L 5 AS 25/16 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 3 AS 4101/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 25/16 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird zurückgewiesen und der Antrag auf Aufhebung der Vollziehung wird abgelehnt.
Die Beteiligten haben einander auch für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten sind in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen einen Bescheid, der zur Rentenantragstellung auffordert, aufhebt, und die Vollzugsfolgenbeseitigung streitig.

Die am ...1952 geborene Antragstellerin stand seit längerem beim Antragsgegner im Bezug von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), die dieser zuletzt auf einen Fortzahlungsantrag vom 20. Oktober 2015 bewilligte (Bescheid vom 24. Oktober 2015). Sie verfügt über Einkommen i.H.v. 254,19 EUR als Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Bereits seit Juni 2014 standen die Beteiligten im Austausch über die Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente (vgl. u.a. persönliche Vorsprachen vom 19. Juni 2014, 13. Januar und 28. April 2015; telefonische Kontakte am 24. Juni und 7. Juli 2015). Am 27. August 2015 erörterten sie den Abschluss einer neuen Eingliederungsvereinbarung. Diese Vereinbarung, die eine Laufzeit bis 26. November 2015 haben und die Antragstellerin verpflichten sollte, bis dahin eine aktuelle Rentenauskunft vorzulegen, unterzeichnete sie nicht. Vielmehr äußerte sie mit Schreiben vom 13. September 2015 Änderungswünsche. Danach solle die Vereinbarung bis 31. März 2016 laufen und der Antragsgegner solle eine 1-Euro-Maßnahme für den "F. L." der Heimatstadt bewilligen. Sie selbst wolle Bewerbungen für 1-Euro-Maßnahmen, Bürgerarbeit und den Ersten Arbeitsmarkt unternehmen. Sie führte an, dass die Änderungen erforderlich seien, da sie eine Bewerbung im "F. L." bereits abgegeben habe. Die Eingliederungsvereinbarung kam nicht zustande.

Am 1. Oktober 2015 erteilte die Antragstellerin bei einer persönlichen Vorsprache dem Antragsgegner Vollmacht zur Einholung von Auskünften zu Erfordernissen, Bearbeitungsstand und Rentenhöhe. Am Folgetag meldete der Antragsgegner bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (DRV) einen Erstattungsanspruch nach den §§ 102 ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) wegen "Altersrente ab 10/2015" an. Er erkundigte sich, ob die Antragstellerin die Voraussetzungen für eine Rente wegen Alters erfülle und wie hoch die Rente bei vorzeitiger Inanspruchnahme ab 1. Oktober 2015 sei. Hierauf teilte die DRV am 13. Oktober 2015 mit, dass die Rente unter Berücksichtigung eines Abschlags wegen vorzeitiger Inanspruchnahme 528,61 EUR monatlich betrage und mit welchen Abzügen zu rechnen sei. Daraufhin holte der Antragsgegner noch Auskünfte zur Höhe des zu erwartenden Wohngelds ein.

Mit Bescheid vom 30. Oktober 2015, zugestellt am 3. November 2015, forderte der Antragsgegner die Antragstellerin auf, bis zum 13. November 2015 einen Antrag auf Altersrente bei ihrem zuständigen Rentenversicherungsträger zu stellen. Darin kündigte er ferner an, selbst als zuständiger Leistungsträger ersatzweise für sie den Rentenantrag zu stellen, sofern der Nachweis über die Rentenantragstellung bis zum 20. November 2015 nicht erbracht werde. Wegen des weiteren Inhalts des Bescheids wird auf S. 1892 f. der Verwaltungsakte verwiesen.

Am 12. November 2015 stellte die Antragstellerin bei der DRV einen Rentenantrag.

Am 20. November 2015 erhob sie Widerspruch gegen den Aufforderungsbescheid vom 30. Oktober 2015. Zur Begründung führte sie aus, sie sei im Bewerbungsverfahren für sozialversicherungspflichtige Teil- und Vollzeittätigkeiten und sowohl nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) als auch nach § 7a SGB II im erwerbsfähigen Alter. Die Aufnahme einer Tätigkeit sei entgegen der unzutreffenden Unterstellung beabsichtigt. Es seien dazu auch bislang unbeschiedene Anträge zur Eingliederungsförderung gestellt worden. Der Bescheid verstoße ferner gegen das Diskriminierungsverbot wegen der Einkommensart und wegen des Alters (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) i.V.m. dem Grundrecht auf Eigentum an Rentenanwartschaften bis zum Regeleintrittsalter für die Altersrente. Sie beabsichtige, eine abschlagsfreie Altersrente zu beantragen.

Mit Änderungsbescheid im Widerspruchsverfahren vom 21. November 2015 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin für den Zeitraum von Dezember 2015 bis April 2016 Leistungen i.H.v. monatlich 534,81 EUR. Dabei berücksichtigte er monatlich neben der Regelleistung (399 EUR) als Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) eine Kaltmiete i.H.v. 259 EUR, Nebenkosten i.H.v. 54,86 EUR, Heizkosten i.H.v. 41,14 EUR sowie Abfallgebühren i.H.v. 8,73 EUR. Auf den Bedarf rechnete er die um die Versicherungspauschale i.H.v. 30 EUR bereinigte Unfallrente an.

Am 23. November 2015 nahm die Antragstellerin ihren Rentenantrag gegenüber der DRV zurück. Unter dem 27. November 2015 beantragte der Antragsgegner für sie bei der DRV unter Bezugnahme auf § 5 Abs. 3 SGB II Altersrente. Mit Schreiben vom 30. November 2015 teilte die DRV der Antragstellerin mit, dass die Antragsrücknahme unwirksam sei, da der Antragsgegner von seinem Antragsrecht nach § 5 Abs. 3 SGB II Gebrauch gemacht habe. Mit Rentenbescheid vom 4. Dezember 2015 bewilligte sie ab dem 1. Januar 2016 eine monatliche Altersrente für langjährig Versicherte i.H.v. 531,43 EUR brutto und 478,56 EUR netto. Für die Zeit vom 1. November bis 31. Dezember 2015 betrage die Nachzahlung 957,12 EUR.

Gegen den "Antragsbescheid vom 27.11.2015, gerichtet an die Deutsche Rentenversicherung zur Beantragung von vorgezogener Altersrente," erhob die Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner am 11. Dezember 2015 "Drittwiderspruch", und gegen den Rentenbescheid gegenüber der DRV unter dem 16. Dezember 2015 Widerspruch. Dabei wies sie jeweils darauf hin, dass der Widerspruch nach § 86a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufschiebende Wirkung entfalte. Letzteres bestätigte die DRV bezüglich des an sie gerichteten Widerspruchs mit Schreiben vom 21. Dezember 2015 und teilte mit, dass die laufende Zahlung nicht aufgenommen und die Nachzahlung nicht ausgezahlt werde.

Am 7. Dezember 2015 erhob die Antragstellerin vor dem Sozialgericht Magdeburg (SG) Klage gegen den Antragsgegner und die Bundesrepublik Deutschland (BRD). Der Antragsgegner sei zu verurteilen, dem Widerspruch vom 18. (gemeint wohl 19.) November 2015 abzuhelfen. Als Zwischenfeststellungsklage sei festzustellen, dass der Rentenantragsbescheid des Antragsgegners vom 27. November 2015 an die DRV ein Verwaltungsakt mit belastender Drittwirkung sei und ihr Drittwiderspruch vom 11. Dezember 2015 gegen diesen Antragsbescheid aufschiebende Wirkung entfalte. Hinsichtlich der BRD beantragte sie in diesem Klageverfahren festzustellen, dass die Unbilligkeitsverordnung vom 14. April 2008 (UnbilligkeitsV) rechtswidrig, wenn nicht nichtig oder unwirksam sei (Az.: S 3 AS 4180/15).

Mit Bescheid vom 15. Dezember 2015 hob der Antragsgegner den Bewilligungsbescheid vom 24. Oktober 2015 unter Bezugnahme auf § 48 Abs. 1 SGB X, § 40 Abs. 1 und 2 Nr. 3 SGB II, § 330 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) für die Zeit ab 1. Januar 2016 vollständig auf. Zur Begründung führte er u.a. aus, dass nach § 7 Abs. 4 SGB II Personen, die eine Rente wegen Alters bezögen, keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hätten. Gegen den Aufhebungsbescheid vom 15. Dezember 2015 erhob die Antragstellerin am 16. Dezember 2015 Widerspruch und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung trug sie u.a. vor, es bestehe derzeit wegen des Widerspruchsverfahrens mit aufschiebender Wirkung kein rechtskräftig festgestellter Anspruch auf Rente wegen Alters. Es erfolgten keine Rentenzahlungen. Über diesen Widerspruch und die Klage S 3 AS 4180/15 wurde bislang nicht entschieden.

Am 21. Dezember 2015 beantragte die Antragstellerin vor dem SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Bezug auf den Aufhebungsbescheid des Antragsgegners vom 15. Dezember 2015. Mit Beschluss vom 7. Januar 2016 lehnte das SG den Antrag ab. Das hiergegen gerichtete Beschwerdeverfahren vor dem LSG blieb ohne Erfolg (Beschlüsse vom 29. Januar 2016 (Az.: L 5 AS 26/16 B ER) und vom 29. Februar 2016 (Az.: L 5 AS 85/16 B ER RG)).

Bereits am 7. Dezember 2015 hat die Antragstellerin im hiesigen Verfahren um einstweiligen Rechtsschutz im Hinblick auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Aufforderung zur Rentenantragstellung nachgesucht. Sie hat vorgetragen, sie habe aus gesundheitlichen Gründen eine überwiegende Nachtschichttätigkeit aufgeben müssen. Seit Oktober 2013 sei sie voll erwerbslos und arbeitsuchend. Sie habe in halbjährlichen Gesprächen beim Antragsgegner wiederholt um Zusendung von Vermittlungsvorschlägen oder um 1-Euro-Jobs gebeten und gleichzeitig den Anzeigenmarkt wegen geeigneter Stellen ausgewertet. Sie sei erwerbsfähig und wolle einer Arbeit auf dem Ersten, vorübergehend aber auch auf dem Zweiten oder Dritten Arbeitsmarkt nachgehen. Es seien viele Stellen für 1-Euro-Jobs vorhanden. Der Antragsgegner blockiere ihre Einstellung im "F. L." durch Nichtentscheidung des Arbeitsvermittlungsantrags. Sie befinde sich auch in Bewerbungsverfahren für Beschäftigungsstellen des Bundesfreiwilligendiensts. Auch habe ein potenzieller Arbeitgeber die Bereitschaft zur befristeten Einstellung für eine tarifbezahlte Teilzeittätigkeit von 30 Stunden/Woche signalisiert, wobei sie zu diesem Zweck im Januar 2016 drei Probearbeitstage (Praktikumsstunden) absolviere. Die Frühverrentung stelle eine unbillige Härte dar, da sie den aufgrund ihres Alters geförderten Zugang zu unselbstständiger Erwerbstätigkeit sowie zu geförderten beruflichen Weiterbildungen beeinflusse. Unbillig i.S.d. UnbilligkeitsV sei es auch, wenn ein Bewerbungs- oder Eingliederungsverfahren durch eine voreilige Verrentung behindert oder verhindert werde. Nicht nur die Stellung des Rentenantrags anstelle des Leistungsempfängers stehe im Ermessen, sondern schon die Aufforderung. Dies habe der Antragsgegner nicht beachtet. Im Hinblick auf § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG sei entscheidungserheblich, ob im Rahmen einer offenen Abwägung dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts Vorrang gegenüber den schutzwürdigen Interessen des Adressaten einzuräumen sei. Seien die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens insbesondere aufgrund der offenen Rechtswidrigkeit der UnbilligkeitsV nicht abschätzbar, bleibe eine allgemeine Interessenabwägung erforderlich, bei der es insbesondere darauf ankomme, dass ihr keine Nachteile bei den bisherigen und weiteren Bewerbungsverfahren sowie den Zugangsbedingungen zum Arbeitsmarkt erwachsen würden. Der Antragsgegner habe unwahr unterstellt, dass die Aufnahme einer Tätigkeit nicht beabsichtigt sei. Er unterliege der Arbeitsvermittlungsförderungspflicht bis zur Regelaltersgrenze. Diese Pflicht sei vorrangig zu vollziehen. Das Ergebnis einer Eingliederungsprognose sei nicht allein vom Arbeitsmarkt abhängig, sondern in erster Linie von der individuell zugeschnittenen Fortbildungs- und Eingliederungsförderung. Wäre dem nicht so, würde sich das gesamte Neunte Buch Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – erübrigen. Die Antragstellerin hat beantragt, zur Gewährleistung des vorläufigen Rechtsschutzes die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 19. November 2015 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 30. Oktober 2015 im Hinblick auf das Abwarten der Entscheidung zur Feststellungsklage gegen die BRD anzuordnen.

Mit Beschluss vom 7. Januar 2016 hat das SG den Antrag abgelehnt. Das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiege nicht ausnahmsweise das Vollzugsinteresse. Denn der Widerspruch habe keine Aussicht auf Erfolg. Der Antragsgegner habe die Antragstellerin zu Recht aufgefordert, Altersrente zu beantragen und angekündigt, anderenfalls ersatzweise für sie Rente zu beantragen. Ein Verstoß gegen die UnbilligkeitsV liege nicht vor, da nur die Hoffnung dargelegt worden sei, nach Absolvierung des Praktikums wieder eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit ausüben zu können.

Gegen den ihr am 12. Januar 2016 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 14. Januar 2016 Beschwerde erhoben und Bewerbungen für einen 1-Euro-Job und im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes beigefügt. Zur Begründung ihrer Beschwerde wiederholt sie teilweise ihren bisherigen Vortrag und führt ergänzend aus, dass das Praktikum mittlerweile absolviert sei. Sie warte nun auf ein Auswertungsgespräch, nach dem der potenzielle Arbeitgeber über eine Einstellung entscheide. Das SG habe weder die Eingliederungsprognose des Antragsgegners geprüft, noch ihr hierzu eine Stellungnahmemöglichkeit gegeben oder das Ergebnis des präjudiziellen Hauptsacheverfahrens abgewartet. Stattdessen habe sich das SG grob fahrlässig und pauschal (auch) den falschen Tatsachenbehauptungen des Antragsgegners angeschlossen. Bei seinem Antrag handele es sich um einen Vollzugsverwaltungsakt aus dem Bescheid vom 30. Oktober 2015 und damit um einen neuen Verwaltungsakt mit belastender Drittwirkung. Hiergegen habe sie Drittwiderspruch eingelegt, der von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung entfalte. Diese gesetzlich vorgeschriebene aufschiebende Wirkung des Drittwiderspruchs stehe zum Vollzugsstatus des Ausgangsbescheids vom 30. Oktober 2015 rechtlich im Widerspruch, denn ein Interesse an der Aufrechterhaltung des Vollzugs dieses Ausgangsbescheids könne aufgrund der gehemmten Wirkung des vom Antragsgegner gestellten Rentenantrags nicht mehr begründet werden. Da die Erfolgsaussichten der Feststellungsklage auch nach dem zweiten Rechtszug noch unbestimmt seien, könne die Vorwegnahme der Hauptsache im Eilverfahren wegen ungeklärter höchstrichterlicher Entscheidungen gerade nicht erfolgen. Sollte das LSG sich ihr – der Antragstellerin – anschließen, dass die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs nicht abschließend geprüft werden können, weil eine Beweisaufnahme oder das Hauptsacheverfahren abzuwarten sei, ergäbe sich gleichwohl im Ergebnis keine andere Entscheidung als die Anordnung einer aufschiebenden Wirkung. In diesem Fall sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) eine umfassende Güter- und Folgenabwägung vorzunehmen, bei der insbesondere das grundrechtliche Gewicht der Menschenwürde zu beachten sei. Wegen des grundrechtlichen Gewichts der streitigen Leistungen nach dem SGB II und ihrem Anspruch auf diskriminierungsfreien Zugang zu einem entgeltfreien Arbeitsvermittlungsdienst (Art. 29 der Europäischen Grundrechtscharta (GRCh)) müsse im Rahmen der Abwägungsentscheidung die gesetzgeberische Wertung für die sofortige Vollziehbarkeit im Einzelfall zurücktreten, selbst wenn aus der richterlichen Sichtweise bis zum zweiten Rechtszug keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen sollten. Weiter verweise sie auf den Vortrag im Verfahren L 5 AS 26/16 B ER. Dort hat sie vorgetragen, nur noch 13,39 EUR auf dem Konto zu haben und 37 EUR Bargeld zu besitzen. Es bestehe kein Krankenversicherungsschutz mehr. Weiteres verwertbares Vermögen habe sie nicht und verfüge nur über Einnahmen aus der Unfallrente. Gegenwärtig sei die Existenz für Januar und Februar 2016 nicht gesichert. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung lägen vor. An den Anordnungsgrund seien weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage das Obsiegen in der Hauptsache nicht abgeschätzt werden könne, weil die Angelegenheit vom Hauptsacheverfahren S 3 AS 4180/15 vor dem SG mit Revisionsbedürftigkeit und Vorlage entscheidungserheblicher Fragen zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) abhänge. Habe der Drittwiderspruch aufschiebende Wirkung, läge der DRV bereits kein rechtswirksamer Antrag auf Verrentung und Rentenzahlung vor. Anlass und Rechtsgrund zum Erlass eines Rentenbescheids seien entfallen. Sie selbst habe keinen Rentenantrag gestellt, wie das SG behaupte. Aus Art. 1 Grundgesetz (GG) und dem Gebot der Menschenwürde leite sich die unabhängig von den Gründen der Hilfebedürftigkeit bestehende Rechtspflicht ab, die eigenverantwortliche Nahrungsmittelversorgung im Rahmen eines zu gewährleistenden Existenzminimums für den Hilfebedürftigen unter allen Umständen zu sichern und Wohnungskündigungsgründe als Folge der Nichtzahlung von KdU-Anteilen zu vermeiden. Das unmittelbare Vorenthalten von Nahrung bzw. der Nahrungsmittelversorgung durch Versagung von Existenzsicherungsmitteln werde unter den Begriff der Folter subsumiert, die in Deutschland unzulässig sei. Das SG stütze sich rechtsfehlerhaft nur auf den aktuellen Stand der UnbilligkeitsV, die sie im Verfahren S 3 AS 4180/15 mit der zulässigen Feststellungsklage angegriffen habe. Der Vortrag im Hauptsacheverfahren, insbesondere zum Diskriminierungsverbot aufgrund des Alters während des Bewerbungsverfahrens, sei übergangen oder nicht zur Kenntnis genommen worden. Es dürfe nicht zu ihren Lasten gehen, dass der Ausgang der offenen und durch das Bundessozialgericht (BSG) und den EuGH zu klärenden Rechtsfragen gerade für die Sozialgerichte des ersten und zweiten Rechtszuges unbestimmbar sei. Das BSG habe in seiner Entscheidung vom 19. August 2015 (Az.: B 14 AS 1/15 R) keine Grundsatz-, sondern lediglich eine Einzelfallentscheidung getroffen. Denn es habe sich nachweislich weder mit der Vereinbarkeit der UnbilligkeitsV mit dem GG und der GRCh, noch mit der vom EuGH ergangenen Rechtsprechung zur Diskriminierung wegen des Alters und der Einkommensart bei vorzeitiger Verrentung inhaltlich auseinandergesetzt. Die Klärung dieser offenen Rechtsfragen betreibe sie mit ihrem Hauptsacheverfahren. Sei eine vollständige Klärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, sei anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall seien ihre grundrechtlichen Belange umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssten sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen. Dies gelte ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen gehe. Eine auch nur mögliche Verletzung hätten die Gerichte zu verhindern. Existenzsichernde Leistungen dürften nicht aufgrund bloßer Mutmaßungen verweigert werden, insbesondere wenn sich diese auf vergangene Umstände oder noch nicht vorliegende Entscheidungen aus dem Hauptsacheverfahren stützten. Ihr Grundrechtsanspruch auf Einlegung von zulässigen und begründeten Rechtsmitteln dürfe ihr nicht als diskriminierender Versagungsgrund von Existenzsicherungsleistungen vorgehalten werden. Der Träger der Sozialhilfe würde und müsste Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe – (SGB XII) v.a. deswegen ablehnen, weil er sie für erwerbsfähig halte (§ 21 Abs. 2 Satz 1 SGB XII, § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Ein Hilfebedürftiger könne jedoch, solange die Frage seiner Erwerbsfähigkeit nicht geklärt sei, Leistungen nach dem SGB II in Anspruch nehmen, weil der SGB II-Träger nach § 44a Sätze 2 und 3 SGB II vorleisten müsse, bis die Einigungsstelle entschieden habe. Dem Antragsgegner entstehe durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den SGB II-Änderungsbescheid auch kein Nachteil. Falls abschließend entschieden würde, dass die Zwangsverrentung rechtmäßig erfolgt sei, könne er die an sie ausgezahlten Leistungen von der DRV verlangen. Sie erfülle auch die Voraussetzungen des § 7 SGB II. Für einen Verzicht auf die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Rentenbescheid bestehe keine Rechtsgrundlage. Die Behörde müsste den Verzicht außerdem als Rücknahme des Widerspruchs auslegen, sodass der Rentenbescheid vollstreckt würde und nachfolgend eingelegte Rechtsmittel gegen den Status der Altersverrentung verwirkt wären. Eine Vollstreckung des Rentenbescheids wolle sie gerade abwehren, weil sie weiterhin an einer Arbeitsaufnahme festhalte, die Leistungen eines kostenfreien Arbeitsvermittlungsdienstes in Anspruch nehmen und Eingliederungsleistungen erhalten wolle. Ein gesetzliches Rückkehrrecht aus dem Status Altersrentnerin in den Status Erwerbsfähige i.S.d. SGB II/SGB III sehe der Gesetzgeber nicht vor. Sie habe Anspruch auf an ihre Altersgruppe speziell angepasste Arbeitsförderungsmaßnahmen. Die Eingliederungsprognose ihrer Altersgruppe sei nicht schlechter als jene von behinderten Menschen jedes Erwerbsalters. Nach § 4 Abs. 1 SGB III habe die Vermittlung in Ausbildung und Arbeit Vorrang vor den Leistungen zum Ersatz des Arbeitsentgelts bei Arbeitslosigkeit. Der Antragsgegner habe bisher nicht nachgewiesen, dass eine Fortbildung oder Vermittlung in Arbeit unmöglich sei, denn er habe bisher keine wirksamen Anstrengungen für eine Eingliederung in Arbeit unternommen.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des SG Magdeburg vom 7. Januar 2016 aufzuheben, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 19. November 2015 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 30. Oktober 2015 im Hinblick auf das Abwarten der präjudizierenden Feststellungsklage aus dem beim SG Magdeburg anhängigen Hauptsacheverfahren mit dem Az. S 3 AS 4180/15 und die Aufhebung der Vollziehung anzuordnen.

Der Antragsgegner hat keinen Antrag gestellt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2016 hat der Antragsgegner den Widerspruch gegen den Bescheid vom 30. Oktober 2015 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat der Antragsgegner ausgeführt, die Aufforderung zur Rentenantragstellung nach § 12a SGB II sei nicht zu beanstanden. Mit der Rente würde die Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin ganz entfallen. Die Verpflichtung zur Antragstellung sei auch nicht zur Vermeidung unbilliger Härten ausgeschlossen. Die in Kauf zu nehmenden Abschläge seien zwar schmerzhaft, aber ab Vollendung des 63. Lebensjahres im Hinblick auf den prinzipiellen Nachrang der Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II im Verhältnis zu anderen Sozialleistungen durch den Gesetzgeber vorgegeben. Dem Vorbringen, in Kürze einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachzugehen, könne nicht gefolgt werden. Nach erneuter Prüfung der Eingliederungschancen im zurückliegenden Zeitraum bis zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Rentenbeantragung könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin in naher Zukunft in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung hätte vermittelt werden können. In der Zusammenschau der Abwägungen sei im Ergebnis darauf abzustellen, dass keine Gründe vorlägen, welche dagegen sprächen, sie zu verpflichten, einen Rentenantrag zu stellen. Auf die ersatzweise Antragstellung gem. § 5 Abs. 3 SGB II sei sie hingewiesen worden.

Der Senat hat Auskünfte von der DRV zur Rentenantragstellung durch die Antragstellerin eingeholt.

Die Gerichtsakten, auch der Verfahren L 5 AS 25/16 B ER und L 5 AS 85/16 B ER RG, und die Verwaltungsakten des Antragsgegners haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidung gewesen. Auf sie wird wegen des weiteren Vorbringens ergänzend verwiesen.

II.

A. Die nach § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG nicht ausgeschlossen. Die Berufung im Hauptsacheverfahren wäre statthaft, da der Gegenstand keine Geld-, Dienst- oder Sachleistung und auch keinen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, sodass die Beschränkungen des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG nicht gelten.

Die Beschwerde ist nicht dadurch unzulässig geworden, dass der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2016 über den Widerspruch vom 19. November 2015, dessen aufschiebende Wirkung durch das Gericht angeordnet werden sollte, entschieden hat. Nachdem die Antragstellerin auf die gerichtliche Anfrage vom 11. Februar 2016, ob sie Klage gegen den Widerspruchsbescheid erhoben habe und ggf. den Antrag anpassen wolle, nicht reagiert hat, geht das Gericht zu ihren Gunsten davon aus, dass sie weiterhin an der Feststellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs (dann Klage) interessiert ist. Auf deren Erhebung kommt es bis zum Eintritt der Bestandskraft des angefochtenen Bescheids nicht an, da die Antragstellung nach § 86b Abs. 3 SGG bereits vor Antragstellung statthaft ist.

Die Antragstellerin kann sich auch auf ein hinreichendes Rechtsschutzbedürfnis berufen. Zwar ist der angegriffene Verwaltungsakt durch die erfolgte Antragstellung und Bewilligung der Altersrente für langjährig Versicherte mit Bescheid vom 4. Dezember 2015 bereits vollzogen. Allerdings hat die Antragstellerin gegen diese Bewilligung unter dem 16. Dezember 2015 Widerspruch erhoben, sodass – auch unter Berücksichtigung ihres unter dem 2. Februar 2016 erklärten Verzichts auf die aufschiebende Wirkung – keine bestandskräftige Entscheidung über den Rentenantrag vorliegt.

B. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das SG hat zu Recht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Aufforderungsbescheid vom 30. Oktober 2015 abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ist der Verwaltungsakt zum Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht gemäß § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG die Aufhebung der Vollziehung anordnen.

Rechtsfolge der Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs ist es, dass der Vollzug eines Verwaltungsakts verhindert wird.

Der Widerspruch der Antragstellerin gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 30. Oktober 2015 hatte gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Abs. 1 Nr. 3 SGB II keine aufschiebende Wirkung. Entsprechendes gälte hinsichtlich einer Klage gegen den angegriffenen Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Februar 2016.

Das Rechtsschutzbegehren ist unbegründet. Einen ausdrücklichen gesetzlichen Maßstab für die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage sieht § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG nicht vor. Das Gericht entscheidet auf Grund einer Interessenabwägung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 86b Rn. 12). Nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs u.a. in anderen durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen. Das vom Gesetzgeber in § 39 SGB II angeordnete vordringliche Vollzugsinteresse hat für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Bedeutung, dass der Antragsgegner von der ihm nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG sonst obliegenden Pflicht entbunden wird, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit gesondert zu begründen. Das Gesetz unterstellt aber den Sofortvollzug keineswegs als stets, sondern als nur im Regelfall geboten und verlagert somit die konkrete Interessenbewertung auf Antrag eines Antragstellers in das gerichtliche Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 17. September 2001, 4 VR 19/01, NZV 2002, 51, 52 unter Bezug auf BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 1994, 4 VR 1/94, BVerwGE 96, 239 ff., jeweils zu § 80 Abs. 2 Nr. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in der bis 31. Dezember 1996 gültigen Fassung, der wortgleich zu § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG ist). Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung gegenüber dem Interesse der Antragstellerin am Nichtvollzug, denn der angegriffene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids erscheint bei summarischer Prüfung rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für die Aufforderung ist § 12a SGB II. Gemäß Satz 1 der Vorschrift sind Leistungsberechtigte verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist. Abweichend von Satz 1 sind Leistungsberechtigte gemäß § 12a Satz 2 Nr. 1 SGB II nicht verpflichtet, bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen. Gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II können die Leistungsträger, wenn die Leistungsberechtigten trotz Aufforderung einen erforderlichen Antrag auf Leistungen eines anderen Trägers nicht stellen, den Antrag stellen sowie Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen.

Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen einer Aufforderung sind die Verpflichtung des Leistungsberechtigten nach § 12a SGB II, eine vorrangige Leistung zu beantragen und in Anspruch zu nehmen, und die fehlerfreie Ermessensentscheidung des Leistungsträgers nach § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II, den Leistungsberechtigten zur Antragstellung aufzufordern. Der Senat folgt dabei hinsichtlich der Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen den Vorgaben des BSG (Urteil vom 19. August 2015, B 14 AS 1/15 R, SozR 4-4200 § 12a Nr. 1 m.w.N.):

1. Als Voraussetzung für eine Verpflichtung nach § 12a SGB II ist danach zunächst zu prüfen, ob die Inanspruchnahme von Sozialleistungen eines anderen Trägers zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich und ob hierfür eine Antragstellung nötig ist. Erforderlich in diesem Sinne ist jede Inanspruchnahme, die Hilfebedürftigkeit vermeidet, also nicht eintreten lässt, beseitigt, also eine bestehende Hilfebedürftigkeit beendet bzw. wegfallen lässt, verkürzt, also die Dauer begrenzt, oder vermindert, also die Höhe verringert. Jeweils geht es mit der Beeinflussung der Hilfebedürftigkeit um eine Beeinflussung des nachrangigen Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II durch die Inanspruchnahme vorrangiger Sozialleistungen eines anderen Trägers. Die Erforderlichkeit einer Antragstellung für diese Leistungen bestimmt sich nach dem für sie geltenden Recht (BSG, Urteil vom 19. August 2015, B 14 AS 1/15 R, SozR 4-4200 § 12a Nr. 1).

Die Antragstellerin kann – nach Antragstellung (§ 115 Abs. 1 Satz 1 SGB VI) – eine vorzeitige Altersrente beanspruchen, wie die erfolgte Bewilligung durch Bescheid der DRV vom 4. Dezember 2015 belegt. Durch den Zahlbetrag von 478,56 EUR netto wird die Hilfebedürftigkeit jedenfalls auch gemindert.

2. Bei einer Aufforderung zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente ist zusätzlich zu prüfen, ob die Anwendbarkeit von § 12a SGB II ausnahmsweise ausgeschlossen ist, und ob die nach § 12a SGB II den Regelfall bildende Verpflichtung zur Antragstellung und Inanspruchnahme i.S.d. § 13 Abs. 2 SGB II ausnahmsweise zur Vermeidung von Unbilligkeiten nicht besteht.

Einer Anwendbarkeit von § 12a SGB II kann die sog 58er-Regelung entgegenstehen (§ 65 Abs. 4 Satz 3 SGB II i.V.m. § 428 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB III), wobei die Antragstellerin nicht zum geschützten Personenkreis gehört.

Eine weitergehende, von der 58er-Regelung unabhängige Ausnahme von der Verpflichtung nach § 12a SGB II dahin, dass diese das Fehlschlagen von Bemühungen um eine Eingliederung des Leistungsberechtigten in Arbeit voraussetzt, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. § 12a SGB II liegt vielmehr die Typisierung zugrunde, dass die erwerbsbiographische Lebensphase des Leistungsberechtigten, der nach Vollendung des 63. Lebensjahres Anspruch auf eine vorzeitige Altersrente hat, abgeschlossen ist (BSG, Urteil vom 19. August 2015, B 14 AS 1/15 R, SozR 4-4200 § 12a Nr. 1). Dies hat die Antragstellerin hinzunehmen.

Die von ihr bemühte Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG) führt dabei zu keiner anderen Bewertung. Das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters stellt gemäß Erwägungsgrund 25 der genannten Richtlinie zwar ein wesentliches Element zur Erreichung der Ziele der beschäftigungspolitischen Leitlinien und zur Förderung der Vielfalt im Bereich der Beschäftigung dar. Ungleichbehandlungen wegen des Alters können unter bestimmten Umständen jedoch gerechtfertigt sein und erfordern daher besondere Bestimmungen, die je nach der Situation der Mitgliedstaaten unterschiedlich sein können. Es ist daher zu unterscheiden zwischen einer Ungleichbehandlung, die insbesondere durch rechtmäßige Ziele im Bereich der Beschäftigungspolitik, des Arbeitsmarktes und der beruflichen Bildung gerechtfertigt ist, und einer Diskriminierung, die verboten ist. Gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. b) RL 2000/78/EG gilt dieselbe für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, auch in Bezug auf den Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Berufsberatung, der Berufsausbildung, der beruflichen Weiterbildung und der Umschulung, einschließlich der praktischen Berufserfahrung. Gerechtfertigte Ungleichbehandlungen wegen des Alters können gemäß Art. 6 RL 2000/78/EG von den Mitgliedstaaten allerdings vorgesehen werden, sofern sie objektiv und angemessen sind. Im Rahmen des nationalen Rechts müssen diese durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sein. Zu diesen Zielen zählt z.B., die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Arbeitnehmern und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen (Art 6 Abs.1 Buchst. a RL 2000/78/EG).

Vorliegend ist eine Ungleichbehandlung zwar zu erkennen, sie ist aber gerechtfertigt. So ist mit einem Fortfall der Vermittlungsaktivitäten von Personen, deren erwerbsbiographische Lebensphase typisierend abgeschlossen ist (s.o.), eine Konzentration auf andere Gruppen von Vermittlungsbedürftigen möglich. Das können auch ältere Arbeitnehmer sein, aber eben nicht unbedingt solche an der Schwelle zur Altersrente. Entsprechendes gilt hinsichtlich der GRCh.

Im Übrigen regelt die UnbilligkeitsV Ausnahmetatbestände, bei deren Vorliegen Leistungsberechtigte gleichwohl zur Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente nicht verpflichtet sind. Diese Regelungen sind abschließend (BSG, Urteil vom 19. August 2015, B 14 AS 1/15 R, SozR 4-4200 § 12a Nr. 1), greifen aber im Falle der Antragstellerin nicht.

Die Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente würde nicht zum Verlust eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg) führen (§ 2 UnbilligkeitsV), weil sie keinen Anspruch auf Alg nach dem SGB III hat.

Sie ist auch nicht deshalb unbillig, weil die Antragstellerin in nächster Zukunft die Altersrente abschlagsfrei in Anspruch nehmen kann (§ 3 UnbilligkeitsV). Denn abschlagsfrei in Anspruch nehmen könnte sie eine Altersrente nach derzeitigem Sach- und Streitstand erst mit Erreichen der Regelaltersgrenze (Anhebung der Altersgrenze um sieben Monate durch § 235 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Ein Zeitraum von zwei Jahren zwischen Beginn der vorzeitigen Inanspruchnahme mit Abschlägen nach Vollendung des 63. Lebensjahres bis zur abschlagsfreien Inanspruchnahme ist aber nicht eine bevorstehende abschlagsfreie Altersrente "in nächster Zukunft" bzw. "alsbald" (vgl. § 5 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 UnbilligkeitsV), sondern vielmehr der zunächst längst mögliche Zeitraum bis zur abschlagsfreien Altersrente.

Schließlich greifen auch die Ausnahmebestimmungen in den §§ 4 und 5 UnbilligkeitsV nicht. Weder ist die Antragstellerin erwerbstätig i.S.d. § 4 UnbilligkeitsV, noch steht i.S.d. § 5 UnbilligkeitsV eine Erwerbstätigkeit nach § 4 UnbilligkeitsV in nächster Zukunft bevor. Dies war im Wege einer vorausschauenden Betrachtungsweise (Prognose) zu entscheiden, wobei alle bei Prognosestellung für die Beurteilung der künftigen Entwicklung erkennbaren Umstände zu berücksichtigen waren. Diese Prognose bleibt auch dann maßgebend, wenn das Bevorstehen der Erwerbsaufnahme rückblickend zu ermitteln ist. Spätere Entwicklungen, die zum Zeitpunkt der Prognoseentscheidung noch nicht absehbar waren, können eine Prognose weder bestätigen noch widerlegen (allgemein zu Prognoseentscheidungen BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012, B 13 R 1/12 R, BSGE 112, 116).

Hier hatte die Antragstellerin beim Antragsgegner lediglich Bewerbungsschreiben vorgelegt, ohne auf konkrete Einstellungszusagen verweisen zu können. Da die Antragstellerin seit Oktober 2013 weder in eine Erwerbstätigkeit vermittelt werden konnte, noch Eigenbemühungen fruchteten, bestand keine Aussicht, dass sich dies demnächst ändern würde.

3. Die Aufforderung an Leistungsberechtigte zur Beantragung einer vorrangigen Leistung steht im Ermessen der Leistungsträger. Relevante Ermessensgesichtspunkte können dabei nur solche sein, die einen atypischen Fall begründen, in dem vom gesetzlichen Regelfall der Aufforderung zu einer Antragstellung zur Durchsetzung der Verpflichtung der Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen abzusehen ist. Dafür kommen bei der Aufforderung zur Rentenantragstellung nur besondere Härten im Einzelfall in Betracht, die keinen Unbilligkeitstatbestand i.S.d. UnbilligkeitsV begründen, aber die Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente aufgrund außergewöhnlicher Umstände als unzumutbar erscheinen lassen. Soweit sich Umstände für solche Härten nicht aufdrängen, ist es am Leistungsberechtigten, atypische Umstände seines Einzelfalls vorzubringen, die der Leistungsträger zu erwägen hat.

Der Antragsgegner hat ausweislich des Bescheids vom 30. Oktober 2015 erkannt, dass er Ermessen hat, denn er spricht dort von Ermessenserwägungen und publiziert damit die in den Verwaltungsakten angestellten Überlegungen (s. Ergebnis der Ermessensausübung, Bl. 1889 der Verwaltungsakten). Atypische Umstände sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Antragstellerin wurde vor Erlass des Aufforderungsbescheids vom 30. Oktober 2015 durch den Antragsgegner auch angehört. So wurde das Thema ausweislich der Protokolle über persönliche Vorsprachen u.a. am 28. April und 27. August 2015 hinreichend erörtert. Auf Bl. 1726 und 1753 der Verwaltungsakten wird verwiesen. Eine bestimmte Form wird für die Anhörung nicht vorgeschrieben (Siefert in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 24 Rn. 14).

4. Die vom Antragsgegner gesetzte Frist zur Antragstellung ist als noch ausreichend anzusehen. Ihre Länge ist gesetzlich nicht geregelt, wobei eine starre Vorgabe auch nicht sachgerecht wäre (ähnlich Bieback in Gagel, Stand September 2015, § 5 SGB II Rn. 88). Standen der Betroffene und das Jobcenter seit längerem im Austausch über das Für und Wider der Antragstellung, kann eine kurze Frist, die allerdings eine Woche nicht unterschreiten darf, noch angemessen sein. Ein Abwarten der Widerspruchsfrist (so aber Breitkreuz, ASR 2015, 2, 6) ist angesichts der Regelung des § 39 Nr. 3 SGB II nicht erforderlich. Jedenfalls würde eine zu kurz gesetzte Frist die Aufforderung nicht unwirksam machen, die ersatzweise Antragstellung würde aber erst nach Ablauf der angemessenen Frist möglich.

Hier standen die Beteiligten seit Juni 2014 und damit seit über einem Jahr über die Frage der Antragstellung im Kontakt. Daher war die nach Zustellung des Aufforderungsbescheids am 3. noch verbleibende Frist bis zum 13. November 2015 (zehn Tage) als ausreichend anzusehen.

5. Gründe für eine Verfassungswidrigkeit der Regelungen zur vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente sieht der Senat nach summarischer Prüfung nicht.

Insbesondere liegt kein Verstoß gegen Art. 3 GG vor. Die Antragstellerin wird als Frau gegenüber anderen (männlichen) SGB II-Leistungsberechtigten nicht benachteiligt (vgl. Senatsbeschluss vom 27. April 2015, L 5 AS 42/15 B ER, Juris, m.w.N.).

§ 12a SGB II greift auch nicht in den Schutzbereich des Art. 14 GG ein. Dies ist grundsätzlich nur dann der Fall, wenn der Bestand an individuell geschützten vermögenswerten Rechten aufgrund einer gesetzlichen oder auf einem Gesetz beruhenden Maßnahme zu einem bestimmten Zeitpunkt vermindert wird (vgl. BVerfG zur Arbeitslosenhilfe, Nichtannahmebeschluss vom 26. September 2005, 1 BvR 1773/03, Rn. 14, Juris).

Der Anspruch auf Grundsicherungsleistungen unterfällt nicht diesem Grundrechtsschutz, weil es an dem Beruhen auf nicht unerheblichen Eigenleistungen fehlt (vgl. BVerfG zur Arbeitslosenhilfe, Beschluss vom 7. Dezember 2010, 1 BvR 2628/07, Rn. 33, Juris).

Das Anwartschaftsrecht auf eine Altersrente ist zwar eine durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte vermögenswerte Rechtsposition (BVerfG, Urteil vom 16. Juli 1985, 1 BvL 5/80 u.a., BVerfGE 69, 272, 298 m.w.N.). Die Antragstellerin hat aber als Bezieherin von Sozialleistungen die Verpflichtung, vorrangig Vermögen zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhaltes einzusetzen (vgl. § 12 SGB II). In diesem Sinne sind die Rentenanwartschaften Vermögen, welches sie durch den Rentenantrag aktivieren kann. Bei einer Anrechnung von Vermögen oder Einkommen auf Grundsicherungsleistungen hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. November 2011, 1 BvR 2007/11, Rn. 8, Juris).

Auch die fehlende Möglichkeit, ihre Rentenanwartschaften nach verpflichtender Rentenantragstellung erhöhen zu können, stellt keinen Verstoß gegen Art. 14 GG dar. Denn Art. 14 Abs. 1 GG verleiht dem Gesetzgeber die Befugnis, Inhalt oder Schranken des Eigentums zu bestimmen, und damit auch die gesetzlichen Regeln über den Erwerb von und den Zugang auf Anwartschaftsrechten zu ändern. Voraussetzung für eine solche Inhalts- oder Schrankenbestimmung ist, dass sie dem Gemeinwohl dient und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (vgl. hierzu auch Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 4. Dezember 2014, L 7 AS 1775/14, Rn. 40, Juris, m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

6. Der Vortrag der Antragstellerin, es bestehe kein Interesse mehr am Vollzug des Aufforderungsbescheids vom 30. Oktober 2015, weil sie den Vollzugsverwaltungsakt (im Drittwiderspruch vom 11. Dezember 2015 als "Antragsbescheid" bezeichnet) mit aufschiebender Wirkung angefochten habe, geht ins Leere. Denn die Antragstellung durch den Grundsicherungsträger stellt keinen Verwaltungsakt i.S.d. § 31 SGB X dar, da sie keine Regelung enthält.

Im Übrigen hat die Antragstellerin entgegen ihres Vortrags selbst am 12. November 2015 einen Rentenantrag gestellt. Diesen konnte sie im Rahmen der §§ 12a, 5 Abs. 3 SGB II nicht mehr ohne Zustimmung des Antragsgegners zurücknehmen (vgl. zur vergleichbaren Vorschrift des § 51 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung – BSG, Urteil vom 7. Dezember 2004, B 1 KR 6/03 R, BSGE 94, 26).

7. Raum für eine weitergehende Folgenabwägung verbleibt nach alldem nicht.

C. Da der angegriffene Verwaltungsakt in Gestalt des Widerspruchsbescheids nach summarischer Prüfung rechtmäßig ist und damit die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs nicht anzuordnen war, hat der Senat bei der Berücksichtigung des ihm eingeräumten Ermessens keinen Anlass gesehen, die Aufhebung der Vollziehung nach § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG anzuordnen. Ob er für diesen Antrag, der erstinstanzlich noch nicht gestellt war, überhaupt zuständig wäre, konnte daher offen bleiben.

D. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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