrechnungsfrei und nach SGB II 170,00 EUR, sodass die Differenz gerade einmal 35,00 EUR beträgt. Der höchste Differenzbetrag ergibt sich, wenn genau 100,00 EUR monatlich verdient werden, die nach SGB II komplett anrechnungsfrei bleiben, wogegen nach SGB XII 30 Prozent, d.h. 30,00 EUR, anrechnungsfrei bleiben. Dabei ist nicht erkennbar, weshalb ausgerechnet derart geringfügige Beschäftigungen, bei denen wie im Fall der Antragstellerin ein Entgelt von nur knapp über 100,00 EUR monatlich erzielt wird, eine besondere, ggf. einen Härtefall begründende Schutzwürdigkeit zukommen soll. Im Übrigen könnte gerade die Antragstellerin unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung ihren Bedarf (nach letztem Stand 703,46 EUR, siehe oben) bei einer vorzeitigen Altersrente in Höhe von 609,42 EUR netto (gemäß Auskunft der DRV 679,02 EUR abzgl. 55,68 EUR Kranken- und 13,92 EUR Pflegeversicherungsbeitrag) und einem Einkommen aus geringfügiger Beschäftigung in Höhe von über 100,00 EUR netto in etwa auch ohne den Bezug von Sozialleistungen decken.
Weitere besondere Nachteile, die im Falle einer vorzeitigen Altersrente mit ergänzendem Bezug von Leistungen nach dem SGB XII entstehen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere ist auch nicht behauptet worden, dass weitere Versuche zur Eingliederung der Antragstellerin in den Arbeitsmarkt noch erfolgversprechend sein könnten (vgl. auch die Auffassung des LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 05.11.2014 – L 25 AS 2731/14 B ER – juris RdNr. 9). Ausweislich der in der Hauptsache vorliegenden Rentenauskunft ging die Antragstellerin seit dem 01.01.2005 keiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung mehr nach.
e) Die Ermessensentscheidung des Antragsgegners ist daher nicht zu beanstanden. Zwar hat der Antragsgegner erst im Widerspruchsbescheid vom 02.12.2014 zum Ausdruck gebracht, dass er überhaupt eine Ermessensentscheidung treffen wollte. Die in den Ausgangsbescheiden vom 29.07.2013 und 21.10.2013 ausgefallene Ermessensentscheidung konnte aber im Widerspruchsverfahren nachgeholt werden (vgl. BSG, Urteil vom 22. August 2000 – B 2 U 33/99 R – juris RdNr. 17; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.10.2014 – L 7 AS 886/14 – juris RdNr. 32; Sächsisches LSG, Urteil vom 16.10.2014 – L 2 U 59/11 –, juris RdNr. 56; Sächsisches OVG, Beschluss vom 29.04.2014 – 3 A 309/12 – juris RdNr. 12; zur Rechtsgrundlage Schütze in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl., § 41 RdNr. 11). Da im Fall der Antragstellerin kein atypischer Fall ersichtlich ist, durfte der Antragsgegner es zur Begründung bei dem Hinweis belassen, dass mit der Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente keine unzumutbaren Nachteile verbunden seien und deshalb kein Grund für ein Abweichen von der regelmäßig gebotenen Aufforderung zur Antragstellung gegeben sei.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG.
IV.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Dr. Wahl Kirchberg Stinshoff
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen.
Die am 1951 geborene Antragstellerin wohnt allein und bezieht seit dem 01.01.2005 laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Antragsgegner bewilligte diese Leistungen u.a. mit Bescheid vom 21.10.2013 für den Zeitraum vom 01.12.2013 bis 31.05.2014 unter Berücksichtigung des Regelbedarfs für Alleinstehende in Höhe von 382,00 EUR und von Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 309,76 EUR sowie eines monatlich schwankenden Einkommens zwischen 100,00 und 150,00 EUR aufgrund eines Arbeitsverhältnisses als Reinigungskraft.
Nachdem dem Antragsgegner aufgrund einer Bescheinigung der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland (DRV) bekannt geworden war, dass die Antragstellerin eine abschlagsfreie Altersrente ab dem 01.02.2016 beziehen könnte und eine Altersrente mit Abschlägen schon seit dem 01.02.2011 hätte beziehen können, wies er sie mit Bescheid vom 29.07.2013 auf die Pflicht zur Beantragung einer geminderten Altersrente ab Vollendung des 63. Lebensjahres hin und forderte sie unter Fristsetzung bis 22.08.2013 zur umgehenden Rentenantragstellung auf.
Dagegen legte die Antragstellerin mit der Begründung Widerspruch ein, im Falle einer vorzeitigen Altersrente auf "ergänzenden Hartz IV-Bezug" angewiesen zu sein. Mit Bescheid vom 21.10.2013 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin erneut zur umgehenden Beantragung einer vorzeitigen Altersrente auf und setzte hierzu nochmals eine Frist bis zum 14.11.2013. Auch gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin Widerspruch. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens legte sie zwei Kurzauskünfte der DRV vor. Danach würde der Antragstellerin bei Rentenbeginn am 01.02.2014 eine vorzeitige Altersrente für Frauen in Höhe von monatlich 609,42 EUR netto gezahlt (7,2 Prozent Abschlag); bei einem Rentenbeginn am 01.02.2016 betrüge eine abschlagsfreie Altersrente für Frauen auf Basis des damaligen Rentenwerts monatlich 655,53 EUR netto. Der Antragsgegner wies die Widersprüche gegen die Bescheide vom 29.07.2013 und 21.10.2013 mit Bescheid vom 02.12.2013 zurück. Die Antragstellerin sei nach § 12a Satz 2 Nr. 1, § 65 Abs. 4 SGB II ab dem 12.01.2014 zur Beantragung einer Altersrente verpflichtet. Die Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente sei nicht unbillig im Sinne des § 13 Abs. 2 SGB II i.V.m. der Unbilligkeitsverordnung (UnbilligkeitsV). Auch aus einer Abwägung der Interessen der Antragstellerin mit den Interessen der Allgemeinheit ergebe sich im Hinblick auf das Gebot der wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel nicht, dass von der Aufforderung zur Rentenantragstellung abgesehen werden könne. Voraussichtlich würde nicht einmal die abschlagsfreie Altersrente zur Bedarfsdeckung ausreichen, da (nach damaligem Rentenwert) eine Nettorente von voraussichtlich 655,53 EUR einem Bedarf von 691,79 EUR (382,00 EUR Regelbedarf zzgl. 309,76 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung) gegenüberstehen würde. Es sei somit kein mit dem Bezug einer vorzeitigen Altersrente verbundener unzumutbarer Nachteil erkennbar und damit auch kein Grund, vom Grundsatz der Nachrangigkeit der Grundsicherungsleistungen abzuweichen.
Mit Schreiben vom 04.12.2013 beantragte der Antragsgegner bei der DRV für die Antragstellerin eine Altersrente und meldete zugleich einen Erstattungsanspruch an.
Am 27.12.2013 hat die Antragstellerin zum Sozialgericht Leipzig (SG) Klage gegen die Bescheide vom 29.07.2013 und 21.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.12.2013 erhoben. Das SG hat daraufhin mit Gerichtsbescheid vom 13.05.2014 (S 17 AS 4284/13 – juris) diese Bescheide aufgehoben, soweit die Antragstellerin aufgefordert worden sei, eine Altersrente mit Rentenbeginn vor dem 01.02.2014 zu stellen, und den Antragsgegner des Weiteren verpflichtet, seinen Rentenantrag auf die Gewährung einer Altersrente ab 01.02.2014 zu beschränken; im Übrigen hat das SG die Klage abgewiesen. Soweit der Antragsgegner die Antragstellerin aufgefordert habe, "umgehend" einen Rentenantrag zu stellen, habe er das ihm zustehende Ermessen überschritten. Mit der Einschränkung auf einen vorzeitigen Rentenbezug ab 01.02.2014 seien die angegriffenen Bescheide und der Rentenantrag aber nicht zu beanstanden. Die Antragstellerin sei nach § 12a Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB II verpflichtet, die Bewilligung einer Altersrente ab Vollendung des 63. Lebensjahrs zu beantragen, um ihre Hilfebedürftigkeit zu vermindern. Dies gelte ungeachtet dessen, dass diese Rente nicht bedarfsdeckend wäre und somit ergänzend Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Anspruch genommen werden müssten. Zweck des dem Antragsgegner eingeräumten Ermessens sei es lediglich, im Falle einer Unbilligkeit von der Inanspruchnahme des Hilfebedürftigen absehen zu können. Gründe, die eine Unbilligkeit begründen könnten, seien in der Unbilligkeitsverordnung aufgeführt; solche lägen aber, wie der Antragsgegner im Widerspruchsbescheid zu Recht aufgeführt habe, nicht vor. Weitere Ermessenserwägungen seien nicht anzustellen gewesen. Insbesondere sei keine umfassende Abwägung aller für und wider der Inanspruchnahme des Hilfebedürftigen sprechenden Gesichtspunkte vorzunehmen, zumal dies individuell aufwändige Ermittlungen und Überlegungen erfordern würde. Diese beträfen nur die regelmäßig und zwingend eintretenden Folgen des vorzeitigen Rentenbezugs aufgrund des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Alt. 2 SGB II und mithin nur eine vom Gesetzgeber gewollte generelle bzw. ausnahmslos gewollte Konsequenz. Es könne nicht Aufgabe des Grundsicherungsträgers sein, diese Folgen nochmals umfassend zu bedenken und abzuwägen.
Gegen den Gerichtsbescheid vom 13.05.2014 hat die Antragstellerin am 13.06.2014 Berufung zum Sächsischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt (L 8 AS 780/14), über die noch nicht entschieden ist.
Am 15.09.2014 hat die DRV die Antragstellerin unter Hinweis auf den Rentenantrag des Antragsgegners aufgefordert, bis zum 10.10.2014 einen formellen Rentenantrag zu stellen, da die gegen den Rentenantrag gerichtete Klage gemäß § 39 Nr. 3 SGB II keine aufschiebende Wirkung habe.
Daraufhin hat die Antragstellerin am 10.10.2014 beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage (L 8 AS 780/14) gegen die Bescheide vom 29.07.2013 und 21.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.12.2013 anzuordnen.
Der Antragsgegner ist dem Eilantrag entgegengetreten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf gerichtlichen Eilrechtsschutz bleibt erfolglos.
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen die in den Bescheiden vom 29.07.2013 und 21.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.12.2013 enthaltene Aufforderung, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen, ist zulässig.
Dieser Antrag ist gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Denn § 39 Nr. 3 SGB II bestimmt, dass Widerspruch und Anfechtungsklage gegen "einen Verwaltungsakt", "mit dem zur Beantragung einer vorrangigen Leistung aufgefordert wird", keine aufschiebende Wirkung haben. Hieraus ergibt sich zum einen, dass die Aufforderung des Grundsicherungsträgers, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen, als Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) anzusehen ist (vgl. auch Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 16.12.2011 – B 14 AS 138/11 B – juris RdNr. 5; Armbrost in: Münder, SGB II, 5. Aufl., § 5 RdNr. 49; Knickrehm/Hahn in: Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 5 RdNr. 33, jeweils m.w.N.), und zum anderen, dass der Anfechtungsklage gegen derartige Verwaltungsakte, d.h. hier gegen die von der Antragstellerin angegriffenen Bescheide, entgegen der in § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG enthaltenen Regel keine aufschiebende Wirkung zukommt.
Es besteht auch trotz des bereits vom Antragsgegner gestellten Rentenantrags ein Rechtsschutzbedürfnis, weil eine Rente noch nicht bestandskräftig bewilligt worden ist (vgl. hierzu BSG, Beschluss vom 12.06.2013 – B 14 AS 225/12 B – juris RdNr. 5). Da nicht nur die Stellung des Rentenantrags, sondern auch seine Aufrechterhaltung und somit das Verfahren zum Erlass des Rentenbescheids als Teil der Vollziehung der Aufforderung nach § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II anzusehen ist, darf auch das Rentenverfahren bei Anordnung der aufschiebenden Wirkung vom Rentenversicherungsträger nicht weiterbetrieben werden (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.09.2014 – L 2 R 430/14 B ER – juris RdNr. 11). Sollte ein Rentenversicherungsträger in einem solchen Fall gleichwohl einen Rentenbescheid erlassen wollen, spricht vieles dafür, dass er notfalls im Rahmen einer Anordnung gemäß § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG nach Beiladung (vgl. dazu Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 75 RdNr. 5) verpflichtet werden kann, vorläufig keinen Rentenbescheid zu erteilen. Kaum in Betracht kommt dagegen die Anordnung der Rücknahme des Rentenantrags, weil damit aufgrund der materiell-rechtlichen Wirkungen nach § 99 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) eine partielle Vorwegnahme der Hauptsache eintreten würde (für diese Lösung aber LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10.12.2014 – L 2 AS 520/14 B ER – juris RdNr. 27).
2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.
Voraussetzung für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Satz 1 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 SGG ist, dass die Interessen des Einzelnen an der aufschiebenden Wirkung das öffentliche Interesse am Vollzug des Bescheides ausnahmsweise überwiegen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 86b RdNr. 12c). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mit der Regelung in § 39 Nr. 3 SGB II dem öffentlichen Interesse an dem sofortigen Vollzug grundsätzlich den Vorrang vor dem Interesse an einem Aufschub der Vollziehung eingeräumt hat (Sächsisches LSG, Beschluss vom 28.08.2014 – L 7 AS 836/14 B ER – juris RdNr. 21; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.05.2013 – L 19 AS 291/13 B ER – juris RdNr. 17). Im Übrigen orientiert sich die Abwägung an den – summarisch zu prüfenden – Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Je geringer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind, umso gewichtiger müssen die gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen des Antragstellers sein (Sächsisches LSG, Beschluss vom 23.06.2014 – L 3 AS 88/12 B ER – juris RdNr. 30).
Nach diesen Maßstäben ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen, da die angegriffenen Bescheide vom 29.07.2013 und 21.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.12.2013 nach summarischer Prüfung nicht zu beanstanden sind und die Hauptsache demzufolge aller Voraussicht nach nicht erfolgreich sein wird.
Rechtsgrundlage für die hier streitige Aufforderung ist § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II. Danach können Leistungsträger einen Antrag auf Leistungen eines anderen Trägers stellen sowie Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen, wenn der Leistungsberechtigte einen erforderlichen Antrag auf Leistungen eines anderen Trägers trotz Aufforderung nicht selbst stellt.
Der Antragsgegner ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Antragstellerin zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente verpflichtet war (dazu a). Die Aufforderung an den Leistungsberechtigten, eine solche Sozialleistung zu beantragen, steht im Ermessen des SGB II-Leistungsträgers (dazu b). Dabei ist von einem intendiertem Ermessen auszugehen, sodass eine näher begründete Abwägungsentscheidung nur dann erforderlich ist, wenn ein atypischer Fall vorliegt (dazu c). Für einen atypischen Fall ist hier nichts ersichtlich (dazu d), weshalb die vom Antragsgegner jedenfalls noch im Widerspruchsbescheid getroffene Ermessensentscheidung nicht zu beanstanden ist (dazu e).
a) Die Regelung in § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II setzt eine Pflicht des Leistungsberechtigten voraus, einen Antrag auf mögliche Sozialleistungen eines anderen Trägers zu stellen (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.05.2013 – L 19 AS 291/13 B ER – juris RdNr. 20). Diese Pflicht ergibt sich schon aus den Nachrangregelungen in den §§ 5, 7 und 9 SGB II. Sie wird vom Gesetzgeber zusätzlich in § 12a Satz 1 SGB II klargestellt (vgl. BT-Drucks. 16/7460, S. 12). Demnach sind Leistungsberechtigte verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist. Der Antragsgegner ist vorliegend zu Recht davon ausgegangen, dass die Antragstellerin nach § 12a Satz 1 SGB II verpflichtet war, ab Vollendung des 63. Lebensjahrs eine vorzeitige Altersrente in Anspruch zu nehmen.
Insoweit ist zunächst unstreitig, dass der Antragstellerin seit dem 01.02.2011 eine vorzeitige Rente wegen Alters zustehen würde (hier: Altersrente für Frauen gemäß § 237a SGB VI) und dass sie somit im Sinne des § 12a Satz 1 SGB II eine Sozialleistung eines anderen Trägers in Anspruch nehmen kann, die zur Verminderung ihrer Hilfebedürftigkeit beitragen würde. In zeitlicher Hinsicht bestand die Pflicht, diese vorzeitige Altersrente in Anspruch zu nehmen, gemäß § 12a Satz 2 Nr. 1 SGB II erst nach Vollendung des 63. Lebensjahrs. Aus § 65 Abs. 4 SGB II ergibt sich keine Ausnahme von der Regelung in § 12a Satz 1 SGB II, da die Antragstellerin am 01.01.2008 das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte (vgl. zu diesen Fällen Sächsisches LSG, Beschluss vom 03.11.2010 – L 7 AS 677/10 B ER – juris RdNr. 21).
Es lag auch keine der Fallgruppen vor, in denen Leistungsberechtigte nach der UnbilligkeitsV, die in Wahrnehmung der Ermächtigung aus § 13 Abs. 2 SGB II erlassen wurde, nach Vollendung des 63. Lebensjahrs ausnahmsweise zur Vermeidung von Unbilligkeiten nicht verpflichtet sind, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen. Die Antragstellerin hatte nicht, wie § 2 UnbilligkeitsV verlangt, einen Anspruch auf Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch. Sie konnte auch nicht im Sinne des § 3 UnbilligkeitsV "in nächster Zukunft", d.h. demnächst bzw. innerhalb von drei Monaten (vgl. dazu Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand: Januar 2013, § 12a RdNr. 88 m.w.N.), sondern erst ab 01.02.2016 ohne Abschläge in Altersrente gehen. Ferner war sie nicht, wie nach § 4 UnbilligkeitsV erforderlich wäre, sozialversicherungspflichtig beschäftigt oder erzielte aus sonstiger Erwerbstätigkeit ein entsprechend hohes Einkommen (gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IV] mehr als 450,00 EUR). Schließlich lag auch kein Fall des § 5 UnbilligkeitsV vor, weil die Antragstellerin keine bevorstehende sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit mit einem entsprechend hohen Einkommen glaubhaft gemacht hat.
Soweit des Weiteren § 1 UnbilligkeitsV bestimmt, dass "Hilfebedürftige nach Vollendung des 63. Lebensjahres nicht verpflichtet [sind], eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen, wenn die Inanspruchnahme unbillig wäre", ist dies nicht dahingehend zu verstehen, dass hiermit durch Rechtsverordnung die Unbilligkeit – im Sinne eines unbestimmten Rechtsbegriffs – als negative Voraussetzung für die von Gesetzes wegen (nach § 12a SGB II) bestehende Pflicht zur Inanspruchnahme einer Altersrente statuiert werden soll (so wohl Hengelhaupt in: Hauck/ Noftz, SGB II, Stand: Januar 2013, § 12a RdNr. 80, der die §§ 2 bis 5 UnbilligkeitsV als Regelbeispiele des § 1 UnbilligkeitsV auffasst). Denn § 13 Abs. 2 SGB II ermächtigt den Verordnungsgeber nur zu bestimmen, "unter welchen Voraussetzungen und für welche Dauer" die Inanspruchnahme der Altersrente unbillig ist, d.h. er darf lediglich "eng umgrenzte Fälle" der Unbilligkeit definieren (vgl. BT-Drucks. 16/7460, S. 12; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.05.2013 – L 19 AS 291/13 B ER – juris RdNr. 22 f.). Jedoch hat der Leistungsträger ungeachtet der Reichweite der Tatbestände der §§ 2 bis 5 UnbilligkeitsV, wie nachfolgend aufzuzeigen ist, im Rahmen der Ermessensausübung zu prüfen, ob im Einzelfall die erzwungene Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente mit einer unbilligen Härte verbunden sein könnte.
b) Die bei einer Pflicht nach § 12a Satz 1 SGB II an den Leistungsberechtigten gerichtete Aufforderung des Leistungsträgers nach § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II, die Sozialleistung bei einem anderen Träger zu beantragen, ist eine Ermessensentscheidung.
§ 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II bestimmt, dass Leistungsträger erforderliche Anträge auf Leistungen eines anderen Trägers stellen "können". Dies ist nicht in dem Sinne zu verstehen, dass ihnen lediglich eine Befugnis zur Antragstellung eingeräumt wird (sog. "Kompetenz-Kann", vgl. dazu BSG, Urteil vom 08.02.2007 – B 7a AL 36/06 R – juris RdNr. 14), sondern dahingehend, dass ihnen auch ein Ermessen hinsichtlich der Frage zustehen soll, ob sie für an sich nach § 12a Satz 1 SGB II zur Antragstellung verpflichtete Leistungsberechtigte ersatzweise Anträge stellen (sog. "Ermessens-Kann"; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.10.2014 – L 7 AS 886/14 – juris RdNr. 31; Sächsisches LSG, Beschluss vom 28.08.2014 – L 7 AS 836/14 B ER – juris RdNr. 24; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.05.2013 – L 19 AS 291/13 B ER – juris RdNr. 19). Dies muss schon deshalb gelten, weil sich die Inanspruchnahme von Sozialleistungen nach § 5 Abs. 3, § 12a Satz 1 SGB II als eine Verwertung von Vermögenspositionen zur Minderung bedarfsabhängiger Sozialleistungen darstellt, die insbesondere dann, wenn es sich wie bei der Altersrente nach §§ 35 ff. SGB VI um eigentumsrechtlich geschützte Positionen handelt (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 11.01.2011 – 1 BvR 3588/08 u.a. – juris RdNr. 28), aus Verfassungsgründen unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit steht (vgl. z.B. BVerfG, Kammerbeschluss vom 15.01.2007 – 1 BvR 2971/06 – juris RdNr. 17), d.h. verhältnismäßig, insbesondere angemessen, sein muss (Knickrehm, Soziale Sicherheit, 2008, 192, 195). Von daher muss auch im Regelungszusammenhang der § 5 Abs. 3, § 12a Satz 1 SGB II – ähnlich wie für das übrige Vermögen in § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II bestimmt – generell eine Möglichkeit bestehen, besonderen, nicht von der UnbilligkeitsV und § 12a Satz 2 Nr. 1 SGB II erfassten Härtefällen Rechnung zu tragen, was nur durch die Eröffnung von Ermessen erreicht werden kann (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18.11.2014 – L 10 AS 2254/14 B ER – juris RdNr. 15). Dabei ist zu berücksichtigen, dass von Anträgen nach § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II nicht nur Altersrenten betroffen sein können, sondern eine Vielzahl weiterer Sozialleistungen (Übersicht bei Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand: Januar 2013, § 12a RdNr. 35 bis 158), die unter Umständen ebenfalls dem Eigentumsschutz unterfallen (vgl. zum Krankengeld BVerfG, Beschluss vom 24.03.1998 – 1 BvL 6/92 – juris RdNr. 26 ff.).
Die folglich erforderliche Ermessensausübung muss entgegen dem insoweit missverständlichen Wortlaut des § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II nicht erst bei der ersatzweisen Antragstellung durch den Leistungsträger erfolgen, sondern bereits bei der Aufforderung zur Antragstellung (z.B. Knickrehm/Hahn in: Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 5 RdNr. 35). Dies gilt zumal dann, wenn man die Aufforderung als einen Verwaltungsakt ansieht (dazu oben unter 1), der nur rechtmäßig sein kann, wenn auch die Antragstellung rechtmäßig wäre.
c) Das nach vorstehenden Erwägungen bei einer Aufforderung nach § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II vom Leistungsträger auszuübende Ermessen ist nach dem Regelungszusammenhang und -zweck ein intendiertes Ermessen (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18.11.2014 – L 10 AS 2254/14 B ER – juris RdNr. 16).
Von einem intendierten Ermessen ist – soweit nicht schon dem Wortlaut nach eine Sollvorschrift vorliegt – auszugehen, wenn die Auslegung des Gesetzes nach dem Zweck der Ermächtigung (vgl. auch § 54 Abs. 2 SGG) ergibt, dass der Behörde für den Regelfall eine bestimmte Entscheidung vorgegeben sein soll (z.B. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., § 114 RdNr. 21b m.w.N.; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 54 RdNr. 25). Dies ist bei § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II der Fall. Denn die dort vorausgesetzte Pflicht des Leistungsberechtigten, eine vorrangige Sozialleistung in Anspruch zu nehmen, ist bereits in § 12a Satz 1 SGB II geregelt (wobei für die vorzeitige Altersrente die Ausnahmebestimmungen der § 12a Satz 2 Nr. 1 und § 65 Abs. 4 SGB II sowie § 13 Abs. 2 SGB II i.V.m. §§ 2 bis 5 UnbilligkeitsV gelten). Demgegenüber betrifft die Ermessensvorschrift des § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II nur die Durchsetzung dieser Pflicht und regelt damit letztlich eine besondere Form des Verwaltungszwangs (vgl. zu diesem Begriff §§ 6 ff. Verwaltungsvollstreckungsgesetz). Für die Befugnis, einen derartigen Zwang ausüben zu können, besteht ein Bedürfnis, weil nicht beantragte Sozialleistungen – trotz der Nachrangigkeit der SGB II-Leistungen (siehe oben unter 2a) – nicht als fiktives Einkommen oder Vermögen im Sinne der §§ 11, 12 SGB II berücksichtigt werden dürfen. Das Gesetz räumt also dem SGB II-Leistungsträger in § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II Ermessen nicht im Hinblick auf die Frage ein, ob die andere Sozialleistung in Anspruch zu nehmen ist, sondern nur im Hinblick auf die Frage, ob eine Pflicht zur Inanspruchnahme auch zwangsweise durchgesetzt wird.
Daher kann es insbesondere im Fall der Pflicht zur Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente nach § 12a Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB II nicht Aufgabe des Leistungsträgers sein, im Rahmen der Ermessensausübung die regelmäßig damit verbundenen nachteiligen, aber vom Gesetzgeber grundsätzlich gebilligten Konsequenzen nochmals in eine Abwägung einzustellen (so zu Recht SG Leipzig, Gerichtsbescheid vom 13.05.2014 – S 17 AS 4284/13 – juris RdNr. 23). Bei der Frage, ob die Inanspruchnahme der vorrangigen Sozialleistung erzwungen werden darf, ist nicht ersichtlich, weshalb der Leistungsträger – anders als sonst bei Einkommen und Vermögen im Sinne von §§ 11, 12 SGB II – hinsichtlich der Verwertung dieser Rechte bzw. Anwartschaften ein offenes Ermessen sollte ausüben müssen. Soweit der Leistungsberechtigte nach § 12a Satz 1 SGB II zur Inanspruchnahme der anderen Sozialleistung gesetzlich verpflichtet ist, muss der Leistungsträger diesen vielmehr im Regelfall auch auffordern dürfen, seiner Pflicht nachzukommen, und notfalls ersatzweise selbst den Antrag stellen.
Eine die Interessen des Leistungsberechtigten mit dem öffentlichen Interesse im Einzelnen abwägende Ermessensentscheidung ist im Rahmen des § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II deshalb nur in atypischen Fällen und insbesondere dann erforderlich, wenn die erzwungene Inanspruchnahme der anderen Sozialleistung mit einem außergewöhnlichen Nachteil für den Leistungsberechtigten verbunden wäre, der eine unangemessene ("unbillige") Härte begründen könnte (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18.11.2014 – L 10 AS 2254/14 B ER – juris RdNr. 16; ähnlich LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.10.2014 – L 7 AS 886/14 RdNr. 32; anderer Ansicht LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10.12.2014 – L 2 AS 520/14 B ER – juris RdNr. 24 ff., SG Dresden, Beschluss vom 21.02.2014 – S 28 AS 567/14 ER juris RdNr. 24 ff.). Soweit dagegen keine Umstände offensichtlich sind oder sich nach den Umständen des Falles aufdrängen, die einen atypischen Fall begründen, versteht sich das Ergebnis der Abwägung von selbst und muss dementsprechend auch nicht nach § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X weitergehend begründet werden (vgl. zur Abwägung und Begründung beim intendierten Ermessen Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23.05.1996 – 3 C 13/94 – juris RdNr. 51; Borowski, DVBl 2000, 149, 150 f., 155; siehe auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.05.2013 – L 19 AS 291/13 B ER – juris RdNr. 27 f., wonach die Frage, ob ein atypischer Fall vorliegt, der Abwägung vorgelagert sei; ähnlich bei Sollvorschriften BSG, Urteil vom 06.08.2014 – B 4 AS 37/13 R – juris RdNr. 19).
d) Ein atypischer Fall im vorstehenden Sinne liegt hier jedoch nicht vor.
Dass die Antragstellerin ab 01.02.2016 eine höhere abschlagfreie Altersrente beziehen könnte, ist kein Umstand, der einen atypischen Fall begründen kann. Denn nach dem Regelungskonzept des Gesetzgebers, wie es in § 12a Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB II zum Ausdruck gekommen ist, soll eine mögliche vorzeitige Altersrente ab dem 63. Lebensjahr regelmäßig in Anspruch genommen werden – und dies obwohl damit gemäß § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI in jedem Fall die Rechtsfolge verbunden ist, dass die Rente lebenslang mit Abschlägen versehen ist (vgl. BT-Drucks. 16/7460, S. 12: "Damit wird einheitlich für alle Hilfebedürftigen ein Alter festgelegt, ab dem sie eine vorzeitige Altersrente mit Abschlägen in Anspruch zu nehmen haben."; siehe auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.10.2014 – L 7 AS 886/14 – juris RdNr. 30).
Demnach kann zunächst in den Fällen, in denen nicht nur die abschlagfreie, sondern auch die vorzeitige Altersrente bedarfsdeckend wäre, der bloße Umstand der niedrigeren Rentenleistung keinen atypischen Fall begründen (vgl. z.B. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19.08.2014 – L 4 AS 159/14 B ER – juris RdNr. 27 f.).
Ein atypischer Fall liegt ferner nicht schon dann vor, wenn die vorzeitige Altersrente des Leistungsberechtigten, die nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II ergänzende Leistungen nach dem SGB II ausschließt, nicht bedarfsdeckend sein würde und er daher Leistungen nach dem SGB XII (Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 27 ff. SGB XII, nach Erreichen der Altersgrenze Grundsicherung im Alter nach §§ 41 ff. SGB XII), ggf. alternativ Wohngeld in Anspruch nehmen müsste (ausführlich dazu LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18.11.2014 – L 10 AS 2254/14 B ER – juris RdNr. 17; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.10.2014 – L 7 AS 886/14 – juris RdNr. 32; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.05.2013 – L 7 AS 525/13 B ER u.a. – juris RdNr. 22). Denn allein der Wechsel vom SGB II zum SGB XII kann nicht als unbillig gewertet werden. Dies gilt erst recht, wenn sogar die abschlagsfreie Altersrente so niedrig sein würde, dass voraussichtlich ein Leistungsbezug nach dem SGB XII erforderlich würde (vgl. Sächsisches LSG, Beschluss vom 28.08.2014 – L 7 AS 836/14 B ER – juris RdNr. 38; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.05.2013 – L 7 AS 525/13 B ER u.a. – RdNr. 22 f.).
Ebenso wenig leuchtet aber ein, weshalb für diejenigen Leistungsempfänger, die eine voraussichtlich bedarfsdeckende abschlagsfreie Altersrente beziehen könnten, jedoch bei Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente weitere Sozialleistungen beantragen müssten – die also zwischen der erstgenannten Fallgruppe mit einer bedarfsdeckenden vorzeitigen Altersrente und der zweitgenannten Fallgruppe einer nicht bedarfsdeckenden abschlagsfreien Altersrente liegen – grundsätzlich etwas anderes gelten sollte. Denn indem auch diese Leistungsberechtigten bei Bezug einer vorzeitigen Altersrente ergänzend Sozialleistungen mindestens auf Grundsicherungsniveau – nämlich Wohngeld oder notfalls Leistungen nach dem SGB XII – erhalten, wird ihre Rentenminderung gemildert. So gesehen sind sie wirtschaftlich weniger hart betroffen als diejenigen, deren vorzeitige Altersrente bedarfsdeckend ist (ggf. sogar nur in etwa auf Grundsicherungsniveau) und die somit die Rentenabschläge im vollen Umfang als dauerhafte Einbuße hinnehmen müssen.
Von daher ist es nicht Aufgabe des Leistungsträgers, im Rahmen der Ermessensausübung nach § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II den Versuch einer Schätzung zu unternehmen, ob die – ggf. erst nach Jahren zu zahlende – abschlagsfreie Altersrente voraussichtlich bedarfsdeckend sein würde. Eine solche Schätzung wäre ohnehin äußerst unsicher, da die künftige Höhe der Rentenwerte, Regelsätze, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge wie auch der Kosten der Unterkunft und Heizung (Energiepreise, Witterung im Winter usw.) nur mit großen Unsicherheiten vorhergesagt werden könnten. So ist vorliegend nicht einmal klar, dass die abschlagsfreie Altersrente der Antragstellerin bedarfsdeckend sein könnte. Ausgehend vom Leistungsbescheid des Antragsgegners vom 10.06.2014 wäre – nach einer Erhöhung der Kosten der Unterkunft und Heizung – sogar von einem Bedarf in Höhe von 703,46 EUR auszugehen gewesen, dem nach damaligem Rentenwert eine abschlagsfreie Altersrente in Höhe von nur 655,53 EUR netto gegenübergestanden wäre.
Atypische Fälle erscheinen jedoch denkbar, wenn mit dem durch die vorzeitige Altersrente erzwungenen Wechsel in die Sozialhilfe im konkreten Einzelfall außergewöhnliche Nachteile einhergehen. In Betracht zu ziehen ist dies insbesondere dann, wenn nicht nur die Altersrente abgesenkt wird und dadurch die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB XII erforderlich wird, sondern darüber hinaus erhebliches Schonvermögen im Sinne von § 12 Abs. 2 und 3 SGB II des Leistungsberechtigten oder seines Einstandspartners verloren ginge, das nach § 90 Abs. 2 und 3 SGB XII nicht geschützt wäre (zur selbstgenutzten Immobilie, die u.U. nach § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II umfassender als nach § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII geschützt sein kann: Geiger in: Münder, SGB II, 5. Aufl., § 12 RdNr. 55 m.w.N.; zur Verwertungspflicht bei Vermögen, das gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II der Altersvorsorge dient, vgl. auch BSG, Urteil vom 25.08.2011 – B 8 SO 19/10 R – juris RdNr. 18).
Im Fall der Antragstellerin ist ein außergewöhnlicher Nachteil im vorstehenden Sinne jedoch nicht anzunehmen. Insbesondere vermögen die nachteiligeren Absetzbeträge bei geringfügiger Beschäftigung nach § 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XII (30 Prozent) im Vergleich zur Regelung nach § 11b Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB II (100,00 EUR Grundfreibetrag und 20 Prozent des 100,00 EUR übersteigenden Betrags) keinen atypischen Fall zu begründen (so aber LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.05.2014 – L 7 AS 545/14 B ER – juris RdNr. 25; vgl. dagegen LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.06.2012 – L 2 AS 573/12 – juris RdNr. 2, 7 und 19). Es spricht schon vieles dafür, dass der Verordnungsgeber mit § 4 UnbilligkeitsV eine abschließende Ermessensdirektive vorgeben wollte, wonach der Bezug von Entgelten aus geringfügiger Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV (die bei Bezug einer Vollrente gemäß § 34 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI anrechnungsfrei bleiben) generell keine unbillige Härte darstellt. Im Ergebnis können die Anrechnungsvorschriften für Einkommen jedoch auch deshalb keine unbillige Härte zur Folge haben, weil die unterschiedlichen Absetzbeträge nach dem SGB XII und SGB II im Vergleich zu den Einbußen, die Leistungsberechtigte mit einer bedarfsdeckenden vorzeitigen Altersrente im Regelfall hinzunehmen haben, vergleichsweise gering sind. Bei einem Maximalverdienst nach § 4 UnbilligkeitsV von 450,00 EUR monatlich sind nach SGB XII 135,00 EUR anrechnungsfrei und nach SGB II 170,00 EUR, sodass die Differenz gerade einmal 35,00 EUR beträgt. Der höchste Differenzbetrag ergibt sich, wenn genau 100,00 EUR monatlich verdient werden, die nach SGB II komplett anrechnungsfrei bleiben, wogegen nach SGB XII 30 Prozent, d.h. 30,00 EUR, anrechnungsfrei bleiben. Dabei ist nicht erkennbar, weshalb ausgerechnet derart geringfügige Beschäftigungen, bei denen wie im Fall der Antragstellerin ein Entgelt von nur knapp über 100,00 EUR monatlich erzielt wird, eine besondere, ggf. einen Härtefall begründende Schutzwürdigkeit zukommen soll. Im Übrigen könnte gerade die Antragstellerin unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung ihren Bedarf (nach letztem Stand 703,46 EUR, siehe oben) bei einer vorzeitigen Altersrente in Höhe von 609,42 EUR netto (gemäß Auskunft der DRV 679,02 EUR abzgl. 55,68 EUR Kranken- und 13,92 EUR Pflegeversicherungsbeitrag) und einem Einkommen aus geringfügiger Beschäftigung in Höhe von über 100,00 EUR netto in etwa auch ohne den Bezug von Sozialleistungen decken.
Weitere besondere Nachteile, die im Falle einer vorzeitigen Altersrente mit ergänzendem Bezug von Leistungen nach dem SGB XII entstehen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere ist auch nicht behauptet worden, dass weitere Versuche zur Eingliederung der Antragstellerin in den Arbeitsmarkt noch erfolgversprechend sein könnten (vgl. auch die Auffassung des LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 05.11.2014 – L 25 AS 2731/14 B ER – juris RdNr. 9). Ausweislich der in der Hauptsache vorliegenden Rentenauskunft ging die Antragstellerin seit dem 01.01.2005 keiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung mehr nach.
e) Die Ermessensentscheidung des Antragsgegners ist daher nicht zu beanstanden. Zwar hat der Antragsgegner erst im Widerspruchsbescheid vom 02.12.2014 zum Ausdruck gebracht, dass er überhaupt eine Ermessensentscheidung treffen wollte. Die in den Ausgangsbescheiden vom 29.07.2013 und 21.10.2013 ausgefallene Ermessensentscheidung konnte aber im Widerspruchsverfahren nachgeholt werden (vgl. BSG, Urteil vom 22. August 2000 – B 2 U 33/99 R – juris RdNr. 17; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.10.2014 – L 7 AS 886/14 – juris RdNr. 32; Sächsisches LSG, Urteil vom 16.10.2014 – L 2 U 59/11 –, juris RdNr. 56; Sächsisches OVG, Beschluss vom 29.04.2014 – 3 A 309/12 – juris RdNr. 12; zur Rechtsgrundlage Schütze in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl., § 41 RdNr. 11). Da im Fall der Antragstellerin kein atypischer Fall ersichtlich ist, durfte der Antragsgegner es zur Begründung bei dem Hinweis belassen, dass mit der Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente keine unzumutbaren Nachteile verbunden seien und deshalb kein Grund für ein Abweichen von der regelmäßig gebotenen Aufforderung zur Antragstellung gegeben sei.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG.
IV.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Dr. Wahl Kirchberg Stinshoff
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