Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 14 AS 3566/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 110/15 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 30. Januar 2015 wird aufgehoben.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig Leistungen nach dem SGB II für Dezember 2014 in Höhe von 315,90 EUR sowie für Januar bis März 2015 in Höhe von 323,90 EUR/Monat zu gewähren.
Der Antragsgegner hat die der Antragstellerin entstandenen außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu tragen.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin beansprucht in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes für die Zeit vom 1. Dezember 2014 bis 31. März 2015 die Gewährung vorläufiger Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) durch den Antragsgegner.
Die 1990 geborene, ledige Antragstellerin bezieht vom Antragsgegner Leistungen nach dem SGB II. Mit Schreiben vom 11. September 2014 teilte ihr die ÖSA Öffentliche Versicherungen Sachsen-Anhalt (im Folgenden ÖSA) mit, sie erkenne eine Leistungspflicht aus einer (privaten) Berufsunfähigkeits(BU)-Zusatzversicherung mit erweitertem Leistungsumfang aufgrund einer psychischen Erkrankung der Antragstellerin an. Ab 1. Oktober 2014 werde ihr eine monatliche Rente in Höhe von 252,50 EUR gezahlt. Zudem erhalte sie eine Nachzahlung für die Zeit vom 1. Januar 2013 bis 1. Februar 2014 in Höhe von 3.250 EUR, für die Zeit von 1. Februar bis 1. Oktober 2014 in Höhe von 2.020 EUR, eine Anfangshilfe in Höhe von 750 EUR sowie eine Beitragsrückerstattung für die Zeit vom 1. Januar 2013 bis 30. September 2014 in Höhe von 331,17 EUR. Am 11. September 2014 flossen der Antragstellerin ausweislich der zu den Verwaltungsakten des Antragsgegners gereichten Kontoauszügen 6.020 EUR zu (Nachzahlung in Höhe von 5.270 EUR, Anfangshilfe in Höhe von 750 EUR).
Vom Konto hob die Antragstellerin in der Folgezeit größere Beträge in bar (am 11. September 2014 500 EUR, am 13. und 15. September 2014 je 1.000 EUR, am 19. September 2014 800 EUR sowie am 20. September 2014 500 EUR) ab.
Mit Bescheid vom 2. Dezember 2014 lehnte der Antragsgegner ihren Antrag auf Gewährung von SGB II-Leistungen vom 13. November 2014 ab. Die einmalige Einnahme in Form der Rentennachzahlung in Höhe von 5.270 EUR sei neben der laufenden Rentenzahlung in Höhe von 252,50 EUR für die Zeit vom 1. Oktober 2014 bis 31. März 2015 in Höhe von 878,33 EUR/Monat als Einkommen zu berücksichtigen. Bei einem Gesamtbedarf in Höhe von 758 EUR/Monat ergebe sich ein übersteigendes Einkommen in Höhe von 342,83 EUR/Monat. Ein Anspruch entfalle somit ab 1. Dezember 2014.
Dagegen legte die Antragstellerin unter dem 11. Dezember 2014 Widerspruch ein, über den, soweit ersichtlich, noch keine Entscheidung getroffen worden ist. Sie verfüge über keine ausreichenden Mittel, um ihren Lebensunterhalt zu decken. Ihr Konto weise ein Guthaben in Höhe von 26 EUR auf.
Mit Bescheid vom 9. Dezember 2014 bewilligte die Bundesagentur für Arbeit der Antragstellerin Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch des Sozialgesetzbuches (Arbeitsförderung - SGB III) in Höhe von 7,32 EUR/Tag für die Zeit vom 26. November 2014 bis 25. November 2015.
Am 12. Dezember 2014 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Magdeburg einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung gestellt mit dem Begehren, den Antragsgegner zu verpflichten, ihr ab Dezember 2014 monatlich 286,20 EUR vorläufig zu bewilligen. Den Nachzahlungsbetrag der ÖSA habe sie ausgegeben. So habe sie ihren Dispokredit bei der H. sparkasse in Höhe von ca. 700 EUR getilgt, sowie weitere Anschaffungen getätigt und weitere Ausgaben gehabt. Nicht alle könne sie benennen und belegen. Aufgelistet bzw. durch entsprechende Belege nachgewiesen hat sie Ausgaben in Höhe von ca. 2.500 EUR. Durch eine eidesstattliche Versicherung hat sie unter dem 9. Dezember 2014 glaubhaft gemacht, ihr stünde derzeit nur die laufende monatliche Rentenzahlung in Höhe von 252,50 EUR zur Deckung des Lebensunterhaltes zur Verfügung. Geld könne sie sich auch von niemandem leihen.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 30. Januar 2015 den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes zurückgewiesen. Im Wesentlichen hat es zur Begründung ausgeführt, unter Anrechnung des Einkommens aus Arbeitslosengeld und BU-Rente ergebe sich ein Bedarf in Höhe von 315,90 EUR für Dezember 2014 sowie in Höhe von 323,90 EUR/Monat für die Zeit ab Januar 2015. Die Nachzahlung der ÖSA sei als Einkommen, verteilt auf sechs Monate, diesem Bedarf gegenüberzustellen. Die Antragstellerin habe nicht glaubhaft gemacht, dass ihr zu Beginn des Bewilligungsabschnittes ab 1. Dezember 2014 das Geld nicht mehr zur Verfügung gestanden habe. Am 11. September 2014 habe ihr Konto ein Guthaben in Höhe von 5.343,36 EUR ausgewiesen. Sie habe Barabhebungen in Höhe von insgesamt 4.000 EUR getätigt. Rechnungen habe sie nur in Höhe von 1.839,64 EUR vorgelegt. Es ergebe sich mithin noch ein Guthaben in Höhe von 2.160,36 EUR. Die Angaben in der eidesstattlichen Versicherung seinen insoweit nicht nachvollziehbar. Für die Zeit ab April 2015 fehle es an einem Anordnungsgrund. Die Antragstellerin könne einen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II beim Antragsgegner stellen.
Gegen den ihr am 30. Januar 2015 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 2. März 2015 (einem Montag) Beschwerde eingelegt. Sie habe zwar nicht alle Ausgaben nachweisen können. Zumindest im Wege der Folgenabwägung seien ihr jedoch vorläufig Leistungen vom Antragsgegner zu gewähren. Mit dem ihr monatlich zufließenden Einkommen in Höhe von 471,60 EUR könne sie ihren Bedarf nicht decken. Zudem seien noch Mietschulden in Höhe von 624 EUR zu begleichen.
Die Antragstellerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
den Antragsgegner unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Magdeburg vom 30. Januar 2015 zu verpflichten, ihr vorläufig Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung der Nachzahlung der ÖSA vom 1. Dezember 2014 bis 31. März 2015 zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht er sich auf die seines Erachtens überzeugenden Ausführungen des angefochtenen Beschlusses.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der dem Senat vorliegenden Verwaltungsakte und die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte, nach § 172 Abs. 3 SGG statthafte Beschwerde ist begründet.
Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers erschwert oder wesentlich vereitelt wird. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens sowohl eines Anordnungsgrunds (also die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile), als auch eines Anordnungsanspruchs (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweg genommen werden.
Der Beweismaßstab im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfordert im Gegensatz zu einem Hauptsacheverfahren für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen nicht die volle richterliche Überzeugung. Dies erklärt sich mit dem Wesen dieses Verfahrens, das wegen der Dringlichkeit der Entscheidung regelmäßig keine eingehenden, unter Umständen langwierigen Ermittlungen zulässt. Deshalb kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur eine vorläufige Regelung längstens für die Dauer des Klageverfahrens getroffen werden, die das Gericht in der Hauptsache nicht bindet.
Ein Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind. Dies erfordert, dass mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. § 86b Rn. 16b).
Diese Voraussetzungen liegen hier für die Zeit vom 1. Dezember 2014 bis 31. März 2015 entgegen der Ansicht des Sozialgerichts vor.
Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsgrund für den Erlass einer auf den 1. Dezember 2014 rückwirkenden einstweiligen Regelungsanordnung glaubhaft gemacht.
Das Rechtsmittel des einstweiligen Rechtsschutzes hat vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) die Aufgabe, in den Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung in dem grundsätzlich vorrangigen Verfahren der Hauptsache zu schweren und unzumutbaren, nicht anderes abwendbaren Nachteilen führen würde, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2001, Az. 1 BvR 1586/02, NJW 2003 S. 1236 u. vom 12. Mai 2005, Az. 1 BvR 569/05, Breithaupt 2005, S. 803). Insoweit besteht grundsätzlich kein Anordnungsgrund, wenn es sich um Zeiträume der Vergangenheit handelt, die regelmäßig keine gegenwärtige akute Notlage mehr begründen. Es beruht auf dem sozialhilferechtlichen, auch für das Recht des SGB II geltenden Grundsatz, dass Hilfe zum Lebensunterhalt im Wege der einstweiligen Anordnung nur zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage zu erfolgen hat und grundsätzlich nicht rückwirkend zu bewilligen ist. Dies gilt nur dann nicht, wenn glaubhaft gemacht ist, dass eine in der Vergangenheit eingetretene Notlage in die Gegenwart hinein wirkt, wenn also fehlende oder unzulängliche Leistungen in der Vergangenheit wirtschaftliche Auswirkungen in der Gegenwart zeitigen. Eine insoweit rückwirkende Verpflichtung des Leistungsträgers zur vorläufigen Leistungsgewährung ist daher grundsätzlich vom Fortbestehen der Notlage oder von einem aktuell noch bestehenden Nachholbedarf abhängig (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 26. August 2010, L 5 AS 353/10 B ER, Rn. 33, Juris). Für eine solche Annahme bedarf es jedoch einer entsprechenden Darlegung und Glaubhaftmachung, die hier gegeben ist.
Die Antragstellerin hat durch Vorlage des Mietkontos dargelegt und glaubhaft gemacht, dass sie ab November 2014 den monatlichen Mietzahlungsverpflichtungen in Höhe von 367 EUR nur in Höhe von einmalig 100 EUR am 9. Januar 2015 nachgekommen ist. Insoweit bestehen Schulden, die es gerechtfertigt erscheinen lassen, den Antragsgegner zu verpflichten, ihr für den gesamten Monat Dezember 2014 (und nicht erst ab Antragstellung am 12. Dezember 2014) vorläufig Leistungen zu bewilligen.
Die Antragstellerin hat auch einen entsprechenden Anordnungsanspruch in Höhe des austenorierten Betrages glaubhaft gemacht. Sie hat zwar in erster Instanz den geltend gemachten Anspruch mit nur 286,20 EUR/Monat beziffert. In der Beschwerde hat sie die Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Leistungsgewährung ohne Anrechnung der einmaligen Einnahme als Einkommen beantragt. Diese darin enthaltene Antragserweiterung erscheint sachdienlich, denn die Höhe des glaubhaft gemachten Anspruchs ergibt sich durch eine einfache Berechnung bekannter Einzelelemente. Sie war mithin entsprechend zu berücksichtigen.
Die Antragstellerin erfüllt die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 SGB II. Sie ist erwerbsfähig nach § 8 SGB II. Eine dauernde Erwerbsunfähigkeit ist bis heute nicht festgestellt. Sie war im streitgegenständlichen Zeitraum auch hilfebedürftig nach § 9 SGB II, denn sie war nicht in der Lage, ihren Lebensunterhalt durch Einkommen oder Vermögen zu decken.
Zwar ist nach § 11 Abs. 3 SGB II die Nachzahlung der ÖSA als einmalige Einnahme auf sechs Monate zu verteilen. Dies gilt jedoch nur, soweit sie noch als "bereites Mittel" zum Bestreiten des Lebensunterhaltes zur Verfügung steht (vgl. BSG, Urteil vom 17. Oktober 2013, B 14 AS 38/12, Rn. 13, Juris). Das war vorliegend ab Dezember 2014 nicht der Fall.
Die Antragstellerin hat durch eine eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht, dass sie bereits im Dezember 2014 den Nachzahlungsbetrag vollständig ausgegeben habe und nur noch über ein Guthaben auf dem Konto in Höhe von 26 EUR verfüge. Der vorgelegte Kontoauszug wies am 7. Dezember 2014 ein Guthaben in Höhe von 26,10 EUR aus.
Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts ist die eidesstattliche Versicherung geeignet, den Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn sie sich in einem wesentlichen Punkt als unrichtig erweist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. August 2014, 1 BvR 1453/12, Rn. 12, Juris).
Die Antragstellerin hat zwar nur einen Teil der Ausgaben dargelegt und durch Vorlage von Belegen nachgewiesen. Sie hat andererseits nachvollziehbar angegeben, Belege nicht vollständig vorlegen zu können, da sie der Ansicht gewesen sei, keine Rechenschaft über die Verwendung der Nachzahlung aus einer privaten Versicherung ablegen zu müssen. Es ergaben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass sie im Dezember 2014 noch über Barvermögen verfügte, mit dem sie in der Lage gewesen wäre, ihren Lebensunterhalt vollständig zu decken.
Auf den Bedarf der Antragstellerin in Höhe von 758 EUR im Dezember 2014 bzw. ab Januar 2015 in Höhe von 766 EUR/Monat (Erhöhung des Regelsatzes auf 399 EUR/Monat) ist mithin nur ein Einkommen in Höhe von 442,10 EUR/Monat (219,60 EUR Arbeitslosengeld, 252,50 EUR BU-Rente abzgl. 30 EUR Versicherungspauschale) anzurechnen. Es verbleibt ein glaubhaft gemachter Anspruch für Dezember 2014 in Höhe von 315,90 EUR bzw. ab Januar 2015 in Höhe von 323,90 EUR/Monat.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig Leistungen nach dem SGB II für Dezember 2014 in Höhe von 315,90 EUR sowie für Januar bis März 2015 in Höhe von 323,90 EUR/Monat zu gewähren.
Der Antragsgegner hat die der Antragstellerin entstandenen außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu tragen.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin beansprucht in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes für die Zeit vom 1. Dezember 2014 bis 31. März 2015 die Gewährung vorläufiger Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) durch den Antragsgegner.
Die 1990 geborene, ledige Antragstellerin bezieht vom Antragsgegner Leistungen nach dem SGB II. Mit Schreiben vom 11. September 2014 teilte ihr die ÖSA Öffentliche Versicherungen Sachsen-Anhalt (im Folgenden ÖSA) mit, sie erkenne eine Leistungspflicht aus einer (privaten) Berufsunfähigkeits(BU)-Zusatzversicherung mit erweitertem Leistungsumfang aufgrund einer psychischen Erkrankung der Antragstellerin an. Ab 1. Oktober 2014 werde ihr eine monatliche Rente in Höhe von 252,50 EUR gezahlt. Zudem erhalte sie eine Nachzahlung für die Zeit vom 1. Januar 2013 bis 1. Februar 2014 in Höhe von 3.250 EUR, für die Zeit von 1. Februar bis 1. Oktober 2014 in Höhe von 2.020 EUR, eine Anfangshilfe in Höhe von 750 EUR sowie eine Beitragsrückerstattung für die Zeit vom 1. Januar 2013 bis 30. September 2014 in Höhe von 331,17 EUR. Am 11. September 2014 flossen der Antragstellerin ausweislich der zu den Verwaltungsakten des Antragsgegners gereichten Kontoauszügen 6.020 EUR zu (Nachzahlung in Höhe von 5.270 EUR, Anfangshilfe in Höhe von 750 EUR).
Vom Konto hob die Antragstellerin in der Folgezeit größere Beträge in bar (am 11. September 2014 500 EUR, am 13. und 15. September 2014 je 1.000 EUR, am 19. September 2014 800 EUR sowie am 20. September 2014 500 EUR) ab.
Mit Bescheid vom 2. Dezember 2014 lehnte der Antragsgegner ihren Antrag auf Gewährung von SGB II-Leistungen vom 13. November 2014 ab. Die einmalige Einnahme in Form der Rentennachzahlung in Höhe von 5.270 EUR sei neben der laufenden Rentenzahlung in Höhe von 252,50 EUR für die Zeit vom 1. Oktober 2014 bis 31. März 2015 in Höhe von 878,33 EUR/Monat als Einkommen zu berücksichtigen. Bei einem Gesamtbedarf in Höhe von 758 EUR/Monat ergebe sich ein übersteigendes Einkommen in Höhe von 342,83 EUR/Monat. Ein Anspruch entfalle somit ab 1. Dezember 2014.
Dagegen legte die Antragstellerin unter dem 11. Dezember 2014 Widerspruch ein, über den, soweit ersichtlich, noch keine Entscheidung getroffen worden ist. Sie verfüge über keine ausreichenden Mittel, um ihren Lebensunterhalt zu decken. Ihr Konto weise ein Guthaben in Höhe von 26 EUR auf.
Mit Bescheid vom 9. Dezember 2014 bewilligte die Bundesagentur für Arbeit der Antragstellerin Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch des Sozialgesetzbuches (Arbeitsförderung - SGB III) in Höhe von 7,32 EUR/Tag für die Zeit vom 26. November 2014 bis 25. November 2015.
Am 12. Dezember 2014 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Magdeburg einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung gestellt mit dem Begehren, den Antragsgegner zu verpflichten, ihr ab Dezember 2014 monatlich 286,20 EUR vorläufig zu bewilligen. Den Nachzahlungsbetrag der ÖSA habe sie ausgegeben. So habe sie ihren Dispokredit bei der H. sparkasse in Höhe von ca. 700 EUR getilgt, sowie weitere Anschaffungen getätigt und weitere Ausgaben gehabt. Nicht alle könne sie benennen und belegen. Aufgelistet bzw. durch entsprechende Belege nachgewiesen hat sie Ausgaben in Höhe von ca. 2.500 EUR. Durch eine eidesstattliche Versicherung hat sie unter dem 9. Dezember 2014 glaubhaft gemacht, ihr stünde derzeit nur die laufende monatliche Rentenzahlung in Höhe von 252,50 EUR zur Deckung des Lebensunterhaltes zur Verfügung. Geld könne sie sich auch von niemandem leihen.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 30. Januar 2015 den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes zurückgewiesen. Im Wesentlichen hat es zur Begründung ausgeführt, unter Anrechnung des Einkommens aus Arbeitslosengeld und BU-Rente ergebe sich ein Bedarf in Höhe von 315,90 EUR für Dezember 2014 sowie in Höhe von 323,90 EUR/Monat für die Zeit ab Januar 2015. Die Nachzahlung der ÖSA sei als Einkommen, verteilt auf sechs Monate, diesem Bedarf gegenüberzustellen. Die Antragstellerin habe nicht glaubhaft gemacht, dass ihr zu Beginn des Bewilligungsabschnittes ab 1. Dezember 2014 das Geld nicht mehr zur Verfügung gestanden habe. Am 11. September 2014 habe ihr Konto ein Guthaben in Höhe von 5.343,36 EUR ausgewiesen. Sie habe Barabhebungen in Höhe von insgesamt 4.000 EUR getätigt. Rechnungen habe sie nur in Höhe von 1.839,64 EUR vorgelegt. Es ergebe sich mithin noch ein Guthaben in Höhe von 2.160,36 EUR. Die Angaben in der eidesstattlichen Versicherung seinen insoweit nicht nachvollziehbar. Für die Zeit ab April 2015 fehle es an einem Anordnungsgrund. Die Antragstellerin könne einen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II beim Antragsgegner stellen.
Gegen den ihr am 30. Januar 2015 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 2. März 2015 (einem Montag) Beschwerde eingelegt. Sie habe zwar nicht alle Ausgaben nachweisen können. Zumindest im Wege der Folgenabwägung seien ihr jedoch vorläufig Leistungen vom Antragsgegner zu gewähren. Mit dem ihr monatlich zufließenden Einkommen in Höhe von 471,60 EUR könne sie ihren Bedarf nicht decken. Zudem seien noch Mietschulden in Höhe von 624 EUR zu begleichen.
Die Antragstellerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
den Antragsgegner unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Magdeburg vom 30. Januar 2015 zu verpflichten, ihr vorläufig Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung der Nachzahlung der ÖSA vom 1. Dezember 2014 bis 31. März 2015 zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht er sich auf die seines Erachtens überzeugenden Ausführungen des angefochtenen Beschlusses.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der dem Senat vorliegenden Verwaltungsakte und die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte, nach § 172 Abs. 3 SGG statthafte Beschwerde ist begründet.
Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers erschwert oder wesentlich vereitelt wird. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens sowohl eines Anordnungsgrunds (also die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile), als auch eines Anordnungsanspruchs (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweg genommen werden.
Der Beweismaßstab im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfordert im Gegensatz zu einem Hauptsacheverfahren für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen nicht die volle richterliche Überzeugung. Dies erklärt sich mit dem Wesen dieses Verfahrens, das wegen der Dringlichkeit der Entscheidung regelmäßig keine eingehenden, unter Umständen langwierigen Ermittlungen zulässt. Deshalb kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur eine vorläufige Regelung längstens für die Dauer des Klageverfahrens getroffen werden, die das Gericht in der Hauptsache nicht bindet.
Ein Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind. Dies erfordert, dass mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. § 86b Rn. 16b).
Diese Voraussetzungen liegen hier für die Zeit vom 1. Dezember 2014 bis 31. März 2015 entgegen der Ansicht des Sozialgerichts vor.
Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsgrund für den Erlass einer auf den 1. Dezember 2014 rückwirkenden einstweiligen Regelungsanordnung glaubhaft gemacht.
Das Rechtsmittel des einstweiligen Rechtsschutzes hat vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) die Aufgabe, in den Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung in dem grundsätzlich vorrangigen Verfahren der Hauptsache zu schweren und unzumutbaren, nicht anderes abwendbaren Nachteilen führen würde, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2001, Az. 1 BvR 1586/02, NJW 2003 S. 1236 u. vom 12. Mai 2005, Az. 1 BvR 569/05, Breithaupt 2005, S. 803). Insoweit besteht grundsätzlich kein Anordnungsgrund, wenn es sich um Zeiträume der Vergangenheit handelt, die regelmäßig keine gegenwärtige akute Notlage mehr begründen. Es beruht auf dem sozialhilferechtlichen, auch für das Recht des SGB II geltenden Grundsatz, dass Hilfe zum Lebensunterhalt im Wege der einstweiligen Anordnung nur zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage zu erfolgen hat und grundsätzlich nicht rückwirkend zu bewilligen ist. Dies gilt nur dann nicht, wenn glaubhaft gemacht ist, dass eine in der Vergangenheit eingetretene Notlage in die Gegenwart hinein wirkt, wenn also fehlende oder unzulängliche Leistungen in der Vergangenheit wirtschaftliche Auswirkungen in der Gegenwart zeitigen. Eine insoweit rückwirkende Verpflichtung des Leistungsträgers zur vorläufigen Leistungsgewährung ist daher grundsätzlich vom Fortbestehen der Notlage oder von einem aktuell noch bestehenden Nachholbedarf abhängig (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 26. August 2010, L 5 AS 353/10 B ER, Rn. 33, Juris). Für eine solche Annahme bedarf es jedoch einer entsprechenden Darlegung und Glaubhaftmachung, die hier gegeben ist.
Die Antragstellerin hat durch Vorlage des Mietkontos dargelegt und glaubhaft gemacht, dass sie ab November 2014 den monatlichen Mietzahlungsverpflichtungen in Höhe von 367 EUR nur in Höhe von einmalig 100 EUR am 9. Januar 2015 nachgekommen ist. Insoweit bestehen Schulden, die es gerechtfertigt erscheinen lassen, den Antragsgegner zu verpflichten, ihr für den gesamten Monat Dezember 2014 (und nicht erst ab Antragstellung am 12. Dezember 2014) vorläufig Leistungen zu bewilligen.
Die Antragstellerin hat auch einen entsprechenden Anordnungsanspruch in Höhe des austenorierten Betrages glaubhaft gemacht. Sie hat zwar in erster Instanz den geltend gemachten Anspruch mit nur 286,20 EUR/Monat beziffert. In der Beschwerde hat sie die Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Leistungsgewährung ohne Anrechnung der einmaligen Einnahme als Einkommen beantragt. Diese darin enthaltene Antragserweiterung erscheint sachdienlich, denn die Höhe des glaubhaft gemachten Anspruchs ergibt sich durch eine einfache Berechnung bekannter Einzelelemente. Sie war mithin entsprechend zu berücksichtigen.
Die Antragstellerin erfüllt die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 SGB II. Sie ist erwerbsfähig nach § 8 SGB II. Eine dauernde Erwerbsunfähigkeit ist bis heute nicht festgestellt. Sie war im streitgegenständlichen Zeitraum auch hilfebedürftig nach § 9 SGB II, denn sie war nicht in der Lage, ihren Lebensunterhalt durch Einkommen oder Vermögen zu decken.
Zwar ist nach § 11 Abs. 3 SGB II die Nachzahlung der ÖSA als einmalige Einnahme auf sechs Monate zu verteilen. Dies gilt jedoch nur, soweit sie noch als "bereites Mittel" zum Bestreiten des Lebensunterhaltes zur Verfügung steht (vgl. BSG, Urteil vom 17. Oktober 2013, B 14 AS 38/12, Rn. 13, Juris). Das war vorliegend ab Dezember 2014 nicht der Fall.
Die Antragstellerin hat durch eine eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht, dass sie bereits im Dezember 2014 den Nachzahlungsbetrag vollständig ausgegeben habe und nur noch über ein Guthaben auf dem Konto in Höhe von 26 EUR verfüge. Der vorgelegte Kontoauszug wies am 7. Dezember 2014 ein Guthaben in Höhe von 26,10 EUR aus.
Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts ist die eidesstattliche Versicherung geeignet, den Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn sie sich in einem wesentlichen Punkt als unrichtig erweist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. August 2014, 1 BvR 1453/12, Rn. 12, Juris).
Die Antragstellerin hat zwar nur einen Teil der Ausgaben dargelegt und durch Vorlage von Belegen nachgewiesen. Sie hat andererseits nachvollziehbar angegeben, Belege nicht vollständig vorlegen zu können, da sie der Ansicht gewesen sei, keine Rechenschaft über die Verwendung der Nachzahlung aus einer privaten Versicherung ablegen zu müssen. Es ergaben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass sie im Dezember 2014 noch über Barvermögen verfügte, mit dem sie in der Lage gewesen wäre, ihren Lebensunterhalt vollständig zu decken.
Auf den Bedarf der Antragstellerin in Höhe von 758 EUR im Dezember 2014 bzw. ab Januar 2015 in Höhe von 766 EUR/Monat (Erhöhung des Regelsatzes auf 399 EUR/Monat) ist mithin nur ein Einkommen in Höhe von 442,10 EUR/Monat (219,60 EUR Arbeitslosengeld, 252,50 EUR BU-Rente abzgl. 30 EUR Versicherungspauschale) anzurechnen. Es verbleibt ein glaubhaft gemachter Anspruch für Dezember 2014 in Höhe von 315,90 EUR bzw. ab Januar 2015 in Höhe von 323,90 EUR/Monat.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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