Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 29 AS 5326/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AS 80/15 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat den Antragstellern und Beschwerdegegnern auch 2/3 der außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt B. bewilligt.
Gründe:
I.
Die Beschwerdegegner und der Antragsgegner und Beschwerdeführer streiten darüber, ob und in welchem Umfang der Antragsgegner den Antragstellern für die Zeit vom 1. Februar 2015 bis zum 30. April 2015 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) zu erbringen hat.
Die am ... 1986 geborene Antragstellerin zu 1. und der am ... 1977 geborene Antragsteller zu 2. sind miteinander verheiratet. Der am ... 2002 geborene Antragsteller zu 3. und die am ... 2005 geborene Antragstellerin zu 4. sind die Kinder der Antragstellerin zu 1. und des Antragstellers zu 2. Die Antragsteller sind rumänische Staatsbürger. Sie sind nach ihren Angaben im August 2014 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist; seit dem 22. September 2014 sind sie mit Wohnsitz in H. gemeldet. Sie haben mit Vertragsbeginn zum 1. September 2014 eine Wohnung mit einer Wohnfläche von 65 m² in der M. Straße in H. angemietet. Die monatliche Grundmiete beträgt danach 360,00 EUR. Daneben sind monatlich jeweils 80,00 EUR an Vorschüssen für Betriebs-, Energie- und Heizkosten zu zahlen. Für die Antragsteller zu 3. und 4. wird Kindergeld in Höhe von monatlich jeweils 184,00 EUR gezahlt. Die Bewilligung erfolgte rückwirkend für die Zeit ab August 2014 im Dezember 2014.
Den von den Antragstellern am 5. November 2014 gestellten Antrag auf Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II lehnte der Antragsgegner ab und verwies auf einen bestehenden Leistungsausschluss (Bescheid vom 24. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2014). Hierzu ist ein Klageverfahren beim SG anhängig.
Die Antragsteller haben am 19. Dezember 2014 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Halle (SG) gestellt. Sie haben vorgetragen: Sie hätten vor der Abreise aus Rumänien einen Pkw und ihr Fernsehgerät verkauft und aus den Verkaufserlösen ihre Einreise und auch den bisherigen Lebensunterhalt finanziert. Sie hätten teils auch Hilfe von Landsleuten bekommen. Die Antragstellerin zu 1. habe in Rumänien als Verkäuferin und der Antragsteller zu 2. als Kraft- bzw. Taxifahrer gearbeitet. In der Zeit nach der Einreise hätten sie sich um Arbeit bemüht.
Sie nutzten den "Jobpoint" bei Antragsgegner. Der Antragsteller zu 2. habe zwei Tage bei einer Gerüstbaufirma in H. zur Probe gearbeitet. Dazu gebe es keinen schriftlichen Vertrag. Der Antragsteller zu 2. habe auf der Baustelle ein großes Schild mit dem Namen einer Baufirma gesehen. Er habe geglaubt, bei dieser Firma zur Probe zu arbeiten. Dies sei aber ein Trugschluss gewesen. Sein einziger Ansprechpartner auf der Baustelle sei wohl türkischer Nationalität gewesen. Die Wohnungen in dem Haus, in dem sie lebten seien ausschließlich an ausländische Mitbürger vermietet. Die Vermieterin sei grundsätzlich nachsichtig und warte die Bewilligung von Sozialleistungen ab. Es gebe aber seitens eines Beschäftigten der Vermieterin immer wieder Nachfragen wegen offener Miete, und es erfolgten auch Strom- und Heizungsabschaltungen, um den Forderungen Nachdruck zu verleihen.
Das SG hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 5. Februar 2015 verpflichtet, den Antragsstellern "für die Zeit vom 1. Februar bis zum 30. April 2015, aber längstens bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache Leistungen nach dem SGB II zu gewähren, dabei für die Antragstellerin zu 1. und den Antragsteller zu 2. monatlich jeweils 360,00 EUR und für den Antragsteller zu 3. und die Antragstellerin zu 4. monatlich jeweils 83,00 EUR." Eine weitergehende Verpflichtung hat das SG abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Das Gericht entscheide aufgrund einer Folgenabwägung. Im Eilverfahren ließen sich die näheren Umstände der vom Antragsteller zu 2. angegebenen Probearbeit nicht aufklären. Es sei deshalb nicht auszuschließen, dass der Antragsteller zu 2. ein Recht zum Aufenthalt nach § 2 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) habe. Zu berücksichtigen sei der jeweilige Regelbedarf, wobei bei den Antragstellern zu 3. und 4. das Kindergeld zu berücksichtigen sei. Die Wohnkosten seien nicht zu berücksichtigen. Die Antragsteller hätten eine vom Gericht erbetene Einverständniserklärung zur Befragung des Vermieters nicht übersandt, so dass das Bestehen von Zahlungsrückständen nicht überprüft werden könnte. Sie hätten auch die Nachzahlung von Kindergeld im Dezember 2014 nicht für die Begleichung von Mietschulden verwendet.
Gegen den ihm am 10. Februar 2015 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 18. Februar 2015 Beschwerde eingelegt und ausgeführt: Der Vortrag des Antragstellers zu 2. zur Probearbeit sei sehr unglaubwürdig und es bestünden keine Nachweise. Eine Probearbeit könne auch noch keinen Arbeitnehmerstatus begründen. Im Ergebnis greife der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II.
Der Antragsgegner beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 5. Februar 2015 abzuändern und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung insgesamt abzulehnen.
Die Antragstellerin beantragen sinngemäß,
die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen und den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 5. Februar 2015 dahingehend abzuändern, dass für den Zeitraum vom 1. Februar bis zum 30. April 2015 auch Leistungen für Unterkunft und Heizung vorläufig zu gewähren sind.
Sie tragen vor: Es könne ihnen nicht zu Last gelegt werden, dass sie die Kindergeldnachzahlung nicht zur Begleichung von Mietschulden verwendet hätten. Sie hätten in der Zeit ab August 2014, in der sie keine Einkünfte erhalten hätten, von einem Landsmann in Teilbeträgen 1.250,00 EUR als Darlehen für den Lebensunterhalt und die Ausstattung der Kinder mit Schulbedarf bekommen. Diesen Betrag hätten sie vorrangig zurückzahlen müssen.
Die Antragsteller haben mitgeteilt, dass die Antragstellerin zu 1. am 16. März 2015 einen Arbeitsvertag als Zustellerin von Werbemitteln abgeschlossen hat. Wegen der genauen Einzelheiten wird auf die Vertragskopie (Blatt 188 ff. der Gerichtsakten) Bezug genommen. Nach einer vorgelegten Entgeltbescheinigung hat die Antragstellerin für diese Tätigkeit für die Zeit vom 13. bis zum 31. März 2015 ein Entgelt von 19,54 EUR erhalten. Dazu hat der Antragsgegner ausgeführt: Es handele sich dem zeitlichen Umfang (zwei Stunden wöchentlich) und dem geringen Entgelt nach um eine völlig untergeordnet und unwesentliche Tätigkeit.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Die Beschwerden des Antragsgegners und der Antragsteller gegen den Beschluss des SG Halle vom 23. Januar 2015 sind gemäß § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, form- und fristgerecht eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig. Ein Beschwerdeausschluss nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG greift nicht ein.
Die Beschwerden sind aber nicht begründet. Die vom SG ausgesprochene vorläufige Verpflichtung ist rechtlich dem Grunde und der Höhe nach nicht zu beanstanden.
Die Rechtmäßigkeit des Erlasses der von den Antragstellern begehrten vorläufigen Anordnung beurteilt sich nach § 86b Abs. 2 SGG. Nach dieser Vorschrift ist das Begehren der Antragsteller als ein auf den Erlass einer Regelungsanordnung gerichteter Antrag statthaft, weil in der Hauptsache keine reine Anfechtungsklage zu erheben war. Das Begehren der Antragsteller ist auf die Gewährung von Leistungen gerichtet, so dass statthafte Klageart eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 und 4 SGG ist. Das Gericht der Hauptsache kann in diesem Fall gemäß § 86b Abs. 2 SGG auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte oder eine Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, weil sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dabei gelten nach § 86b Abs. 23 Satz 4 SGG die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend.
Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist daher, dass sowohl ein Anordnungsgrund (d. h. die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) und ein Anordnungsanspruch (d. h. die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) glaubhaft gemacht werden, § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO.
Im konkreten Fall haben die Antragsteller die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes glaubhaft gemacht. Nach ihrem glaubhaften Vortrag verfügen sie über keine Einkünfte und kein Vermögen zur Bestreitung des Lebensunterhalts.
Auch von einem Anordnungsanspruch ist nach Auffassung des Senats auszugehen.
Der Senat vermag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend festzustellen, ob die Antragsteller von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen sind. Darauf folgt, dass der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen ist. Der Senat entscheidet deshalb aufgrund einer Folgenabwägung.
Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Die grundrechtlichen Belange des Antragstellers sind umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02). Dies gilt ganz besonders dann, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05).
Eine Entscheidung über einen Eilantrag ist insbesondere dann auf der Grundlage einer Folgenabwägung zu treffen, wenn - gemessen am Gewicht der geltend gemachten Grundrechtsverletzung - aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Vollprüfung der Rechtslage geboten ist, jedoch eine genügend intensive rechtliche Durchdringung der Sache im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes nicht möglich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Februar 2013 - 1 BvR 2366/12, juris Rn. 3 und 5). Davon ist auszugehen, wenn das Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes keine geeignete Grundlage für eine hinreichend zuverlässige Prognose der Erfolgsaussichten der Klage bietet, weil die Streitsache von hoher Komplexität ist und eine vertiefte Befassung mit Fragen des Verfassungsrechts oder der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten gebietet, die dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Mai 2007 - 2 BvR 304/07, juris Rn. 30). Dies ist der Fall, wenn mit der Entscheidung im einstweiligen Rechtschutz vollendete Tatsachen vor der Entscheidung in der Hauptsache geschaffen werden können, obwohl die Rechtsfragen, welche bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung zu beantworten sind, weder höchstrichterlich entschieden noch in Rechtsprechung und Literatur weitgehend einheitlich beantwortet worden sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Mai 2007 - 2 BvR 2483/06, juris, Rn. 32 f).
Es ist zunächst überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragstellerin zu 1. und 2. die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II erfüllen und dass dann dem Grunde nach auch die Anspruchsvoraussetzungen für einen Anspruch auf Sozialgeld für die Antragsteller zu 3. und 4. im Sinne des § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II vorliegen.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch der Antragsteller zu 1. und 2. sind die §§ 19 Abs. 1 Sätze 1 und 3, Abs. 3 Satz 1, 20 Abs. 1 und 2, 22 Abs. 1 SGB II. Nach diesen Vorschriften erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich des Regelbedarfs sowie der Bedarfe für Unterkunft und Heizung, soweit diese nicht durch zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen gedeckt sind. Leistungsberechtigt sind gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die u. a. erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Hilfebedürftig ist nach§ 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II sind bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Einkommen und Vermögen sind nach Maßgabe der §§ 11 ff, 12 SGB II anrechenbar.
Die Antragsteller erfüllen die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II. Sie haben das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht. Auch sind sie, da ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt werden könnte, in der Lage, in dem in § 8 Abs. 1 SGB II beschriebenen Umfang erwerbstätig zu sein. Denn nach § 8 Abs. 2 SGB II reicht hierfür die rechtliche Möglichkeit aus, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung nach § 39 des Aufenthaltsgesetzes aufzunehmen. Zudem haben die Antragstellerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt nach § 30 Abs. 3 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (SGB I) im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibs (vgl. dazu BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 - B 4 AS 54/12 R - juris, Rn. 18) in der Bundesrepublik Deutschland begründet. Seit dem 29. Januar 2013 tritt bei Unionsbürgern an die Stelle der Überprüfung der Voraussetzungen für die Ausstellung einer Bescheinigung über das Aufenthaltsrecht die Prüfung über das Vorliegen oder den Fortbestand der Voraussetzungen für die Ausübung des Freizügigkeitsrechts nach § 2 Absatz 1 FreizügG/EU, § 5 Abs. 3 FreizügG/EU.
Nach ihrem glaubhaften Vortrag verfügen die Antragsteller nicht über bedarfsdeckendes Einkommen oder Vermögen zur Bestreitung des Lebensunterhalts, so dass Hilfebedürftigkeit vorliegt.
Es lässt sich nicht abschließend feststellen, ob ein Leistungsanspruch der Antragsteller nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen ist. Aufgrund der im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes gebotenen summarischen Prüfung geht der Senat davon aus, dass die Norm einer vorläufigen Leistungsgewährung auf der Grundlage einer Folgenabwägung im konkreten Fall nicht entgegensteht. Andere Ausschlussgründe sind nicht ersichtlich. Der Ausschlussgrund des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II ist nicht einschlägig, weil diese Vorschrift nur für die ersten drei Monate des Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland Anwendung findet. Die Antragsteller befinden sich aber schon deutlich länger als drei Monate in der Bundesrepublik Deutschland und sie machen auch keine rückwirkenden Ansprüche für die ersten drei Monate des Aufenthalts geltend.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II sind Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen vom Leistungsanspruch ausgenommen, wenn sich ihr Aufenthaltsrecht alleine aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Weil diese Vorschrift darauf abstellt, dass sich das Aufenthaltsrecht alleine aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, werden jedenfalls die Unionsbürger von diesem Leistungsausschluss nicht erfasst, bei denen die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht nach dem des Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern vom 30. Juli 2004 (FreizügG/EU; BGBl. I, S. 1950) oder ggf. dem begrenzt subsidiär anwendbaren Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet vom 25. Februar 2008 (AufenthaltsG; BGBl. I, S. 162) aus anderen Gründen als dem Zweck der Arbeitsuche vorliegen. Insofern ist der Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II immanent, dass der Ausschluss diejenigen Unionsbürger nicht betrifft, sich auch auf ein anderes Aufenthaltsrecht berufen können (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 - B 4 AS 54/12 R, juris Rn. 27).
Der Senat geht davon aus, dass den Antragstellern zu 1. und 2. ein Aufenthaltsrecht aus anderen Gründen als dem Zweck der Arbeitsuche nicht zusteht.
Zum einen vermittelt die Aufnahme der Antragstellerin zu 1. als Zustellerin ab März 2014 kein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmerin nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU. Die Arbeitnehmereigenschaft setzt eine Tätigkeit voraus, die nicht nur völlig untergeordnet und unwesentlich ist (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Februar 2010 in der Sache Genc, C-14/09, zitiert nach juris). Dies ist aber bei der Tätigkeit der Antragstellerin zu 1. aufgrund des Entgelts und des sich aus dem Vertrag ergebenden Umfangs der Fall.
Zum anderen hält der Senat die Annahme des SG, dem Antragsteller zu 2. könne für den streitigen Zeitraum ein Aufenthaltsrecht aus § 2 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 2 Nr. 1 FreizüG/EU zustehen, nicht für überzeugend. Diese Vorschrift begründet ein (nachgehendes) Aufenthaltsrecht für die Dauer von sechs Monaten bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung. Dazu müsste ein Aufenthaltsrecht des Antragstellers zu 2. nach § 2 Nr. 1 FreizüG/EU als Arbeitnehmer bestanden haben. Der Senat hält es für höchst unwahrscheinlich, dass die dafür allein in Betracht kommende vom ihm angegebene "Probearbeit" des Antragstellers zu 2. geeignet war, einen solchen Staus zu begründen. Eine von vornherein als Probearbeit ausgelegte Tätigkeit von auch nur geringer Dauer wird im Sinne des FreizügG/EU letztlich kaum geeignet sein, einen aufenthaltsrechtlich relevanten Arbeitnehmerstatus zu begründen. Für den konkreten Fall kann dies aber offenbleiben. Denn die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II steht einer Gewährung vorläufiger Leistungen an die Antragsteller vorliegend aus anderen Gründen nicht entgegen.
Die Anwendbarkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme des sozialen Sicherheit (=VO (EG) 883/2004) im konkreten Fall zweifelhaft. Bei einer solchen Unvereinbarkeit ist die bundesrechtliche Norm unmittelbar diskriminierend. Es bedarf nicht erst einer Feststellung der mangelnden Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht (siehe dazu mit zahlreichen Nachweisen die Ausführungen im Urteil des BSG vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 23/10 R, juris, Rn. 21 ff.).
Nach Art. 4 VO (EG) 883/2004 haben Personen, die wie die Antragsteller als Unionsbürgerin unter den Anwendungsbereich der Verordnung fallen, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Vorschriften des Mitgliedsstaates wie die Staatsbürger dieses Staates vorbehaltlich abweichender Regelung der Verordnung. Das BSG hat dazu in seinem Vorlagebeschuss an den Europäischen Gerichtshof vom 12. Dezember 2013 – B 4 AS 9/13 R, juris, ausgeführt: Es sei klärungsbedürftig ob sich eine solche abweichende Regelung für den Export beitragsunabhängiger Leistungen ergebe. Es sei zweifelhaft, ob ein ausnahmsloser Ausschluss von Sozialleistungen möglich sei und klärungsbedürftig, ob eine verhältnismäßige Ausgestaltung der Ausschlussregelung erfordere, dass besondere Umstände im Rahmen einer Einzelfallprüfung zu berücksichtigen seien. Insoweit erscheine es insbesondere klärungsbedürftig, ob eine nach einer Arbeitsuche von mehr als drei bzw. sechs Monaten dennoch bestehende Verbindung zum innerstaatlichen Arbeitsmarkt bzw. eine sonstige tatsächlichen Verbindung zum Aufnahmemitgliedstaat zu berücksichtigen seien (BSG, a. a. O., Rn. 48). Dies gelte vor allem bei einer weitgehenden Integration arbeitsuchender Unionsbürger unabhängig vom Kriterium einer schon bestehenden Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt (BSG, a. a. O., Rn. 43).
Diese Fragen sind auch nicht durch die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 11. November 2014 (C-333/13 "Dano" – zitiert nach juris) geklärt worden. Denn in dem betreffenden Fall hatte die Arbeitnehmerin kein Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie 2004/38 (umgesetzt durch das Freizügigkeitsgesetz/EU vom 30. Juli 2004, zuletzt geändert am 2. Dezember 2014), weil sie sich auch nicht zur Arbeitssuche in Deutschland aufhielt. In den Ausführungen dazu, dass Art. 4 der Verordnung 883/2004 einer Regelung eines Mitgliedstaates, wonach Staatsangehörige anderer Mitgliedsstaaten von besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen ausgeschlossen werden, nicht entgegensteht, findet sich die Einschränkung: "sofern den betreffenden Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten im Aufnahmemitgliedstaat kein Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie 2004/38 zusteht." Insofern hat sich der EUGH noch nicht zu der Frage geäußert, ob dies auch gilt, wenn dem Staatsangehörigen als Arbeitsuchenden ein Aufenthaltsrecht zusteht. Auch das BSG hat im vorgenannten Verfahren B 4 AS 9/13 R im Hinblick auf die Entscheidung des EuGH bislang lediglich die Vorlagefrage zu I. 1. für erledigt erklärt (vgl. BSG, Beschluss vom 11. Februar 2015 - B 4 AS 9/13 R, n. v.; Terminsbericht des BSG Nr. 1/15 zu 1., juris), so dass der vorstehend dargelegte Klärungsbedarf fortbesteht.
Die Vereinbarkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II kann auch nicht ohne weiteres aufgrund der Ausführungen des Generalanwalt Wathelet in seinen Schlussanträgen vom 26. März 2015 in der Vorlagesache (zitiert nach juris, Rn. 126) angenommen werden. Die Ausführungen des Generalanwalts legen zwar nahe, dass er von einer Unvereinbarkeit des Leistungsausschlusses mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht nur für die Fälle ausgeht, in denen Unionsbürger sich in einem Mitgliedsstaat zur Arbeitsuche aufhalten, in dessen Arbeitsmarkt sie bereits vorher eingetreten waren. Es ist äußerst zweifelhaft, ob ein solcher Eintritt in den Arbeitsmarkt bezogen auf den Antragsteller zu 2. aufgrund der angegebenen "Probearbeit" angenommen war. Der Generalanwalt hat sich in seiner Stellungnahme aber nicht erkennbar mit der vom BSG in dem Vorlagebeschluss aufgeworfenen Frage auseinandergesetzt, ob der Leistungsausschluss unabhängig vom Kriterium einer schon bestehenden Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt für Unionsbürger bei einer (schon) weitgehenden Integration in der Bundesrepublik Deutschland mit Europarecht vereinbar ist (BSG, a. a. O., Rn. 43). Insofern ist nicht auszuschließen, dass der EuGH sich mit diesem Kriterium befasst und die Vereinbarkeit des Leistungsausschluss mit Europarecht auch in bestimmten, nicht vom Generalanwalt behandelten Fallgruppen annimmt. Es ist nicht völlig auszuschließen, dass davon auch die Antragstellern betroffen sein könnten, insbesondere, weil die Antragsteller zu 3. und 4. bereits in H. die Schule besuchen. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Problematik hält es der Senat für nicht fernliegend, dass im Falle der Antragsteller besondere Umstände vorliegen, die es gebieten können, sie als nicht von der Ausschlussklausel erfasst anzusehen.
Die Folgenabwägung geht hinsichtlich der zur Deckung der Regelbedarfe erforderlichen Grundsicherungsleistungen zugunsten der Antragsteller aus. Denn die Antragsteller würden bei einer Ablehnung des Antrages keine existenzsichernden Leistungen in Deutschland erhalten, so dass sie faktisch das Land wieder verlassen müssten und das Ergebnis der Hauptsache für die Zukunft bereits vorweggenommen würde.
Anderes ergibt sich bezogen auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Die anwaltlich vertretenen Antragsteller haben hier zwar einen Mietvertrag vorgelegt, wonach sie der Vermieterin ihrer Wohnung Miete und Nebenkosten schulden. Angesichts der vom SG geäußerten konkreten Zweifel daran, dass die Antragsteller derzeit ernsthaften Forderungen ausgesetzt sind, hätte es ihnen aber oblegen, zur Glaubhaftmachung weiter vorzutragen und ggf. eine Bescheinigung der Vermieterin vorzulegen, dass Mietrückstände bestehen und dass die Miete auch tatsächlich eingefordert wird. Ihr Vortrag, sie hätten die Kindergeldnachzahlung vorrangig für die Rückzahlung des von einem Bekannten gegebenen Privatdarlehens einsetzen müssen, verstärkt sogar die Zweifel, dass die Antragsteller wirklich einer ersthaften Mietzinsforderung ausgesetzt sind, deren Nichterfüllung eine gegenwärtige und anders als durch eine Verpflichtung zur Leistungserbringung nicht abwehrbare Notlage begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Den Antragstellern war im Hinblick darauf, dass der Antragsgegner Beschwerde eingelegt hat, Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen. Die insoweit gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) notwendige Prozesskostenarmut liegt vor.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das BSG anfechtbar (§ 177 SGG).
Der Beschwerdeführer hat den Antragstellern und Beschwerdegegnern auch 2/3 der außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt B. bewilligt.
Gründe:
I.
Die Beschwerdegegner und der Antragsgegner und Beschwerdeführer streiten darüber, ob und in welchem Umfang der Antragsgegner den Antragstellern für die Zeit vom 1. Februar 2015 bis zum 30. April 2015 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) zu erbringen hat.
Die am ... 1986 geborene Antragstellerin zu 1. und der am ... 1977 geborene Antragsteller zu 2. sind miteinander verheiratet. Der am ... 2002 geborene Antragsteller zu 3. und die am ... 2005 geborene Antragstellerin zu 4. sind die Kinder der Antragstellerin zu 1. und des Antragstellers zu 2. Die Antragsteller sind rumänische Staatsbürger. Sie sind nach ihren Angaben im August 2014 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist; seit dem 22. September 2014 sind sie mit Wohnsitz in H. gemeldet. Sie haben mit Vertragsbeginn zum 1. September 2014 eine Wohnung mit einer Wohnfläche von 65 m² in der M. Straße in H. angemietet. Die monatliche Grundmiete beträgt danach 360,00 EUR. Daneben sind monatlich jeweils 80,00 EUR an Vorschüssen für Betriebs-, Energie- und Heizkosten zu zahlen. Für die Antragsteller zu 3. und 4. wird Kindergeld in Höhe von monatlich jeweils 184,00 EUR gezahlt. Die Bewilligung erfolgte rückwirkend für die Zeit ab August 2014 im Dezember 2014.
Den von den Antragstellern am 5. November 2014 gestellten Antrag auf Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II lehnte der Antragsgegner ab und verwies auf einen bestehenden Leistungsausschluss (Bescheid vom 24. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2014). Hierzu ist ein Klageverfahren beim SG anhängig.
Die Antragsteller haben am 19. Dezember 2014 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Halle (SG) gestellt. Sie haben vorgetragen: Sie hätten vor der Abreise aus Rumänien einen Pkw und ihr Fernsehgerät verkauft und aus den Verkaufserlösen ihre Einreise und auch den bisherigen Lebensunterhalt finanziert. Sie hätten teils auch Hilfe von Landsleuten bekommen. Die Antragstellerin zu 1. habe in Rumänien als Verkäuferin und der Antragsteller zu 2. als Kraft- bzw. Taxifahrer gearbeitet. In der Zeit nach der Einreise hätten sie sich um Arbeit bemüht.
Sie nutzten den "Jobpoint" bei Antragsgegner. Der Antragsteller zu 2. habe zwei Tage bei einer Gerüstbaufirma in H. zur Probe gearbeitet. Dazu gebe es keinen schriftlichen Vertrag. Der Antragsteller zu 2. habe auf der Baustelle ein großes Schild mit dem Namen einer Baufirma gesehen. Er habe geglaubt, bei dieser Firma zur Probe zu arbeiten. Dies sei aber ein Trugschluss gewesen. Sein einziger Ansprechpartner auf der Baustelle sei wohl türkischer Nationalität gewesen. Die Wohnungen in dem Haus, in dem sie lebten seien ausschließlich an ausländische Mitbürger vermietet. Die Vermieterin sei grundsätzlich nachsichtig und warte die Bewilligung von Sozialleistungen ab. Es gebe aber seitens eines Beschäftigten der Vermieterin immer wieder Nachfragen wegen offener Miete, und es erfolgten auch Strom- und Heizungsabschaltungen, um den Forderungen Nachdruck zu verleihen.
Das SG hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 5. Februar 2015 verpflichtet, den Antragsstellern "für die Zeit vom 1. Februar bis zum 30. April 2015, aber längstens bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache Leistungen nach dem SGB II zu gewähren, dabei für die Antragstellerin zu 1. und den Antragsteller zu 2. monatlich jeweils 360,00 EUR und für den Antragsteller zu 3. und die Antragstellerin zu 4. monatlich jeweils 83,00 EUR." Eine weitergehende Verpflichtung hat das SG abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Das Gericht entscheide aufgrund einer Folgenabwägung. Im Eilverfahren ließen sich die näheren Umstände der vom Antragsteller zu 2. angegebenen Probearbeit nicht aufklären. Es sei deshalb nicht auszuschließen, dass der Antragsteller zu 2. ein Recht zum Aufenthalt nach § 2 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) habe. Zu berücksichtigen sei der jeweilige Regelbedarf, wobei bei den Antragstellern zu 3. und 4. das Kindergeld zu berücksichtigen sei. Die Wohnkosten seien nicht zu berücksichtigen. Die Antragsteller hätten eine vom Gericht erbetene Einverständniserklärung zur Befragung des Vermieters nicht übersandt, so dass das Bestehen von Zahlungsrückständen nicht überprüft werden könnte. Sie hätten auch die Nachzahlung von Kindergeld im Dezember 2014 nicht für die Begleichung von Mietschulden verwendet.
Gegen den ihm am 10. Februar 2015 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 18. Februar 2015 Beschwerde eingelegt und ausgeführt: Der Vortrag des Antragstellers zu 2. zur Probearbeit sei sehr unglaubwürdig und es bestünden keine Nachweise. Eine Probearbeit könne auch noch keinen Arbeitnehmerstatus begründen. Im Ergebnis greife der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II.
Der Antragsgegner beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 5. Februar 2015 abzuändern und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung insgesamt abzulehnen.
Die Antragstellerin beantragen sinngemäß,
die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen und den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 5. Februar 2015 dahingehend abzuändern, dass für den Zeitraum vom 1. Februar bis zum 30. April 2015 auch Leistungen für Unterkunft und Heizung vorläufig zu gewähren sind.
Sie tragen vor: Es könne ihnen nicht zu Last gelegt werden, dass sie die Kindergeldnachzahlung nicht zur Begleichung von Mietschulden verwendet hätten. Sie hätten in der Zeit ab August 2014, in der sie keine Einkünfte erhalten hätten, von einem Landsmann in Teilbeträgen 1.250,00 EUR als Darlehen für den Lebensunterhalt und die Ausstattung der Kinder mit Schulbedarf bekommen. Diesen Betrag hätten sie vorrangig zurückzahlen müssen.
Die Antragsteller haben mitgeteilt, dass die Antragstellerin zu 1. am 16. März 2015 einen Arbeitsvertag als Zustellerin von Werbemitteln abgeschlossen hat. Wegen der genauen Einzelheiten wird auf die Vertragskopie (Blatt 188 ff. der Gerichtsakten) Bezug genommen. Nach einer vorgelegten Entgeltbescheinigung hat die Antragstellerin für diese Tätigkeit für die Zeit vom 13. bis zum 31. März 2015 ein Entgelt von 19,54 EUR erhalten. Dazu hat der Antragsgegner ausgeführt: Es handele sich dem zeitlichen Umfang (zwei Stunden wöchentlich) und dem geringen Entgelt nach um eine völlig untergeordnet und unwesentliche Tätigkeit.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Die Beschwerden des Antragsgegners und der Antragsteller gegen den Beschluss des SG Halle vom 23. Januar 2015 sind gemäß § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, form- und fristgerecht eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig. Ein Beschwerdeausschluss nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG greift nicht ein.
Die Beschwerden sind aber nicht begründet. Die vom SG ausgesprochene vorläufige Verpflichtung ist rechtlich dem Grunde und der Höhe nach nicht zu beanstanden.
Die Rechtmäßigkeit des Erlasses der von den Antragstellern begehrten vorläufigen Anordnung beurteilt sich nach § 86b Abs. 2 SGG. Nach dieser Vorschrift ist das Begehren der Antragsteller als ein auf den Erlass einer Regelungsanordnung gerichteter Antrag statthaft, weil in der Hauptsache keine reine Anfechtungsklage zu erheben war. Das Begehren der Antragsteller ist auf die Gewährung von Leistungen gerichtet, so dass statthafte Klageart eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 und 4 SGG ist. Das Gericht der Hauptsache kann in diesem Fall gemäß § 86b Abs. 2 SGG auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte oder eine Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, weil sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dabei gelten nach § 86b Abs. 23 Satz 4 SGG die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend.
Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist daher, dass sowohl ein Anordnungsgrund (d. h. die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) und ein Anordnungsanspruch (d. h. die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) glaubhaft gemacht werden, § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO.
Im konkreten Fall haben die Antragsteller die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes glaubhaft gemacht. Nach ihrem glaubhaften Vortrag verfügen sie über keine Einkünfte und kein Vermögen zur Bestreitung des Lebensunterhalts.
Auch von einem Anordnungsanspruch ist nach Auffassung des Senats auszugehen.
Der Senat vermag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend festzustellen, ob die Antragsteller von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen sind. Darauf folgt, dass der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen ist. Der Senat entscheidet deshalb aufgrund einer Folgenabwägung.
Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Die grundrechtlichen Belange des Antragstellers sind umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02). Dies gilt ganz besonders dann, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05).
Eine Entscheidung über einen Eilantrag ist insbesondere dann auf der Grundlage einer Folgenabwägung zu treffen, wenn - gemessen am Gewicht der geltend gemachten Grundrechtsverletzung - aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Vollprüfung der Rechtslage geboten ist, jedoch eine genügend intensive rechtliche Durchdringung der Sache im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes nicht möglich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Februar 2013 - 1 BvR 2366/12, juris Rn. 3 und 5). Davon ist auszugehen, wenn das Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes keine geeignete Grundlage für eine hinreichend zuverlässige Prognose der Erfolgsaussichten der Klage bietet, weil die Streitsache von hoher Komplexität ist und eine vertiefte Befassung mit Fragen des Verfassungsrechts oder der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten gebietet, die dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Mai 2007 - 2 BvR 304/07, juris Rn. 30). Dies ist der Fall, wenn mit der Entscheidung im einstweiligen Rechtschutz vollendete Tatsachen vor der Entscheidung in der Hauptsache geschaffen werden können, obwohl die Rechtsfragen, welche bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung zu beantworten sind, weder höchstrichterlich entschieden noch in Rechtsprechung und Literatur weitgehend einheitlich beantwortet worden sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Mai 2007 - 2 BvR 2483/06, juris, Rn. 32 f).
Es ist zunächst überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragstellerin zu 1. und 2. die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II erfüllen und dass dann dem Grunde nach auch die Anspruchsvoraussetzungen für einen Anspruch auf Sozialgeld für die Antragsteller zu 3. und 4. im Sinne des § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II vorliegen.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch der Antragsteller zu 1. und 2. sind die §§ 19 Abs. 1 Sätze 1 und 3, Abs. 3 Satz 1, 20 Abs. 1 und 2, 22 Abs. 1 SGB II. Nach diesen Vorschriften erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich des Regelbedarfs sowie der Bedarfe für Unterkunft und Heizung, soweit diese nicht durch zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen gedeckt sind. Leistungsberechtigt sind gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die u. a. erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Hilfebedürftig ist nach§ 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II sind bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Einkommen und Vermögen sind nach Maßgabe der §§ 11 ff, 12 SGB II anrechenbar.
Die Antragsteller erfüllen die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II. Sie haben das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht. Auch sind sie, da ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt werden könnte, in der Lage, in dem in § 8 Abs. 1 SGB II beschriebenen Umfang erwerbstätig zu sein. Denn nach § 8 Abs. 2 SGB II reicht hierfür die rechtliche Möglichkeit aus, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung nach § 39 des Aufenthaltsgesetzes aufzunehmen. Zudem haben die Antragstellerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt nach § 30 Abs. 3 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (SGB I) im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibs (vgl. dazu BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 - B 4 AS 54/12 R - juris, Rn. 18) in der Bundesrepublik Deutschland begründet. Seit dem 29. Januar 2013 tritt bei Unionsbürgern an die Stelle der Überprüfung der Voraussetzungen für die Ausstellung einer Bescheinigung über das Aufenthaltsrecht die Prüfung über das Vorliegen oder den Fortbestand der Voraussetzungen für die Ausübung des Freizügigkeitsrechts nach § 2 Absatz 1 FreizügG/EU, § 5 Abs. 3 FreizügG/EU.
Nach ihrem glaubhaften Vortrag verfügen die Antragsteller nicht über bedarfsdeckendes Einkommen oder Vermögen zur Bestreitung des Lebensunterhalts, so dass Hilfebedürftigkeit vorliegt.
Es lässt sich nicht abschließend feststellen, ob ein Leistungsanspruch der Antragsteller nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen ist. Aufgrund der im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes gebotenen summarischen Prüfung geht der Senat davon aus, dass die Norm einer vorläufigen Leistungsgewährung auf der Grundlage einer Folgenabwägung im konkreten Fall nicht entgegensteht. Andere Ausschlussgründe sind nicht ersichtlich. Der Ausschlussgrund des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II ist nicht einschlägig, weil diese Vorschrift nur für die ersten drei Monate des Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland Anwendung findet. Die Antragsteller befinden sich aber schon deutlich länger als drei Monate in der Bundesrepublik Deutschland und sie machen auch keine rückwirkenden Ansprüche für die ersten drei Monate des Aufenthalts geltend.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II sind Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen vom Leistungsanspruch ausgenommen, wenn sich ihr Aufenthaltsrecht alleine aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Weil diese Vorschrift darauf abstellt, dass sich das Aufenthaltsrecht alleine aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, werden jedenfalls die Unionsbürger von diesem Leistungsausschluss nicht erfasst, bei denen die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht nach dem des Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern vom 30. Juli 2004 (FreizügG/EU; BGBl. I, S. 1950) oder ggf. dem begrenzt subsidiär anwendbaren Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet vom 25. Februar 2008 (AufenthaltsG; BGBl. I, S. 162) aus anderen Gründen als dem Zweck der Arbeitsuche vorliegen. Insofern ist der Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II immanent, dass der Ausschluss diejenigen Unionsbürger nicht betrifft, sich auch auf ein anderes Aufenthaltsrecht berufen können (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 - B 4 AS 54/12 R, juris Rn. 27).
Der Senat geht davon aus, dass den Antragstellern zu 1. und 2. ein Aufenthaltsrecht aus anderen Gründen als dem Zweck der Arbeitsuche nicht zusteht.
Zum einen vermittelt die Aufnahme der Antragstellerin zu 1. als Zustellerin ab März 2014 kein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmerin nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU. Die Arbeitnehmereigenschaft setzt eine Tätigkeit voraus, die nicht nur völlig untergeordnet und unwesentlich ist (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Februar 2010 in der Sache Genc, C-14/09, zitiert nach juris). Dies ist aber bei der Tätigkeit der Antragstellerin zu 1. aufgrund des Entgelts und des sich aus dem Vertrag ergebenden Umfangs der Fall.
Zum anderen hält der Senat die Annahme des SG, dem Antragsteller zu 2. könne für den streitigen Zeitraum ein Aufenthaltsrecht aus § 2 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 2 Nr. 1 FreizüG/EU zustehen, nicht für überzeugend. Diese Vorschrift begründet ein (nachgehendes) Aufenthaltsrecht für die Dauer von sechs Monaten bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung. Dazu müsste ein Aufenthaltsrecht des Antragstellers zu 2. nach § 2 Nr. 1 FreizüG/EU als Arbeitnehmer bestanden haben. Der Senat hält es für höchst unwahrscheinlich, dass die dafür allein in Betracht kommende vom ihm angegebene "Probearbeit" des Antragstellers zu 2. geeignet war, einen solchen Staus zu begründen. Eine von vornherein als Probearbeit ausgelegte Tätigkeit von auch nur geringer Dauer wird im Sinne des FreizügG/EU letztlich kaum geeignet sein, einen aufenthaltsrechtlich relevanten Arbeitnehmerstatus zu begründen. Für den konkreten Fall kann dies aber offenbleiben. Denn die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II steht einer Gewährung vorläufiger Leistungen an die Antragsteller vorliegend aus anderen Gründen nicht entgegen.
Die Anwendbarkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme des sozialen Sicherheit (=VO (EG) 883/2004) im konkreten Fall zweifelhaft. Bei einer solchen Unvereinbarkeit ist die bundesrechtliche Norm unmittelbar diskriminierend. Es bedarf nicht erst einer Feststellung der mangelnden Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht (siehe dazu mit zahlreichen Nachweisen die Ausführungen im Urteil des BSG vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 23/10 R, juris, Rn. 21 ff.).
Nach Art. 4 VO (EG) 883/2004 haben Personen, die wie die Antragsteller als Unionsbürgerin unter den Anwendungsbereich der Verordnung fallen, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Vorschriften des Mitgliedsstaates wie die Staatsbürger dieses Staates vorbehaltlich abweichender Regelung der Verordnung. Das BSG hat dazu in seinem Vorlagebeschuss an den Europäischen Gerichtshof vom 12. Dezember 2013 – B 4 AS 9/13 R, juris, ausgeführt: Es sei klärungsbedürftig ob sich eine solche abweichende Regelung für den Export beitragsunabhängiger Leistungen ergebe. Es sei zweifelhaft, ob ein ausnahmsloser Ausschluss von Sozialleistungen möglich sei und klärungsbedürftig, ob eine verhältnismäßige Ausgestaltung der Ausschlussregelung erfordere, dass besondere Umstände im Rahmen einer Einzelfallprüfung zu berücksichtigen seien. Insoweit erscheine es insbesondere klärungsbedürftig, ob eine nach einer Arbeitsuche von mehr als drei bzw. sechs Monaten dennoch bestehende Verbindung zum innerstaatlichen Arbeitsmarkt bzw. eine sonstige tatsächlichen Verbindung zum Aufnahmemitgliedstaat zu berücksichtigen seien (BSG, a. a. O., Rn. 48). Dies gelte vor allem bei einer weitgehenden Integration arbeitsuchender Unionsbürger unabhängig vom Kriterium einer schon bestehenden Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt (BSG, a. a. O., Rn. 43).
Diese Fragen sind auch nicht durch die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 11. November 2014 (C-333/13 "Dano" – zitiert nach juris) geklärt worden. Denn in dem betreffenden Fall hatte die Arbeitnehmerin kein Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie 2004/38 (umgesetzt durch das Freizügigkeitsgesetz/EU vom 30. Juli 2004, zuletzt geändert am 2. Dezember 2014), weil sie sich auch nicht zur Arbeitssuche in Deutschland aufhielt. In den Ausführungen dazu, dass Art. 4 der Verordnung 883/2004 einer Regelung eines Mitgliedstaates, wonach Staatsangehörige anderer Mitgliedsstaaten von besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen ausgeschlossen werden, nicht entgegensteht, findet sich die Einschränkung: "sofern den betreffenden Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten im Aufnahmemitgliedstaat kein Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie 2004/38 zusteht." Insofern hat sich der EUGH noch nicht zu der Frage geäußert, ob dies auch gilt, wenn dem Staatsangehörigen als Arbeitsuchenden ein Aufenthaltsrecht zusteht. Auch das BSG hat im vorgenannten Verfahren B 4 AS 9/13 R im Hinblick auf die Entscheidung des EuGH bislang lediglich die Vorlagefrage zu I. 1. für erledigt erklärt (vgl. BSG, Beschluss vom 11. Februar 2015 - B 4 AS 9/13 R, n. v.; Terminsbericht des BSG Nr. 1/15 zu 1., juris), so dass der vorstehend dargelegte Klärungsbedarf fortbesteht.
Die Vereinbarkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II kann auch nicht ohne weiteres aufgrund der Ausführungen des Generalanwalt Wathelet in seinen Schlussanträgen vom 26. März 2015 in der Vorlagesache (zitiert nach juris, Rn. 126) angenommen werden. Die Ausführungen des Generalanwalts legen zwar nahe, dass er von einer Unvereinbarkeit des Leistungsausschlusses mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht nur für die Fälle ausgeht, in denen Unionsbürger sich in einem Mitgliedsstaat zur Arbeitsuche aufhalten, in dessen Arbeitsmarkt sie bereits vorher eingetreten waren. Es ist äußerst zweifelhaft, ob ein solcher Eintritt in den Arbeitsmarkt bezogen auf den Antragsteller zu 2. aufgrund der angegebenen "Probearbeit" angenommen war. Der Generalanwalt hat sich in seiner Stellungnahme aber nicht erkennbar mit der vom BSG in dem Vorlagebeschluss aufgeworfenen Frage auseinandergesetzt, ob der Leistungsausschluss unabhängig vom Kriterium einer schon bestehenden Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt für Unionsbürger bei einer (schon) weitgehenden Integration in der Bundesrepublik Deutschland mit Europarecht vereinbar ist (BSG, a. a. O., Rn. 43). Insofern ist nicht auszuschließen, dass der EuGH sich mit diesem Kriterium befasst und die Vereinbarkeit des Leistungsausschluss mit Europarecht auch in bestimmten, nicht vom Generalanwalt behandelten Fallgruppen annimmt. Es ist nicht völlig auszuschließen, dass davon auch die Antragstellern betroffen sein könnten, insbesondere, weil die Antragsteller zu 3. und 4. bereits in H. die Schule besuchen. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Problematik hält es der Senat für nicht fernliegend, dass im Falle der Antragsteller besondere Umstände vorliegen, die es gebieten können, sie als nicht von der Ausschlussklausel erfasst anzusehen.
Die Folgenabwägung geht hinsichtlich der zur Deckung der Regelbedarfe erforderlichen Grundsicherungsleistungen zugunsten der Antragsteller aus. Denn die Antragsteller würden bei einer Ablehnung des Antrages keine existenzsichernden Leistungen in Deutschland erhalten, so dass sie faktisch das Land wieder verlassen müssten und das Ergebnis der Hauptsache für die Zukunft bereits vorweggenommen würde.
Anderes ergibt sich bezogen auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Die anwaltlich vertretenen Antragsteller haben hier zwar einen Mietvertrag vorgelegt, wonach sie der Vermieterin ihrer Wohnung Miete und Nebenkosten schulden. Angesichts der vom SG geäußerten konkreten Zweifel daran, dass die Antragsteller derzeit ernsthaften Forderungen ausgesetzt sind, hätte es ihnen aber oblegen, zur Glaubhaftmachung weiter vorzutragen und ggf. eine Bescheinigung der Vermieterin vorzulegen, dass Mietrückstände bestehen und dass die Miete auch tatsächlich eingefordert wird. Ihr Vortrag, sie hätten die Kindergeldnachzahlung vorrangig für die Rückzahlung des von einem Bekannten gegebenen Privatdarlehens einsetzen müssen, verstärkt sogar die Zweifel, dass die Antragsteller wirklich einer ersthaften Mietzinsforderung ausgesetzt sind, deren Nichterfüllung eine gegenwärtige und anders als durch eine Verpflichtung zur Leistungserbringung nicht abwehrbare Notlage begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Den Antragstellern war im Hinblick darauf, dass der Antragsgegner Beschwerde eingelegt hat, Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen. Die insoweit gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) notwendige Prozesskostenarmut liegt vor.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das BSG anfechtbar (§ 177 SGG).
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