Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AS 92/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 B 107/06 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zur Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu verpflichten, wird abgelehnt.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Die Antragsteller begehrt Leistungen ohne Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen der Frau Q.
Er und Frau Q leben nach eigenen Angaben zusammen mit dem Sohn der Frau Q sowie einem gemeinsamen Sohn in einem Wohnhaus, das dem Antragsteller und Frau Q jeweils zur Hälfte gehört. Mit Bescheid vom 15.03.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2006 lehnte die Beklagte den Leistungsantrag mit der Begründung ab, der Antragsteller lebe mit Frau Q in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft. Hierfür spreche neben dem Zusammenleben mit einem gemeinsamen Kind die Eigentümerstellung an dem seit September 2001 von beiden bewohnten Haus und die gemeinsam eingegangene Verpflichtung bei der Finanzierung des Kaufpreises sowie der Grundbesitzabgaben. Im Übrigen sei eine konkrete finanzielle Unterstützung des Antragstellers durch Frau Q zumindest wahrscheinlich. Der Antragsteller hat hiergegen Klage erhoben (S 00 AS 00/00).
Am 27.07.2006 hat sich der Antragsteller an das Gericht gewandt.
Er führt aus, es handele sich um eine "reine Wohn- und Zweckgemeinschaft", die beide allein "aus finanziellen Erwägungen heraus" eingegangen hätten. Jeder sorge "für seinen Lebensunterhalt selbst" und es bestünden "getrennte Kassen". Auch bewohne er einen anderen Teil des Hauses als Frau Q und die Kinder und verfüge insbesondere über ein eigenes abschließbares Zimmer. Bislang habe ihn seine Mutter mit monatlichen Darlehen unterstützt.
Der Antragsteller beantragt, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zur Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu verpflichten
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.
Sie bleibt bei ihrer Auffassung.
Hinsichtlich der wesentlichen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte verwiesen.
II. Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass das geltend gemachte Begehren im Rahmen der beim einstweiligen Rechtsschutz allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung begründet erscheint (Anordnungsanspruch) und erfordert zusätzlich die besondere Eilbedürftigkeit der Durchsetzung des Begehrens (Anordnungsgrund). Zudem darf eine Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache nicht endgültig (d.h. irreversibel) vorweg genommen werden (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 86 b, Rn. 31 m.w.N.).
Es fehlt an einem Anordnungsanspruch. Bei der Frage, ob der Antragsteller hilfebedürftig i.S.d. § 9 Sozialgesetzbuch - Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) ist, müssen die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Frau Q berücksichtigt werden, § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II, denn der Antragsteller lebt mit Frau Q in einer eheähnlichen Gemeinschaft i.S.d. § 7 Abs. 3 Nr. 3 b SGB II (in der noch bis zum 31.07.2006 geltenden Fassung). Eheähnliche Gemeinschaft ist die Lebensgemeinschaft eines Mannes und einer Frau, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen (vgl. BVerfGE 87, 234, 264). Indizwirkung kommt dem Wirtschaften "aus einem Topf", der gemeinsamen Betreuung und Versorgung von Kindern im Haushalt sowie der Befugnis, über Einkommens- und Vermögensgegenstände des Anderen zu verfügen, zu (vgl. Spellbrink, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, § 7, Rn. 27). Besondere Anforderungen an die Dauer des Zusammenlebens sind nicht zu stellen (BSG SozR 3-4300 § 144 Nr. 10), sie kann jedoch eine Indizwirkung für das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft entfalten. Gerade vor dem Hintergrund der am 01.08.2006 in Kraft tretenden Vorschrift des § 7 Abs. 3 a SGB II, der eine Reihe objektiver Tatsachen nennt, deren (alternatives, nicht kumulatives) Vorliegen den (subjektiven) wechselseitigen Willen, füreinander einzustehen, vermuten lässt, zeigt sich, dass das Vorliegen einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft nicht allein von subjektiven und nur begrenzt aufklärbaren Umständen abhängig sein darf.
Im vorliegenden Fall sprechen die objektiven Umstände für das Vorliegen der geforderten Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft. Auch wenn der Antragsteller und Frau Q über getrennte Konten verfügen (was i.Ü. auch bei zahlreichen Ehepaaren der Fall ist), spricht der gemeinsam getätigte Erwerb eines Wohnhauses für ein Wirtschaften aus einem Topf. Eine Zweckgemeinschaft zur Anschaffung einer Immobilien wäre etwa dadurch gekennzeichnet, dass sich in der Immobilie verschiedene Wohnungen befinden; der Verweis des Antragstellers auf abschließbare Zimmer genügt nicht, denn dies ist in so gut wie allen Wohnhäusern der Fall. Hinzu kommt, dass im Haushalt der gemeinsame Sohn des Antragsstellers mit Frau Q lebt. Es mag sein, dass der Antragssteller sich nicht um das weitere Kind der Frau Q kümmert, jedoch spricht das gemeinsame Kind dafür, dass keine reine Wohngemeinschaft vorliegt.
Nicht zu prüfen braucht das Gericht, ob die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Frau Q eine Hilfebedürftigkeit der gesamten vierköpfigen Bedarfsgemeinschaft ausschließen. Die Antragsgegnerin hat im Widerspruchsbescheid zu verstehen gegeben, dass sie - nach Offenlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Frau Q - erneut prüfen und eine eventuelle Unterdeckung ausgleichen wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf analoger Anwendung von § 193 SGG.
Die Ablehnung des Antrags auf Prozesskostenhilfe war mangels Erfolges des Eilantrags abzulehnen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Die Antragsteller begehrt Leistungen ohne Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen der Frau Q.
Er und Frau Q leben nach eigenen Angaben zusammen mit dem Sohn der Frau Q sowie einem gemeinsamen Sohn in einem Wohnhaus, das dem Antragsteller und Frau Q jeweils zur Hälfte gehört. Mit Bescheid vom 15.03.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2006 lehnte die Beklagte den Leistungsantrag mit der Begründung ab, der Antragsteller lebe mit Frau Q in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft. Hierfür spreche neben dem Zusammenleben mit einem gemeinsamen Kind die Eigentümerstellung an dem seit September 2001 von beiden bewohnten Haus und die gemeinsam eingegangene Verpflichtung bei der Finanzierung des Kaufpreises sowie der Grundbesitzabgaben. Im Übrigen sei eine konkrete finanzielle Unterstützung des Antragstellers durch Frau Q zumindest wahrscheinlich. Der Antragsteller hat hiergegen Klage erhoben (S 00 AS 00/00).
Am 27.07.2006 hat sich der Antragsteller an das Gericht gewandt.
Er führt aus, es handele sich um eine "reine Wohn- und Zweckgemeinschaft", die beide allein "aus finanziellen Erwägungen heraus" eingegangen hätten. Jeder sorge "für seinen Lebensunterhalt selbst" und es bestünden "getrennte Kassen". Auch bewohne er einen anderen Teil des Hauses als Frau Q und die Kinder und verfüge insbesondere über ein eigenes abschließbares Zimmer. Bislang habe ihn seine Mutter mit monatlichen Darlehen unterstützt.
Der Antragsteller beantragt, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zur Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu verpflichten
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.
Sie bleibt bei ihrer Auffassung.
Hinsichtlich der wesentlichen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte verwiesen.
II. Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass das geltend gemachte Begehren im Rahmen der beim einstweiligen Rechtsschutz allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung begründet erscheint (Anordnungsanspruch) und erfordert zusätzlich die besondere Eilbedürftigkeit der Durchsetzung des Begehrens (Anordnungsgrund). Zudem darf eine Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache nicht endgültig (d.h. irreversibel) vorweg genommen werden (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 86 b, Rn. 31 m.w.N.).
Es fehlt an einem Anordnungsanspruch. Bei der Frage, ob der Antragsteller hilfebedürftig i.S.d. § 9 Sozialgesetzbuch - Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) ist, müssen die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Frau Q berücksichtigt werden, § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II, denn der Antragsteller lebt mit Frau Q in einer eheähnlichen Gemeinschaft i.S.d. § 7 Abs. 3 Nr. 3 b SGB II (in der noch bis zum 31.07.2006 geltenden Fassung). Eheähnliche Gemeinschaft ist die Lebensgemeinschaft eines Mannes und einer Frau, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen (vgl. BVerfGE 87, 234, 264). Indizwirkung kommt dem Wirtschaften "aus einem Topf", der gemeinsamen Betreuung und Versorgung von Kindern im Haushalt sowie der Befugnis, über Einkommens- und Vermögensgegenstände des Anderen zu verfügen, zu (vgl. Spellbrink, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, § 7, Rn. 27). Besondere Anforderungen an die Dauer des Zusammenlebens sind nicht zu stellen (BSG SozR 3-4300 § 144 Nr. 10), sie kann jedoch eine Indizwirkung für das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft entfalten. Gerade vor dem Hintergrund der am 01.08.2006 in Kraft tretenden Vorschrift des § 7 Abs. 3 a SGB II, der eine Reihe objektiver Tatsachen nennt, deren (alternatives, nicht kumulatives) Vorliegen den (subjektiven) wechselseitigen Willen, füreinander einzustehen, vermuten lässt, zeigt sich, dass das Vorliegen einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft nicht allein von subjektiven und nur begrenzt aufklärbaren Umständen abhängig sein darf.
Im vorliegenden Fall sprechen die objektiven Umstände für das Vorliegen der geforderten Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft. Auch wenn der Antragsteller und Frau Q über getrennte Konten verfügen (was i.Ü. auch bei zahlreichen Ehepaaren der Fall ist), spricht der gemeinsam getätigte Erwerb eines Wohnhauses für ein Wirtschaften aus einem Topf. Eine Zweckgemeinschaft zur Anschaffung einer Immobilien wäre etwa dadurch gekennzeichnet, dass sich in der Immobilie verschiedene Wohnungen befinden; der Verweis des Antragstellers auf abschließbare Zimmer genügt nicht, denn dies ist in so gut wie allen Wohnhäusern der Fall. Hinzu kommt, dass im Haushalt der gemeinsame Sohn des Antragsstellers mit Frau Q lebt. Es mag sein, dass der Antragssteller sich nicht um das weitere Kind der Frau Q kümmert, jedoch spricht das gemeinsame Kind dafür, dass keine reine Wohngemeinschaft vorliegt.
Nicht zu prüfen braucht das Gericht, ob die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Frau Q eine Hilfebedürftigkeit der gesamten vierköpfigen Bedarfsgemeinschaft ausschließen. Die Antragsgegnerin hat im Widerspruchsbescheid zu verstehen gegeben, dass sie - nach Offenlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Frau Q - erneut prüfen und eine eventuelle Unterdeckung ausgleichen wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf analoger Anwendung von § 193 SGG.
Die Ablehnung des Antrags auf Prozesskostenhilfe war mangels Erfolges des Eilantrags abzulehnen.
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