Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Koblenz (RPF)
Aktenzeichen
S 13 AL 545/03
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 1 AL 162/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Aufgabe des Arbeitsplatzes zur Verwirklichung der negativen Religions- und Bekenntnisfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG ist nur dann durch einen wichtigen Grund im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III gerechtfertigt, wenn die Güterabwägung dazu führt, dass das Interesse an der Verwirklichung einer negativen Religions- und Bekenntnisfreiheit schwerer wiegt als die Funktionsfähigkeit der Arbeitslosenversicherung.
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 24.03.2005 - S 13 AL 545/03 - aufgehoben.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer 12-wöchigen Sperrzeit.
Die 1958 geborene, verheiratete Klägerin war vom 01.01.1992 bis zum 30.06.2003 als "Hausangestellte im klinischen Wirtschaftsdienst" im S -Krankenhaus, Z , beschäftigt. Träger des S -Krankenhauses ist der "Arme Dienstmägde Jesu Christi e.V.", der dem Deutschen Caritas-Verband angeschlossen ist. Seine Einrichtung dient "der Verwirklichung des gemeinsamen Werkes christlicher Nächstenliebe".
Nach § 2 des am 16.12.1991 abgeschlossenen Dienstvertrages galten hierfür die "Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritas-Verbandes" (AVR) in ihrer jeweils geltenden Fassung. Nach Art. 4 Abs. 1 der AVR wird von den katholischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erwartet, dass sie Grundsätze der katholischen Kirche und Sittenlehre anerkennen und beachten. Nach Art. 5 Abs. 5 AVR können Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter, die aus der katholischen Kirche austreten, nicht weiterbeschäftigt werden.
Mit Wirkung zum 17.01.2003 trat die Klägerin aus der Kirche aus. Hiervon erfuhr ihr ehemaliger Arbeitgeber am 23.01.2003 durch die Vorlage der Lohnsteuerkarte. Die Klägerin wurde an diesem Tag auf die arbeitsrechtlichen Rechtsfolgen ihres Kirchenaustritts hingewiesen und es wurde ihr die Möglichkeit eingeräumt, den Austritt rückgängig zu machen. Am nächsten Tag teilte die Klägerin ihrem ehemaligen Arbeitgeber mit, dass sie bei ihrer Entscheidung bleibe. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis am 27.01.2003 mit sofortiger Wirkung. Die Mitarbeitervertretung hatte der außerordentlichen Kündigung zugestimmt. Zur Begründung für die Kündigung wies der Arbeitgeber auf Art. 5 der AVR sowie die Weigerung der Klägerin hin, ihren Austritt aus der katholischen Kirche rückgängig zu machen.
Gegen die Kündigung hatte die Klägerin Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Koblenz (Az.: ) erhoben. In der Güteverhandlung vom 11.03.2003 schlossen die Parteien einen Vergleich, wonach sie sich darüber einig waren, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher arbeitgeberseitiger Kündigung auf ausschließlich personenbedingten Gründen und in Wahrung der maßgeblichen Kündigungsfrist mit Ablauf des 30.06.2003 seine Beendigung findet.
Nach Arbeitslosmeldung der Klägerin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 23.06.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.09.2003 für die Zeit vom 01.07.2003 bis zum 22.09.2003 eine 12-wöchige Sperrzeit und das Ruhen des Leistungsanspruchs während dieses Zeitraums fest. Die Klägerin habe gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen und dadurch ihre anschließende Arbeitslosigkeit herbeigeführt. Ab dem 23.09.2003 gewährte sie der Klägerin Arbeitslosengeld (Alg).
Das Sozialgericht Koblenz (SG) hat mit Urteil vom 24.03.2005 der Klage stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld bereits ab dem 01.07.2003 zu gewähren. Zur Begründung hat das SG darauf hingewiesen, dass die Klägerin einen wichtigen Grund für ihr Verhalten hatte. Sie habe nämlich durch ihren Austritt aus der katholischen Kirche von ihrer in Art. 4 Abs. 1 Grundgesetz (GG) eingeräumten negativen Religions- und Bekenntnisfreiheit Gebrauch gemacht. In der mündlichen Verhandlung habe die Klägerin glaubhaft erklärt, sich nach jahrelangem Bibelstudium von der katholischen Doktrin entfernt zu haben, bis es schließlich mit ihrem Glauben nicht mehr vereinbar gewesen sei, weiterhin in der katholischen Kirche zu bleiben.
Gegen das ihr am 13.06.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 12.07.2005 Berufung eingelegt.
Sie trägt im Wesentlichen vor:
Die angefochtene Entscheidung sei rechtmäßig. Zu Recht habe sie den Eintritt einer 12-wöchigen Sperrzeit festgestellt. Die Klägerin könne sich nicht auf einen wichtigen Grund berufen. Mit dem Abschluss des Arbeitsvertrages mit einer kirchlich geprägten Einrichtung habe sich die Klägerin den darin enthaltenen Regelungen, die üblicherweise auch bezüglich der Glaubenszugehörigkeit als rechtmäßig angesehen werden, unterworfen. Dadurch habe sie Einschränkungen einer grundsätzlich geschützten Position hingenommen. Deshalb könne sie sich nun nicht auf einen wichtigen Grund berufen. Im Übrigen sei sie auch nicht der Auffassung, dass der Kirchenaustritt der Klägerin allein aus Glaubensgründen motiviert gewesen sei. Die Klägerin habe schon sehr früh den Wunsch geäußert, sich zur Physiotherapeutin umschulen zu lassen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 24.03.2005 - S 13 AL 545/03 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Sie beruft sich im Wesentlichen auf die erstinstanzliche Entscheidung.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Prozessakte, der Gerichtsakte , der Akte des Arbeitsgerichts Koblenz sowie der Leistungsakte der Beklagten (Kundennummer ) Bezug genommen. Er ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist auch begründet. Zu Unrecht hat das SG der Klage stattgegeben. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 23.06.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.09.2003 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Alg ab dem 01.07.2003. Vom 01.07.2003 bis zum 22.09.2003 ruht ihr Leistungsanspruch, weil während dieses Zeitraums eine Sperrzeit eingetreten ist.
Nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) tritt eine Sperrzeit von 12 Wochen ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben hat und er dadurch seine Arbeitslosigkeit grob vorsätzlich oder fahrlässig herbeiführt, ohne hierfür einen wichtigen Grund zu haben.
Entgegen der Ansicht der Klägerin sind diese Voraussetzungen in ihrem Falle erfüllt.
Durch ihren Austritt aus der katholischen Kirche hat sich die Klägerin arbeitsvertrgswidrig verhalten. Der Kirchenaustritt war auch Anlass für die Lösung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2003. Die Klägerin hat ihre Arbeitslosigkeit auch vorsätzlich herbeigeführt. Obwohl sie wußte, dass sie keine konkreten Aussichten auf einen Anschlussarbeitsplatz hatte, hat sie von der ihr von ihrem ehemaligen Arbeitgeber am 23.02.2003 eingeräumten Möglichkeit, den Kirchenaustritt rückgängig zu machen und dadurch die ihr angedrohte Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu vermeiden, keinen Gebrauch gemacht.
Für ihr Verhalten, zum 17.01.2003 aus der Kirche auszutreten und dadurch die Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach sich zu ziehen, hatte die Klägerin auch keinen wichtigen Grund im Sinne des Gesetzes.
Was als wichtiger Grund im Sinne des § 144 SGB III anzusehen ist, hat das Gesetz nicht näher bestimmt. Die Sperrzeitregelung beruht auf dem Grundgedanken, dass die Gemeinschaft der Beitragszahler sich gegen Risikofälle zu wehren imstande sein muss, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat oder an deren Behebung er unbegründet nicht mithilft. Die Ver¬sichertengemeinschaft soll davor geschützt werden, dass der Anspruchs¬berechtigte das Risiko seiner Arbeitslosigkeit manipuliert und die Gesamtheit der Beitragszahler dadurch finanziell belastet. In Fällen der Lösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer gilt es, auch solchen Lebenssachverhalten Rechnung zu tragen, die die Aufgabe einer Arbeitsstelle durch den Arbeitnehmer als gerechtfertigt erscheinen lässt, selbst wenn er infolgedessen arbeitslos wird und Leistungen der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nehmen muss. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll eine Sperrzeit allgemein nur dann eintreten, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner Interessen mit denen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann. Der wichtige Grund muss dabei auch den Zeitpunkt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses decken. Dies bedeutet, dass der Arbeitslose einen wichtigen Grund dafür haben muss, dass er das Arbeitsverhältnis gerade zu dem bestimmten Zeitpunkt auflöst (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. z.B. Urteil vom 25.4.1990 7 RAr 16/89 ). Dabei tritt das Gewicht der Interessen des Arbeitslosen umso mehr zurück, als er Bemühungen unterlässt, seine Interessen auch ohne den Eintritt von Arbeitslosigkeit zu verwirklichen.
Die Auslegung und Anwendung des unbestimmten Gesetzesbegriffes "wichtiger Grund" in § 144 Abs. 1 2 Nr. 1 SGB III muss mit vorrangigem Verfassungsrecht vereinbar sein. Insbesondere die Grundrechte und die in ihnen zum Ausdruck kommende Wertordnung sind zu beachten, mithin auch die einen verfassungsrechtlichen Schutz genießenden persönlichen Bindungen und Positionen ( BSGE 51, 70 , 72 = SozR 4100 § 119 Nr 13; BSGE 54, 7, 8 = SozR 4100 § 119 Nr 19).
Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen vermag der Senat einen wichtigen Grund für das Verhalten der Klägerin zu dem von ihr gewählten Zeitpunkt nicht zu erkennen.
Dabei kann es dahinstehen, ob die Anordnung einer Sperrzeit durch die Beklagte den Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 GG überhaupt berührt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.06.1983 , Az.: 1 BvR 1239/82) und bejahendenfalls, ob sich die Klägerin, die in Folge der arbeitsrechtlichen Konsequenzen des Art. 5 der AVR den Arbeitsvertrag vom 16.12.1991 abgeschlossen hat, auf Art 4 Abs 1 GG berufen kann. Dagegen spricht, dass sie bereits bei dem Abschluß des Arbeitsvertrages damit rechnen mußte, im Falle eines Austritts aus der katholischen Kirche ihren Arbeitsplatz zu verlieren (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 18.02.1987, 7 Rar 72/85 = SozR 4100, § 119 Nr. 30).
Selbst wenn sich die Klägerin auf das Grundrecht des Art. 4 Abs. 1 GG berufen könnte, wäre die angefochtene Entscheidung rechtmäßig.
Eine im Rahmen von § 144 SGB III zu beachtende verfassungsrechtlich geschützte Rechtsposition kann eine zusätzliche Belastung der Versichertengemeinschaft nur rechtfertigen, wenn bei der gebotenen Rechtsgüterabwägung der negativen Religions- und Bekenntnisfreiheit des einzelnen ein höheres Gewicht zukommt als den verfassungsrechtlich vorausgesetzten oder angeordneten Gemeinschaftsaufgaben, hier der Funktionsfähigkeit der Arbeitslosenversicherung, deren Belange ihren verfassungsrechtlichen Anknüpfungspunkt im Sozialstaatsprinzip finden (vgl. BSG SozR 4100 § 119 Nr. 13; zur Güterabwägung im Bereich der Gewissensfreiheit).
Dabei kommt der Funktionsfähigkeit der Arbeitslosenversicherung, die zu gewährleisten einem sozialstaatlichen und damit mit Verfassungsrang ausgestattetem Gebot entspricht, ein großer Stellenwert zu. Anhand der Umstände des Einzelfalles ist daher abzuwägen, welches Interesse jeweils das höhere Gewicht besitzt.
Diese Güterabwägung, die aufgrund einer auf den konkreten Fall bezogenen Analyse und Bewertung der in Anspruch genommenen Grundrechtsposition einerseits und der geltend gemachten Gemeinschaftsbelange andererseits zu erfolgen hat, führt hier zu dem Ergebnis, dass die der Klägerin im Gemeinschaftsinteresse abzufordernde Pflicht zur Entlastung der Solidargemeinschaft schwerer wiegt als ihr Interesse an einer folgenlosen Verwirklichung ihrer negativen Religions- und Bekenntnisfreiheit auch im Berufsleben.
Die Berufung auf das Grundrecht aus Art 4 Abs. 1 GG gibt dem Arbeitnehmer im allgemeinen keinen wichtigen Grund im Sinne des § 144 SGB III, seinen Arbeitsplatz ohne weiteres aufzugeben und deshalb folgenlos Mittel der Versichertengemeinschaft wegen einer dadurch kausal herbeigeführten Arbeitslosigkeit zu erhalten. Wegen der sachgerechten Belange der Versichertengemeinschaft ist ihm unter wenigstens zeitweiser Zurückstellung seiner eigenen Interessen grundsätzlich ein anderes Verhalten zumutbar.
So liegt auf der Hand, dass der Arbeitnehmer zunächst versuchen muss, im Rahmen des Arbeitsverhältnisses eine Lösung der Konfliktlage anzustreben. Dem Arbeitnehmer ist es ferner grundsätzlich zumutbar, unter Aufrechterhaltung des bisherigen Arbeitsverhältnisses zunächst die Suche nach einem anderen Arbeitsplatz zu betreiben. Dies um so mehr, als sich die Klägerin entsprechend ihrem Vortrag mit der Frage des Kirchenaustritts schon seit Jahren beschäftigt hat.
Die vorstehenden Grundsätze gelten allerdings nicht ausnahmslos. Die Würdigung der konkreten Umstände, die zur Beendigung Arbeitsverhältnisses geführt haben, kann im Einzelfalle dazu führen, dass die Belange der Versichertengemeinschaft ohne weiteres zurückzutreten haben (vgl. hierzu BSG, Urteil 18.02.1987, aaO). Dies wäre hier beispielsweise dann der Fall, wenn die Klägerin bei Verrichtung ihrer arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit verpflichtet gewesen wäre, die Glaubenslehre der katholischen Kirche aktiv zu vertreten oder sie an kirchlichen Ritualen hätte teilnehmen müssen. Hiervon ist vorliegend nicht auszugehen. Die Klägerin hatte bei ihrer konkreten Tätigkeit als "Hausangestellte im klinischen Wirtschaftsdienst" des S -Krankenhauses keine Berührungspunkte mit der katholischen Glaubenslehre. Ihre tägliche Arbeit zwang sie auch nicht ansatzweise dazu, entgegen ihre negativen Religions- und Bekenntnisfreiheit zu handeln.
Anhaltspunkte für eine besondere Härte, die die Reduzierung der Sperrzeit erfordern würde, sind nicht gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer 12-wöchigen Sperrzeit.
Die 1958 geborene, verheiratete Klägerin war vom 01.01.1992 bis zum 30.06.2003 als "Hausangestellte im klinischen Wirtschaftsdienst" im S -Krankenhaus, Z , beschäftigt. Träger des S -Krankenhauses ist der "Arme Dienstmägde Jesu Christi e.V.", der dem Deutschen Caritas-Verband angeschlossen ist. Seine Einrichtung dient "der Verwirklichung des gemeinsamen Werkes christlicher Nächstenliebe".
Nach § 2 des am 16.12.1991 abgeschlossenen Dienstvertrages galten hierfür die "Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritas-Verbandes" (AVR) in ihrer jeweils geltenden Fassung. Nach Art. 4 Abs. 1 der AVR wird von den katholischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erwartet, dass sie Grundsätze der katholischen Kirche und Sittenlehre anerkennen und beachten. Nach Art. 5 Abs. 5 AVR können Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter, die aus der katholischen Kirche austreten, nicht weiterbeschäftigt werden.
Mit Wirkung zum 17.01.2003 trat die Klägerin aus der Kirche aus. Hiervon erfuhr ihr ehemaliger Arbeitgeber am 23.01.2003 durch die Vorlage der Lohnsteuerkarte. Die Klägerin wurde an diesem Tag auf die arbeitsrechtlichen Rechtsfolgen ihres Kirchenaustritts hingewiesen und es wurde ihr die Möglichkeit eingeräumt, den Austritt rückgängig zu machen. Am nächsten Tag teilte die Klägerin ihrem ehemaligen Arbeitgeber mit, dass sie bei ihrer Entscheidung bleibe. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis am 27.01.2003 mit sofortiger Wirkung. Die Mitarbeitervertretung hatte der außerordentlichen Kündigung zugestimmt. Zur Begründung für die Kündigung wies der Arbeitgeber auf Art. 5 der AVR sowie die Weigerung der Klägerin hin, ihren Austritt aus der katholischen Kirche rückgängig zu machen.
Gegen die Kündigung hatte die Klägerin Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Koblenz (Az.: ) erhoben. In der Güteverhandlung vom 11.03.2003 schlossen die Parteien einen Vergleich, wonach sie sich darüber einig waren, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher arbeitgeberseitiger Kündigung auf ausschließlich personenbedingten Gründen und in Wahrung der maßgeblichen Kündigungsfrist mit Ablauf des 30.06.2003 seine Beendigung findet.
Nach Arbeitslosmeldung der Klägerin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 23.06.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.09.2003 für die Zeit vom 01.07.2003 bis zum 22.09.2003 eine 12-wöchige Sperrzeit und das Ruhen des Leistungsanspruchs während dieses Zeitraums fest. Die Klägerin habe gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen und dadurch ihre anschließende Arbeitslosigkeit herbeigeführt. Ab dem 23.09.2003 gewährte sie der Klägerin Arbeitslosengeld (Alg).
Das Sozialgericht Koblenz (SG) hat mit Urteil vom 24.03.2005 der Klage stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld bereits ab dem 01.07.2003 zu gewähren. Zur Begründung hat das SG darauf hingewiesen, dass die Klägerin einen wichtigen Grund für ihr Verhalten hatte. Sie habe nämlich durch ihren Austritt aus der katholischen Kirche von ihrer in Art. 4 Abs. 1 Grundgesetz (GG) eingeräumten negativen Religions- und Bekenntnisfreiheit Gebrauch gemacht. In der mündlichen Verhandlung habe die Klägerin glaubhaft erklärt, sich nach jahrelangem Bibelstudium von der katholischen Doktrin entfernt zu haben, bis es schließlich mit ihrem Glauben nicht mehr vereinbar gewesen sei, weiterhin in der katholischen Kirche zu bleiben.
Gegen das ihr am 13.06.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 12.07.2005 Berufung eingelegt.
Sie trägt im Wesentlichen vor:
Die angefochtene Entscheidung sei rechtmäßig. Zu Recht habe sie den Eintritt einer 12-wöchigen Sperrzeit festgestellt. Die Klägerin könne sich nicht auf einen wichtigen Grund berufen. Mit dem Abschluss des Arbeitsvertrages mit einer kirchlich geprägten Einrichtung habe sich die Klägerin den darin enthaltenen Regelungen, die üblicherweise auch bezüglich der Glaubenszugehörigkeit als rechtmäßig angesehen werden, unterworfen. Dadurch habe sie Einschränkungen einer grundsätzlich geschützten Position hingenommen. Deshalb könne sie sich nun nicht auf einen wichtigen Grund berufen. Im Übrigen sei sie auch nicht der Auffassung, dass der Kirchenaustritt der Klägerin allein aus Glaubensgründen motiviert gewesen sei. Die Klägerin habe schon sehr früh den Wunsch geäußert, sich zur Physiotherapeutin umschulen zu lassen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 24.03.2005 - S 13 AL 545/03 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Sie beruft sich im Wesentlichen auf die erstinstanzliche Entscheidung.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Prozessakte, der Gerichtsakte , der Akte des Arbeitsgerichts Koblenz sowie der Leistungsakte der Beklagten (Kundennummer ) Bezug genommen. Er ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist auch begründet. Zu Unrecht hat das SG der Klage stattgegeben. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 23.06.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.09.2003 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Alg ab dem 01.07.2003. Vom 01.07.2003 bis zum 22.09.2003 ruht ihr Leistungsanspruch, weil während dieses Zeitraums eine Sperrzeit eingetreten ist.
Nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) tritt eine Sperrzeit von 12 Wochen ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben hat und er dadurch seine Arbeitslosigkeit grob vorsätzlich oder fahrlässig herbeiführt, ohne hierfür einen wichtigen Grund zu haben.
Entgegen der Ansicht der Klägerin sind diese Voraussetzungen in ihrem Falle erfüllt.
Durch ihren Austritt aus der katholischen Kirche hat sich die Klägerin arbeitsvertrgswidrig verhalten. Der Kirchenaustritt war auch Anlass für die Lösung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2003. Die Klägerin hat ihre Arbeitslosigkeit auch vorsätzlich herbeigeführt. Obwohl sie wußte, dass sie keine konkreten Aussichten auf einen Anschlussarbeitsplatz hatte, hat sie von der ihr von ihrem ehemaligen Arbeitgeber am 23.02.2003 eingeräumten Möglichkeit, den Kirchenaustritt rückgängig zu machen und dadurch die ihr angedrohte Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu vermeiden, keinen Gebrauch gemacht.
Für ihr Verhalten, zum 17.01.2003 aus der Kirche auszutreten und dadurch die Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach sich zu ziehen, hatte die Klägerin auch keinen wichtigen Grund im Sinne des Gesetzes.
Was als wichtiger Grund im Sinne des § 144 SGB III anzusehen ist, hat das Gesetz nicht näher bestimmt. Die Sperrzeitregelung beruht auf dem Grundgedanken, dass die Gemeinschaft der Beitragszahler sich gegen Risikofälle zu wehren imstande sein muss, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat oder an deren Behebung er unbegründet nicht mithilft. Die Ver¬sichertengemeinschaft soll davor geschützt werden, dass der Anspruchs¬berechtigte das Risiko seiner Arbeitslosigkeit manipuliert und die Gesamtheit der Beitragszahler dadurch finanziell belastet. In Fällen der Lösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer gilt es, auch solchen Lebenssachverhalten Rechnung zu tragen, die die Aufgabe einer Arbeitsstelle durch den Arbeitnehmer als gerechtfertigt erscheinen lässt, selbst wenn er infolgedessen arbeitslos wird und Leistungen der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nehmen muss. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll eine Sperrzeit allgemein nur dann eintreten, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner Interessen mit denen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann. Der wichtige Grund muss dabei auch den Zeitpunkt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses decken. Dies bedeutet, dass der Arbeitslose einen wichtigen Grund dafür haben muss, dass er das Arbeitsverhältnis gerade zu dem bestimmten Zeitpunkt auflöst (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. z.B. Urteil vom 25.4.1990 7 RAr 16/89 ). Dabei tritt das Gewicht der Interessen des Arbeitslosen umso mehr zurück, als er Bemühungen unterlässt, seine Interessen auch ohne den Eintritt von Arbeitslosigkeit zu verwirklichen.
Die Auslegung und Anwendung des unbestimmten Gesetzesbegriffes "wichtiger Grund" in § 144 Abs. 1 2 Nr. 1 SGB III muss mit vorrangigem Verfassungsrecht vereinbar sein. Insbesondere die Grundrechte und die in ihnen zum Ausdruck kommende Wertordnung sind zu beachten, mithin auch die einen verfassungsrechtlichen Schutz genießenden persönlichen Bindungen und Positionen ( BSGE 51, 70 , 72 = SozR 4100 § 119 Nr 13; BSGE 54, 7, 8 = SozR 4100 § 119 Nr 19).
Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen vermag der Senat einen wichtigen Grund für das Verhalten der Klägerin zu dem von ihr gewählten Zeitpunkt nicht zu erkennen.
Dabei kann es dahinstehen, ob die Anordnung einer Sperrzeit durch die Beklagte den Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 GG überhaupt berührt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.06.1983 , Az.: 1 BvR 1239/82) und bejahendenfalls, ob sich die Klägerin, die in Folge der arbeitsrechtlichen Konsequenzen des Art. 5 der AVR den Arbeitsvertrag vom 16.12.1991 abgeschlossen hat, auf Art 4 Abs 1 GG berufen kann. Dagegen spricht, dass sie bereits bei dem Abschluß des Arbeitsvertrages damit rechnen mußte, im Falle eines Austritts aus der katholischen Kirche ihren Arbeitsplatz zu verlieren (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 18.02.1987, 7 Rar 72/85 = SozR 4100, § 119 Nr. 30).
Selbst wenn sich die Klägerin auf das Grundrecht des Art. 4 Abs. 1 GG berufen könnte, wäre die angefochtene Entscheidung rechtmäßig.
Eine im Rahmen von § 144 SGB III zu beachtende verfassungsrechtlich geschützte Rechtsposition kann eine zusätzliche Belastung der Versichertengemeinschaft nur rechtfertigen, wenn bei der gebotenen Rechtsgüterabwägung der negativen Religions- und Bekenntnisfreiheit des einzelnen ein höheres Gewicht zukommt als den verfassungsrechtlich vorausgesetzten oder angeordneten Gemeinschaftsaufgaben, hier der Funktionsfähigkeit der Arbeitslosenversicherung, deren Belange ihren verfassungsrechtlichen Anknüpfungspunkt im Sozialstaatsprinzip finden (vgl. BSG SozR 4100 § 119 Nr. 13; zur Güterabwägung im Bereich der Gewissensfreiheit).
Dabei kommt der Funktionsfähigkeit der Arbeitslosenversicherung, die zu gewährleisten einem sozialstaatlichen und damit mit Verfassungsrang ausgestattetem Gebot entspricht, ein großer Stellenwert zu. Anhand der Umstände des Einzelfalles ist daher abzuwägen, welches Interesse jeweils das höhere Gewicht besitzt.
Diese Güterabwägung, die aufgrund einer auf den konkreten Fall bezogenen Analyse und Bewertung der in Anspruch genommenen Grundrechtsposition einerseits und der geltend gemachten Gemeinschaftsbelange andererseits zu erfolgen hat, führt hier zu dem Ergebnis, dass die der Klägerin im Gemeinschaftsinteresse abzufordernde Pflicht zur Entlastung der Solidargemeinschaft schwerer wiegt als ihr Interesse an einer folgenlosen Verwirklichung ihrer negativen Religions- und Bekenntnisfreiheit auch im Berufsleben.
Die Berufung auf das Grundrecht aus Art 4 Abs. 1 GG gibt dem Arbeitnehmer im allgemeinen keinen wichtigen Grund im Sinne des § 144 SGB III, seinen Arbeitsplatz ohne weiteres aufzugeben und deshalb folgenlos Mittel der Versichertengemeinschaft wegen einer dadurch kausal herbeigeführten Arbeitslosigkeit zu erhalten. Wegen der sachgerechten Belange der Versichertengemeinschaft ist ihm unter wenigstens zeitweiser Zurückstellung seiner eigenen Interessen grundsätzlich ein anderes Verhalten zumutbar.
So liegt auf der Hand, dass der Arbeitnehmer zunächst versuchen muss, im Rahmen des Arbeitsverhältnisses eine Lösung der Konfliktlage anzustreben. Dem Arbeitnehmer ist es ferner grundsätzlich zumutbar, unter Aufrechterhaltung des bisherigen Arbeitsverhältnisses zunächst die Suche nach einem anderen Arbeitsplatz zu betreiben. Dies um so mehr, als sich die Klägerin entsprechend ihrem Vortrag mit der Frage des Kirchenaustritts schon seit Jahren beschäftigt hat.
Die vorstehenden Grundsätze gelten allerdings nicht ausnahmslos. Die Würdigung der konkreten Umstände, die zur Beendigung Arbeitsverhältnisses geführt haben, kann im Einzelfalle dazu führen, dass die Belange der Versichertengemeinschaft ohne weiteres zurückzutreten haben (vgl. hierzu BSG, Urteil 18.02.1987, aaO). Dies wäre hier beispielsweise dann der Fall, wenn die Klägerin bei Verrichtung ihrer arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit verpflichtet gewesen wäre, die Glaubenslehre der katholischen Kirche aktiv zu vertreten oder sie an kirchlichen Ritualen hätte teilnehmen müssen. Hiervon ist vorliegend nicht auszugehen. Die Klägerin hatte bei ihrer konkreten Tätigkeit als "Hausangestellte im klinischen Wirtschaftsdienst" des S -Krankenhauses keine Berührungspunkte mit der katholischen Glaubenslehre. Ihre tägliche Arbeit zwang sie auch nicht ansatzweise dazu, entgegen ihre negativen Religions- und Bekenntnisfreiheit zu handeln.
Anhaltspunkte für eine besondere Härte, die die Reduzierung der Sperrzeit erfordern würde, sind nicht gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
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