S 7 AS 1732/12

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 7 AS 1732/12
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Kosten der Unterkunft und Heizung, Angemessenheit schlüssiges Konzept, Landkreis Wittenberg
1. Der Bescheid des Beklagten vom 29.02.2012 in Fassung des Änderungsbescheides vom 09.05.2012 und des Bescheides vom 21.06.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2012 wird abgeändert und der Beklagte verurteilt, den Klägern im Zeitraum 01.03.2012 bis 30.06.2012 weitere Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 50,58 EUR zu erstatten.
2. Der Beklagte hat den Klägern 8/10 der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Klageverfahren über die Höhe der den Klägern zu gewährenden Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

Die am ... 1990 geborene Klägerin zu 1. beantragte nach Lösung eines Berufsausbildungsverhältnisses erstmals im August 2010 Grundsicherungsleistungen beim Beklagten. Sie bewohnte eine Wohnung in der ...straße ... in Wittenberg. Zum Zeitpunkt der Beantragung der Leistungen zeigte die Klägerin beim Beklagten die Aufnahme einer neuen Ausbildung als Frisörin ab dem 01.09.2010 an. Mit Bescheid vom 25.08.2010 bewilligte der Beklagte der Klägerin zu 1. für die Monate Juli 2010 und August 2010 Leistungen nach dem SGB II. Die Bundesagentur für Arbeit Lutherstadt Wittenberg gewährte der Klägerin zu 1. Berufsausbildungsbeihilfe für die Zeit vom 01.09.2009 bis 31.08.2011.

Am 27.10.2010 unterzeichnete die Klägerin gemeinsam mit ihrem Partner, Herrn H., einen Wohnungsmietvertrag für eine preisgebundene Wohnung in der ...straße in Wittenberg, beginnend am 15.11.2010. Die Grundmiete der ca. 64 qm großen Wohnung betrug 294,40 EUR. Es wurde eine monatliche Vorauszahlung für Heizkosten und Warmwasser in Höhe von 89,60 EUR und für sonstige Neben- und Betriebskosten in Höhe von 73,60 EUR vereinbart.

Am 20.04.2011 beantragte die seinerzeit schwangere Klägerin zu 1. erneut Leistungen beim Beklagten für eine Erstausstattung für Mobiliar bei Geburt eines Kindes und Erstausstattung für Bekleidung bei Schwangerschaft und Geburt, die der Beklagte mit Bescheid vom 31.05.2011 gewährte. Zugleich bewilligte er einen Zuschuss zu den ungedeckten angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung für Auszubildende im Zeitraum 01.05.2011 bis 31.08.2011.

Die Klägerin zu 1. mietete nach Trennung von ihrem Partner am 06.05.2011 beginnend ab dem 01.07.2011 eine 57,31 qm große Wohnung in der ...straße in Wittenberg an. Die Nutzungsgebühr betrug monatlich 293,78 EUR. An monatlichen Vorauszahlungen für Nebenkosten waren 73,00 EUR sowie für Heizkosten und Warmwasserkosten 58,00 EUR zu entrichten. Sie beantragte unter dem 25.07.2011 beim Beklagten die Weiterbewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Aus der vorgelegten Mietbescheinigung vom 28.09.2011 ergab sich eine Gesamtmiete in Höhe von 434,78 EUR, in der monatliche Kosten in Höhe von 10,00 EUR für Kabelanschluss ausgewiesen waren. Mit Bescheid vom 06.10.2011 bewilligte der Beklagte an die Klägerin zu 1. im Zeitraum 01.09.2011 bis 29.02.2012 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Der Bescheid enthielt den Hinweis: "Sie sind ohne meine Zustimmung umgezogen. Infolgedessen erhalten Sie nur die angemessenen Unterkunftskosten." Am 22.11.2011 zeigte die Klägerin zu 1. beim Beklagten die Geburt des Klägers zu 2. an.

Die Kläger beantragten am 25.01.2012 die Weiterbewilligung von Grundsicherungsleistungen. Für die Zeit vom 01.03.2012 bis 31.08.2012 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 29.02.2012 an die Kläger vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 366,40 EUR. In der Bedarfsberechnung berücksichtigte der Beklagte kalte Mietkosten in Höhe von 316,20 EUR und Heizkosten in Höhe von 47,56 EUR, insgesamt 363,76 EUR. Hiergegen legten die Kläger Widerspruch ein. Nach Vorlage eines Elterngeldbescheides erließ der Beklagte am 09.05.2012 einen Änderungsbescheid und bewilligte an die Kläger von März 2012 bis August 2012 monatliche Leistungen in Höhe von 758,37 EUR.

Die Kläger zogen zum 01.07.2012 gemeinsam mit Herrn H., dem Vater des Klägers zu 2., zum 01.07.2012 in die ...straße in Wittenberg. Daraufhin hob der Beklagte mit Bescheid vom 21.06.2012 die Bewilligung von Arbeitslosengeld II gegenüber der Klägerin zu 1. ab dem 01.07.2012 aufgrund der Einbeziehung der Kläger in die Bedarfsgemeinschaft mit Herrn H. auf. Zugleich erließ der Beklagte am 21.06.2012 einen Änderungsbescheid für den Zeitraum 01.03.2012 bis 30.06.2012 und gewährte an die Kläger monatliche Leistungen in Höhe von 768,81 EUR. Der Beklagte berücksichtigte nunmehr Warmwasserkosten bei den Heizkosten, die er in Höhe von insgesamt 58,00 EUR in die Berechnung einstellte und damit insgesamt 374,20 EUR an Kosten der Unterkunft und Heizung in der Bedarfsberechnung berücksichtigte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.06.2012 (tatsächliches Erlassdatum wohl 21.06.2012) wies der Beklagte nach Erlass der Bescheide vom 09.05.2012 und 21.06.2012 den Widerspruch der Kläger als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, die Klägerin zu 1. habe sich keine Zusicherung zum Umzug eingeholt. Die Wohnung in der ...straße sei unangemessen teuer. Der Landkreis Wittenberg habe in seiner Verwaltungsvorschrift zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II und dem SGB XII auf Grund von durchgeführten Mietwerterhebungen die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung festgesetzt. Angemessen sei eine Wohnungsgröße von maximal 60 qm, eine Nettokaltmiete von 4,22 EUR/qm und kalte Betriebskosten von 1,05 EUR/qm, insgesamt 316,20 EUR. Die Angemessenheit der Heizkosten sei nach dem bundesdeutschen Heizspiegel in der jeweils geltenden Fassung zu beurteilen. Nach dem im Oktober 2011 veröffentlichten Heizspiegel 2011 seien für die Heizung mit Fernwärme und einer Gebäudefläche ) 1000 qm Kosten in Höhe von 18,70 EUR/qm im Jahr angemessen. Es errechne sich ein angemessener Betrag von 93,50 EUR monatlich. Die tatsächlichen Heizkosten seien angemessen.

Mit ihrer am 13.07.2012 beim Sozialgericht Dessau-Roßlau erhobenen Klage begehren die Kläger weiterhin die Gewährung der tatsächlich angefallenen Unterkunftskosten in Höhe von 434,78 EUR im Zeitraum März bis Juni 2012. Die Kläger meinen, die in der Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg festgelegten Beträge seien zur Bestimmung der Angemessenheit der Unterkunftskosten nicht geeignet. Ein schlüssiges Konzept liege der Verwaltungsvorschrift nicht zugrunde. Die Berechnung der einzelnen Werte könne nicht nachvollzogen werden, da offensichtlich nach der Errechnung der festgesetzten Ergebnisdaten sämtliche Erhebungsdaten gelöscht seien. Dem Beklagten habe offenbar das Datenmaterial selbst auch zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Das anonymisierte Datenmaterial könne in tatsächlicher wie mathematischer Hinsicht, sowie in der Erhebung, Bearbeitung und Vollständigkeit der Berücksichtigung nicht geprüft werden. Nicht schlüssig sei die Herausnahme aller Ein- und Zweifamilienhäuser aus der Mietwerterhebung. Es handele sich bei den hier aufgeteilten drei Vergleichsräumen um überwiegend ländlich strukturierte Gebiete. Die Mehrzahl der Wohnungen befinde sich in Ein- und Zweifamilienhäusern. Der gesamte Wohnungsmarkt sei aber zu betrachten. Es seien Daten teilweise nicht bloß empirisch ermittelt, sondern von vornherein – sozusagen zielorientiert – bestimmte Mietwerte ausgesucht worden. Bei den "Wohnungsmarkttypen" könne auch nicht von homogenen Vergleichsräumen ausgegangen werden. Die verkehrstechnische Verbundenheit einzelner Siedlungsgebiete sei gar nicht berücksichtigt worden. Die Verbundenheit der neuen Einheitsgemeinde Zahna-Elster etwa mit Wittenberg und der Umstand, dass dort eine eher gehobene Wohngegend vorzufinden sei, die keinesfalls unter dem Niveau von Wittenberg selbst liege, komme in dem Konzept ohne schlüssigen Grund schon gar nicht vor. Die hinreichende Größe der Vergleichsräume sei auch nicht gegeben. Dies zeige sich u. a. daran, dass in weiten Teilen gar keine Werte haben ermittelt werden können. Es seien in den gebildeten drei Vergleichsräumen nicht jeweils mindestens 10 Prozent des Wohnungsbestandes in die Erhebung einbezogen worden. Auch die Bildung und Bewertung der Vergleichsräume sei im Ergebnis nicht schlüssig, da der Wohnungsmarkt Typ 3 hinsichtlich der Indikatoren mehr +-Zeichen als der Wohnungsmarkt Typ 2 habe. Inwieweit aus der Wahlbeteiligung an einer einzigen Kommunalwahl im Jahr 2007 verlässliche Rückschlüsse auf die soziale Zusammensetzung der Bevölkerung gezogen werden könnten, sei nicht schlüssig, zumal diese Wahl aufgrund der Kreisgebietsreform stattgefunden habe. Desweiteren sei das Pro-Kopf-Einkommen, was in der Tat ein wesentlicher Indikator sei, aus 2004 gewählt worden. Gerade mit der Einführung des SGB II habe sich das Pro-Kopf-Einkommen im Landkreis bezogen auf die Vergleichsräume erheblich verschoben. Es sei ein starker Zuzug von SGB II-Leistungsbeziehern in Gebiete mit Neubaubebauung erfolgt, während sich ein starker Zuzug von Personen mit höherem Pro-Kopf-Einkommen in die Umlandgegenden sowie die Innenstadt von Wittenberg vollzogen habe. Die vom Beklagten im Verfahren übersandten Rohdaten würden nicht erkennen lassen, in welchen Gebieten der gebildeten Vergleichs- bzw. Wohnungsmarkträume und inwiefern die Daten etwa nur aus einem bestimmten Straßenzug oder durch Streuung der Befragung über das gesamte Ortsgebiet erhoben worden seien. Es sei auch nicht erkennbar, welche konkreten Vermieter oder Mieter aus den entsprechenden Befragungen geantwortet hätten und nach welchen Kriterien die Vermieter ausgewählt worden seien. Ob die übermittelten Daten überhaupt sachlich zutreffend seien, könne nicht überprüft werden. Es sei anhand der extrem niedrigen Werte zu besorgen, dass ausschließlich Preise aus unattraktiven, eher minderwertigen Wohngegenden erhoben worden seien. In die Auswertung seien 4.632 Mieten von 72.000 Wohnungen, also nicht einmal annähernd 10 Prozent eingeflossen. Rechtswidrig sei die Unterteilung der Wohnungsmarkttypen allein entlang der politischen Verwaltungsgrenzen. Denn dadurch werde die Verwaltungsneugliederung, die eine Mischung von ländlichen und städtisch geprägten Wohngegenden im Rahmen der Einheitsgemeindebildung vorgenommen habe, bruchlos auf die Wohnungsmarktsituation übertragen. Das Konzept sei nicht schlüssig und könne nicht Grundlage sein. Daher seien mindestens die Kosten nach dem Wohngeldgesetz zzgl. 10 Prozent Sicherheitszuschlag zu Grunde zu legen. Die Kläger würden diese Kosten sogar unterschreiten. Im Übrigen würde § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II keine Anhaltspunkte erkennen lassen, dass der Begriff der Angemessenheit immer nur das untere Preissegment eines lokal begrenzten Wohnungsmarktes umfasse. Die bundesrechtlich einheitliche Norm sei schon so unbestimmt, dass im Einzelfall grundsätzlich immer die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung anerkannt werden müssten. Etwas anderes dürfte nur dann gelten, soweit die jeweiligen Unterkunftsverhältnisse in einem offensichtlichen Missverhältnis zu den sonstigen Lebensumständen der Leistungsberechtigten stehen würden. Nur offensichtliche Luxusunterkünfte müssten nicht finanziert werden.

Mit Schreiben vom 11.11.2014 hat das Gericht darauf hingewiesen, dass die Kabelgebühr nicht übernahmefähig sei, da ausweislich des Mietvertrages vom 06.05.2011 die Wohnung auch ohne Kabelanschlussnutzung habe angemietet werden können.

Die Kläger beantragen zuletzt,

den Bescheid vom 29.02.2012 in Fassung des Änderungsbescheides vom 09.05.2012 und des Bescheides vom 21.06.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2012 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den Klägern im Zeitraum 01.03.2012 bis 30.06.2012 weitere Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 50,58 EUR zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bezieht sich auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Die vom Beklagten gewählte Angemessenheitsgrenze sei nicht zu beanstanden. Sie entspreche den Vorgaben des Bundessozialgerichts (BSG). Bezüglich der Größe der angemessenen Wohnfläche sei auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau zurückgegriffen worden. Die beauftragte Firma A. (in Folgenden Firma A.) habe in dem von ihr erstellten Konzept das gesamte Kreisgebiet des Landkreises Wittenberg als Vergleichsraum definiert und diesen weiter ausdifferenziert und innerhalb des Vergleichsraums in verschiedene Wohnungsmarkttypen aufgegliedert, um Segregation bzw. Gettoisierung zu vermeiden. Die Wohnungsmarkttypen würden Gebiete gleicher oder ähnlicher Wohnungsmarkt- und Mietpreisstruktur zusammenfassen und seien mit dem wissenschaftlich gebräuchlichen Verfahren der Clusterbildung durchgeführt. Die Wohnungsmarkttypen würden die Vergleichsräume differenzieren. Ein Wohnungsmarkttyp könne – müsse jedoch nicht – einen Vergleichsraum bilden. Er stelle eine Differenzierung der Angebotsstruktur innerhalb eines Vergleichsraumes dar. Die Datenerhebung habe sich auf den gesamten Vergleichsraum im Sinne des gesamten Landkreises Wittenberg bezogen. Es habe eine Definition des Gegenstandes der Beobachtung stattgefunden. Bei den Mietwerterhebungen seien nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt worden, die zumindest über die Merkmale Bad und Sammelheizung verfügten. Wohnung die diesem Standard nicht genügten, seien unberücksichtigt geblieben. Weiterhin sei hinsichtlich der Brutto- und Nettomieten sowie nach Wohnungsgrößen differenziert worden. Der Beobachtungszeitraum habe von Mai bis November 2010 stattgefunden. In der zweistufigen Erhebung seien die größeren Vermieter und Verwalter identifiziert, angeschrieben und um Auskunft gebeten worden. In der zweiten Stufe seien kleinere Vermieter in der Erhebung berücksichtigt worden. Darüber hinaus seien nach dem Zufallsprinzip und dem Stichprobenprinzip Mieter angeschrieben worden. Unter Verweis auf den Endbericht habe die Firma A. 10.914 Datensätze erhoben, wovon tabellenrelevante Mietwerte in Höhe von 4.632 in die Berechnung eingeflossen und damit repräsentativ seien. Zudem seien in die Mietwerterhebung nur die Daten aufgenommen worden, die in den letzten vier Jahren vor dem Stichtag der Datenerhebung geändert oder neu vereinbart worden seien, um nur aktuell zu zahlende Mieten zugrunde zu legen. Die Datenauswertung entspreche anerkannten mathematischen und statistischen Grundsätzen. Die daraus gezogenen Schlüsse seien nachvollziehbar, verständlich und begründet.

Der Beklagte hat der Kammer nach Aufforderung einen Abdruck vom durch die Firma A. im Auftrag des kommunalen Trägers erstellten "Endbericht der Mietwerterhebung zur Ermittlung der KdU-Kosten im Landkreis Wittenberg" übersandt. Desweiteren hat er sowohl dem Gericht am 26.08.2014 als auch dem Prozessbevollmächtigten der Kläger Kopien von Rohdaten zur Mietwerterhebung (Aktenordner Band I-III) zur Verfügung gestellt. Schließlich ist noch am 30.01.2015 ein Aktenordner (Band IV) mit einem Abdruck der Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg vom 15.03.2011, Stand 09.10.2012, 03.06.2013 und 18.02.2014), einer Kopie des Endberichts der Mietwerterhebung aus Januar 2011 sowie zur Indexfortschreibung vom 14.11.2013 übersandt worden. Hierin enthalten war eine Stellungnahme der Firma A. vom 04.06.2013 sowie weiterer Schriftverkehr zur Mieter/Vermieterbefragung, die am 30.12.2014 der Kammer bereits zur Verfügung gestellt worden sind. Diese Ordner führt die Kammer als Generalakte Landkreis Wittenberg.

Das Gericht hat im Erörterungstermin am 05.11.2014 die Generalakte der 7. Kammer Landkreis Wittenberg zum Verfahren beigezogen und den der Datenerhebung zugrundeliegenden Schriftwechsel vom Beklagten angefordert. Der Beklagte hat mit Schreiben vom 06.02.2015 den Schriftverkehr zur Mieter-/Vermieterbefragung inklusive Anschreiben (Bl. 147-178) dem Gericht vorgelegt. In der Folgezeit sind Kopien von Stellungnahmen der Firma A. vom 13.02.2015 und 26.06.2015 in Ergänzung zur Generalakte Band IV übersandt worden. Mit Schreiben vom 03.08.2015 hat das Gericht nach Prüfung der vorgelegten Daten und Unterlagen zum Konzept des Beklagten einen Hinweis nach vorläufiger Auffassung des Gerichts erteilt und darauf aufmerksam gemacht, dass die Datenerhebung zur Begründung der Schlüssigkeit des Konzeptes zur Begrenzung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf die vom Beklagten ermittelten Richtlinienwerte unzureichend sein dürfte. Der Beklagte hat Gelegenheit zur Nachbesserung erhalten. Daraufhin hat der Beklagte seinen Vortrag zur Generalakte Landkreis Wittenberg zuletzt mit Schreiben vom 16.10.2015 (Stellungnahmen vom 13.10.2015 und 15.10.2015) ergänzt, worüber die Kläger mit Schreiben vom 02.11.2015 in Kenntnis gesetzt worden sind.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Generalakte Landkreis Wittenberg Band I bis IV haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Die Kläger begehren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 01.03.2012 bis 30.06.2012.

1. Streitgegenständlich ist der Bescheid vom 29.02.2011 in Fassung der Bescheide vom 09.05.2011 und vom 21.06.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2012. Die Kläger haben mit ihrer Begründung und dem Antrag zulässig den Streitgegenstand auf die Gewährung der Kosten der Unterkunft und Heizung begrenzt (BSG, Urteil vom 04.06.2014, B 14 AS 42/13 R). Nicht mehr streitig ist die Übernahme der Kabelgebühr in Höhe von 10,00 EUR, da der Klageantrag betragsmäßig begrenzt wurde.

2. Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten, § 54 Abs. 2 SGG. Die Kläger haben im Zeitraum März 2012 bis Juni 2012 Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten in Höhe von insgesamt 424,78 EUR monatlich.

Die Kläger erfüllen im streitigen Zeitraum die Voraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosengeld II. Nach § 19 Abs. 1 SGB II (in der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung) erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II. Die Leistungen umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Leistungsberechtigt sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

Die Klägerin zu 1. ist im passenden Alter und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Anhaltspunkte, die gegen eine Erwerbsfähigkeit sprechen sind weder ersichtlich noch vorgetragen.

Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II. Zur Bedarfsgemeinschaft gehören gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der nach Nr. 1 erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können. Der Kläger zu 2. gehörte dem Haushalt der Klägerin zu 1. an und war minderjährig.

Als Bedarf für Unterkunft und Heizung sind für die Kläger Aufwendungen in Höhe von 424,78 EUR zur berücksichtigen. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Die Kosten der Unterkunft und Heizung gehören dabei nach ständiger Rechtsprechung des BSG im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zum aktuellen Bedarf (st. Rspr. u. a. BSG, Urteil vom 22.08.2012, B 14 AS 1/12 R). Bei der Nutzung einer Unterkunft durch mehrere Personen erfolgt die Aufteilung der Unterkunftskosten kopfanteilig (st. Rspr., u. a. BSG, Urteil vom 15. April 2008, B 14/7 b AS 58/06 R; Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/11 b AS 61/06 R). Zu den Bedarfen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind dabei auch die auf die Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile der Haushaltsenergie zu zählen, sofern sie zentral erzeugt werden (vgl. §§ 20 Abs. 1 Satz 1, 22 Abs. 7 Satz 1 SGB II).

Aus dem Mietvertrag entstanden den Klägern monatliche Aufwendungen für Grundmiete in Höhe von 293,78 EUR, für Nebenkostenvorauszahlungen in Höhe von 73,00 EUR und für Heizkostenvorauszahlungen in Höhe von 58,00 EUR.

Entgegen der Auffassung des Beklagten sind die kalten Mietkosten der Kläger nicht unangemessen und auf 316,20 EUR zu begrenzen.

Soweit die Klägerin zu 1. ohne vorherige Zusicherung zu den Aufwendungen der neuen Unterkunft durch den Beklagten umgezogen ist, kommt eine Begrenzung der Kosten der Unterkunft und Heizung auf angemessene Kosten nicht in Betracht. Nach § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II soll die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft die Zusicherung des für die Leistungserbringung bisher örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Die Klägerin zu 1. war zwar zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages nicht leistungsberechtigt, denn sie befand sich in einer dem Grunde nach förderfähigen Ausbildung und war vom Leistungsbezug nach § 7 Abs. 5 SGB II ausgeschlossen. Jedoch hatte der Beklagte zum Zeitpunkt des Umzugs an die Klägerin zu 1. nach der Vorschrift des § 27 Abs. 1, 3 SGB II einen Zuschuss zu den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung gewährt. Nach § 27 Abs. 1 SGB II erhalten Auszubildende im Sinne des § 7 Absatz 5 SGB II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Maßgabe der folgenden Absätze. Die Leistungen für Auszubildende gelten nicht als Arbeitslosengeld II. Abs. 3 bestimmt den Personenkreis, der einen Zuschuss zu ihren angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung erhält, soweit der Bedarf in entsprechender Anwendung des § 19 Abs. 3 SGB II ungedeckt ist. Dabei sind auch für von der Leistung grundsätzlich ausgeschlossene Auszubildende, die einen solchen Zuschuss zu den Unterkunftskosten erhalten, die Regelungen hinsichtlich der Beurteilung der Angemessenheit dieser Kosten anzuwenden. § 27 Abs. 3 SGB II nimmt nach seinem Wortlaut ausdrücklich Bezug auf die "angemessenen" Aufwendungen und auf § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Auch die Obliegenheit der vorherigen Einholung einer Zusicherung ist in dieser Fallgestaltung anwendbar. Für einen Umzug während des Leistungsbezuges in eine andere Unterkunft trifft Abs. 4 eine dem Abs. 1 Satz 3 ergänzende Sonderregelung, die auch neben die Leistungsdeckelung des Abs. 1 Satz 2 tritt (Berlit in Lehr- und Praxiskommentar Sozialgesetzbuch II – Grundsicherung für Arbeitsuchende, 5. Auflage 2013, § 22 Rn. 123). Nach erfolgtem Umzug wirkt ein Verstoß gegen die Obliegenheit zur Einholung einer Zusicherung nicht auf die Übernahme der angemessenen Kosten. Da das Zusicherungsverfahren allein Aufklärungs- und Warnfunktion hat, ist die Erteilung einer Zusicherung keine Anspruchsvoraussetzung für die Übernahme der angemessenen Unterkunftskosten. Die Zusicherung zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft bezieht sich anspruchsbegründend nur auf den Teil der Unterkunftskosten, der den im Einzelfall angemessenen Umfang übersteigt (Berlit a. a. O. Rn. 79). Da die Kosten der Unterkunft und Heizung der Kläger den angemessenen Umfang nicht übersteigen, kommt eine Begrenzung wegen fehlender Zusicherung nicht in Betracht.

Der Beklagte hat zu Unrecht die von den Klägern zu tragenden Unterkunftskosten als unangemessen angesehen. Die von ihm herangezogene Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II und SGB XII ist für eine Begrenzung von Wohnkosten auf den in der Mietwerterhebung ermittelten Betrag nicht tauglich. Die Mietwerterhebung entspricht nach Auffassung der Kammer nicht den Mindestanforderungen des BSG an ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung von Angemessenheitsgrenzwerten.

Zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist in einer zweistufigen Prüfung zunächst eine abstrakte und sodann eine konkret-individuelle Prüfung vorzunehmen. Im Rahmen der Prüfung abstrakter Angemessenheit werden nach der Rechtsprechung des BSG zunächst die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard bestimmt sowie anschließend festgelegt, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. Alsdann ist zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist (abstrakt angemessener Quadratmeterpreis) (BSG, Urteil vom 10.09.2013, B 4 AS 77/12 R).

Der Beklagte geht zunächst zutreffend davon aus, dass für einen Zwei-Personen-Haushalt eine Wohnfläche von 60 qm angemessen ist. Zur Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße ist im Land Sachsen-Anhalt auf die Wohnungsbauförderungsbestimmungen und die dazu erlassenen Richtlinien aus den Jahren 1993 und 1995 (Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des Mietwohnungsneubaus in Sachsen-Anhalt) zurückzugreifen (Landessozialgericht [LSG] Sachsen-Anhalt, Urteil vom 03.03.2011, L 5 AS 181/07; Urteil vom 09.05.2012, L 5 AS 2/09). Die Wohnung der Kläger überschreitet diese Größe nicht.

Bei der Ermittlung der angemessenen Bruttokaltmiete, die sich als Produkt von Wohnfläche und Quadratmeterpreis ergibt, ist der Beklagte grundsätzlich bei der Wahl seiner Methode frei. Die Unterkunftsbedarfe müssen als Teil eines menschenwürdigen Existenzminimums aber folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren, also realitätsgerecht, berechnet werden (BSG, Urteil vom 18.11.2014, B 4 AS 9/14 R). Die Kosten für Wohnraum können in den einzelnen Vergleichsräumen sehr unterschiedlich sein. Um trotzdem ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln auch innerhalb eines Vergleichsraums zu gewährleisten, muss die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze auf Grundlage eines überprüfbaren "schlüssigen Konzepts" erfolgen. Das schlüssige Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (BSG, Urteil vom 18.06.2008, B 14/7b AS 44/06 R). Ein Konzept ist ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall. Schlüssig ist das Konzept, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt:

- die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung),
- es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. welche Art von Wohnungen,
- Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße,
- Angaben über den Beobachtungszeitraum,
- Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel),
- Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,
- Validität der Datenerhebung,
- Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und
- Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze)
(BSG, Urteil vom 22.09.2009, B 4 AS 18/09 R).

Die für die Leistungsberechtigten in Frage kommenden Wohnungen müssen nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen, ohne gehobenen Wohnstandard aufzuweisen. Wohnungen, die nicht den einfachen, sondern den untersten Stand abbilden, gehören von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist (BSG, Urteil vom 10.09.2013, B 4 AS 77/12 R). Die Verwaltung hat zunächst festzulegen, wie das untere Marktsegments zu definieren ist. Diese kann am ehesten anhand der regionalen Gegebenheiten entscheiden, welche Wohnungsmerkmale einen einfachen Wohnstandard ausmachen (BSG, a. a. O.).

Nach dem Endbericht zur Mietwerterhebung (im Folgenden Endbericht) aus Januar 2011, Seite 7, wird näher ausgeführt, über welche Merkmale die Wohnungen mindestens verfügen müssen, um als unteres Marktsegment und nicht als Substandardwohnungen in die Erhebung und Auswertung einfließen zu können. Als Mindestanforderung sollten die Wohnungen über die Merkmale "Bad" und "Sammelheizung" verfügen. Substandardwohnungen blieben nach den Ausführungen im Endbericht unberücksichtigt. Die Definition des zu berücksichtigenden unteren Marktsegments als einfacher Wohnstandard ist nachvollziehbar und nicht zu beanstanden. Ob bei der Bestimmung einer Vergleichsmiete Wohnungen, die nur den untersten Stand abbilden, tatsächlich mit erhoben und einbezogen wurden, konnte der Beklagte nicht nachweisen. Weder die vom Beklagten auf Anforderung vorgelegten Mieterfragebögen noch die Vermieterfragebögen oder die hierzu erstellten Merkblätter beinhalten Fragen zum Standard der zu erhebenden Wohnungen. Soweit der Beklagte in der Stellungnahme vom 13.02.2015 mitteilt, die Vermieter nach dem Anschreiben telefonisch kontaktiert zu haben und in diesem Gespräch die Frage nach verschiedenen Ausstattungsmerkmalen gestellt zu haben, verbunden mit der Bitte, nur Daten für Wohnungen zu übermitteln, die mindestens über ein inne liegendes Bad/WC und eine "Sammelheizung" verfügen und nicht dem Luxussegment zuzurechnen sind, so genügt diese Vorgehensweise nicht den Anforderungen an ein transparentes Verfahren (so auch Sozialgericht [SG] Dessau-Roßlau, Urteil vom 19.08.2015, S 14 AS 2582/12). Zudem ist bei der Erhebung im Mietersegment ein persönlicher Kontakt zur Konkretisierung des Standards offensichtlich nicht erfolgt. In der Stellungnahme vom 26.06.2015 (Generalakte Band IV) meint der Vertreter der Firma A. zwar, dass Auswirkungen eines möglicherweise geringen Anteils von Substandardwohnungen im Auswertungsdatensatz enthalten sein könnten, aber statistisch zu vernachlässigen seien. Jedoch bestätigt er im Rahmen der Beantwortung von weiteren Fragen in einer Stellungnahme vom 26.06.2015, dass in der amtlichen Statistik das Merkmal der Substandardwohnungen letztmalig mit der Gebäude- und Wohnungszählung aufgenommen und seitdem nicht mehr aktualisiert worden ist und hierfür entsprechend keine konkreten Angaben für den Landkreis Wittenberg gemacht werden können. Ein belastbarer, nachvollziehbarer Ausschluss der Erhebung von Wohnungen im definierten untersten Standard ist nicht ersichtlich. Auch dieses Vorgehen erfüllt nicht die Anforderungen an die Transparenz des Verfahrens unter Anwendung einer planvollen Methodik. Denn eine Auswertung der Daten nach anerkannten statistischen Grundsätzen erscheint fernliegend, wenn die Zahl möglicher mit erhobener Substandardwohnungen schon gar nicht bekannt ist.

Weiterhin beanstandet die Kammer die Herausnahme von Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern aus der Datenerhebung. Die Definition des Gegenstandes der Beobachtung ist diesbezüglich nicht nachvollziehbar. Der Umfang der erhobenen und in das Verfahren eingeführten Daten ist nicht dazu geeignet, den Mietwohnungsmarkt im Landkreis Wittenberg zuverlässig abzubilden. Der Konzeptersteller hat sich für die Untersuchung der Mieten des gesamten Wohnungsmarktes entschieden (Endbericht Seite 8). Zur Grundgesamtheit des relevanten Bestandes für die Mietwerterhebung gehören danach neben frei finanzierten Mietwohnungen auch Wohnungen, die öffentlichen Mietpreisbindungen unterliegen. Die Datenerhebung muss nicht für alle im Vergleichsraum befindlichen Wohnungen erfolgen. Es genügt bei der Erhebung eine ausreichende Anzahl von Stichproben. Es sind bei der anhand nachvollziehbarer Kriterien ermittelten Stichprobenauswahl alle Wohnungsbestände und alle relevanten Vermietergruppen in die Grundgesamtheit einzubeziehen. Die Struktur der Stichprobe soll so beschaffen sein, dass darin in hinreichendem Umfang, Wohnungen aus dem gesamten Gebiet sowie von allen Eigentümergruppen vertreten sind (vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Arbeitshilfe zur Bestimmung der angemessenen Aufwendungen der Unterkunft im Rahmen kommunaler Satzungen, Stand Januar 2013, Seite 39). Ohne Angabe näherer Gründe hat der Konzeptersteller Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern aus dem Gegenstand der Beobachtung ausgeschlossen. Von den nach der Quelle des Statistischen Landesamtes Sachsen-Anhalt zugrunde gelegten 40.167 Wohngebäuden im Landkreis Wittenberg bestehen neben 4.784 Gebäuden mit Geschosswohnungsbau 28.167 Einfamilienhäuser und 7.216 Zweifamilienhäuser. Von den 72.219 Wohnungen befinden sich 28.167 in Einfamilienhäuser, 14.432 in Zweifamilienhäusern und 29.620 im Geschosswohnungsbau mit mindestens drei Wohnungen. Nur letztere sieht der Konzeptersteller als relevanten Wohnungsmarkt an. Mit der Herausnahme der Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern hat der Beklagte nicht die Mieten des gesamten Wohnungsmarktes untersucht. Der Konzeptersteller wollte ausweislich seiner eigenen Ausführungen den gesamten Wohnungsmarkt des einfachen bis gehobenen Standards zugrunde legen und anschließend mittels Extremwertkappungen und Perzentil-Bildungen einen Durchschnittspreis ermitteln (Endbericht S. 14). In einem ländlich und dörflich geprägten Gebiet wie dem Landkreis Wittenberg als definiertem Vergleichsraum ist insbesondere nicht davon auszugehen, dass die Anmietung einer solchen Wohnung per se dem Luxussegment zuzuordnen wäre. Wenn bei der Datenerhebung aber nur auf den Geschossbau abgestellt wird, verzerrt es im ländlich geprägten Gebiet den abzubildenden gesamten Mietwohnungsmarkt. Nach den Angaben des Konzepterstellers sollen rund 8,3 Prozent der Einfamilienhäuser (entspricht 2.338) und 31,6 Prozent der Wohnungen in Zweifamilienhäusern (entspricht 4.560) zu Wohnzwecken vermietet sein (Stellungnahme A. vom 26.06 2015). Diese Daten wurden von vornherein von der Erhebung ausgeschlossen. Nach den Fragestellungen in den Fragebögen sollten die Befragten bei Bejahung der Frage: "Wohnen Sie in einem Gebäude mit weniger als drei Wohnungen (Mietparteien)?" diese Fragebögen nicht weiter ausfüllen, da die Miete für die Mietwerterhebung nicht relevant sei. Die Fragestellung schließt im Übrigen auch die Rücksendung des Fragebogens aus, wenn eine der drei Wohnparteien selbstnutzender Eigentümer des Hauses ist. Von den insgesamt rund 36.500 Mietwohnungen hat der Konzeptersteller von vornherein fast 6.900 Wohnungen im definierten Vergleichsraum von der Erhebung ausgenommen. Dies entspricht ca. 19 Prozent des Wohnungsbestandes. Eine zur Überzeugung der Kammer nachvollziehbare Begründung konnte der Beklagte nicht angeben. Im Endbericht selbst erfolgt keine Begründung dieses Vorgehens. Die Kammer geht davon aus, dass der vom Konzeptersteller zu definierende Vergleichsraum maßgeblich ist für die Erhebung des gesamten Wohnungsmarktes und nicht nur wie in der am 16.10.2015 übersandten Stellungnahme die Stadt Wittenberg selbst. Es muss zuerst der maßgebliche räumliche Vergleichsmaßstab festgelegt werden, innerhalb dessen das (durchschnittliche) Mietpreisniveau von Wohnungen im unteren Segment des Wohnungsmarktes ermittelt wird. Der Ausschluss der genannten Wohnungen von der Erhebung ist insbesondere dann nicht planvoll, wenn (erst) in der Stellungnahme betont wird, dass diese Wohnungen aufgrund der Filterbedingungen nicht alle erhebungsrelevant gewesen wären. Dies ist eine unzulässige Vorwegnahme von Schlussfolgerungen, die erst aus der Auswertung zu ziehen sind. Bei den erhobenen Daten im Geschosswohnungsbau war ebenfalls ein erheblicher Anteil der Daten für die weitere Auswertung nicht relevant (6.282 Fragebögen von insgesamt 10.914). Auch die nachträglich gestellte Frage des Konzepterstellers, ob Einfamilienhäuser überhaupt aufgrund ihrer Größe in der Regel für die Anmietung durch eine Bedarfsgemeinschaft in Frage kommen, wäre allenfalls bei der Festlegung des Gegenstands der Beobachtung und des zu erhebenden Datenumfangs zu stellen und beantworten gewesen. Der Konzeptersteller hat bei der Mietwerterhebung nach Wohnungsgröße der Mietwohnungen differenziert. In diesem Zusammenhang wäre eine Einordnung von Wohnungen in dem ausgelassenen Segment durchaus möglich gewesen. Eine Vermeidung von Verzerrungen (Stellungnahme vom 26.06.2015) ließe sich bei der Auswertung der Daten berücksichtigen und statistisch bereinigen. Soweit der Konzeptersteller anmerkt, dass die Anmietung von Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern ja nicht ausgeschlossen sei, so handelt es sich um einen Zirkelschluss. Die Kammer meint, es ist nicht von vornherein auszuschließen, dass gerade die privaten Vermieter derartiger Objekte insbesondere auch in ländlichen Gebieten eine wichtige Funktion für die Versorgung einkommensschwacher Haushalte übernehmen.

Die Kammer hat weiterhin erhebliche Bedenken an der ordnungsgemäßen Festlegung des maßgeblichen Vergleichsraumes (so schon SG Dessau-Roßlau, Urteil vom 17.08.2012, S 11 AS 2430/11). Diese Frage kann die Kammer jedoch offen lassen. Denn wenn bereits die Datenerhebung unvollständig und nicht nachvollziehbar erfolgt ist, kann auch eine mögliche auf andere Vergleichsräume innerhalb des erhobenen Landkreises bezogene Auswertung der vorhandenen Daten keinen weiteren Erkenntnisgewinn bringen.

Soweit das Konzept des Grundsicherungsträgers nicht schlüssig ist, geht die Ermittlungspflicht hinsichtlich des Mietmarktes nicht ohne Weiteres auf die Sozialgerichte über (BSG, Urteil vom 22.09.2009, B 4 AS 18/09 R). Andere bereite Quellen, wie beispielsweise Mietspiegel, sind für den Landkreis Wittenberg nicht verfügbar. Kann kein abstrakt angemessener Bedarf für die Unterkunft ermittelt werden und liegt Erkenntnisausfall vor, so ist für die Begrenzung der Unterkunftskosten auf einen angemessenen Wert, auf die maßvoll erhöhten Tabellenwerte zu § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) zurückzugreifen (z. B. BSG, Urteil vom 17.12.2009, B 4 AS 50/09 R; Urteil vom 22.03.2012, B 4 AS 16/11 R; Urteil vom 12.12.2013, B 4 AS 87/12 R). Der Wohnort der Kläger gehört zur Mietstufe III. Für einen Zweipersonenhaushalt ergibt sich aus der Tabelle zu § 12 WoGG ein Höchstwert für die Grundmiete und die kalten Betriebskosten in Höhe von monatlich 402,00 EUR, aus dem sich erhöht um einen Sicherheitszuschlag von 10 Prozent ein maximal angemessener Kaltmietbetrag von 442,20 EUR ergibt. Die Kaltmiete der Kläger in Höhe von 366,78 EUR überschreitet diesen Betrag nicht. An der Angemessenheit der Heizkosten in Höhe von 58,00 EUR bestehen keine Bedenken. Da der Beklagte an die Kläger im streitigen Zeitraum zuletzt mit Bescheid vom 21.06.2012 bereits Unterkunftskosten in Höhe von 374,20 EUR gewährte, sind noch weitere Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 50,58 EUR zu zahlen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens.

III.

Die Berufung war zuzulassen, da nach Auffassung der Kammer ein nach § 144 Abs. 2 SGG bestimmter Zulassungsgrund vorliegt. Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage der Schlüssigkeit der Mietwerterhebung zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft im Landkreis Wittenberg hat im Hinblick auf die Vielzahl der Anwendungsfälle der Verwaltungsvorschrift grundsätzliche Bedeutung.
Rechtskraft
Aus
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