Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 16 AS 423/13 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 593/13 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Mit einem Sanktionsbescheid wird lediglich der Sanktionszeitraum kalendermäßig festgelegt. Der insofern festgestellte Wegfall des Anspruches auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ist aber im laufenden Bewilligungszeitraum verfahrensrechtlich durch eine ausdrückliche Aufhebungsverfügung nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) umzusetzen.
Daran hat auch die Rechtsänderung zum 01.04.2011 durch das Regelbedarfsänderungsgesetz keine Änderung bewirkt.
Daran hat auch die Rechtsänderung zum 01.04.2011 durch das Regelbedarfsänderungsgesetz keine Änderung bewirkt.
I. Der Antragsgegner wird verpflichtet, vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, der Antragstellerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 652 EUR monatlich für September 2013 und Oktober 2013 zu zahlen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin 2/3 ihrer außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
III. Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt und Rechtsanwältin S., B-Stadt, beigeordnet. Ratenzahlungen sind nicht zu erbringen.
Gründe:
I.
Streitig ist im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens eine Absenkung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) um 100% und die Zahlung der Leistungen für die Zeit vom 01.08.2013 bis 31.10.2013.
Die Antragstellerin (ASt) bezieht vom Antragsgegner (Ag) Alg II. Zuletzt wurde ihr mit bestandskräftigen Bescheid vom 31.05.2013 Alg II für die Zeit vom 01.07.2013 bis 31.12.2013 in Höhe von monatlich 652 EUR bewilligt. Nachdem die Leistungen in der Vergangenheit bereits mehrfach im Hinblick auf Sanktionen abgesenkt wurden, stellte der Ag zuletzt mit Bescheid vom 17.01.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2013 den Wegfall des Alg II für die Zeit vom 01.02.2013 bis 30.04.2013 fest. Über die dagegen beim Sozialgericht Würzburg (SG) eingelegte Klage (S 16 AS 120/13) ist bislang nicht entschieden.
Im Hinblick auf ein Stellenangebot als Helferin Textilherstellung bei der Firma M. GmbH, Am D. 4 a, K-Stadt, nahm die ASt am 07.06.2013 ein Vorstellungsgespräch wahr. Bereits am 27.05.2013 hatte der Arbeitgeber dem Ag mitgeteilt, die ASt habe sich erst 3 Wochen nach Zugang des Stellenangebotes beworben. Der Arbeitgeber teilte sodann am 26.06.2013 weiter mit, die ASt habe die angebotene Arbeit abgelehnt, da sich die Arbeit wegen der Fahrtkosten nicht lohne und ihr die Arbeit zu anstrengend sei.
Mit Bescheid vom 10.07.2013 stellte der Ag den vollständigen Wegfall des Alg II für den Zeitraum vom 01.08.2013 bis 31.10.2013 fest. Das Angebot bei der Firma M. Textildruck GmbH sei zumutbar. Trotz Belehrung über die Rechtsfolgen habe die ASt durch ihr Verhalten das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses von vorneherein verhindert. Dagegen legte die ASt Widerspruch ein. Sie habe sich am 16.05.2013 schriftlich beworben und sei bis 31.05.2013 in einem genehmigten Urlaub gewesen. Bei ihrem Vorstellungsgespräch habe sie kein Verhalten an den Tag gelegt, mit dem sie die Beschäftigungsaufnahme verhindert habe. Ihr sei ein Bruttoverdienst von 800 EUR monatlich genannt worden, ihr hätten beim Vorstellungsgespräch die Augen getränt und sie habe wegen chemischer Dämpfe schlecht Luft bekommen. Mit dem Bus wäre sie zur Arbeitsstelle jeden Tag drei Stunden unterwegs. Über den Widerspruch ist nach Aktenlage bislang nicht entscheiden.
Am 24.07.2013 hat die ASt beim SG im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs bzw. die vorläufige Aufhebung der Vollziehung der Kürzung beantragt. Den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hat das SG mit Beschluss vom 08.08.2013 abgelehnt. Es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Sanktion. Die ASt habe durch ihr Verhalten die Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses verhindert. Die Inanspruchnahme der direkten Busverbindung zwischen K-Stadt und A-Stadt sei ihr zumutbar. Gesundheitliche Einschränkungen seien nicht weiter glaubhaft gemacht worden.
Dagegen hat die ASt Beschwerde beim Bayer. Landessozialgericht eingelegt und eine Verpflichtung des Ag zur Zahlung des Alg II für die Monate August bis Oktober 2013 im Wege der einstweiligen Anordnung sowie Prozesskostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren beantragt. Sie habe sich zeitnah beworben und trotz ihres Urlaubs am 21.05.2013 einen Bewerbungstermin für den 07.06.2013 vereinbart. Der mitgeteilte Lohn von 800 EUR sei Lohnwucher, weshalb das Arbeitsangebot nicht zumutbar gewesen sei. Dies gelte auch unter Berücksichtigung ihrer gesundheitlichen Einschränkungen. Die Entfernung zur Arbeitsstelle betrage 27 km einfach. Bei Benutzung des Busses müsse sie 5,77 km zu Fuß zurücklegen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Akte des Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig (§§ 172 Abs 1, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und teilweise begründet. Das SG hat zwar zu Recht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der ASt gegen den Bescheid vom 10.07.2013 abgelehnt. Die ASt hat aber einen Anspruch auf Gewährung ihres Alg II im Wege der einstweiligen Anordnung für September und Oktober 2013.
Gegenstand des Verfahrens ist zunächst der - sich zumindest aus der Beschwerdebegründung ergebende - Antrag der ASt, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruches in Bezug auf den Bescheid vom 10.07.2013 anzuordnen. Der Widerspruch hat keine aufschiebende Wirkung, denn mit diesem Bescheid hat der Ag über eine Leistung der Grundsicherung für Arbeitssuchende entschieden (§ 86a Abs 2 Nr 4 SGG iVm § 39 Nr 1 SGB II). Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, § 86b Abs 1 Nr 2 SGG. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage ist nur möglich, wenn das besondere Interesse der ASt an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung das vom Gesetz vorausgesetzte Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes überwiegt, wobei bei der Prüfung der Interessen zuerst auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache abzustellen ist.
Unter Berücksichtigung des § 39 Nr 1 SGB II ist von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten des Suspensiveffektes auszugehen, da der Gesetzgeber die sofortige Vollziehung zunächst angeordnet hat. Davon abzuweichen besteht nur Anlass, wenn ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt Belasteten feststellbar ist (vgl Beschluss des Senats vom 18.11.2008 - L 11 B 948/08 AS ER). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl, § 86b Rn 12c). Ist der Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig und ist der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt, wird ausgesetzt, weil dann ein überwiegendes öffentliches Interesse oder Interesse eines Dritten an der Vollziehung nicht erkennbar ist. Ist die Klage aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung, wobei die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens und die Entscheidung des Gesetzgebers in § 39 Nr 1 SGB II mitberücksichtigt werden (vgl zum Ganzen: Keller aaO Rn 12f; Beschluss des Senats aaO).
Das SG hat die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 10.07.2013 zu Recht abgelehnt. Der Senat folgt insofern den Ausführungen des SG in dessen Beschluss vom 08.08.2013 und sieht insofern von einer weiteren Begründung ab, § 142 Abs 2 Satz 3 SGG. Ergänzend ist auszuführen, dass nach den Ermittlungen des Senats der Fußweg der ASt von ihrer Wohnung zur Bushaltestelle Bahnhof A-Stadt etwa acht Minuten beträgt und von der Bushaltestelle E-Stadt, R-Straße 7 zur Firma M. GmbH etwa 16 Minuten (nach maps.google.de). Die Busfahrzeit beträgt nach dem Fahrplan 38 Minuten (Abfahrt 5:23 Uhr; Ankunft 6:01 Uhr). Der Gesamtweg dauert damit etwa eine Stunde und erscheint als solcher zumutbar. Für die Behauptung der ASt zur Angabe des Lohnes und zu den gesundheitlichen Gründen bedarf es einer weiteren, ggf. umfassenderen Sachaufklärung, die dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss. Die Erfolgsaussichten sind insofern völlig offen, sodass unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Wertung in § 39 Nr 1 SGB II die Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen ist.
Soweit die ASt daneben jedoch die Verpflichtung des Ag zur Fortzahlung von Alg II für die Monate August bis Oktober 2013 im Wege der einstweiligen Anordnung begehrt, hat der Antrag für die Monate September und Oktober 2013 Erfolg. Dieses Anliegen kann die ASt in der Hauptsache, mangels Aufhebungsbescheides in Bezug auf den Bewilligungsbescheid vom 31.05.2013, (derzeit) im Wege einer isolierten Leistungsklage gemäß § 54 Abs 5 SGG geltend machen, so dass vorliegend Rechtsgrundlage für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis § 86b Abs 2 Satz 2 SGG darstellt. Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem ASt ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1998 - BVerfGE 79, 69; vom 19.10.1997 - BVerfGE 46, 166 und vom 22.11.2002 - NJW 2003, 1236; Niesel/Herold-Tews, Der Sozialgerichtsprozess, 5. Aufl, Rn 652). Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den der ASt sein Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der ASt glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG 10. Aufl, § 86b Rn 41).
Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 - NVwZ 2005, 927) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind hierbei die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist ggf. auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange der Ast zu entscheiden (vgl BVerfG vom 12.05.2005 - aaO - und vom 22.11.2002 - NJW 2003, 1236; zuletzt BVerfG vom 15.01.2007 - 1 BvR 2971/06). In diesem Zusammenhang ist eine Orientierung an den Erfolgsaussichten nur möglich, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist, denn soweit schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, darf die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern sie muss abschließend geprüft werden (vgl BVerfG vom 12.05.2005 aaO).
Ein Anordnungsanspruch ist hinsichtlich der Monate September und Oktober 2013 gegeben. Die ASt hat nach summarischer Prüfung einen entsprechenden Zahlungsanspruch aus dem bindend gewordenen (§ 77 SGG) Bewilligungsbescheid vom 31.05.2013 glaubhaft gemacht.
Mit dem Bescheid vom 10.07.2013 hat der Ag den Wegfall des Anspruchs der ASt auf Alg II festgestellt. Allerdings wurde der ursprüngliche Bewilligungsbescheid nicht aufgehoben, der Sanktionsbescheid insofern nicht leistungsrechtlich umgesetzt. Mit dem Sanktionsbescheid vom 10.07.2013 wurde lediglich der Sanktionszeitraum kalendermäßig festgelegt, § 31b Abs 1 Satz 1 SGB II. Der insofern festgestellte Wegfall des Anspruches auf Alg II ist aber im laufenden Bewilligungszeitraum verfahrensrechtlich durch eine ausdrückliche Aufhebungsverfügung nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) umzusetzen (BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 30/09 R -; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 17.06.2013 - L 7 AS 332/13 B ER -, beide zitiert nach juris). Der Sanktionsbescheid enthält keinen Anhaltspunkt dafür, mit ihm solle zugleich die mit dem Bescheid vom 31.05.2013 erfolgte Leistungsbewilligung für diese Zeit aufgehoben werden. Der Bescheid vom 10.07.2013 kann insbesondere auch nicht in einen Bescheid über die Aufhebung der Bewilligung von Alg II gemäß § 43 SGB X umgedeutet werden (vgl LSG Niedersachsen-Bremen aaO mit Verweis auf BSG, SozR 3-1300 § 24 Nr 16, zum Sperrzeitenrecht). Die Rechtsänderung zum 01.04.2011 durch das Regelbedarfsänderungsgesetz (BGBl I 453) hat insofern keine Änderung dahingehend bewirkt, dass durch das nunmehrige Abstellen auf den "Auszahlungsanspruch" keine Aufhebungsentscheidung nach § 48 SGB X mehr notwendig würde (vgl S. Knickrehm/Hahn in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. § 31b Abs 7 mwN auch zur gegenteiligen Auffassung). Der Bewilligungsbescheid ist ein Dauerverwaltungsakt, dessen Bestandskraft nur durch einen gegenläufigen Aufhebungsbescheid durchbrochen werden kann, wobei § 31b Abs 1 Satz 1 SGB II keine entspreche Spezialregelung zu § 48 SGB X darstellt (S. Knickrehm/Hahn aaO).
Auch kann der Ag dem Zahlungsanspruch nicht (mehr) eine vorläufige Zahlungseinstellung (§ 40 Abs 2 Nr 4 SGB II iVm § 331 Abs 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III -) entgegenhalten. Die Zahlungseinstellung erfolgte nach dem Bescheid vom 10.07.2013 offensichtlich spätestens Ende Juli 2013 für die für August zu zahlenden Leistungen. Eine Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 31.05.2013 für die Vergangenheit innerhalb von zwei Monaten nach der vorläufigen Zahlungseinstellung ist nach Aktenlage nicht erfolgt und die laufenden Leistungen damit nachzuzahlen (§ 331 Abs 2 SGB III).
Im Hinblick auf die existenzsichernde Funktion des Alg II und den vollständigen Wegfall der Leistungen ist auch ein Anordnungsgrund für die Leistungen für September und Oktober 2013 unzweifelhaft gegeben.
Eine vorläufige Regelung hinsichtlich der Leistungen für August 2013 ist nicht geboten, denn dieser Leistungszeitraum ist bereits abgelaufen, so dass insofern Leistungen für die Vergangenheit im Streit stehen und die Dringlichkeit der Angelegenheit nicht zu belegen ist. Im Rahmen einer Regelungsanordnung ist der Anordnungsgrund die Notwendigkeit, wesentliche Nachteile abzuwenden, um zu vermeiden, dass die ASt vor vollendete Tatsachen gestellt wird, ehe sie wirksamen Rechtsschutz erlangen kann (vgl. Keller aaO § 86b Rn. 27a). Charakteristisch ist daher für den Anordnungsgrund die Dringlichkeit der Angelegenheit, die in aller Regel nur in die Zukunft wirkt. Es ist rechtlich zwar nicht auszuschließen, dass auch für vergangene Zeiträume diese Dringlichkeit angenommen werden kann; diese überholt sich jedoch regelmäßig durch Zeitablauf. Ein Anordnungsgrund für Zeiträume vor einer gerichtlichen Entscheidung ist daher nur ausnahmsweise anzunehmen, wenn ein noch gegenwärtig schwerer, irreparabler und unzumutbarer Nachteil glaubhaft gemacht wird, und ein besonderer Nachholbedarf durch die Verweigerung der Leistungen in der Vergangenheit auch in der Zukunft noch fortwirkt oder ein Anspruch eindeutig besteht (vgl. Beschluss des Senates vom 12.04.2010 - L 11 AS 18/10 B ER - juris). Beides ist vorliegend aber nicht der Fall. Soweit für September 2013 dennoch ein Anordnungsgrund anzunehmen ist, obwohl auch insofern die Leistungszeit teilweise abgelaufen ist, folgt dies aus § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II, wonach auch ein im Verlauf eines Monats gestellter Leistungsantrag auf den Monatsersten zurückwirkt.
Die ASt hat damit einen Anordnungsanspruch und -grund für die Alg II-Gewährung für September 2013 und Oktober 2013 glaubhaft gemacht; der Ag ist insofern vorläufig zu verpflichten das Alg II für diese Zeit fortzuzahlen. Soweit die ASt darüber hinaus Alg II begehrt hat, war die Beschwerde zurückzuweisen.
Da die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen vorliegen und die Beschwerde aus oben genannten Gründen hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, war der ASt PKH auch für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung ihrer Bevollmächtigten zu bewilligen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 114, 119 Abs 1 Zivilprozessordnung -ZPO-).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
II. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin 2/3 ihrer außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
III. Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt und Rechtsanwältin S., B-Stadt, beigeordnet. Ratenzahlungen sind nicht zu erbringen.
Gründe:
I.
Streitig ist im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens eine Absenkung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) um 100% und die Zahlung der Leistungen für die Zeit vom 01.08.2013 bis 31.10.2013.
Die Antragstellerin (ASt) bezieht vom Antragsgegner (Ag) Alg II. Zuletzt wurde ihr mit bestandskräftigen Bescheid vom 31.05.2013 Alg II für die Zeit vom 01.07.2013 bis 31.12.2013 in Höhe von monatlich 652 EUR bewilligt. Nachdem die Leistungen in der Vergangenheit bereits mehrfach im Hinblick auf Sanktionen abgesenkt wurden, stellte der Ag zuletzt mit Bescheid vom 17.01.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2013 den Wegfall des Alg II für die Zeit vom 01.02.2013 bis 30.04.2013 fest. Über die dagegen beim Sozialgericht Würzburg (SG) eingelegte Klage (S 16 AS 120/13) ist bislang nicht entschieden.
Im Hinblick auf ein Stellenangebot als Helferin Textilherstellung bei der Firma M. GmbH, Am D. 4 a, K-Stadt, nahm die ASt am 07.06.2013 ein Vorstellungsgespräch wahr. Bereits am 27.05.2013 hatte der Arbeitgeber dem Ag mitgeteilt, die ASt habe sich erst 3 Wochen nach Zugang des Stellenangebotes beworben. Der Arbeitgeber teilte sodann am 26.06.2013 weiter mit, die ASt habe die angebotene Arbeit abgelehnt, da sich die Arbeit wegen der Fahrtkosten nicht lohne und ihr die Arbeit zu anstrengend sei.
Mit Bescheid vom 10.07.2013 stellte der Ag den vollständigen Wegfall des Alg II für den Zeitraum vom 01.08.2013 bis 31.10.2013 fest. Das Angebot bei der Firma M. Textildruck GmbH sei zumutbar. Trotz Belehrung über die Rechtsfolgen habe die ASt durch ihr Verhalten das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses von vorneherein verhindert. Dagegen legte die ASt Widerspruch ein. Sie habe sich am 16.05.2013 schriftlich beworben und sei bis 31.05.2013 in einem genehmigten Urlaub gewesen. Bei ihrem Vorstellungsgespräch habe sie kein Verhalten an den Tag gelegt, mit dem sie die Beschäftigungsaufnahme verhindert habe. Ihr sei ein Bruttoverdienst von 800 EUR monatlich genannt worden, ihr hätten beim Vorstellungsgespräch die Augen getränt und sie habe wegen chemischer Dämpfe schlecht Luft bekommen. Mit dem Bus wäre sie zur Arbeitsstelle jeden Tag drei Stunden unterwegs. Über den Widerspruch ist nach Aktenlage bislang nicht entscheiden.
Am 24.07.2013 hat die ASt beim SG im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs bzw. die vorläufige Aufhebung der Vollziehung der Kürzung beantragt. Den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hat das SG mit Beschluss vom 08.08.2013 abgelehnt. Es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Sanktion. Die ASt habe durch ihr Verhalten die Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses verhindert. Die Inanspruchnahme der direkten Busverbindung zwischen K-Stadt und A-Stadt sei ihr zumutbar. Gesundheitliche Einschränkungen seien nicht weiter glaubhaft gemacht worden.
Dagegen hat die ASt Beschwerde beim Bayer. Landessozialgericht eingelegt und eine Verpflichtung des Ag zur Zahlung des Alg II für die Monate August bis Oktober 2013 im Wege der einstweiligen Anordnung sowie Prozesskostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren beantragt. Sie habe sich zeitnah beworben und trotz ihres Urlaubs am 21.05.2013 einen Bewerbungstermin für den 07.06.2013 vereinbart. Der mitgeteilte Lohn von 800 EUR sei Lohnwucher, weshalb das Arbeitsangebot nicht zumutbar gewesen sei. Dies gelte auch unter Berücksichtigung ihrer gesundheitlichen Einschränkungen. Die Entfernung zur Arbeitsstelle betrage 27 km einfach. Bei Benutzung des Busses müsse sie 5,77 km zu Fuß zurücklegen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Akte des Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig (§§ 172 Abs 1, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und teilweise begründet. Das SG hat zwar zu Recht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der ASt gegen den Bescheid vom 10.07.2013 abgelehnt. Die ASt hat aber einen Anspruch auf Gewährung ihres Alg II im Wege der einstweiligen Anordnung für September und Oktober 2013.
Gegenstand des Verfahrens ist zunächst der - sich zumindest aus der Beschwerdebegründung ergebende - Antrag der ASt, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruches in Bezug auf den Bescheid vom 10.07.2013 anzuordnen. Der Widerspruch hat keine aufschiebende Wirkung, denn mit diesem Bescheid hat der Ag über eine Leistung der Grundsicherung für Arbeitssuchende entschieden (§ 86a Abs 2 Nr 4 SGG iVm § 39 Nr 1 SGB II). Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, § 86b Abs 1 Nr 2 SGG. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage ist nur möglich, wenn das besondere Interesse der ASt an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung das vom Gesetz vorausgesetzte Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes überwiegt, wobei bei der Prüfung der Interessen zuerst auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache abzustellen ist.
Unter Berücksichtigung des § 39 Nr 1 SGB II ist von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten des Suspensiveffektes auszugehen, da der Gesetzgeber die sofortige Vollziehung zunächst angeordnet hat. Davon abzuweichen besteht nur Anlass, wenn ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt Belasteten feststellbar ist (vgl Beschluss des Senats vom 18.11.2008 - L 11 B 948/08 AS ER). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl, § 86b Rn 12c). Ist der Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig und ist der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt, wird ausgesetzt, weil dann ein überwiegendes öffentliches Interesse oder Interesse eines Dritten an der Vollziehung nicht erkennbar ist. Ist die Klage aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung, wobei die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens und die Entscheidung des Gesetzgebers in § 39 Nr 1 SGB II mitberücksichtigt werden (vgl zum Ganzen: Keller aaO Rn 12f; Beschluss des Senats aaO).
Das SG hat die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 10.07.2013 zu Recht abgelehnt. Der Senat folgt insofern den Ausführungen des SG in dessen Beschluss vom 08.08.2013 und sieht insofern von einer weiteren Begründung ab, § 142 Abs 2 Satz 3 SGG. Ergänzend ist auszuführen, dass nach den Ermittlungen des Senats der Fußweg der ASt von ihrer Wohnung zur Bushaltestelle Bahnhof A-Stadt etwa acht Minuten beträgt und von der Bushaltestelle E-Stadt, R-Straße 7 zur Firma M. GmbH etwa 16 Minuten (nach maps.google.de). Die Busfahrzeit beträgt nach dem Fahrplan 38 Minuten (Abfahrt 5:23 Uhr; Ankunft 6:01 Uhr). Der Gesamtweg dauert damit etwa eine Stunde und erscheint als solcher zumutbar. Für die Behauptung der ASt zur Angabe des Lohnes und zu den gesundheitlichen Gründen bedarf es einer weiteren, ggf. umfassenderen Sachaufklärung, die dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss. Die Erfolgsaussichten sind insofern völlig offen, sodass unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Wertung in § 39 Nr 1 SGB II die Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen ist.
Soweit die ASt daneben jedoch die Verpflichtung des Ag zur Fortzahlung von Alg II für die Monate August bis Oktober 2013 im Wege der einstweiligen Anordnung begehrt, hat der Antrag für die Monate September und Oktober 2013 Erfolg. Dieses Anliegen kann die ASt in der Hauptsache, mangels Aufhebungsbescheides in Bezug auf den Bewilligungsbescheid vom 31.05.2013, (derzeit) im Wege einer isolierten Leistungsklage gemäß § 54 Abs 5 SGG geltend machen, so dass vorliegend Rechtsgrundlage für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis § 86b Abs 2 Satz 2 SGG darstellt. Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem ASt ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1998 - BVerfGE 79, 69; vom 19.10.1997 - BVerfGE 46, 166 und vom 22.11.2002 - NJW 2003, 1236; Niesel/Herold-Tews, Der Sozialgerichtsprozess, 5. Aufl, Rn 652). Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den der ASt sein Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der ASt glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG 10. Aufl, § 86b Rn 41).
Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 - NVwZ 2005, 927) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind hierbei die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist ggf. auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange der Ast zu entscheiden (vgl BVerfG vom 12.05.2005 - aaO - und vom 22.11.2002 - NJW 2003, 1236; zuletzt BVerfG vom 15.01.2007 - 1 BvR 2971/06). In diesem Zusammenhang ist eine Orientierung an den Erfolgsaussichten nur möglich, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist, denn soweit schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, darf die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern sie muss abschließend geprüft werden (vgl BVerfG vom 12.05.2005 aaO).
Ein Anordnungsanspruch ist hinsichtlich der Monate September und Oktober 2013 gegeben. Die ASt hat nach summarischer Prüfung einen entsprechenden Zahlungsanspruch aus dem bindend gewordenen (§ 77 SGG) Bewilligungsbescheid vom 31.05.2013 glaubhaft gemacht.
Mit dem Bescheid vom 10.07.2013 hat der Ag den Wegfall des Anspruchs der ASt auf Alg II festgestellt. Allerdings wurde der ursprüngliche Bewilligungsbescheid nicht aufgehoben, der Sanktionsbescheid insofern nicht leistungsrechtlich umgesetzt. Mit dem Sanktionsbescheid vom 10.07.2013 wurde lediglich der Sanktionszeitraum kalendermäßig festgelegt, § 31b Abs 1 Satz 1 SGB II. Der insofern festgestellte Wegfall des Anspruches auf Alg II ist aber im laufenden Bewilligungszeitraum verfahrensrechtlich durch eine ausdrückliche Aufhebungsverfügung nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) umzusetzen (BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 30/09 R -; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 17.06.2013 - L 7 AS 332/13 B ER -, beide zitiert nach juris). Der Sanktionsbescheid enthält keinen Anhaltspunkt dafür, mit ihm solle zugleich die mit dem Bescheid vom 31.05.2013 erfolgte Leistungsbewilligung für diese Zeit aufgehoben werden. Der Bescheid vom 10.07.2013 kann insbesondere auch nicht in einen Bescheid über die Aufhebung der Bewilligung von Alg II gemäß § 43 SGB X umgedeutet werden (vgl LSG Niedersachsen-Bremen aaO mit Verweis auf BSG, SozR 3-1300 § 24 Nr 16, zum Sperrzeitenrecht). Die Rechtsänderung zum 01.04.2011 durch das Regelbedarfsänderungsgesetz (BGBl I 453) hat insofern keine Änderung dahingehend bewirkt, dass durch das nunmehrige Abstellen auf den "Auszahlungsanspruch" keine Aufhebungsentscheidung nach § 48 SGB X mehr notwendig würde (vgl S. Knickrehm/Hahn in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. § 31b Abs 7 mwN auch zur gegenteiligen Auffassung). Der Bewilligungsbescheid ist ein Dauerverwaltungsakt, dessen Bestandskraft nur durch einen gegenläufigen Aufhebungsbescheid durchbrochen werden kann, wobei § 31b Abs 1 Satz 1 SGB II keine entspreche Spezialregelung zu § 48 SGB X darstellt (S. Knickrehm/Hahn aaO).
Auch kann der Ag dem Zahlungsanspruch nicht (mehr) eine vorläufige Zahlungseinstellung (§ 40 Abs 2 Nr 4 SGB II iVm § 331 Abs 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III -) entgegenhalten. Die Zahlungseinstellung erfolgte nach dem Bescheid vom 10.07.2013 offensichtlich spätestens Ende Juli 2013 für die für August zu zahlenden Leistungen. Eine Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 31.05.2013 für die Vergangenheit innerhalb von zwei Monaten nach der vorläufigen Zahlungseinstellung ist nach Aktenlage nicht erfolgt und die laufenden Leistungen damit nachzuzahlen (§ 331 Abs 2 SGB III).
Im Hinblick auf die existenzsichernde Funktion des Alg II und den vollständigen Wegfall der Leistungen ist auch ein Anordnungsgrund für die Leistungen für September und Oktober 2013 unzweifelhaft gegeben.
Eine vorläufige Regelung hinsichtlich der Leistungen für August 2013 ist nicht geboten, denn dieser Leistungszeitraum ist bereits abgelaufen, so dass insofern Leistungen für die Vergangenheit im Streit stehen und die Dringlichkeit der Angelegenheit nicht zu belegen ist. Im Rahmen einer Regelungsanordnung ist der Anordnungsgrund die Notwendigkeit, wesentliche Nachteile abzuwenden, um zu vermeiden, dass die ASt vor vollendete Tatsachen gestellt wird, ehe sie wirksamen Rechtsschutz erlangen kann (vgl. Keller aaO § 86b Rn. 27a). Charakteristisch ist daher für den Anordnungsgrund die Dringlichkeit der Angelegenheit, die in aller Regel nur in die Zukunft wirkt. Es ist rechtlich zwar nicht auszuschließen, dass auch für vergangene Zeiträume diese Dringlichkeit angenommen werden kann; diese überholt sich jedoch regelmäßig durch Zeitablauf. Ein Anordnungsgrund für Zeiträume vor einer gerichtlichen Entscheidung ist daher nur ausnahmsweise anzunehmen, wenn ein noch gegenwärtig schwerer, irreparabler und unzumutbarer Nachteil glaubhaft gemacht wird, und ein besonderer Nachholbedarf durch die Verweigerung der Leistungen in der Vergangenheit auch in der Zukunft noch fortwirkt oder ein Anspruch eindeutig besteht (vgl. Beschluss des Senates vom 12.04.2010 - L 11 AS 18/10 B ER - juris). Beides ist vorliegend aber nicht der Fall. Soweit für September 2013 dennoch ein Anordnungsgrund anzunehmen ist, obwohl auch insofern die Leistungszeit teilweise abgelaufen ist, folgt dies aus § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II, wonach auch ein im Verlauf eines Monats gestellter Leistungsantrag auf den Monatsersten zurückwirkt.
Die ASt hat damit einen Anordnungsanspruch und -grund für die Alg II-Gewährung für September 2013 und Oktober 2013 glaubhaft gemacht; der Ag ist insofern vorläufig zu verpflichten das Alg II für diese Zeit fortzuzahlen. Soweit die ASt darüber hinaus Alg II begehrt hat, war die Beschwerde zurückzuweisen.
Da die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen vorliegen und die Beschwerde aus oben genannten Gründen hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, war der ASt PKH auch für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung ihrer Bevollmächtigten zu bewilligen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 114, 119 Abs 1 Zivilprozessordnung -ZPO-).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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