L 4 AS 1631/14

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 26 AS 1678/12
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 4 AS 1631/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Ermächtigung zur kommunalen Normsetzungsbefugnis nach § 22a Abs. 1 SGB II (in der Fassung vom 13. Mai 2011) hat den rechtlichen Maßstab für die Bestimmung der Referenzmiete nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht verändert.

2. Im Rahmen einer Satzung eröffnet die Regelung in § 22 c SGB II nur für den Satzungsgeber die Befugnis, als Daten für das eigene Unterkunftskonzept hilfsweise auch die Höchstbeträge nach § 12 Abs. 1 WoGG heranzuziehen. Nicht maßgeblich ist die Regelung hingegen, soweit ein hilfsweise auf die Höchstbeträge nach § 12 Abs. 1 WoGG gegründetes Unterkunftskonzept überhaupt nicht vom kommunalen Träger entwickelt ist.

3. Auch nach dem Inkrafttreten des § 22 c SGB II ab 1. April 2011 ist daher die Tabelle nach § 12 WoGG nur mit einem Sicherheitszuschlag von 10 % als Angemessenheitsobergrenze (Deckelung der Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten) heranzuziehen, ohne dass damit die Bestimmung einer ungefähren auf den konkreten örtlichen Wohnungsmarkt bezogene Angemessenheitsgrenze verbunden ist. Der Zuschlag soll weiterhin sicherstellen, dass die Leistungsempfänger mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Betrag eine Unterkunft anmieten können, die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 9. Dezember 2014 abgeändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Überprüfungsbescheides vom 21. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2012 verpflichtet, den Bescheid vom 12. Mai 2011 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 23. Mai 2011 und 8. Juli 2011 für den Monat Juni 2011 sowie den Bescheid vom 12. Mai 2011 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 23. Mai 2011, 23. August 2011 und 19. Oktober 2011 für den Monat Oktober 2011 abzuändern und der Klägerin für die Monate Juni 2011 und Oktober 2011 zusätzlich jeweils 31,35 Euro Kosten der Unterkunft und Heizung zu zahlen. Der Beklagte hat der Klägerin für beide Instanzen die Hälfte der Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin in den Monaten Juni und Oktober 2011 höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem SGB II zustehen.

Die 1961 geborene, im dauernden Leistungsbezug stehende Klägerin lebte im streitgegen-ständlichen Zeitraum in einer 63 qm großen 3-Raum-Wohnung in der in E.-K.

Ausweislich des Mietvertrages vom 1. Oktober 2001 war die Klägerin zur Zahlung einer Miete in Höhe von 526,16 Euro (381,76 Euro Kaltmiete, 144,40 Euro Betriebskosten-Vorauszahlung) verpflichtet. In der Folgezeit erfolgten jährliche Veränderungen aufgrund der Anpassung der Betriebs- und Heizkostenvorauszahlungen. Ausweislich eines Vermieterschreibens vom 20. März 2012 anlässlich eines Eigentümerwechsels der Wohnung zahlte die Klägerin absprachegemäß nur 430 Euro Gesamtmiete (300 Euro Kaltmiete, 130 Euro Betriebskosten-Vorauszahlung).

Der Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 29. August 2005 mit, dass ihre Kosten der Unterkunft und Heizung nicht angemessen seien. Für einen Ein-Personen-Haushalt gelte insoweit ein Maximalbetrag in Höhe von 301,50 Euro (211,50 Euro Netto-Kaltmiete, 90 Euro Betriebs- und Heizkosten).

In der Folgezeit berücksichtigte der Beklagte zunächst wie angekündigt bedarfsseitig nur die von ihm für angemessen gehaltenen Kosten der Unterkunft und Heizung. Unter Verweis auf die zwischenzeitlich erstellte Richtlinie der Stadt Erfurt erkannte der Beklagte für die Bewil-ligungszeiträume ab August 2010 Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 374,91 Euro (331,65 Euro Brutto-Kaltmiete, 43,26 Euro Heizkosten) - abzüglich des Warmwasseranteiles - an.

Mit Bescheid vom 12. Mai 2011 bewilligte der Beklagte für den Zeitraum 1. Juni bis 30. No-vember 2011 ebenfalls 374,91 Euro Kosten der Unterkunft und Heizung. In der Folgezeit ergingen aufgrund der Anrechnung von Einkommen Änderungsbescheide am 23. Mai 2011 und 8. Juli 2011 betreffend den Monat Juni 2011 sowie am 23. Mai 2011, 23. August 2011 und 19. Oktober 2011 betreffend den Monat Oktober 2011. Der Beklagte erkannte unverändert Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 374,91 Euro an.

Am 2. Dezember 2011 beantragte die Klägerin - ohne weitere Begründung - die Überprüfung der Bewilligungsbescheide vom 8. Juli 2011 für den Monat Juni 2011, vom 23. August 2011 für die Monate September bis November 2011 und vom 19. Oktober 2011 für den Monat Oktober 2011. Mit Bescheid vom 21. Dezember 2011 teilte der Beklagte mit, dass diese Bescheide nicht zu beanstanden seien.

Gegen diesen Überprüfungsbescheid wandte sich die Klägerin mit gesondert erhobenen Wi-dersprüchen vom 4. Januar 2012. Die Kosten der Unterkunft und Heizung seien falsch berechnet.

Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 2012 wies der Beklagte die Widersprüche als un-begründet zurück. Das Prüfungsbegehren der Klägerin sei mangels entsprechenden Vortrages als unsubstantiiert abzulehnen gewesen.

Hiergegen richtet sich die am 13. März 2012 zum Sozialgericht Gotha erhobene Klage. Mit Urteil vom 9. Dezember 2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass der Beklagte zwar eine Überprüfung der Ausgangsentscheidung auf Rechtsfehler hätte vornehmen müssen. Da eine anzuerkennende Unterkunftsrichtlinie für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht vorliege, sei § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) zur Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung heranzuziehen. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei jedoch seit der Einführung des § 22 c SGB II zum 1. April 2011 kein "Sicherheitszuschlag" i.H.v. 10 % zu den Werten der Wohngeldtabelle vorzunehmen. Der Gesetzgeber habe in dieser Vorschrift ausdrücklich nur Bezug genommen auf die Höchstbeträge nach § 12 WoGG. Der Beklagte hätte im Ergebnis der Klägerin 373,26 Euro Kosten der Unterkunft und Heizung gewähren müssen (330 Euro Brutto-Kaltmiete zuzüglich 43,26 Euro Heizkosten), habe jedoch bereits 374,91 Euro bewilligt.

Mit der vom Sozialgericht zugelassenen Berufung, eingegangen am 29. Dezember 2014, macht die Klägerin geltend, dass im Fall eines Erkenntnisausfalls zur Ermittlung der angemessenen Referenzmiete die Tabellenwerte des § 12 WoGG unter Einbeziehung eines "Si-cherheitszuschlages" von 10 % auch nach Einführung des § 22 c SGB II heranzuziehen seien. Diese Vorschrift sei lediglich Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer Satzung, habe jedoch keinen Einfluss auf die Fälle, in denen eine solche Satzung fehle.

Im Erörterungstermin vom 3. November 2015 hat die Klägerin die Berufung auf die Monate Juni und Oktober 2011 beschränkt. Die Klägerin gibt an, im streitigen Zeitraum 430 Euro Gesamtmiete (300 Euro Kaltmiete, 130 Euro Betriebskosten) gezahlt zu haben.

Die Klägerin beantragt wörtlich,

den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Gotha vom 9. Dezember 2014 zu verurteilen, ihr unter Abänderung der Bewilligungsbescheide vom 8. Juli 2011, 23. August 2011 und 19. Oktober 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2012 363 Euro Brutto-Kaltmiete zuzüglich Heizkosten in tatsächlicher Höhe für die Monate Juni und Oktober 2011 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er erachtet das erstinstanzliche Urteil als zutreffend. Zudem ist er der Auffassung, dass aus der am 1. Juli 2015 in Kraft getretenen neuen Richtlinie "Angemessenheit der Kosten für Unterkunft und Heizung" Rückschlüsse auch für die streitgegenständlichen Zeiträume gezogen werden könnten.

Dem Senat haben die Gerichts- und die Leistungsakten der Beklagten vorgelegen; diese sind zum Gegenstand der Entscheidung gemacht worden.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft. Zwar wird der nach § 144 Abs. 1 SGG maß-gebliche Wert des Beschwerdegegenstands von 750 Euro mit der im Streit stehenden Leistung nicht erreicht und es ist auch keine wiederkehrende oder laufende Leistung für mehr als ein Jahr betroffen. Da aber das Sozialgericht die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen hat, ist das Landessozialgericht daran gebunden (§ 144 Abs. 3 SGG).

Die zulässige Berufung ist - nach Beschränkung auf die Monate Juni und Oktober 2011 - begründet.

Die Klägerin konnte den Umfang der eingelegten Berufung zulässigerweise durch Erklärung im Erörterungstermin vom 3. November 2015 auf die Monate Juni und Oktober 2011 beschränken (vgl. dazu Keller in Meyer- Ladewig, SGG, 11. Auflage 2014, § 156 Rn. 2).

Das Sozialgericht hat die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 SGG zu Unrecht vollständig abgewiesen.

Zwar hat die Klägerin schriftsätzlich nur beantragt, den Beklagten zur Nachzahlung von Kosten der Unterkunft und Heizung unter Abänderung der Bewilligungsbescheide zu verurteilen. Nach § 123 SGG entscheidet das Gericht jedoch über die klägerseits erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Die Klägerin macht vorliegend einen Anspruch im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X geltend. Das Gericht hat auf die Anfechtungsklage über die Ablehnung des geltend gemachten Anspruchs auf höhere Leistungen zu entscheiden; auf die damit verbundene Verpflichtungsklage wird die Verpflichtung des Beklagten zur Rücknahme des früheren Verwaltungsaktes und auf eine Leistungsklage der Umfang der Leistungsgewährung ausgeurteilt. Es kann nicht unmittelbar ohne Verpflichtungsantrag auf Leistung geklagt werden, weil sich aus § 44 SGB X nichts dafür ergibt, dass die gesetzlich vorgesehene und vom Beklagten zu treffende Rücknahmeentscheidung durch das Gericht ersetzt werden darf. Das Gericht hat den Antrag des Klägers im Zweifel in diesem Sinne auszulegen (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 22. April 2015 - L 8 AS 764/13, Rn. 27, juris; Keller in Meyer- Ladewig, SGG, 11. Auflage 2014, § 54 Rn. 20 c). Nachdem die Klägerin hier mit Bescheid vom 12. Mai 2011 Leistungen bezogen hat, um deren festgesetzte Höhe durch die Änderungsbescheide zuletzt vom 8. Juli 2011 (Monat Juni 2011) bzw. 19. Oktober 2011 (Monat Oktober 2011) im Wege des Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X gestritten wird, erreicht die Klägerin ihr Klageziel mit der Anfechtung des Überprüfungsbescheides vom 21. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2012 und der Verpflichtung des Beklagten, den Bescheid vom 12. Mai 2011 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 23. Mai 2011 und 8. Juli 2011 für den Monat Juni 2011 sowie den Bescheid vom 12. Mai 2011 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 23. Mai 2011, 23. August 2011 und 19. Oktober 2011 für den Monat Oktober 2011 nach § 44 Abs. 1 SGB X abzuändern sowie der Verurteilung des Beklagten, höhere Kosten der Unterkunft und Heizung für die Monate Juni 2011 und Oktober 2011 zu leisten.

Der Beklagte war unter Aufhebung des Überprüfungsbescheides vom 21. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2012 zu verpflichten, den Bescheid vom 12. Mai 2011 in der Fassung der o.g. Änderungsbescheide abzuändern und der Klägerin für die Monate Juni 2011 und Oktober 2011 zusätzlich jeweils 31,35 Euro Kosten der Unterkunft und Heizung zu zahlen.

Der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 12. Mai 2011 und die nachfolgenden Ände-rungsbescheide sind teilweise rechtswidrig, so dass die Klägerin einen Anspruch auf teilweise Rücknahme dieser Bescheide nach § 40 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 44 SGB X hat. Durch diese Bescheide sind Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden. Nach § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. So liegt der Fall hier.

Gegenstand des Berufungsverfahrens sind (nur) höhere Kosten der Unterkunft und Heizung. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Klägerin ihre Klage auf Kosten der Unterkunft und Heizung beschränkt hat. An der prozessual zulässigen Abtrennbarkeit dieser Leistungen hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs. 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 auch für Verfahren über Bewilligungsabschnitte nach dem 1. Januar 2011 nichts geändert (ausführlich dazu Bundessozialgericht, Urteile vom 4. Juni 2014 - B 14 AS 42/13 R, Rn. 10 ff. und vom 28. Oktober 2014 - B 14 AS 65/13 R, Rn. 8, juris).

Insofern der Beklagte im Widerspruchsbescheid darauf verweist, dass die gestellten Überprü-fungsanträge mangels substantiierten Vorbringens nicht zu einer rechtlichen Prüfung Veran-lassung geben, ist dem nicht zu folgen. Zwar ist den Überprüfungsanträgen vom 2. Dezember 2011 nicht zu entnehmen, warum eine fehlerhafte Bewilligung erfolgt sein soll. Es werden lediglich der Ausgangs- und Änderungsbescheid sowie der Zeitraum genannt. Zu den Voraussetzungen für einen Überprüfungsantrag eines Leistungsberechtigten nach § 44 SGB X hat das Bundessozialgericht ausgeführt: Erfolgt die Überprüfung aufgrund eines Antrags des Leistungsberechtigten, löst dieser Antrag zwar grundsätzlich eine Prüfpflicht des Leistungsträgers aus, deren Umfang aber von dem Antrag und dessen Begründung abhängig ist. Eine solche Prüfung erfordert, dass der Antrag konkretisierbar ist und entweder aus dem Antrag selbst - ggf. nach Auslegung - oder aus einer Antwort des Antragstellers auf eine Nachfrage des Leistungsträgers der Umfang der Prüfpflicht für die Verwaltung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens erkennbar ist. Andernfalls ist der Leistungsträger berechtigt, von einer inhaltlichen Prüfung des Antrags abzusehen. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X, nach dem "im Einzelfall" beim Vorliegen der Voraussetzungen die Rücknahme eines Verwaltungsaktes erfolgen soll, was in der Konsequenz bedeutet, dass der Überprüfungsantrag des Leistungsberechtigten einen oder ggf. mehrere zu überprüfende Verwaltungsakte konkret aufführen muss (Bundessozialgericht, Urteile vom 13. Februar 2014 - B 4 AS 22/13 R, Rn. 16 und vom 28. Oktober 2014 - B 14 AS 39/13 R, Rn. 15, juris). Zumindest in Rechtsstreitigkeiten über die Beurteilung, ob ein hinreichend konkretisierter Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X vorliegt, ist auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung über diesen Überprüfungsantrag abzustellen. Andernfalls würden die oben dargestellten Ziele des § 44 SGB X leerlaufen und die inhaltliche Überprüfung des bestandskräftigen Verwaltungsaktes, einschließlich möglicher Ermittlungen, von der Verwaltung auf das Gericht verlagert (Bundessozialgericht, Urteil vom 28. Oktober 2014 - B 14 AS 39/13 R, Rn. 20, juris). Vorliegend hat die Klägerin mit den Widersprüchen gegen den Überprüfungsbescheid vom 21. Dezember 2011 geltend gemacht, dass die Kosten der Unterkunft und Heizung falsch berechnet seien. Damit ist eine hinreichende Konkretisierung des Begehrens erfolgt, welche dem Beklagten eine Sachprüfung ermöglicht hat.

Die Klägerin ist erwerbsfähige Leistungsberechtigte im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 1 SGB II. Die Leistungen umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung (§ 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II). Als monatlicher Regelbedarf ergibt sich für die Klägerin als alleinstehende Person nach § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II für die Monate Juni und Oktober 2011 ein Betrag von 364 Euro. Darüber hinaus werden gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II (in der Fassung vom 24. März 2011) Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (zuletzt Urteil vom 18. November 2014 - B 4 AS 9/14 R , Rn. 13f., juris) ist die Angemessenheit von Kosten der Unterkunft unter Zugrundelegung der sog. Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu konkretisieren: Zunächst ist zu überprüfen, ob die tatsächlichen Kosten des Leistungsberechtigten für seine Unterkunft abstrakt angemessen sind, das heißt ob die Kosten dem entsprechen, was für eine nach abstrakten Kriterien als angemessen geltende Wohnung auf dem maßgeblichen Wohnungsmarkt aufzubringen ist (abstrakte Angemessenheitsprüfung). Die abstrakte Angemessenheit von Unterkunftskosten, die sich in der abstrakt angemessenen Referenzmiete ausdrückt, ist in mehreren Schritten zu bestimmen: Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu ermitteln. Alsdann ist festzustellen, ob die angemietete Wohnung dem Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard entspricht, der sich in der Wohnungsmiete niederschlägt. Vergleichsmaßstab sind insoweit die räumlichen Gegebenheiten am Wohnort des Leistungsberechtigten, wobei die örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt zu ermitteln und zu berücksichtigen sind. Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 13. April 2011 - B 14 AS 32/09 R, Rn. 11, juris). Übersteigen die tatsächlich aufzubringenden Wohnkosten die abstrakt ermittelte Referenzmiete, ist zu überprüfen, ob eine Wohnung, die den abstrakten Kriterien entspricht, für den Leistungsberechtigten auf dem Mietmarkt tatsächlich verfügbar und konkret anmietbar ist, es ihm also möglich ist, die Kosten für die Unterkunft auf das abstrakt angemessene Maß zu senken. Dieser Prüfungsschritt ist in § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II vorgegeben, wonach die abstrakt unangemessenen Kosten solange (regelmäßig für längstens sechs Monate) zu übernehmen sind, wie dem Leistungsberechtigten die Senkung der Kosten unmöglich oder unzumutbar ist (konkrete Angemessenheit).

Für die Klägerin, welche eine Wohnung mit einer Fläche von 63 qm nutzt, ist nur eine Wohnung mit einer Größe von 45 qm angemessen. Für die Bestimmung der Angemessenheit der Wohnungsgröße wird nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus Gründen der Rechts-sicherheit und der Praktikabilität auf die Werte zurückgegriffen, welche die Länder aufgrund des § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) festgesetzt haben (Bun-dessozialgericht, Urteil vom 10. September 2013 - B 4 AS 77/12 R, Rn. 20 m.w.N., juris). Nach § 10 WoFG können die Länder im geförderten Wohnungsbau Grenzen für Wohnungsgrößen festlegen, bis zu denen eine Förderung in Betracht kommt. Nach den Bestimmungen des Freistaates Thüringen in der Richtlinie für die Förderung des sozialen Mietwohnungsbaus in besonderen Gebietskulissen zur Innenstadtstabilisierung im Freistaat Thüringen 2010 (Be-kanntmachung des Thüringer Ministeriums für Bau und Verkehr vom 1. Mai 2010, Thüringer Staatsanzeiger 2010, S. 992) ist eine angemessene Wohnungsgröße von 45 qm für einen Ein-Personen-Haushalt zugrunde zu legen.

Als maßgeblicher Vergleichsraum ist bei den Ermittlungen der angemessenen Miete auf das Stadtgebiet E. abzustellen. Bei der Festlegung des Vergleichsraumes geht es um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Hilfebedürftigen. Daher sind ausgehend vom Wohnort des Leistungsberechtigten Ver-gleichsmaßstab diejenigen ausreichend großen Räume (nicht bloße Orts- oder Stadtteile) der Wohnbebauung, die auf Grund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden (vgl. Bundessozialgericht, Urteile vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R, Rn. 21, vom 10. September 2013 - B 4 AS 77/12 R, Rn. 22, juris). Als räumlicher Vergleichsmaßstab ist in erster Linie der Wohnort des Leistungsberechtigten maßgebend (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 10/06 R, Rn. 24, juris), vorliegend das Stadtgebiet E.

Stehen die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche Vergleichsraum fest, ist in einem dritten Schritt nach der Rechtsprechung zu ermitteln, wie viel für eine abstrakt als angemessen eingestufte Wohnung auf dem für den Hilfebedürftigen maßgeblichen Woh-nungsmarkt aufzuwenden ist. Dabei ist nicht nur auf die tatsächlich am Markt angebotenen Wohnungen abzustellen, sondern auch auf vermietete Wohnungen. Das Bundessozialgericht folgt der sog. Produkttheorie, wonach nicht beide Faktoren (Wohnungsgröße und Wohnungsstandard) je für sich betrachtet "angemessen" sein müssen, solange jedenfalls das Produkt aus Wohnfläche (Quadratmeterzahl) und Standard (Mietpreis je Quadratmeter) eine insgesamt angemessene Wohnungsmiete (sog. Referenzmiete) ergibt (u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R, Rn. 24, juris). Die Ermittlung der Angemessenheitsgrenzen muss dabei auf Grundlage eines überprüfbaren schlüssigen Konzepts erfolgen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (grundlegend Urteil vom 22. September 2009 - B 4 AS 18/09 R, Rn. 19, juris) ist ein Konzept ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall. Schlüssig ist das Konzept, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt:

1. Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung),

2. bedarf es einer nachvollziehbaren De&64257;nition des Gegenstandes der Beobachtung, z. B. welche Art von Wohnungen, Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße,

3. Angaben über den Beobachtungszeitraum‚

4. Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z. B. Mietspiegel),

5. Validität der Datenerhebung,

6. Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,

7. Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und

8. Angaben über die gezogenen Schlüsse (z. B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze).

Das Bundessozialgericht hat in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, dass es im Wesentlichen Sache der Grundsicherungsträger ist, für ihren Zuständigkeitsbereich ein schlüssiges Konzept zu entwickeln, auf dessen Grundlage die erforderlichen Daten zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze zu erheben und auszuwerten. Die anhand eines solchen Konzeptes erzielbaren Erkenntnisse sind vom Grundsicherungsträger daher grundsätzlich schon für eine sachgerechte Entscheidung im Verwaltungsverfahren notwendig und in einem Rechtsstreit vom Grundsicherungsträger vorzulegen.

Vorliegend hat der Beklagte für die streitgegenständlichen Monate Juni und Oktober 2011 bei der Ermittlung der Brutto-Kaltmiete i.H.v. 331,65 Euro die Anlage 2 zur Richtlinie "Angemessene Kosten für Unterkunft und Heizung" (Mietwohnungen – Tabellen Bestandswohnungen) vom 1. März 2010 zugrundegelegt. Diese Unterkunftsrichtlinie genügt den Anforderungen des Bundessozialgerichtes an ein schlüssiges Konzept nicht. Weder ist der Gegenstand der Beobachtung definiert, noch wurde nach dem Standard der Wohnungen differenziert, noch ist ein Beobachtungszeitraum angegeben worden. Auch wurden keinerlei Erkenntnisquellen benannt, woher also die Daten bezogen wurden. Daher ist die Validität der Datenerhebung nicht prüfbar, ebenso wenig, ob der Datenumfang repräsentativ ist und ob eine statistisch mathematische Auswertung erfolgt ist.

Auch die zum 1. September 2011 - und damit grundsätzlich für den Monat Oktober 2011 maßgebliche - in Kraft getretene Richtlinie "Angemessene Kosten für Unterkunft und Heizung" genügt den o.g. Anforderungen nicht. Zwar ist hier der Hinweis enthalten, dass der in den Tabellen ausgewiesene Basiswert der Netto-Kaltmiete pro Quadratmeter auf der Grundlage des Mietspiegels vom 1. Januar 2011 für die Stadt E. ermittelt worden ist. Für einige Mietspiegelfelder habe eine empirische Datenbasis zur Verfügung gestanden. Im Mietspiegel seien ca. 60 % des Gesamtwohnungsbestandes erfasst. Nicht ersichtlich ist jedoch, wieviel Fallzahlen den Mietspiegelfeldern zugrundelagen. Ohne diese Kenntnis kann nicht geprüft werden, ob der Datenumfang repräsentativ ist, mithin, ob durch die Mietspiegelfelder überhaupt ein hinreichendes Marktsegment abgebildet wurde. Auch eine statistisch mathematische Auswertung mit dem Ergebnis des für alle Wohnungsgrößen einheitlichen Basiswertes der Netto-Kaltmiete pro Quadratmeter i.H.v. 4,70 Euro ist nicht erkennbar. Auch ist keine Differenzierung zwischen Bestandswohnungen und Neuvermietungen erfolgt. Zusammengefasst ist nicht ersichtlich, ob die Ermittlung der Referenzmiete auf einer ausreichenden Datengrundlage basiert, die nach statistischen Kriterien ausgewertet worden ist, sodass die tatsächlichen Gegebenheiten des Wohnungsmarktes abgebildet werden.

Entscheidet der Leistungsträger - wie auch hier - ohne eine hinreichende Datengrundlage, führt dies jedoch nicht ohne Weiteres dazu, dass automatisch die Leistungen in tatsächlich entstehender Höhe zu übernehmen wären. Vielmehr ist die Verwaltung im Rahmen ihrer pro-zessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 S. 1, 2. Halbs. SGG gehalten, dem Gericht eine möglichst zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und auf Verlangen des Gerichts eine ggf. unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen. Es kann von dem für die Leistungen nach § 22 SGB II zuständigen kommunalen Träger erwartet werden, dass er die bei ihm vorhandenen Daten sowie die persönlichen und/oder sachlichen Voraussetzungen für die Erhebung und Auswertung der erforderlichen Daten zur Verfügung stellt. Die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des Bundessozialgerichtes haben bereits entschieden, dass dann, wenn Datenmaterial für den Vergleichsraum vorhanden ist, etwa noch auswertbare Daten, die z.B. die Grundlage für die Erstellung zumindest eines qualifizierten Mietspiegels geboten haben, diese im Rahmen der Amtsermittlungspflicht der Tatsachengerichte der Sozialgerichtsbarkeit zur Überprüfung der von dem Beklagten gewählten Angemessenheitsgrenze heranzuziehen sind (u.a. Bundessozialgericht, Urteile vom 14. Februar 2013 - B 14 AS 61/12 R, Rn. 22 und vom 10. September 2013 - B 4 AS 77/1 R, Rn. 25 m.w.N.).

Vorliegend hat der Beklagte erklärt, dass eine nachträgliche Datenaufbereitung dergestalt, dass belastbares Datenmaterial zur Bestimmung der Referenzmiete und damit zur Prüfung der Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit der Richtlinie zur Verfügung gestellt werden kann, nicht möglich ist. An einer zuverlässigen Entscheidungsgrundlage entsprechend den o.g. An-forderungen des Bundessozialgerichtes fehlt es daher.

Insofern der Beklagte nunmehr darauf verweist, dass eine neue Richtlinie "Angemessenheit der Kosten für Unterkunft und Heizung" am 1. Juli 2015 in Kraft getreten sei, welche den Anforderungen des Bundessozialgerichtes an ein schlüssiges Konzept entsprechen würde, und daraus Rückschlüsse auch für die streitgegenständlichen Zeiträume gezogen werden könnten, ist dem nicht zu folgen. Zwar ist dem Beklagten zuzugeben, dass aus der dort erfolgten Auswertung der Bestandsmieten bis September 2013 und der Neuvertragsmieten zwischen Oktober 2013 und März 2014 erkennbar ist, dass ein stetiger Anstieg der Mieten erfolgt ist. Auch ist grundsätzlich nachvollziehbar, wenn der Beklagte ausführt, dass eine angemessene Brutto-Kaltmiete von 322,56 Euro nach der aktuellen Richtlinie - deren Anerkennung im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes unterstellt - die Schlussfolgerung nahelegt, dass im Jahr 2011 die angemessenen Unterkunftskosten niedriger waren als die derzeit angemessenen und im Hinblick darauf, dass damals schon mehr - nämlich 331,65 Euro - als jetzt angemessen gewährt worden seien, ein Rückgriff auf Tabellenwerte nicht notwendig sei. Diese Folgerung kompensiert jedoch nicht das Fehlen eines schlüssigen Konzeptes nach den Anforderungen des Bundessozialgerichtes für die Monate Juni und Oktober 2011. Zwar besteht die Verpflichtung der Verwaltung und der Tatsachengerichte, alle Erkenntnismöglichkeiten - auch nachträglich - zu berücksichtigen. Die Frage, ob sich anhand vorgelegter Daten ein schlüssiges Konzept entwickeln lässt, kann ebenso wenig wie die Frage, ob ein Ausfall lokaler Erkenntnismöglichkeiten vorliegt, offen bleiben (u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 6. August 2014 - B 4 AS 37/13 R, Rn. 22, juris). Belastbare Ermittlungsergebnisse enthalten die aktuell erfolgten Datenerhebungen für die streitgegenständlichen Zeiträume jedoch nicht. Unerheblich ist zwar, dass die neue Unterkunftsrichtlinie des Beklagten auf der Grundlage der Mietwerterhebung förmlich erst zum 1. Juli 2015 in Kraft gesetzt wurde. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Mietdaten zum Stichtag 1. April 2014 erhoben wurden. Sie bilden damit ab diesem Zeitpunkt eine berücksichtigungsfähige Erkenntnisquelle unabhängig vom Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie zum 1. Juli 2015 (dazu Urteil des Senats vom 8. Juli 2015 - L 4 AS 718/14, Rn. 59, juris). Für vorhergehende Zeiträume ergeben sich jedoch keine hinreichenden Feststellungen zu den angemessenen Unterkunftskosten.

Im Ergebnis der Ermittlungen erweist sich damit, dass keine nachvollziehbaren Daten für die Ermittlung der Mietobergrenze vorliegen, ein schlüssiges Konzept nicht mehr entwickelt werden kann und somit ein Ausfall von lokalen Erkenntnismöglichkeiten vorliegt. Damit ist ein Rückgriff auf die Tabellenwerte des WoGG zu rechtfertigen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 12. Dezember 2013 - B 4 AS 87/12 R, Rn. 24, juris).

Aus § 12 Abs. 1, 3 WoGG in der Fassung vom 9. Dezember 2010 ergibt sich für die Mietenstufe III, welcher die Stadt Erfurt durch das Statistische Bundesamt zugeordnet wurde, für die streitgegenständlichen Monate ein Höchstbetrag von 330 Euro als Brutto-Kaltmiete für einen Ein-Personen-Haushalt.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichtes ist dieser Tabellenwert jedoch vorliegend um einen Sicherheitszuschlag von 10 % zu erhöhen. Dieser ist sowohl bei der Heranziehung der Werte der Tabelle zu § 8 WoGG a.F. als auch bei denen der Werte des § 12 WoGG (gültig ab 1. Januar 2011) vorzunehmen. Zwar sind die Werte zu § 12 WoGG im Vergleich zu jenen der Tabelle zu § 8 WoGG angehoben worden, der Zuschlag ist in dieser Höhe aber nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes auch im Rahmen des § 12 WoGG erforderlich, weil sich nichts daran geändert hat, dass die Tabellenwerte nicht den Anspruch erheben, die realen Verhältnisse auf dem Markt zutreffend abzubilden. Der Zuschlag soll weiterhin sicherstellen, dass die Leistungsempfänger mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Betrag eine Unterkunft anmieten können, die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht (Bundessozialgericht, Urteile vom 16. Juni 2015 - B 4 AS 44/14 R, Rn. 30, vom 6. August 2014 - B 4 AS 37/13 R, Rn. 22 und vom 12. Dezember 2013 - B 4 AS 87/12 R, Rn. 27, juris).

Soweit das Sozialgericht meint, diese Rechtsprechung könne nach Inkrafttreten des § 22 c SGB II ab 1. April 2011 nicht mehr greifen, ist dem nicht zu folgen.

Nach § 22a Abs. 1 SGB II (in der Fassung vom 13. Mai 2011) können die Länder die Kreise und kreisfreien Städte durch Gesetz ermächtigen oder verpflichten, durch Satzung zu bestimmen, in welcher Höhe Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in ihrem Gebiet angemessen sind. Nach § 22c Abs. 1 S. 1 SGB II (in der Fassung vom 13. Mai 2011) sollen die Kreise und kreisfreien Städte zur Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung insbesondere Mietspiegel, qualifizierte Mietspiegel und Mietdatenbanken und geeignete eigene statistische Datenerhebungen und -auswertungen oder Erhebungen Dritter einzeln oder kombiniert berücksichtigen. Hilfsweise können nach Satz 2 auch die monatlichen Höchstbeträge nach § 12 Abs. 1 WoGG berücksichtigt werden.

Zunächst ist der Regelungsbereich des § 22 c SGB II überhaupt nicht eröffnet, weil die Höchstgrenze nach § 12 WoGG nicht im Rahmen einer Satzung festgesetzt ist. Selbst im Rahmen einer Satzung eröffnet die Regelung in § 22 c SGB II nur für den Satzungsgeber die Befugnis, als Daten für das eigene Unterkunftskonzept hilfsweise auch die Höchstbeträge nach § 12 Abs. 1 WoGG heranzuziehen. Nicht maßgeblich ist die Regelung hingegen, soweit ein hilfsweise auf die Höchstbeträge nach § 12 Abs. 1 WoGG gegründetes Unterkunftskonzept überhaupt nicht vom kommunalen Träger entwickelt ist. Auch eine entsprechende Anwendung verbietet sich, weil insoweit eine planwidrige Regelungslücke, die allein eine richterrechtliche Rechtsfortbildung begründen könnte, nicht auszumachen ist.

Zudem ist zu beachten, dass die Ermächtigung zur kommunalen Normsetzungsbefugnis den rechtlichen Maßstab für die Bestimmung der Referenzmiete nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht verändert hat. Dies erfordert insbesondere eine realitätsgerechte Abbildung des örtlichen Wohnungsmarktes, weil ansonsten den Anforderungen zur Ermittlung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums nicht genüge getan würde (vgl. Bundes-sozialgericht, Urteile vom 4. Juni 2014 - B 14 AS 53/13 R, Rn. 23 ff. und 17. Oktober 2013 - B 14 AS 70/12 R, Rn. 27 ff., juris).

Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang auch darauf, dass der Sinn und Zweck des WoGG nicht darin liegt, die Mieten für Wohnraum bei Vorliegen der einkommensrechtlichen Vor-aussetzungen voll oder zu einem erheblichen Teil zu übernehmen. Vielmehr handelt es sich beim Wohngeld um einen Zuschuss zu den Aufwendungen für Wohnraum (vgl. § 1 WoGG). Die Höhe ist abhängig von der zu berücksichtigenden Miete, den Haushaltsmitgliedern und dem Einkommen. Übersteigt die nach § 11 WoGG zu berücksichtigende Miete den in § 12 WoGG festgesetzten Betrag, bleibt der übersteigende Teil bei der Wohngeldberechnung außer Betracht. Die im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II angemessene Miete muss hingegen gewährleisten, dass zu dem als angemessen erachteten Wert Wohnraum vorhanden ist. Beide Regelungen verfolgen damit verschiedene Ziele; auf die Werte aus § 12 WoGG ist daher nur als Berechnungsgrundlage zur Bemessung der angemessenen Miete abzustellen und dem Sinn und Zweck von § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II nach mittels des "Sicherheitszuschlages" anzupassen. (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 - B 4 AS 87/12 R, Rn. 27, juris).

Maßgeblich ist, dass beim Fehlen eines schlüssigen Konzeptes nicht mit Sicherheit beurteilt werden kann, wie hoch die angemessene Referenzmiete tatsächlich ist. Es verbleibt im Ergebnis dabei, dass auch nach dem Inkrafttreten des § 22 c SGB II ab 1. April 2011 die Tabelle nach § 12 WoGG nur mit Sicherheitszuschlag als Angemessenheitsobergrenze (Deckelung der Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten) heranzuziehen ist, ohne dass damit die Bestimmung einer ungefähren auf den konkreten örtlichen Wohnungsmarkt bezogene Angemessenheitsgrenze verbunden ist.

Zu der angemessenen Brutto-Kaltmiete von vorliegend 363 Euro (330 Euro zuzüglich 10 %) kommen die getrennt von den Unterkunftskosten zu berücksichtigenden Heizkosten (Bundes-sozialgericht, Urteil vom 2. Juli 2009 - B 14 AS 36/08 R, Rn. 18, juris), die vorliegend - nicht zu beanstandend - in tatsächlich angefallener Höhe von 43,26 Euro monatlich gewährt worden sind.

Die Klägerin kann auch nicht auf der Grundlage von § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II die Gewährung ihrer tatsächlichen unangemessenen Aufwendungen für Unterkunft im streitgegenständlichen Zeitraum verlangen. Danach sind die Aufwendungen, soweit sie den im Einzelfall angemessenen Umfang übersteigen, solange als Bedarf anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Kennt aber der Leistungsberechtigte seine Obliegenheit zur Senkung der Unterkunftskosten und sind Kostensenkungsmaßnahmen sowohl subjektiv zumutbar als auch möglich, kann er die Erstattung seiner Aufwendungen ab dem Zeitpunkt, zu dem diese Maßnahmen, z.B. bei Einhaltung von Kündigungsfristen etc, wirksam werden könnten, nur noch in Höhe der Referenzmiete, also der Aufwendungen für eine angemessene Wohnung verlangen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R, Rn. 31, juris). Vorliegend ist die Klägerin bereits am 29. August 2005 auf die Unangemessenheit ihrer Unterkunftskosten hingewiesen worden. In der Folgezeit erfolgte eine Bewilligung im Rahmen der Angemessenheitsgrenze nach den Werten der jeweiligen Unterkunftsrichtlinie. Unschädlich ist, dass der Beklagte die Angemessenheitsgrenze im Verlauf geändert hat. Die Aufforderung zur Kostensenkung stellt lediglich ein Informationsschreiben mit Aufklärungs- und Warnfunktion dar (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2013 – B 4 AS 77/12 R, Rn. 44, juris). Die Klägerin wusste damit auch im streitgegenständlichen Zeitraum, dass sie die Unterkunftskosten mangels Angemessenheit nicht in voller Höhe erhält. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Klägerin die Senkung ihrer Unterkunftskosten, insbesondere durch Umzug in eine kostengünstigere Wohnung, unzumutbar oder unmöglich gewesen wäre.

Der zu berücksichtigende Gesamtbedarf der Klägerin beläuft sich demnach auf für die Monate Juni und Oktober 2011 auf einen Betrag von 770,26 Euro (364 Euro Regelleistung sowie 406,26 Euro Kosten der Unterkunft und Heizung).

Einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hat die Klägerin jedoch nur soweit, als sie hilfebedürftig ist (§ 9 Abs. 1 SGB II in der Fassung vom 24. März 2011). Daher ist bedarfsmindernd - nicht streitgegenständlich - Einkommen von 290,32 Euro im Monat Juni 2011 und von 407,56 Euro im Monat Oktober 2011 zu berücksichtigen (§ 11 Abs. 1 S. 1, S. 3 SGB II in der Fassung vom 24. März 2011).

Im Ergebnis kann die Klägerin Leistungen für den Monat Juni 2011 i.H.v. 479,94 Euro und für den Monat Oktober i.H.v. 362,70 Euro beanspruchen. Bewilligt waren Leistungen von 448,59 Euro für Juni 2011 und 331,35 Euro für Oktober 2011, so dass sie Anspruch auf Zahlung weiterer 31,35 Euro jeweils für die Monate Juni und Oktober 2011 hat.

Da der Berufungsantrag dementsprechend auf Kosten der Unterkunft i.H.v. 363 Euro Brutto-kaltmiete zuzüglich der Heizkosten zutreffend beschränkt ist, war die Berufung nicht im Übrigen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Kostenteilung beruht darauf, dass die Klägerin das Klagebegehren (erst) im laufenden Berufungsverfahren auf die Hälfte der ursprünglich klagegegenständlichen Monate beschränkt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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