L 16 KR 99/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 5 KR 29/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 99/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 37/09 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
NZB als unzulässig verworfen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 23. April 2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung (KV), insbesondere über die Berücksichtigung einer aufgelösten Ansparrücklage.

Der am 00.00.1953 geborene Kläger stand bis zum 31.12.2003 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis, das durch Aufhebungsvertrag gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 77.500,00 EUR beendet wurde. Im Hinblick auf möglicherweise anfallende Investitionen im Zusammenhang mit einer beabsichtigten Selbständigkeit machte der Kläger bei der Steuererklärung für das Kalenderjahr 2003 von der Möglichkeit nach § 7g Einkommensteuergesetz (EStG) Gebrauch. Die insoweit gebildete Ansparrücklage in Höhe von 14.800,00 EUR blieb in 2003 unversteuert. Ab dem 01.01.2004 war der Kläger zunächst arbeitslos und erhielt Arbeitslosengeld (sog. ALG I) nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Zum 01.09.2004 machte er sich, wie bereits seit längerem geplant, als Handelsvertreter für Verpackungen selbständig.

Zuvor hatte er am 22.07.2004 bei der Beklagten, bei der er auch bereits zuvor gegen Krankheit versichert gewesen war, die Durchführung der freiwilligen Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld ab dem 01.09.2004 beantragt. Mit Bescheid vom 26.07.2004 erteilte ihm diese einen "Einstufungsbescheid für Selbstständige über eine einkommensbezogene Einstufung unter Vorbehalt zu Beginn der selbstständigen Tätigkeit". Der monatliche Beitrag zur KV belief sich auf 266,26 EUR. Dabei ging die Beklagte entsprechend den Angaben des Klägers von beitragspflichtigen Einnahmen in Höhe von 1.811,25 EUR entsprechend der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage aus. Der Bescheid enthielt den folgenden Hinweis:

"Die Einstufung erfolgt unter Vorbehalt. Voraussetzung für die einkommensbezogene Einstufung ist, dass die Einkünfte aus der selbständigen Tätigkeit mit dem letzten Einkommensteuerbescheid nachgewiesen werden. Dieser Nachweis liegt noch nicht vor, da Sie Ihre selbstständige Tätigkeit erst vor kurzem aufgenommen haben und noch über keinen entsprechenden Einkommensteuerbescheid verfügen. Nach Vorlage einer Kopie des entsprechenden Einkommensteuerbescheides erfolgt eine Prüfung Ihrer Einstufung. Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass Beiträge nacherhoben werden, wenn höhere als der Einstufung zugrunde liegende Einkünfte zu berücksichtigen sind ..."

Die hauptberufliche selbständige Tätigkeit beendete der Kläger zum 04.07.2005.

Nachdem er entsprechenden Aufforderungen der Beklagten zur Vorlage von Einkommensnachweisen nicht nachgekommen war, erfragte die Beklagte bei dem zuständigen Finanzamt I im August 2006 die Höhe der erzielten Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die für das Jahr 2004 in Höhe von 16.030,00 EUR angefallen waren. Am 17.08.2006 ging auch der Einkommensteuerbescheid 2004 vom 19.06.2006 bei der Beklagten ein. Für dieses Kalenderjahr hatte er die Ansparrücklage in Höhe von 14.800 EUR wieder aufgelöst mit der Folge, dass sie als zu versteuernde Einnahme aus Gewerbebetrieb behandelt wurde; von den ursprünglich geplanten Investitionen hatte er mittlerweile abgesehen.

Ausgehend von dem sich aus dem Einkommensteuerbescheid 2004 ergebenden Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 16.030,00 EUR für vier Monate der selbständigen Tätigkeit erteilte die Beklagte unter dem 15.08.2006 bzw. 16.08.2006 die streitgegenständlichen Bescheide, mit denen sie die Beitragseinstufung ab dem 01.09.2004 endgültig vornahm. Dabei legte sie ihrer Berechnung beitragspflichtige Einnahmen in Höhe von über 3.487,50 EUR bzw. über 3.525,00 EUR (Beitragsbemessungsgrenze in der KV 2004 bzw. 2005) zugrunde. Es ergab sich ein monatlicher Beitragssatz zur KV in Höhe von 512,66 EUR ab dem 01.09.2004 bzw. in Höhe von 518,18 EUR ab dem 01.01.2005. Die Beklagte bezifferte mit weiterem Bescheid vom 17.08.2006 die Höhe des Nachzahlungsbetrages für die Zeit vom 01.09.2004 bis zum 04.07.2005 mit 2.823,24 EUR.

Mit dem dagegen gerichteten Widerspruch machte der Kläger geltend, seine Einkünfte aus Gewerbebetrieb müssten für das Kalenderjahr 2004 um die aufgelöste Ansparrücklage verringert werden. Es handele sich insoweit um eine rein "virtuelle" Einnahme. Ein tatsächlicher Geldfluss habe nicht stattgefunden.

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.01.2007 als unbegründet zurück. Die Ermittlung des Einkommens erfolge im Einkommensteuerrecht nach § 4 EStG, wobei sich das Einkommen regelmäßig als Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss eines Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres ermittele. Dabei seien alle betrieblichen Vorgänge, auch die Auflösung einer Ansparabschreibung, in die Gewinnermittlung einzubeziehen. Der Auflösungsbetrag aus einer Ansparrücklage erhöhe damit automatisch den Gewinn mit der Folge, dass sich bis zum Erreichen der Beitragsbemessungsgrenze höhere Beiträge zur KV ergäben.

Am 24.01.2007 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Detmold erhoben. Er hat sein Begehren weiterverfolgt, der Beitragsbemessung lediglich den Gewinn aus seinem Gewerbebetrieb abzüglich der aufgelösten Ansparrücklage in Höhe von 14.800,00 EUR zugrunde zu legen. Es gehe ihm dabei nicht darum, einen bestehenden Verlustausgleich durchzuführen; vielmehr habe er einen Anspruch darauf, dass Gewinne, die tatsächlich nicht zugeflossen seien, bei der Beitragsbemessung unberücksichtigt blieben. Die Auflösung der Ansparrücklage sei nicht als Einnahme im Sinne des Sozialversicherungsrechts anzusehen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 15.08.2006,16.08.2006 und 17.08.2006, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.01.2007, zu verurteilen, die Beitragsbemessung für die Zeit vom 01.09.2004 bis zum 04.07.2005 auf der Grundlage des im Steuerbescheid vom 19.06.2006 ermittelten Gewinns abzüglich der aufgelösten Ansparrücklage in Höhe von 14.800,00 EUR vorzunehmen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die angefochtenen Bescheide entsprächen der Sach- und Rechtslage und seien daher nicht zu beanstanden. Die getroffenen Regelungen seien nicht zu beanstanden.

Mit Urteil vom 23.04.2008 hat das SG die Klage wird abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die gesetzlichen Krankenkassen seien, da Versicherte zu Beginn ihrer hauptberuflich selbstständigen Erwerbstätigkeit naturgemäß keine Angaben zur Höhe ihrer voraussichtlichen Einkünften machen könnten, berechtigt, auf der Grundlage des Mindestbeitrags eine vorläufige Beitragseinstufung vorzunehmen. Von dieser vom Bundessozialgericht (BSG) (Sozialrecht (SozR) 4-2500 § 240 Nr. 5) gebilligten Möglichkeit habe die Beklagte Gebrauch gemacht, so dass eine endgültige Beitragseinstufung erst nach Eingang eines geeigneten Nachweises über die Höhe der tatsächlich erzielten Einkünfte - hier Einkommensteuerbescheid 2004 - habe vorgenommen werden können.

Entgegen der Auffassung des Klägers habe die Beklagte bei der Beitragseinstufung zu Recht die aufgelöste Ansparrücklage berücksichtigt. Für die Ermittlungen des Arbeitseinkommens sei die Bestimmung des § 15 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) anzuwenden. Danach sei das Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit. Einkommen sei als Arbeitseinkommen anzusehen, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten sei. Nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts in §§ 4 bis 7k EStG seien steuerlich und über § 15 Abs. 1 SGB IV sozialversicherungsrechtlich auch Absetzungen und Sonderabschreibungen einzubeziehen. Es sei Wille des Gesetzgebers, einen einheitlichen Einkommensbegriff festzulegen und das sozialversicherungsrechtlich relevante Einkommen möglichst einfach und pauschal festzustellen. So sei sowohl der buchmäßige Aufwand im Jahr der Bildung der Ansparrücklage bei der Ermittlung des Arbeitseinkommens als auch der "virtuelle" Gewinnzuwachs im Jahr ihrer Auflösung bei fehlender Investition zu berücksichtigen. Dagegen sei bei der Beitragsbemessung irrelevant, ob der einkommensteuerrechtlich ermittelte Gewinn durch einen persönlichen Einsatz des Versicherten erzielt worden sei.

Die Grundsätze, die das BSG in dem Urteil vom 05.09.2006 (SozR 4-4300 § 141 Nr. 2) zur Frage der Anrechnung von Einkommen aus selbständiger Tätigkeit im Rahmen des § 141 Abs. 1 SGB III aufgestellt habe, könnten für die Beitragsbemessung in der KV nicht herangezogen werden. Da die Anrechnung von Arbeitseinkommen danach nur dann möglich sei, wenn es während des Bezugs von ALG I erarbeitet worden sei (sog. zeitliche Kongruenz), habe das BSG der ansonsten angeordneten Parallelität zwischen Einkommensteuer- und Sozialrecht bei § 141 Abs. 1 SGB III ausnahmsweise das im Steuerrecht unbekannte Merkmal des persönlichen Einsatzes hinzugefügt. Eine andere Sichtweise könne beispielsweise bei automatischer Auflösung der Ansparrücklage nach spätestens vier Jahren möglicherweise zu einem vom Gesetzgeber nicht gewollten Ausschluss des Leistungsanspruchs nach dem SGB III führen. Eine Übertragung dieser vom BSG zu § 141 Abs. 1 SGB III angestellten Überlegungen auf das Recht der Beitragsbemessung sei nicht geboten. Die Beitragsbemessung bei Selbständigen sei nach der Konzeption des § 240 Abs. 4 S. 2 SGB V nämlich so angelegt, dass jeder hauptberuflich selbständig Erwerbstätige vom Grundsatz her den Höchstbeitrag, gemessen an der Beitragsbemessungsgrenze, zu entrichten habe. Der Gesetzgeber habe hier ein Regel-Ausnahme-Prinzip geschaffen, wodurch dem Selbständigen zunächst vom Grundsatz her die Zahlung des Höchstbeitrages zugemutet werde. Danach spiele das tatsächliche Einkommen des Versicherten gerade keine Rolle. So müsse auch derjenige Selbständige den Mindestbeitrag entrichten, der lediglich Einkünfte unterhalb der Bezugsgröße erziele. Im Übrigen könne die Beitragsbemessung bei Selbständigen ohnehin nicht kongruent zu dem aktuell erzielten Arbeitseinkommen erfolgen, da erst nach Vorlage des jeweiligen Einkommensteuerbescheides eine Anpassung der Beiträge vorzunehmen sei. Die von dem Kläger gewünschte Beitragsgerechtigkeit sei daher zwangsläufig erst nach einer längeren Zeit der Selbständigkeit aufgrund der jeweils zeitversetzten Beitragsbemessung zu realisieren (vgl. BSG SozR 4-2500 § 240 Nr. 5). Zwar komme dem Kläger aufgrund der kurzen Dauer seiner Selbständigkeit der Vorteil der zeitversetzten Beitragsbemessung njcht zu gute, allerdings hätte der Kläger ohnehin ohne die zunächst vorläufige Feststellung der niedrigeren Beiträge solche auf der Grundlage der Beitragsbemessungsgrenze entrichten müssen.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 26.05.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23.06.2008 Berufung eingelegt, zu deren Begründung er ergänzend vorträgt, gemäß § 240 Abs. 1 SGB V sei bei der Berechnung der Höhe der Beiträge auf alle Einnahmen abzustellen, die zum Lebensunterhalt verbraucht würden oder verbraucht werden könnten. Dies sei bei der aufgelösten Ansparrücklage, da sie eine rein steuerliche, virtuelle Einnahme darstelle, gerade nicht der Fall. Seine tatsächlichen Einkünfte aus Gewerbebetrieb hätten 2004 bei lediglich 1.230,00 EUR gelegen. Die 14.800,00 EUR der Ansparrücklage hätten bereits 2003 zum Lebensunterhalt verbraucht werden können. Im Übrigen sei auf den Grundsatz der Einheitlichkeit des Sozialversicherungsrechts zu verweisen. Die vom BSG zu § 141 SGB III entwickelten Grundsätze müssten auch im Recht der GKV Anwendung finden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des SG Detmold vom 23.04.2008 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 15.08.2006, 16.08.2006 und 17.08.2006, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.01.2007, zu verurteilen, den monatlichen Beitrag zur KV für die Zeit vom 01.09.2004 bis zum 04.07.2005 endgültig auf lediglich 266,26 EUR festzusetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Detmold vom 23.04.2008 zurückzuweisen.

Sie erachtet das erstinstanzliche Urteil als zutreffend. Auf Nachfrage teilt sie mit, ohne Berücksichtigung der Ansparrücklage hätte der Kläger Beiträge zur KV in Höhe von monatlich 266,26 EUR, ausgehend von der Mindestbeitragsbemessungsgrenze für Selbständige (1.811,25 EUR in 2004 und 2005) zahlen müssen.

Der Senat hat die Vorgänge des Finanzamtes I, betreffend die Jahre 2004 und 2005, beigezogen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Senat ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen nimmt Senat auf den Inhalt der Prozess- sowie der Verwaltungsakte der Beklagten und der Vorgänge des Finanzamtes I Bezug, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden können (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat zu Recht mit Urteil vom 23.04.2008 die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 15.08.2006, 16.08.2006 und 17.08.2006, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.01.2007, sind rechtmäßig. Die von der Beklagten vorgenommene endgültige Bemessung der Beiträge zur KV ist dem Grunde und der Höhe nach zu Recht erfolgt: Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neuberechnung seiner Beiträge unter Außerachtlassung der aufgelösten Ansparrücklage in Höhe von 14.800 EUR.

Die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder richtet sich nach § 240 SGB V (hier in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung, mit Wirkung zum 01.01.2009 wesentlich geändert durch Art. 2 Nr. 29a1 lit. a bis d des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der GKV (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz) vom 26.03.2007 (BGBl I 378)). Danach bemisst sich der Beitrag nach der Satzung (der Krankenkasse), wobei sicherzustellen ist, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit berücksichtigt. Die Satzung muss mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds einbeziehen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (§ 240 Abs. 2 S. 1 SGB V). Nach § 240 Abs. 4 S. 2 SGB V gilt für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind, als beitragspflichtige Einnahme pro Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze, bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens der vierzigste Teil der Bezugsgröße. Veränderungen der Beitragsbemessung können aufgrund eines vom Versicherten geführten Nachweises nach Satz 2 nur zum ersten Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monat wirksam werden (§ 240 Abs. 4 S. 3 SGB V).

Nach § 15 Abs. 1 der Satzung der Beklagten in der für das Jahr 2006 geltenden, hier maßgeblichen Fassung werden freiwillig versicherte Mitglieder entsprechend ihrer Personenzugehörigkeit in Versicherungsklassen eingestuft. Beitragsbemessungsgrundlage sind dabei die beitragspflichtigen Einnahmen unter Berücksichtigung der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Zu den beitragspflichtigen Einnahmen gehören alle Einnahmen und Geldmittel, die zum Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden könnten ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung. Einmalige Einnahmen gelten mit einem Zwölftel des Jahresbetrags als monatliche beitragspflichtige Einnahmen. Diese Vorschriften sind für die Beitragsbemessung maßgebend.

Zu Recht hat die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden die KV-Beiträge für die Jahre 2004 und 2005 unter Berücksichtigung monatlicher beitragspflichtiger Einnahmen in Höhe der in diesen Jahren geltenden monatlichen Beitragsbemessungsgrenzen von 3.487,50 EUR bzw. 3.525,00 EUR (vgl. § 240 Abs. 4 S. 2, § 223 Abs. 3 und § 6 Abs. 1 SGB V, § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 der Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung (Sozialversicherungs-RechengrößenVO) für 2004 vom 09.12.2003, BGBl I S. 2497, bzw. für 2005 vom 29.11.2004, BGBl I S. 3098) festgesetzt. Niedrigere beitragspflichtige Einnahmen hat der Kläger nicht nachgewiesen. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2004, auf den wegen der endgültigen Beitragsfestsetzung - wie das SG zutreffend dargelegt hat - abzustellen war, wies Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 16.030,00 EUR für vier Monate (entsprechend 4.007,50 EUR monatlich) aus und damit Einnahmen oberhalb der in den Jahre 2004 bzw. 2005 geltenden o. g., auf den Monat umgerechneten Beitragsbemessungsgrenzen.

Entgegen der Auffassung des Klägers und mit dem SG war als beitragspflichtige Einnahme gemäß § 15 Abs. 3 der Satzung der Beklagten i. V. m. § 240 SGB V auch der dem Kläger in 2004 zugeflossene, der Besteuerung unterliegende Gewinn im Sinne von § 7g EStG aus der Auflösung seiner im Vorjahr gebildeten Ansparrücklage zu berücksichtigen. Wie das SG, auf dessen Entscheidungsgründe der Senat nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vollinhaltlich Bezug nimmt, zutreffend dargelegt hat, unterliegt der Beitragspflicht des freiwillig versicherten Selbständigen nach diesen Vorschriften sein Arbeitseinkommen im Sinne von § 15 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit (Abs. 1 S. 1). Zum Arbeitseinkommen aus selbständiger Tätigkeit im Sinne des Sozialversicherungsrechts rechnen auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 EStG, vgl. auch BSG SozR 4-2500 § 240 Nr. 6).

Der Gesetzgeber hat insbesondere durch die Streichung des früheren Satzes 2 ("Bei der Ermittlung des Gewinns sind steuerliche Vergünstigungen unberücksichtigt zu lassen und Veräußerungsgewinne abzuziehen") in § 15 SGB IV durch Art. 3 Nr. 2 des Agrarsozialreformgesetzes 1995 (ASRG 1995) vom 29.07.1994 (BGBl I S. 1890) deutlich gemacht, dass das Einkommensteuerrecht prinzipiell auch für die sozialversicherungsrechtliche Behandlung des Arbeitseinkommens maßgeblich sein soll. In § 15 Abs. 1 SGB IV ist grundsätzlich eine Parallelität zwischen Einkommensteuerrecht und Sozialrecht bei der Definition von Arbeitseinkommen angeordnet (BSG SozR 4-4300 § 141 Nr. 2 m. w. N.). Damit gehört zu dem Arbeitseinkommen des Klägers in 2004 nicht nur der im maßgeblichen Einkommensteuerbescheid 2004 tatsächlich erwirtschaftete Gewinn in Höhe von 1.230,00 EUR für vier Monate, sondern auch die aufgelöste Ansparrücklage in Höhe von weiteren 14.800,00 EUR. Zu den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts gehört nämlich auch die in § 7g EStG normierte Rücklage (vgl. dazu BSG SozR 4-5868 § 3 Nr. 2, BSG SozR 4-4300 § 141 Nr. 2 m. w. N.), die den Regelungen zu Absetzungen und Sonderabschreibungen zugeordnet ist (vgl. Fischer in jurisPK-SGB IV, § 15 RdNr. 43).

Ansparrücklagen sollen dem Selbstständigen ermöglichen, eine Rücklage für künftige Investitionen zu bilden. Dies wird dadurch erreicht, dass die Ansparrücklage durch ihre Bildung verhindert, dass in bestimmter Höhe erzielte Gewinne besteuert werden (s. hierzu Pinkos, Der Betrieb (DB) 1993, 1688). Nach § 7g Abs. 3 EStG können Steuerpflichtige für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines Wirtschaftsguts im Sinne des § 7g Abs. 1 EStG eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden (Ansparabschreibung). Wird die Investition durchgeführt, so muss die Ansparrücklage gemäß § 7g Abs. 4 S. 1 EStG gewinnerhöhend aufgelöst werden. Ist die Investition spätestens am Ende des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahres noch nicht abgeschlossen, so muss sie ebenfalls gewinnerhöhend aufgelöst werden (§ 7g Abs. 4 S. 2 EStG; s. hierzu BSG SozR 4-4300 § 141 Nr. 2 m. w. N.; Pinkos a. a. O.), wobei wegen des nicht erfüllten Investitionsversprechens ein Gewinnzuschlag nach § 7 Abs. 5 EStG die in Anspruch genommenen Steuervorteile wieder ausgleichen soll (BSG a. a. O. m. w. N.). Die Wirkung der Rücklagenbildung hat zur Folge, dass sie im Jahr der Bildung zu einem buchmäßigen Aufwand führt, unabhängig davon, ob dabei ein Verlust entsteht oder ein bestehender Verlust sich erhöht (§ 7g Abs. 3 S. 4 EStG). Durch die Bildung einer Rücklage erhält der Steuerpflichtige mithin einen Steuervorteil - im Fall des Klägers im Jahre 2003, als ihm die nicht unerhebliche Abfindung zugeflossen ist - unter der Bedingung, dass er spätestens zwei Jahre nach der (Eigenkapital schonenden) Rücklagenbildung investiert. Die Nichtbesteuerung der erzielten Gewinne in Höhe der Ansparrücklage führt somit dazu, dass beim Steuerpflichtigen im Jahr der Bildung der Ansparrücklage eine erhöhte Liquidität vorliegt. Mit dem Ersparten kann und soll der Steuerpflichtige investieren. Demgegenüber erhöht die Ansparrücklage im Jahr ihrer Auflösung - im Falle des Klägers im Jahre 2004 - steuerlich den Gewinn, hier aus Gewerbebetrieb.

Es bestehen auch keine Bedenken, es bei der Ermittlung der beitragspflichtigen Einnahme gemäß § 15 Abs. 3 der Satzung der Beklagten i. V. m. § 240 SGB V bei den steuerlichen Gegebenheiten zu belassen. Insbesondere ist die vom BSG (SozR 4-4300 § 141 Nr. 2) für § 141 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) vorgenommene einschränkende Auslegung des § 15 Abs. 1 SGB IV - dort durch Hinzufügen des im Steuerrecht unbekannten Merkmals des persönlichen Einsatzes - nicht auf die für das Beitragsrecht maßgebliche Einkommensermittlung übertragbar. Der Senat vermag dem Kläger nicht darin zu folgen, dass für die Höhe der zu erhebenden Beiträge die tatsächlichen Verhältnisse maßgeblich sind. Abgesehen davon, dass der Kläger nicht einmal behauptet hat, ihm hätten die nicht benötigten Investitionsmittel in Höhe der Ansparrücklage nicht zur Bestreitung seines Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden - er stellt dies nur als eine fiktive Möglichkeit in den Raum -, hat das BSG erst jüngst (Urt. vom 06.11.2008, Az.: B 1 KR 28/07 R, www.juris.de) die strenge Kongruenz von Steuer- und Beitragsrecht (im Gegensatz zu der Berechnung des Krankengeldes) betont. So können beispielsweise nur die Einnahmen eines bereits vergangenen Zeitraums im Sinne von § 240 Abs. 4 S. 2 SGB V nachgewiesen werden, die dann als laufende Einnahmen solange bei der Beitragsfestsetzung berücksichtigt werden, bis ein neuer Einkommensnachweis vorliegt. Diese Folge der Regelung ist im Gesetzgebungsverfahren auch erkannt worden. Nach dem Bericht des Bundestagsausschusses für Gesundheit sollte die Beitragsbemessung nach niedrigeren Einnahmen als in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze nur bei deren Nachweis, z. B. durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheides, erfolgen (vgl. BT-Drucks 12/3937 S. 17), was voraussetzt, dass ein vergangenheitsbezogener Einkommensnachweis wie der Steuerbescheid Grundlage für eine zukunftsbezogene Beitragsfestsetzung ist. Die damit lediglich zeitversetzt erfolgende Berücksichtigung der tatsächlichen Einnahmen von hauptberuflich Selbstständigen ist nicht zu beanstanden (BSG SozR 4-2500 § 240 Nr. 5). Auf einen längeren Zeitraum gesehen wird die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zutreffend berücksichtigt, denn es erfolgt ein Ausgleich der wechselnden Einnahmen, indem sowohl die nachgewiesene Erhöhung der Einnahmen als auch deren nachgewiesene Verringerung für die zukünftige Beitragsfestsetzung jeweils bis zum Nachweis einer Änderung berücksichtigt wird. So wäre es bei längerer Dauer der Selbständigkeit des Klägers auch bei diesem gewesen. Er hätte nach Vorlage des entsprechenden Einkommensteuerbescheides unter Umständen für das Jahr der Bildung der Ansparrücklage beitragsrechtlich durch Erzielung eines geringeren steuerlichen Gewinns profitiert, während sich die Auflösung der Ansparrücklage beitragsrechtlich nach Erteilung des Einkommensteuerbescheides für dieses Jahr beitragsrechtlich gegebenenfalls negativ wegen des attestierten höheren Gewinns ausgewirkt.

Dass der Kläger die aufgelöste Ansparrücklage nicht erarbeitet hat, steht einer Berücksichtigung bei der Beitragsermittlung ebenfalls nicht entgegen. Der Senat nimmt insoweit auf die übertragbare Begründung des BSG zu einem Gewinn aus der Veräußerung eines GmbH-Anteils (SozR 4-2500 § 240 Nr. 6) Bezug.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Anlass für die Zulassung der Revision ist nicht gegeben, § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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