Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Speyer (RPF)
Aktenzeichen
S 6 AL 78/04
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 1 AL 7/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Auf das Erfordernis einer persönlichen Arbeitslosmeldung kann auch dann nicht verzichtet werden, wenn die Bundesagentur für Arbeit auf anderem Wege zuverlässige Kenntnis von der eingetretenen Arbeitslosigkeit erhalten hat.
2. Eine fehlende persönliche Arbeitslosmeldung kann grundsätzlich nicht mit Hilfe des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ersetzt werden.
2. Eine fehlende persönliche Arbeitslosmeldung kann grundsätzlich nicht mit Hilfe des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ersetzt werden.
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 28.09.2005 - S 6 AL 78/04 - aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin ein Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) auch für den 01. und 02.12.2003 zusteht.
Die 1983 geborene Klägerin war nach Abschluss ihrer Ausbildung zur Hotelfachfrau am 10.07.2003 bis zum 31.07.2003 in einem Hotel in Deutschland beschäftigt. Bereits am 11.04.2003 meldete sie sich für die Zeit nach der Beendigung der Ausbildung bei der Beklagten persönlich arbeitsuchend. Zum 01.08.2003 nahm sie eine Beschäftigung in einem Hotel in der Schweiz auf. Der Arbeitgeber kündigte ihr am 31.10.2003 zum 30.11.2003.
Am 03.11.2003 meldete sich die Klägerin telefonisch arbeitsuchend und gab an, voraussichtlich zum 01.12.2003 arbeitslos zu werden. Im Vermerk der Beklagten vom 03.11.2003 war ausgeführt, dass die Klägerin sich noch rechtzeitig persönlich arbeitslos melden werde. In einem Telefongespräch vom 01.12.2003 gab die Klägerin gegenüber der Mitarbeiterin der Beklagten R an, dass sie Bewerbungen innerhalb von Deutschland, aber auch in der Schweiz laufen habe. Sie gebe umgehend Bescheid.
Die Klägerin meldete sich am 03.12.2003 persönlich arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. In einem Vermerk der Beklagten vom 03.12.2003 war festgehalten, dass eine persönliche Arbeitslosmeldung mit Wirkung zum 01.12.2003 zugrunde gelegt werde, da die Klägerin nicht ausreichend über das Erfordernis einer persönlichen Meldung informiert worden sei. Am 10.12.2003 änderte die Beklagte die Datierung der persönlichen Arbeitslosmeldung vom 01.12. auf den 03.12.2003. Mit Bescheid vom 05.01.2004 bewilligte ihr die Beklagte Alg ab dem 03.12.2003 nach einem wöchentlichen Leistungssatz von 61,74 EUR (täglich 8,82 EUR). Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, dass ihr Frau R am 01.12.2003 mitgeteilt habe, dass das Telefonat als persönliche Meldung angesehen werde und dass es genüge, wenn sie im Laufe der Woche persönlich erscheine. Ihr stehe daher Alg ab dem 01.12.2003 zu. Die Beklagte wies den Widerspruch am 21.01.2004 zurück.
Das Sozialgericht Speyer (SG) hat mit Urteil vom 28.09.2005 den Bescheid vom 05.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2004 abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab dem 01.12.2003 Alg zu gewähren. Die Klägerin sei im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als habe sie sich am 01.12.2003 persönlich arbeitslos gemeldet. Von der Beklagten sei sie an diesem Tag nicht nur falsch beraten, sondern auch von einer rechtzeitigen persönlichen Vorsprache abgehalten worden, wozu sie aber an diesem Tag in der Lage gewesen wäre. Allein die fehlende körperliche Anwesenheit schade angesichts der vorherigen Arbeitsuchendmeldung und der telefonischen Kontakte nicht.
Gegen das ihr am 27.12.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 16.01.2001 die vom SG zugelassene Berufung eingelegt.
Sie trägt vor, dass die körperliche Anwesenheit bei der Arbeitslosmeldung als Tatsachenerklärung nicht mit Hilfe eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ersetzt werden könne. Der persönliche Kontakt sei unerlässlich, um mit den Vermittlungsbemühungen zu beginnen und um auch Erkenntnisse über den Arbeitslosen aus einer "nonverbalen Kommunikation" zu gewinnen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 28.09.2005 - S 6 AL 78/04 -aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie macht geltend, dass ein persönlicher Kontakt mit der Beklagten auch vor dem 01.12.2003 bestanden habe. Die Forderung nach einer persönlichen Vorstellung sei in ihrem Fall als reine Förmelei anzusehen. Einen Vermittlungsvorschlag hätte die Beklagte ihr am 01.12.2003 auch telefonisch unterbreiten können.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, der Klägerin Alg für den 01. und 02.12.2003 zu gewähren. Der Bescheid der Beklagten vom 05.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2004 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Anspruch auf Alg haben Arbeitnehmer, die 1. arbeitslos sind, 2. sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und 3. die Anwartschaftszeit erfüllt haben (§ 117 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der Fassung (i.d.F.) des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes (AFRG) vom 24.03.1997, BGBl I 594). Dass die Klägerin arbeitslos war und die Anwartschaftszeit erfüllt hatte, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig und steht auch zur Überzeugung des Senats fest. Nach § 122 Abs. 1 Satz 1 SGB III (i.d.F. des AFRG) hat sich der Arbeitslose persönlich beim zuständigen Arbeitsamt (ab 01.01.2004: Agentur für Arbeit) arbeitslos zu melden. An dieser Meldung fehlte es bei der Klägerin vor dem 03.12.2003.
Die Arbeitslosmeldung stellt eine Tatsachenerklärung dar. Mit ihr wird der Arbeitsagentur gegenüber die Tatsache des Eintritts der Arbeitslosigkeit, also des Eintritts des in der Arbeitslosenversicherung gedeckten Risikos der Arbeitslosigkeit, angezeigt. Die Arbeitslosmeldung dient vornehmlich dazu, die Arbeitsagentur tatsächlich in die Lage zu versetzen, mit ihren Vermittlungsbemühungen zu beginnen, um die Arbeitslosigkeit und damit die Leistungspflicht möglichst rasch zu beenden (BSG, Urteil vom 07.09.2000 - B 7 AL 2/00 R -, SozR 3-4300 § 122 Nr. 1). Formelle Voraussetzung ist die persönliche Anwesenheit des Arbeitslosen in der zuständigen Agentur; inhaltlich hat sich die Meldung nur auf den Eintritt des Leistungsfalles (Arbeitslosigkeit) zu beziehen. Dies bedeutet, dass eine Arbeitslosmeldung schon dann vorliegt, wenn der Arbeitslose in der Arbeitsagentur erscheint und jedenfalls sinngemäß zum Ausdruck bringt, er sei arbeitslos (BSG, Urteil vom 19.01.2005 - B 11a/11 AL 41/04 R -, veröffentlicht in Juris). Eine fernmündliche, schriftliche oder auf elektronischem Wege übermittelte Meldung reicht nicht. Eine Stellvertretung ist ausgeschlossen, sofern nicht der Ausnahmefall des § 125 Abs. 1 Satz 3 SGB III vorliegt (vgl. Spellbrink in Eicher/Schlegel, SGB III, § 122 RdNr. 27f.; Steinmeyer in Gagel, SGB III, § 122 RdNr. 23f.). Die Klägerin hat sich weder am 01. noch am 02.12.2003 persönlich arbeitslos gemeldet. Gesundheitliche Einschränkungen, die sie an einer solchen Meldung gehindert hätten, lagen nicht vor. Auch in dem Zeitraum nach Ausspruch der Kündigung durch den Arbeitgeber am 31.10.2003 bis zum Eintritt der Arbeitslosigkeit am 01.12.2003 war keine persönliche Arbeitslosmeldung der Klägerin erfolgt.
Bei diesem Erfordernis einer persönlichen Arbeitslosmeldung handelt es sich nicht lediglich um ein Formerfordernis, welches als entbehrlich angesehen werden kann, wenn die Beklagte auf anderem Wege zuverlässige Kenntnis von der Arbeitslosigkeit erhält. Die Nutzung der Arbeitsvermittlung und der aktiven Arbeitsförderung durch die Bundesagentur setzt den persönlichen Kontakt mit der zuständigen Agentur voraus. Gerade dazu dient auch die persönliche Arbeitslosmeldung. Sie soll der Arbeitsagentur nicht nur den Eintritt des Leistungsfalls mitteilen, sondern den Vorrang der Arbeitsvermittlung und Arbeitsförderung gewährleisten. Das zeigt auch § 122 Abs. 1 Satz 2 SGB III (i.d.F. des AFRG), der eine Meldung schon vor Eintritt der Arbeitslosigkeit zulässt. Auch die Zuständigkeitsregelungen des § 327 Abs. 1 und 2 SGB III (i.d.F. des AFRG) deuten darauf hin, dass der Gesetzgeber die persönliche (unmittelbare) Beziehung zwischen Arbeitslosem und der Arbeitsagentur als Voraussetzung für eine effektive Durchsetzung des Leistungskonzepts ansieht (BSG, Urteil vom 20.06.2001 - B 11 AL 10/01 R -, SozR 3-4300 § 119 Nr. 3). Es war daher nicht ausreichend, dass die Klägerin der Beklagten am 03.11. und am 01.12.2003 telefonisch den Eintritt der Arbeitslosigkeit am 01.12.2003 mitgeteilt hat. Eine Arbeitslosmeldung im Rechtssinne lag vor dem 03.12.2003 nicht vor.
Die Klägerin kann auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden, als habe sie sich am 01.12.2003 persönlich arbeitslos gemeldet. Tatbestandlich setzt der sozialrechtliche Herstellungsanspruch voraus, dass der Sozialleistungsträger aufgrund Gesetzes oder bestehenden Sozialrechtsverhältnisses eine dem Betroffenen gegenüber obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 14, 15 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I)), verletzt und dadurch dem Betroffenen einen rechtlichen Nachteil zufügt. Auf seiner Rechtsfolgenseite ist der Herstellungsanspruch auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herbeiführung derjenigen Rechtsfolge gerichtet, die eingetreten wäre, wenn der Versicherungsträger die ihm gegenüber dem Versicherten obliegenden Pflichten rechtmäßig erfüllt hätte. Der Herstellungsanspruch kann einen Versicherungsträger somit nur zu einem Tun oder Unterlassen verpflichten, das rechtlich zulässig ist. Der durch ein Fehlverhalten des Leistungsträgers bewirkte Nachteil lässt sich nur dann ausgleichen, wenn die Korrektur bzw. Ersetzung der fehlenden Anspruchsvoraussetzung mit dem jeweiligen Gesetzeszweck in Einklang steht (BSG, Urteil vom 11.03.2004 - B 13 RJ 16/03 R -, SozR 4-2600 § 58 Nr. 3). Dies ist bei dem Fehlen einer persönlichen Arbeitslosmeldung nicht der Fall.
Zwar ist die Klägerin am 01.12.2003 durch die Mitarbeiterin der Beklagten insoweit fehlerhaft beraten worden, als ihr gesagt worden ist, dass das Telefongespräch als persönliche Meldung angesehen werde. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch kann daraus jedoch nicht erwachsen, da der der Klägerin entstandene Nachteil nicht durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann. Nach dem Sinn und Zweck der persönlichen Arbeitslosmeldung soll die Agentur für Arbeit in die Lage versetzt werden, mit den Vermittlungsbemühungen zu beginnen und zu prüfen, ob alle Voraussetzungen für die Leistungsbewilligung erfüllt sind. Als reine Tatsachen¬erklärung kann eine fehlende persönliche Arbeitslosmeldung nicht über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch vorverlegt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteil vom 19.03.1986 - 7 RAr 48/84 -, SozR 4100 § 105 Nr. 2; Urteil vom 19.03.1986 - 7 RAr 17/84 -, SozR 1300 § 28 Nr. 1; Urteil vom 08.07.1993 - 7 RAr 80/92 -, SozR 3-4100 § 134 Nr. 14; Urteil vom 21.06.2001 - B 7 AL 6/00 R -, veröffentlicht in Juris; aA: Valgolio in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 10 RdNr. 101ff.; SG Hamburg, Urteil vom 01.04.2005 - S 18 AL 1142/02 -, veröffentlicht in Juris). Ob ausnahmsweise die Anwendung eines Herstellungsanspruchs im Falle einer vorhandenen persönlichen Arbeitsuchendmeldung nach § 37b SGB III in Betracht kommen kann (Spellbrink in Eicher/Schlegel, SGB III, § 122 RdNr. 35), braucht nicht entschieden zu werden. Die Klägerin hat sich nach der Kündigung durch den Arbeitgeber nämlich nicht persönlich arbeitsuchend gemeldet.
Auch aus dem rechtsstaatlichen Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-), der eine allen subjektiven Rechten, Rechtsverhältnissen, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Innenbegrenzung darstellt, vermag die Klägerin keinen Anspruch auf Alg für den 01. und 02.12.2003 herzuleiten. Der Klägerin war bereits vor dem Telefonat mit der Beklagten am 01.12.2003 bekannt gewesen, dass eine persönliche Arbeitslosmeldung erforderlich war (Bekundungen in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 28.09.2005). Allein die ihr gegebene fehlerhafte Auskunft rechtfertigt es zur Überzeugung des Senats nicht, die Berufung der Beklagten auf eine fehlende persönliche Meldung vor dem 03.12.2003 als rechtsmissbräuchlich zu werten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision wird zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG; vgl. auch BSG, Beschluss vom 10.07.2003 - B 11 AL 45/03 B -, veröffentlicht in Juris).
2. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin ein Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) auch für den 01. und 02.12.2003 zusteht.
Die 1983 geborene Klägerin war nach Abschluss ihrer Ausbildung zur Hotelfachfrau am 10.07.2003 bis zum 31.07.2003 in einem Hotel in Deutschland beschäftigt. Bereits am 11.04.2003 meldete sie sich für die Zeit nach der Beendigung der Ausbildung bei der Beklagten persönlich arbeitsuchend. Zum 01.08.2003 nahm sie eine Beschäftigung in einem Hotel in der Schweiz auf. Der Arbeitgeber kündigte ihr am 31.10.2003 zum 30.11.2003.
Am 03.11.2003 meldete sich die Klägerin telefonisch arbeitsuchend und gab an, voraussichtlich zum 01.12.2003 arbeitslos zu werden. Im Vermerk der Beklagten vom 03.11.2003 war ausgeführt, dass die Klägerin sich noch rechtzeitig persönlich arbeitslos melden werde. In einem Telefongespräch vom 01.12.2003 gab die Klägerin gegenüber der Mitarbeiterin der Beklagten R an, dass sie Bewerbungen innerhalb von Deutschland, aber auch in der Schweiz laufen habe. Sie gebe umgehend Bescheid.
Die Klägerin meldete sich am 03.12.2003 persönlich arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. In einem Vermerk der Beklagten vom 03.12.2003 war festgehalten, dass eine persönliche Arbeitslosmeldung mit Wirkung zum 01.12.2003 zugrunde gelegt werde, da die Klägerin nicht ausreichend über das Erfordernis einer persönlichen Meldung informiert worden sei. Am 10.12.2003 änderte die Beklagte die Datierung der persönlichen Arbeitslosmeldung vom 01.12. auf den 03.12.2003. Mit Bescheid vom 05.01.2004 bewilligte ihr die Beklagte Alg ab dem 03.12.2003 nach einem wöchentlichen Leistungssatz von 61,74 EUR (täglich 8,82 EUR). Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, dass ihr Frau R am 01.12.2003 mitgeteilt habe, dass das Telefonat als persönliche Meldung angesehen werde und dass es genüge, wenn sie im Laufe der Woche persönlich erscheine. Ihr stehe daher Alg ab dem 01.12.2003 zu. Die Beklagte wies den Widerspruch am 21.01.2004 zurück.
Das Sozialgericht Speyer (SG) hat mit Urteil vom 28.09.2005 den Bescheid vom 05.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2004 abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab dem 01.12.2003 Alg zu gewähren. Die Klägerin sei im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als habe sie sich am 01.12.2003 persönlich arbeitslos gemeldet. Von der Beklagten sei sie an diesem Tag nicht nur falsch beraten, sondern auch von einer rechtzeitigen persönlichen Vorsprache abgehalten worden, wozu sie aber an diesem Tag in der Lage gewesen wäre. Allein die fehlende körperliche Anwesenheit schade angesichts der vorherigen Arbeitsuchendmeldung und der telefonischen Kontakte nicht.
Gegen das ihr am 27.12.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 16.01.2001 die vom SG zugelassene Berufung eingelegt.
Sie trägt vor, dass die körperliche Anwesenheit bei der Arbeitslosmeldung als Tatsachenerklärung nicht mit Hilfe eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ersetzt werden könne. Der persönliche Kontakt sei unerlässlich, um mit den Vermittlungsbemühungen zu beginnen und um auch Erkenntnisse über den Arbeitslosen aus einer "nonverbalen Kommunikation" zu gewinnen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 28.09.2005 - S 6 AL 78/04 -aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie macht geltend, dass ein persönlicher Kontakt mit der Beklagten auch vor dem 01.12.2003 bestanden habe. Die Forderung nach einer persönlichen Vorstellung sei in ihrem Fall als reine Förmelei anzusehen. Einen Vermittlungsvorschlag hätte die Beklagte ihr am 01.12.2003 auch telefonisch unterbreiten können.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, der Klägerin Alg für den 01. und 02.12.2003 zu gewähren. Der Bescheid der Beklagten vom 05.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2004 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Anspruch auf Alg haben Arbeitnehmer, die 1. arbeitslos sind, 2. sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und 3. die Anwartschaftszeit erfüllt haben (§ 117 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der Fassung (i.d.F.) des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes (AFRG) vom 24.03.1997, BGBl I 594). Dass die Klägerin arbeitslos war und die Anwartschaftszeit erfüllt hatte, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig und steht auch zur Überzeugung des Senats fest. Nach § 122 Abs. 1 Satz 1 SGB III (i.d.F. des AFRG) hat sich der Arbeitslose persönlich beim zuständigen Arbeitsamt (ab 01.01.2004: Agentur für Arbeit) arbeitslos zu melden. An dieser Meldung fehlte es bei der Klägerin vor dem 03.12.2003.
Die Arbeitslosmeldung stellt eine Tatsachenerklärung dar. Mit ihr wird der Arbeitsagentur gegenüber die Tatsache des Eintritts der Arbeitslosigkeit, also des Eintritts des in der Arbeitslosenversicherung gedeckten Risikos der Arbeitslosigkeit, angezeigt. Die Arbeitslosmeldung dient vornehmlich dazu, die Arbeitsagentur tatsächlich in die Lage zu versetzen, mit ihren Vermittlungsbemühungen zu beginnen, um die Arbeitslosigkeit und damit die Leistungspflicht möglichst rasch zu beenden (BSG, Urteil vom 07.09.2000 - B 7 AL 2/00 R -, SozR 3-4300 § 122 Nr. 1). Formelle Voraussetzung ist die persönliche Anwesenheit des Arbeitslosen in der zuständigen Agentur; inhaltlich hat sich die Meldung nur auf den Eintritt des Leistungsfalles (Arbeitslosigkeit) zu beziehen. Dies bedeutet, dass eine Arbeitslosmeldung schon dann vorliegt, wenn der Arbeitslose in der Arbeitsagentur erscheint und jedenfalls sinngemäß zum Ausdruck bringt, er sei arbeitslos (BSG, Urteil vom 19.01.2005 - B 11a/11 AL 41/04 R -, veröffentlicht in Juris). Eine fernmündliche, schriftliche oder auf elektronischem Wege übermittelte Meldung reicht nicht. Eine Stellvertretung ist ausgeschlossen, sofern nicht der Ausnahmefall des § 125 Abs. 1 Satz 3 SGB III vorliegt (vgl. Spellbrink in Eicher/Schlegel, SGB III, § 122 RdNr. 27f.; Steinmeyer in Gagel, SGB III, § 122 RdNr. 23f.). Die Klägerin hat sich weder am 01. noch am 02.12.2003 persönlich arbeitslos gemeldet. Gesundheitliche Einschränkungen, die sie an einer solchen Meldung gehindert hätten, lagen nicht vor. Auch in dem Zeitraum nach Ausspruch der Kündigung durch den Arbeitgeber am 31.10.2003 bis zum Eintritt der Arbeitslosigkeit am 01.12.2003 war keine persönliche Arbeitslosmeldung der Klägerin erfolgt.
Bei diesem Erfordernis einer persönlichen Arbeitslosmeldung handelt es sich nicht lediglich um ein Formerfordernis, welches als entbehrlich angesehen werden kann, wenn die Beklagte auf anderem Wege zuverlässige Kenntnis von der Arbeitslosigkeit erhält. Die Nutzung der Arbeitsvermittlung und der aktiven Arbeitsförderung durch die Bundesagentur setzt den persönlichen Kontakt mit der zuständigen Agentur voraus. Gerade dazu dient auch die persönliche Arbeitslosmeldung. Sie soll der Arbeitsagentur nicht nur den Eintritt des Leistungsfalls mitteilen, sondern den Vorrang der Arbeitsvermittlung und Arbeitsförderung gewährleisten. Das zeigt auch § 122 Abs. 1 Satz 2 SGB III (i.d.F. des AFRG), der eine Meldung schon vor Eintritt der Arbeitslosigkeit zulässt. Auch die Zuständigkeitsregelungen des § 327 Abs. 1 und 2 SGB III (i.d.F. des AFRG) deuten darauf hin, dass der Gesetzgeber die persönliche (unmittelbare) Beziehung zwischen Arbeitslosem und der Arbeitsagentur als Voraussetzung für eine effektive Durchsetzung des Leistungskonzepts ansieht (BSG, Urteil vom 20.06.2001 - B 11 AL 10/01 R -, SozR 3-4300 § 119 Nr. 3). Es war daher nicht ausreichend, dass die Klägerin der Beklagten am 03.11. und am 01.12.2003 telefonisch den Eintritt der Arbeitslosigkeit am 01.12.2003 mitgeteilt hat. Eine Arbeitslosmeldung im Rechtssinne lag vor dem 03.12.2003 nicht vor.
Die Klägerin kann auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden, als habe sie sich am 01.12.2003 persönlich arbeitslos gemeldet. Tatbestandlich setzt der sozialrechtliche Herstellungsanspruch voraus, dass der Sozialleistungsträger aufgrund Gesetzes oder bestehenden Sozialrechtsverhältnisses eine dem Betroffenen gegenüber obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 14, 15 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I)), verletzt und dadurch dem Betroffenen einen rechtlichen Nachteil zufügt. Auf seiner Rechtsfolgenseite ist der Herstellungsanspruch auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herbeiführung derjenigen Rechtsfolge gerichtet, die eingetreten wäre, wenn der Versicherungsträger die ihm gegenüber dem Versicherten obliegenden Pflichten rechtmäßig erfüllt hätte. Der Herstellungsanspruch kann einen Versicherungsträger somit nur zu einem Tun oder Unterlassen verpflichten, das rechtlich zulässig ist. Der durch ein Fehlverhalten des Leistungsträgers bewirkte Nachteil lässt sich nur dann ausgleichen, wenn die Korrektur bzw. Ersetzung der fehlenden Anspruchsvoraussetzung mit dem jeweiligen Gesetzeszweck in Einklang steht (BSG, Urteil vom 11.03.2004 - B 13 RJ 16/03 R -, SozR 4-2600 § 58 Nr. 3). Dies ist bei dem Fehlen einer persönlichen Arbeitslosmeldung nicht der Fall.
Zwar ist die Klägerin am 01.12.2003 durch die Mitarbeiterin der Beklagten insoweit fehlerhaft beraten worden, als ihr gesagt worden ist, dass das Telefongespräch als persönliche Meldung angesehen werde. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch kann daraus jedoch nicht erwachsen, da der der Klägerin entstandene Nachteil nicht durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann. Nach dem Sinn und Zweck der persönlichen Arbeitslosmeldung soll die Agentur für Arbeit in die Lage versetzt werden, mit den Vermittlungsbemühungen zu beginnen und zu prüfen, ob alle Voraussetzungen für die Leistungsbewilligung erfüllt sind. Als reine Tatsachen¬erklärung kann eine fehlende persönliche Arbeitslosmeldung nicht über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch vorverlegt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteil vom 19.03.1986 - 7 RAr 48/84 -, SozR 4100 § 105 Nr. 2; Urteil vom 19.03.1986 - 7 RAr 17/84 -, SozR 1300 § 28 Nr. 1; Urteil vom 08.07.1993 - 7 RAr 80/92 -, SozR 3-4100 § 134 Nr. 14; Urteil vom 21.06.2001 - B 7 AL 6/00 R -, veröffentlicht in Juris; aA: Valgolio in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 10 RdNr. 101ff.; SG Hamburg, Urteil vom 01.04.2005 - S 18 AL 1142/02 -, veröffentlicht in Juris). Ob ausnahmsweise die Anwendung eines Herstellungsanspruchs im Falle einer vorhandenen persönlichen Arbeitsuchendmeldung nach § 37b SGB III in Betracht kommen kann (Spellbrink in Eicher/Schlegel, SGB III, § 122 RdNr. 35), braucht nicht entschieden zu werden. Die Klägerin hat sich nach der Kündigung durch den Arbeitgeber nämlich nicht persönlich arbeitsuchend gemeldet.
Auch aus dem rechtsstaatlichen Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-), der eine allen subjektiven Rechten, Rechtsverhältnissen, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Innenbegrenzung darstellt, vermag die Klägerin keinen Anspruch auf Alg für den 01. und 02.12.2003 herzuleiten. Der Klägerin war bereits vor dem Telefonat mit der Beklagten am 01.12.2003 bekannt gewesen, dass eine persönliche Arbeitslosmeldung erforderlich war (Bekundungen in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 28.09.2005). Allein die ihr gegebene fehlerhafte Auskunft rechtfertigt es zur Überzeugung des Senats nicht, die Berufung der Beklagten auf eine fehlende persönliche Meldung vor dem 03.12.2003 als rechtsmissbräuchlich zu werten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision wird zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG; vgl. auch BSG, Beschluss vom 10.07.2003 - B 11 AL 45/03 B -, veröffentlicht in Juris).
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