Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 32 AS 3055/09
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 103/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die teilweise Aufhebung von Leistungen für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 31. Dezember 2006.
Der 1964 geborene Kläger bezog bis Ende Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe. Danach bezog er antragsgemäß Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Dabei gab er bereits in seinem ersten Antrag an, eine selbständige Tätigkeit im Bereich "Tonträgerlabel und Vertrieb" auszuüben. Die erzielten Einnahmen seien bis auf weiteres negativ, die Tendenz weiter fallend. In der Verwaltungsakte befindet sich eine Gewerbeanmeldung der Stadt R. von Mai 1990 bezüglich des Gewerbes mit Betriebsstätte in R., wo er nach einer Auskunft des Einwohnermeldeamtes auch einen Zweitwohnsitz hatte.
Mit Bescheid vom 28. September 2005 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II ab dem 1. Oktober 2005 bis zum 31. Januar 2006 in Höhe von 890,52 Euro. Dabei legte er eine Regelleistung in Höhe von 345,00 Euro und Kosten der Unterkunft in Höhe von 545,52 Euro zugrunde. Einkommen berücksichtigte er nicht. Mit Bescheid vom 16. Januar 2006 bewilligte er Leistungen ab dem 1. Februar 2006 bis zum 31. Mai 2006 in Höhe von ebenfalls 890,52 Euro. Mit Bescheid vom 15. Juni 2006 bewilligte er Leistungen in gleicher Höhe für die Zeit vom 1. Juni 2006 bis zum 31. August 2006. Mit Bescheid vom 2. August 2006 bewilligte der Beklagte für die Zeit vom 1. September 2006 bis zum 28. Februar 2007 Leistungen in Höhe von monatlich 900,58 Euro. Dabei berücksichtigte er eine Regelleistung in Höhe von 345,00 Euro und Kosten der Unterkunft in Höhe von 555,58 Euro.
Im April 2008 reichte der Kläger schließlich auf Aufforderung des Beklagten eine Auf-stellung der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben für das Jahr 2006 zur Akte. Danach hatte er im Jahr 2006 Betriebseinnahmen in Höhe von 23.964,64 Euro erzielt, denen Betriebsausgaben in Höhe von 20.915,92 Euro gegenüberstanden. Daraus ergab sich ein Gewinn in Höhe von 3.048,72 Euro. Zugleich war ein Verlustvortrag zum 31. Dezember 2005 in Höhe von 8.515,00 Euro ersichtlich.
Daraufhin hob der Beklagte mit Bescheid vom 28. April 2008 die Bewilligungsbescheide für das Jahr 2006 in Höhe von 1.479,00 Euro nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf. Zur Begründung hieß es, der Kläger habe während des genannten Zeitraums Einkommen aus selbständiger Tätigkeit erzielt. Es ergäbe sich ein durchschnittliches monatliches Einkommen in Höhe von 254,06 Euro.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers vom 14. Mai 2008 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. September 2009 zurück. Die Leistungsberechnung sei im Jahr 2006 ohne Anrechnung von Einkommen erfolgt, weil der Kläger im Vorjahr Verluste erwirtschaftet habe. Tatsächlich habe er jedoch Einkünfte gemäß § 11 SGB II erzielt. Nach der von ihm erstellten Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben für das Jahr 2006 habe er 3.048,72 Euro Gewinn erzielt. Diese Einkünfte ergäben sich auch aus dem Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2006. Ein Verlustvortrag, wie vom Kläger begehrt, könne nicht berücksichtigt werden. Es könne auch keine weitere Umsatzsteuer abgezogen werden, da der Kläger sie in seiner Aufstellung bereits berücksichtigt habe. Nach Abzug der Freibeträge ergäbe sich ein monatliches durchschnittliches Einkommen in Höhe von 123,25 Euro.
Hiergegen hat der Kläger am 19. Oktober 2009 Klage erhoben und sein Begehren weiter verfolgt. Umsatzsteuer und der Verlustabzug aus dem Jahr 2005 seien einkommensmindernd zu berücksichtigen, ebenso die Tilgung in Höhe von 2.500,- Euro eines 1997 erhaltenen Darlehens seines Vaters in Höhe von damals 10.000,- DM.
Mit Gerichtsbescheid vom 29. Februar 2012 – nach vorheriger Anhörung der Beteiligten – hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) sei die Aufhebung zu recht erfolgt, weil durch die Erzielung von Einkommen eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Das vom Kläger erzielte Einkommen, das gemäß § 11 SGB II zu berücksichtigen sei, ergebe sich aus der vom Kläger eingereichten Gewinn- und Verlustaufstellung für das Jahr 2006. Diese weise den von der Beklagten im Widerspruchsbescheid zutreffend angegebenen Gewinn aus. Umgerechnet auf zwölf Monate (§ 2a der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld – AlgII-VO i.d.F. für das Jahr 2006) sei die Berechnung des Beklagten richtig und nachvollziehbar. Soweit der Kläger vortrage, es sei weitere Umsatzsteuer zu berücksichtigen, stünden dem seine eigenen Angaben in der Gewinn- und Verlustrechnung entgegen. Dass diese Aufstellung falsch sei, habe er selbst nicht behauptet. Dass weitere Umsatzsteuer zu berücksichtigen sein könnte, sei weder darlegt noch nachgewiesen. Auch ein Verlustabzug für das Jahr 2005 könne nicht einkommensmindernd berücksichtigt werden, weil der Abzug von Verlusten aus dem Vorjahr nach Maßgabe von § 10d Einkommenssteuergesetz (EStG) nicht zu den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommenssteuerrechts nach § 15 Abs. 1 SGB IV, auf den in § 2a AlgII-VO Bezug genommen werde, gehöre. Dass der Kläger sein Einkommen zur Schuldentilgung verwendet haben wolle, greife nicht durch: Einkommen könne nicht frei oder gar vorrangig zur Schuldentilgung verwendet werden; es sei vielmehr zur Sicherung des eigenen Lebensunterhalts einzusetzen. Die Erstattungsforderung ergebe sich aus § 50 Abs. 1 SGB X. Danach seien bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit der zu Grunde liegende Verwaltungsakt aufgehoben worden sei.
Gegen den am 8. März 2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 14. März 2012 Berufung eingelegt. Er macht im Wesentlichen geltend, dass die Verfahrensweise des Sozialgerichts fehlerhaft gewesen sei, weil mit dem Gerichtsbescheid nicht die geeignete Entscheidungsform gewählt worden sei. In der Sache werde vor allem die Nichtberücksichtigung des Verlustvortrages gerügt; hier verberge sich die Investitionsleistung, aufgrund derer die späteren Einkünfte überhaupt erst möglich würden. Auch sei die Schuldentilgung in Höhe von 2.500,- Euro zu berücksichtigen, weil sonst Vollstreckung und Insolvenz drohten. Schließlich beruft der Kläger sich auf Vertrauensschutz und Entreicherung.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Gerichtsbescheides vom 29. Februar 2012 den Bescheid vom 28. April 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2009 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit Beschluss vom 24. September 2012 hat das Gericht das Verfahren nach § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Berichterstatter zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.
Das Gericht hat am 3. Juni 2015 über die Berufung mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakte sowie die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats waren.
Entscheidungsgründe:
I. Das Gericht konnte durch den Berichterstatter und die ehrenamtlichen Richter entscheiden, da der Senat das Verfahren nach § 153 Abs. 5 SGG übertragen hatte.
II. Gegenstand des Verfahrens ist die Rechtmäßigkeit der Bescheide vom 28. April 2008 und 22. September 2009, mit denen die teilweise Aufhebung der Leistungsbewilligungen gegenüber dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2006 sowie die entsprechende Erstattungsforderung verfügt wurden.
III. Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz – SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der Senat folgt der Begründung der mit der Berufung angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts und sieht nach § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Mit Blick auf das Berufungsvorbringen ist lediglich das Folgende zu ergänzen:
Die vom Sozialgericht gewählte Entscheidungsform des Gerichtsbescheids ist nicht zu beanstanden. Abgesehen davon, dass insoweit ein Ermessensspielraum des Sozialgerichts zu berücksichtigen ist (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 105 Rn. 25) und Ermessensfehler nicht erkennbar sind, lagen die Voraussetzungen dieser Verfahrensweise nach § 105 Abs. 1 SGG vor: Es fehlt – wie sich aus der Entscheidung des Sozialgerichts und den folgenden Überlegungen ergibt – an besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art und der Sachverhalt kann als geklärt angesehen werden.
Zu Recht hat das Sozialgericht den Verlustvortrag nach § 10d EStG für das Jahr 2005 nicht für das Jahr 2006 berücksichtigt. Nach § 2a Abs. 1 AlgII-VO für das Jahr 2006 ist bei der Berechnung des Einkommens aus selbstständiger Arbeit bzw. Gewerbebetrieb vom Arbeitseinkommen im Sinne des § 15 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV) auszugehen. Auf § 10d EStG nimmt die AlgII-VO keinen Bezug. Nach § 15 SGB IV ist Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit. Zu diesen allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften – das ist höchstrichterlich geklärt – gehört die Vorschrift des § 10d EStG nicht (BSG, Urt. v. 16.5.2001 – B 5 RJ 46/00 R). Es ist aus Sicht des Senats auch nicht zu beanstanden, dass – der Sichtweise des Klägers folgend – die in der Warenproduktion des Vorjahres liegende Investitionsleistung, die sich in dem Verlustvortrag spiegelt, nicht berücksichtigt wird. Denn die Grundsicherung betrachtet allein die Möglichkeit der Bedarfsdeckung, die sich hier aus den Einkünften aus dem Warenverkauf in dem jeweils aktuellen Bewilligungszeitraum ergibt. Insoweit ergibt sich auch – anders als Kläger es im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat – kein Widerspruch zu der Behandlung von Steuererstattungen im SGB II. Auch diese werden im Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses angerechnet, weil sie zur Bedarfsdeckung dienen können, und nicht etwa dem Jahr zugerechnet, in dem sie rechnerisch entstanden sind.
Ebenfalls zu Recht hat das Sozialgericht die vom Kläger geltend gemachten Ausgaben zur Tilgung eines Familiendarlehens nicht berücksichtigt. Es kann dahinstehen, ob das Darlehen und die teilweise Tilgung im Jahr 2006 nachgewiesen worden sind. Zweifel bestehen insoweit aufgrund des Umstandes, dass sich die Tilgungsbeträge lediglich durch die Addition von Barabhebungen in den Kontoauszügen nachvollziehen ließen und damit ein direkter Zusammenhang zum Darlehen aus diesen Unterlagen nicht ersichtlich ist. Weitere Zweifel sind dadurch hervorgerufen, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht im Stande war zu erläutern, wie er die Mittel für die angeblichen Tilgungsleistungen aufbringen konnte. Vor allem aber ist eine Schuldentilgung von vornherein nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen, weil Einkommen zuvörderst zur Sicherung des Lebensunterhalts einzusetzen ist, selbst dann, wenn dadurch bestehende vertragliche Verpflichtungen nicht erfüllt werden können (BSG, Urt. v. 19.8.2008 – B 14/7b AS 10/07 R; Urt. v. 30.9.2008 – B 4 AS 29/07 R.). Die einkommensmindernde Berücksichtigung von Tilgungsbeiträgen würde letztlich bedeuten, dass Mittel der Grundsicherung dem Gläubiger zu Gute kämen, anstatt einen Bedarf des Hilfeberechtigten selbst zu decken. Das gilt jedenfalls, wenn es – wie hier – nicht um die Frage nach "bereiten Mitteln" und damit die Gefahr einer ungedeckten aktuellen Bedarfslage geht, sondern nach Aufhebung der Bewilligung und Rückforderung um das künftige Entstehen einer Verbindlichkeit gegenüber dem Grundsicherungsträger (vgl. BSG, Urt. v. 29.11.2012 – B 14 AS 33/12 R).
Vertrauensschutz bzw. Entreicherung kann der Kläger nicht mit Erfolg geltend machen. Zunächst ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die Leistungsbewilligung für das Jahr 2006 nicht nur vorläufig, sondern bereits endgültig bewilligt hatte. Denn nach dem Ergebnis für das Jahr 2005 konnte der Beklagte nicht mit Gewinnen des Klägers im Jahr 2006 rechnen. Auch sonst ist kein Ansatzpunkt für schützenswertes Vertrauen ersichtlich. Ob der Kläger damit gerechnet hat, dass ein Gewinn nicht angerechnet würde, kann offen bleiben; schützenswert wäre eine solche Annahme angesichts der gesetzlichen Regelungen jedenfalls nicht.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die teilweise Aufhebung von Leistungen für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 31. Dezember 2006.
Der 1964 geborene Kläger bezog bis Ende Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe. Danach bezog er antragsgemäß Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Dabei gab er bereits in seinem ersten Antrag an, eine selbständige Tätigkeit im Bereich "Tonträgerlabel und Vertrieb" auszuüben. Die erzielten Einnahmen seien bis auf weiteres negativ, die Tendenz weiter fallend. In der Verwaltungsakte befindet sich eine Gewerbeanmeldung der Stadt R. von Mai 1990 bezüglich des Gewerbes mit Betriebsstätte in R., wo er nach einer Auskunft des Einwohnermeldeamtes auch einen Zweitwohnsitz hatte.
Mit Bescheid vom 28. September 2005 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II ab dem 1. Oktober 2005 bis zum 31. Januar 2006 in Höhe von 890,52 Euro. Dabei legte er eine Regelleistung in Höhe von 345,00 Euro und Kosten der Unterkunft in Höhe von 545,52 Euro zugrunde. Einkommen berücksichtigte er nicht. Mit Bescheid vom 16. Januar 2006 bewilligte er Leistungen ab dem 1. Februar 2006 bis zum 31. Mai 2006 in Höhe von ebenfalls 890,52 Euro. Mit Bescheid vom 15. Juni 2006 bewilligte er Leistungen in gleicher Höhe für die Zeit vom 1. Juni 2006 bis zum 31. August 2006. Mit Bescheid vom 2. August 2006 bewilligte der Beklagte für die Zeit vom 1. September 2006 bis zum 28. Februar 2007 Leistungen in Höhe von monatlich 900,58 Euro. Dabei berücksichtigte er eine Regelleistung in Höhe von 345,00 Euro und Kosten der Unterkunft in Höhe von 555,58 Euro.
Im April 2008 reichte der Kläger schließlich auf Aufforderung des Beklagten eine Auf-stellung der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben für das Jahr 2006 zur Akte. Danach hatte er im Jahr 2006 Betriebseinnahmen in Höhe von 23.964,64 Euro erzielt, denen Betriebsausgaben in Höhe von 20.915,92 Euro gegenüberstanden. Daraus ergab sich ein Gewinn in Höhe von 3.048,72 Euro. Zugleich war ein Verlustvortrag zum 31. Dezember 2005 in Höhe von 8.515,00 Euro ersichtlich.
Daraufhin hob der Beklagte mit Bescheid vom 28. April 2008 die Bewilligungsbescheide für das Jahr 2006 in Höhe von 1.479,00 Euro nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf. Zur Begründung hieß es, der Kläger habe während des genannten Zeitraums Einkommen aus selbständiger Tätigkeit erzielt. Es ergäbe sich ein durchschnittliches monatliches Einkommen in Höhe von 254,06 Euro.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers vom 14. Mai 2008 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. September 2009 zurück. Die Leistungsberechnung sei im Jahr 2006 ohne Anrechnung von Einkommen erfolgt, weil der Kläger im Vorjahr Verluste erwirtschaftet habe. Tatsächlich habe er jedoch Einkünfte gemäß § 11 SGB II erzielt. Nach der von ihm erstellten Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben für das Jahr 2006 habe er 3.048,72 Euro Gewinn erzielt. Diese Einkünfte ergäben sich auch aus dem Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2006. Ein Verlustvortrag, wie vom Kläger begehrt, könne nicht berücksichtigt werden. Es könne auch keine weitere Umsatzsteuer abgezogen werden, da der Kläger sie in seiner Aufstellung bereits berücksichtigt habe. Nach Abzug der Freibeträge ergäbe sich ein monatliches durchschnittliches Einkommen in Höhe von 123,25 Euro.
Hiergegen hat der Kläger am 19. Oktober 2009 Klage erhoben und sein Begehren weiter verfolgt. Umsatzsteuer und der Verlustabzug aus dem Jahr 2005 seien einkommensmindernd zu berücksichtigen, ebenso die Tilgung in Höhe von 2.500,- Euro eines 1997 erhaltenen Darlehens seines Vaters in Höhe von damals 10.000,- DM.
Mit Gerichtsbescheid vom 29. Februar 2012 – nach vorheriger Anhörung der Beteiligten – hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) sei die Aufhebung zu recht erfolgt, weil durch die Erzielung von Einkommen eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Das vom Kläger erzielte Einkommen, das gemäß § 11 SGB II zu berücksichtigen sei, ergebe sich aus der vom Kläger eingereichten Gewinn- und Verlustaufstellung für das Jahr 2006. Diese weise den von der Beklagten im Widerspruchsbescheid zutreffend angegebenen Gewinn aus. Umgerechnet auf zwölf Monate (§ 2a der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld – AlgII-VO i.d.F. für das Jahr 2006) sei die Berechnung des Beklagten richtig und nachvollziehbar. Soweit der Kläger vortrage, es sei weitere Umsatzsteuer zu berücksichtigen, stünden dem seine eigenen Angaben in der Gewinn- und Verlustrechnung entgegen. Dass diese Aufstellung falsch sei, habe er selbst nicht behauptet. Dass weitere Umsatzsteuer zu berücksichtigen sein könnte, sei weder darlegt noch nachgewiesen. Auch ein Verlustabzug für das Jahr 2005 könne nicht einkommensmindernd berücksichtigt werden, weil der Abzug von Verlusten aus dem Vorjahr nach Maßgabe von § 10d Einkommenssteuergesetz (EStG) nicht zu den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommenssteuerrechts nach § 15 Abs. 1 SGB IV, auf den in § 2a AlgII-VO Bezug genommen werde, gehöre. Dass der Kläger sein Einkommen zur Schuldentilgung verwendet haben wolle, greife nicht durch: Einkommen könne nicht frei oder gar vorrangig zur Schuldentilgung verwendet werden; es sei vielmehr zur Sicherung des eigenen Lebensunterhalts einzusetzen. Die Erstattungsforderung ergebe sich aus § 50 Abs. 1 SGB X. Danach seien bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit der zu Grunde liegende Verwaltungsakt aufgehoben worden sei.
Gegen den am 8. März 2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 14. März 2012 Berufung eingelegt. Er macht im Wesentlichen geltend, dass die Verfahrensweise des Sozialgerichts fehlerhaft gewesen sei, weil mit dem Gerichtsbescheid nicht die geeignete Entscheidungsform gewählt worden sei. In der Sache werde vor allem die Nichtberücksichtigung des Verlustvortrages gerügt; hier verberge sich die Investitionsleistung, aufgrund derer die späteren Einkünfte überhaupt erst möglich würden. Auch sei die Schuldentilgung in Höhe von 2.500,- Euro zu berücksichtigen, weil sonst Vollstreckung und Insolvenz drohten. Schließlich beruft der Kläger sich auf Vertrauensschutz und Entreicherung.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Gerichtsbescheides vom 29. Februar 2012 den Bescheid vom 28. April 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2009 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit Beschluss vom 24. September 2012 hat das Gericht das Verfahren nach § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Berichterstatter zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.
Das Gericht hat am 3. Juni 2015 über die Berufung mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakte sowie die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats waren.
Entscheidungsgründe:
I. Das Gericht konnte durch den Berichterstatter und die ehrenamtlichen Richter entscheiden, da der Senat das Verfahren nach § 153 Abs. 5 SGG übertragen hatte.
II. Gegenstand des Verfahrens ist die Rechtmäßigkeit der Bescheide vom 28. April 2008 und 22. September 2009, mit denen die teilweise Aufhebung der Leistungsbewilligungen gegenüber dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2006 sowie die entsprechende Erstattungsforderung verfügt wurden.
III. Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz – SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der Senat folgt der Begründung der mit der Berufung angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts und sieht nach § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Mit Blick auf das Berufungsvorbringen ist lediglich das Folgende zu ergänzen:
Die vom Sozialgericht gewählte Entscheidungsform des Gerichtsbescheids ist nicht zu beanstanden. Abgesehen davon, dass insoweit ein Ermessensspielraum des Sozialgerichts zu berücksichtigen ist (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 105 Rn. 25) und Ermessensfehler nicht erkennbar sind, lagen die Voraussetzungen dieser Verfahrensweise nach § 105 Abs. 1 SGG vor: Es fehlt – wie sich aus der Entscheidung des Sozialgerichts und den folgenden Überlegungen ergibt – an besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art und der Sachverhalt kann als geklärt angesehen werden.
Zu Recht hat das Sozialgericht den Verlustvortrag nach § 10d EStG für das Jahr 2005 nicht für das Jahr 2006 berücksichtigt. Nach § 2a Abs. 1 AlgII-VO für das Jahr 2006 ist bei der Berechnung des Einkommens aus selbstständiger Arbeit bzw. Gewerbebetrieb vom Arbeitseinkommen im Sinne des § 15 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV) auszugehen. Auf § 10d EStG nimmt die AlgII-VO keinen Bezug. Nach § 15 SGB IV ist Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit. Zu diesen allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften – das ist höchstrichterlich geklärt – gehört die Vorschrift des § 10d EStG nicht (BSG, Urt. v. 16.5.2001 – B 5 RJ 46/00 R). Es ist aus Sicht des Senats auch nicht zu beanstanden, dass – der Sichtweise des Klägers folgend – die in der Warenproduktion des Vorjahres liegende Investitionsleistung, die sich in dem Verlustvortrag spiegelt, nicht berücksichtigt wird. Denn die Grundsicherung betrachtet allein die Möglichkeit der Bedarfsdeckung, die sich hier aus den Einkünften aus dem Warenverkauf in dem jeweils aktuellen Bewilligungszeitraum ergibt. Insoweit ergibt sich auch – anders als Kläger es im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat – kein Widerspruch zu der Behandlung von Steuererstattungen im SGB II. Auch diese werden im Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses angerechnet, weil sie zur Bedarfsdeckung dienen können, und nicht etwa dem Jahr zugerechnet, in dem sie rechnerisch entstanden sind.
Ebenfalls zu Recht hat das Sozialgericht die vom Kläger geltend gemachten Ausgaben zur Tilgung eines Familiendarlehens nicht berücksichtigt. Es kann dahinstehen, ob das Darlehen und die teilweise Tilgung im Jahr 2006 nachgewiesen worden sind. Zweifel bestehen insoweit aufgrund des Umstandes, dass sich die Tilgungsbeträge lediglich durch die Addition von Barabhebungen in den Kontoauszügen nachvollziehen ließen und damit ein direkter Zusammenhang zum Darlehen aus diesen Unterlagen nicht ersichtlich ist. Weitere Zweifel sind dadurch hervorgerufen, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht im Stande war zu erläutern, wie er die Mittel für die angeblichen Tilgungsleistungen aufbringen konnte. Vor allem aber ist eine Schuldentilgung von vornherein nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen, weil Einkommen zuvörderst zur Sicherung des Lebensunterhalts einzusetzen ist, selbst dann, wenn dadurch bestehende vertragliche Verpflichtungen nicht erfüllt werden können (BSG, Urt. v. 19.8.2008 – B 14/7b AS 10/07 R; Urt. v. 30.9.2008 – B 4 AS 29/07 R.). Die einkommensmindernde Berücksichtigung von Tilgungsbeiträgen würde letztlich bedeuten, dass Mittel der Grundsicherung dem Gläubiger zu Gute kämen, anstatt einen Bedarf des Hilfeberechtigten selbst zu decken. Das gilt jedenfalls, wenn es – wie hier – nicht um die Frage nach "bereiten Mitteln" und damit die Gefahr einer ungedeckten aktuellen Bedarfslage geht, sondern nach Aufhebung der Bewilligung und Rückforderung um das künftige Entstehen einer Verbindlichkeit gegenüber dem Grundsicherungsträger (vgl. BSG, Urt. v. 29.11.2012 – B 14 AS 33/12 R).
Vertrauensschutz bzw. Entreicherung kann der Kläger nicht mit Erfolg geltend machen. Zunächst ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die Leistungsbewilligung für das Jahr 2006 nicht nur vorläufig, sondern bereits endgültig bewilligt hatte. Denn nach dem Ergebnis für das Jahr 2005 konnte der Beklagte nicht mit Gewinnen des Klägers im Jahr 2006 rechnen. Auch sonst ist kein Ansatzpunkt für schützenswertes Vertrauen ersichtlich. Ob der Kläger damit gerechnet hat, dass ein Gewinn nicht angerechnet würde, kann offen bleiben; schützenswert wäre eine solche Annahme angesichts der gesetzlichen Regelungen jedenfalls nicht.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen.
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