L 12 (20) AS 34/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 7 AS 265/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 (20) AS 34/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 101/11 R
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Rev. d. Kl. zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 05.05.2009 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der der Klägerin zu 2) aus einer Erbschaft im April 2008 zugeflossene Betrag von 22.650,42 EUR als einer Leistungsbewilligung entgegenstehendes Einkommen zu berücksichtigen oder vielmehr bereits ab Mai 2008 als ein durch Freibeträge geschütztes und damit unverwertbares Vermögen anzusehen ist.

Im September 2005 beantragten die Kläger erstmalig nach vorausgegangenem Bezug von Arbeitslosengeld (Alg) I des Klägers zu 1) Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB II), die ihnen wegen gestiegenen Nebeneinkommens und Wechsels der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (BG) in unterschiedlicher Höhe bewilligt wurden. Mit Bescheid vom 18.02.2008 wurden für den Monat März 2008 Leistungen in Höhe von 1.521,28 EUR bewilligt. Der letzte vor dem streitigen Zeitraum liegende Fortzahlungsantrag datiert vom 05.03. bzw. 19.03.2008.

Zum 01.04.2008 nahm die Klägerin zu 2) eine unbefristete Vollzeittätigkeit auf, mit der sie monatlich 1.284,00 EUR brutto erzielte. Im November 2007 wurde der Beklagten von einem Herrn T in seiner Eigenschaft als Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft mitgeteilt, die Klägerin zu 2) sei Miterbin einer Eigentumswohnung geworden. Ausweislich des notariellen Testaments der Frau T1 vom 22.08.2003 war die Klägerin zu 2) Miterbin zu 1/3. Der Erbfall war am 21.06.2007 eingetreten. Zum Nachlass gehörte ferner das Guthaben eines Girokontos in Höhe von 1.746,50 EUR sowie die sich der auf einem Sparkonto befindliche Betrag von 20,01 EUR. Mit notariellem Vertrag vom 28.03.2008 veräußerte die Erbengemeinschaft die Wohnung zu einem Kaufpreis von 77.000,00 EUR. Am 14.04.2008 wurde dem Girokonto der Klägerin zu 2) ein Betrag von 23.550,42 EUR gutgeschrieben, von dem noch anteilige Erbschaftssteuer in Höhe von 900,00 EUR zu entrichten war, so dass der Betrag von 22.650,42 EUR verblieb.

Auf den Fortzahlungsantrag von März 2008 erließ die Beklagte den an die Klägerin zu 2) gerichteten Bescheid vom 20.03.2008, mit dem sie den Klägern für die Monate April und Mai 2008 Leistungen in Höhe von jeweils 1.521,28 EUR bewilligte, insgesamt also 3.042,56 EUR. Die Bewilligung erfolgte als Darlehen, da den Klägern für den Bewilligungszeitraum voraussichtlich Einnahmen zufließen würden.

Gegen diesen Bescheid richtete sich der Widerspruch vom 10.04.2008, der nicht begründet wurde.

Mit weiterem Bescheid vom 20.05.2008 forderte die Beklagte die mit Bescheid vom 20.03.2008 darlehensweise bewilligte Leistung in Höhe von 2.949,76 EUR zurück. Der Anspruch auf Alg II bestehe nicht mehr aufgrund einer einmaligen Einnahme (Erbe). Das Erbe sei am 14.04.2008 zugeflossen und von diesem Zeitpunkt an auf einen angemessenen Zeitraum anzurechnen. Dieser solle 12 Monate nicht übersteigen. Das Erbe habe 22.650,42 EUR betragen, der errechnete Bedarf habe zuletzt bei 780,00 EUR gelegen, so dass damit der Lebensunterhalt für einen Zeitraum von 12 Monaten aus dem Erbe zu bestreiten sei.

Ausweislich eines Telefonvermerks vom 27.05.2008 wurde der zurückgeforderte Betrag noch im laufenden Monat überwiesen.

Am 03.06.2008 beantragten die Kläger die Weiterbewilligung der Leistungen nach dem SGB II. Mit Schreiben vom 08.06.2008 trugen sie vor, der streitige Betrag sei der Erlös aus dem Verkauf einer Eigentumswohnung, die unstreitig Vermögen der Erblasserin gewesen sei. Aus diesem Grunde sei dann auch der Erlös aus dem Verkauf Vermögen, denn Grundvermögen könne nicht durch Verkauf zu Einkommen werden. Da das Vermögen der fünfköpfigen Bedarfsgemeinschaft unterhalb der Freibeträge liege, sei es von der Verwertung ausgeschlossen. Jedes der drei Kinder habe einen Freibetrag von 3.100,00 EUR, der Gesamtbetrag für Anschaffungen liege bei 3.750,00 EUR. Mit dem verbleibenden Betrag von 9.600,00 EUR schöpften die Kläger zu 1) und 2) nicht einmal den ihnen zustehenden Freibetrag von 12.300,00 EUR aus. Damit sei der Erbanteil von Anfang an geschütztes Vermögen gewesen und hätte nicht berücksichtigt werden dürfen. Die Zahlungen der Leistungen für die Monate April und Mai 2008 nur als Darlehen sei damit bereits rechtswidrig gewesen. Selbst wenn man bei einer Erbschaft von Einkommen ausgehen würde, bestünde ebenfalls keine Anrechnungsmöglichkeit, wenn die Einnahme nicht während des Bezugs der Leistungen zugeflossen sei. Zwar habe zum Zeitpunkt der Auszahlung des Erbes ein Leistungsbezug vorgelegen, durch die Rückzahlung der Darlehensleistung am 29.05.2008 für die Monate April und Mai 2008 sei dieser jedoch rückwirkend wieder entfallen. Damit sei der Erbteil zugeflossen, als kein Leistungsbezug mehr vorgelegen habe.

Mit Bescheid vom 25.06.2008 lehnte die Beklagte den Antrag der Kläger von 03.06.2008 ab. Bei der Erbschaft der Eigentumswohnung handele es sich um eine einmalige Einnahme in Geldeswert, die in der Bedarfszeit wertmäßig dazu gekommen sei. Solche Einnahmen seien vom Zuflusszeitpunkt an für einen angemessenen Zeitraum anzurechnen. Der angemessene Zeitraum könne üblicherweise erst dann bestimmt werden, wenn der Erlös aus der Verwertung der Immobilie bekannt sei. Zunächst seien die Leistungen zum Lebensunterhalt antragsgemäß ab 01.04.2008 darlehensweise bewilligt worden (Bescheid vom 20.03.2008). Nachdem das Ergebnis der Verwertung bekannt geworden sei, seien diese Leistungen zurückgefordert worden. Einmalige Einnahmen seien auf einen angemessenen, maximal 12 Monate umfassenden Zeitraum zu verteilen. Der dann immer noch nicht verbrauchte Anteil sei bei der Weiterbewilligung der Leistungen als Vermögen zu berücksichtigen. Bei dem Verkaufserlös von 22.650,42 EUR entfalle in einem 12-monatigen Zeitraum ein Betrag von 1.887,54 EUR auf einen Monat. Dieser übersteige den Bedarf von 779,68 EUR monatlich deutlich, so dass keine Hilfebedürftigkeit gegeben sei.

Hiergegen richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 20.07.2008, zu dessen Begründung sie auf den Inhalt ihres Schreibens vom 08.06.2008 verwiesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.10.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie blieb bei der von ihr vertretenen Auffassung und legte die Berechnung unter Hinweis auf die rechtlichen Grundlagen dar.

Hiergegen richtete sich die am 13.10.2008 vor dem Sozialgericht Detmold erhobene Klage, mit der die Kläger unter Wiederholung ihres Vorbringens aus dem Verwaltungsverfahren ihr Begehren weiter verfolgten.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.10.2008 zu verurteilen, den Klägern rückwirkend ab Mai 2008 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung des Klageabweisungsantrags bezog die Beklagte sich auf ihre Ausführungen im angefochtenen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides.

Mit Urteil vom 05.05.2009 hat das Sozialgericht Detmold der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, den Klägern unter Aufhebung des Bescheides vom 25.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.10.2008 ab Mai 2008 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen. Streitgegenstand sei nicht nur der Bescheid vom 25.06.2008, sondern auch der in diesem Bescheid ausdrücklich erwähnte Bescheid vom 20.05.2008, der die Rückforderung der darlehensweise bewilligten Leistungen für die Monate April und Mai 2008 betreffe. Die Bezugnahme auf den Bescheid vom 20.05. 2008 stelle sich für die Kammer nicht als bloße argumentative und als Begründung angeführte Erwähnung dar, sondern fasse die durchgängige Rechtsauffassung der Beklagten bescheidmäßig zusammen. Die tragende Begründung sowohl der Rückforderung als auch der Leistungsversagung sei die Auslegung der Begriffe "Vermögen" und "Einkommen" durch die Beklagte. Unschädlich sei, dass der Verfügungssatz des Bescheides vom 25.06.2008 nicht eindeutig den Bescheid vom 20.05.2008 in Bezug nehme, da erst Verfügungssatz und Begründung zusammen den Regelungsgehalt eines Bescheides bestimmten. Dass die Beklagte den Bescheid vom 20.05.2008 ebenfalls einbeziehen wollte, ergebe sich für die Kammer auch daraus, dass die Bevollmächtigte der Kläger mit ihrer Begründung für den Weiterbewilligungsantrag vom 03.06.2008 zugleich die Begründung des Bescheides vom 20.05.2008 angegriffen und die darlehensweise Bewilligung der Leistung als rechtswidrig angesehen habe. Mithin habe die Beklagte von einer Anfechtung des Bescheides vom 20.05.2008 innerhalb der Rechtsbehelfsfrist ausgehen müssen. Die Einbeziehung des Bescheides sei auch aus verwaltungsökonomischen Gründen geboten. Rechtswidrig habe die Beklagte mit Bescheid vom 20.05.2008 die darlehensweise gewährten Leistungen zurückgefordert und diese mit Bescheid vom 25.06.2008 für die Zukunft versagt. Darüber hinaus handele es sich bei der den Klägern im April 2008 zugeflossenen Erbschaft entgegen der hier nicht anzuwendenden Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II / Sozialgeld (AlgII-V) nicht um Einkommen über den Monat des Zuflusses hinaus, sondern ab dem Folgemonat um Vermögen. Auf den zu ermittelnden Bedarf sei das zu berücksichtigende Einkommen anzurechnen. Nach § 11 Abs. 2 SGB II umfasse der Begriff des Einkommens alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert. Zur näheren Anwendung sehe § 13 SGB II vor, dass Näheres durch eine Rechtsverordnung zu bestimmen sei. Nach § 2 Abs. 4 AlgII-V seien einmalige Einnahmen von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie zufließen würden. Sie seien, sofern nicht eine andere Regelung im Einzelfall angezeigt sei, auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und mit einem monatlichen Teilbetrag anzusetzen (§ 2 Abs. 3 Satz 2; 3 AlgII-V). Bereits die Vorschrift des § 2 Abs. 4 AlgII-V verlasse den Rahmen der zulässigen Ermächtigung des § 13 SGB II, sei daher rechtswidrig und von den Gerichten nicht anzuwenden. Die Kammer lasse dabei ausdrücklich offen, ob Zweck und Ausmaß der Ermächtigung im Gesetz ausreichend konkretisiert seien (zweifelnd Berlit in LPK, 1. Auflage, § 13 Rdz 1), die Ermächtigung diene nicht der Definition von Einkommen und Vermögen im Sinne einer Grenzziehung, sondern nur der Negativabgrenzung, was gerade nicht Einkommen oder Vermögen sein solle. Dies sei eine Ermächtigung, zum Wohle der Antragsteller günstigere Regelungen zu schaffen. Die Verordnungsermächtigung gelte nicht der grundsätzlichen Ermächtigung, die Begriffe Einkommen und Vermögen zu definieren. Genau dies aber bewirke § 2 Abs. 4 AlgII-V, wenn diese Bestimmung Wertzuflüsse auf Folgemonate fiktiv aufteile und sie wie zufließendes Einkommen behandele. Durch die Verteilung der Erbschaft auf 12 Monate verwische die Beklagte die klare Unterscheidung zwischen dem, was Einkommen und was Vermögen sei. Hierfür bedürfe es einer eindeutigen gesetzlichen Definition, die sich aber im SGB II gerade nicht finden lasse. Nach der ständigen Rechtsprechung der Sozialgerichte, insbesondere auch des Bundessozialgerichts (BSG), solle Einkommen alles das sein, was der Hilfebedürftige während des Zahlungszeitraums wertmäßig dazu erhalte (LSG NRW, Urteil vom 20.06.2007 - L 12 AS 44/06 - ), nach anderer Formulierung das, was er als Zufluss in der Bedarfszeit nach Antragstellung erhalte (BSG-Urteil vom 30.09.2008 - B 4 AS 29/07 R - ). Anders als in der Sozialhilfe betreffe die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II einen Zeitraum von 6 Monaten (dort nur 1 Monat). Dies zeige, dass sich die Unterscheidung zwischen Einkommen und Vermögen an dem grundsätzlichen Sprachgebrauch der Einmonatsfrist orientieren müsse, was bereits das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) für sich in Anspruch genommen habe. Dies bedeute für den vorliegenden Fall, dass die Beklagte für den Monat des Zuflusses der Erbschaft vom Einkommen ausgehen müsse. Das Problem der Beurteilung für den Folgemonat stelle sich im Bereich der Sozialhilfe aufgrund der kürzeren Bewilligungsabschnitte nicht, für den Bereich des SGB II könne dieses Problem nur dahingehend gelöst werden, dass sich das Einkommen im Folgemonat in Vermögen wandele und damit nur unter Berücksichtigung der Freibeträge anzurechnen sei. Ohne diese Auslegung wären beide Begriffe nicht eindeutig unterscheidbar. Die Kammer sehe sich in dieser Auslegung durch die Entscheidung des BSG vom 03.09.2008 (a.a.O.) ermutigt, denn dort werde hinsichtlich der Überwindung der Hilfebedürftigkeit durch Einkommen ausgeführt, bei erneutem Eintritt der Hilfebedürftigkeit im Anschluss lägen geänderte Verhältnisse vor. Das BSG deute in diesen Fällen an, eine Berücksichtigung als Vermögen ab Neuantrag könne unproblematisch sein. Die Kläger deuteten nachvollziehbar darauf hin, dass bei der Abmeldung aus dem Leistungsbezug für genau einen Monat und anschließender Neubeantragung von Leistungen unbillige Ergebnisse vorlägen. Die Frage der Gleichbehandlung gebiete es aber, die Fälle mit Unterbrechung und die durchgängigen Fälle gleich zu behandeln. Als Vermögensstock sei jedes Vermögen anzusehen, das zu Beginn eines Kalendermonats vorhanden sei. Den Umfang der Leistungen im Einzelnen werde die Beklagte bei der Berechnung zu berücksichtigen haben.

Das Urteil wurde der Beklagten am 10.07.2009 zugestellt.

Hiergegen richtet sich ihre Berufung vom 06.08.2009. Die Begründung des Sozialgerichts sei nicht haltbar. Das BSG habe sich bereits mehrfach mit der Frage der Berücksichtigung von einmaligen Einnahmen zu beschäftigen gehabt (Urteile vom 30.09.2008 - B 4 AS 29/07 R - und vom 03.03.2009 - B 4 AS 47/08 R - ). In diesen Entscheidungen habe es die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen klargestellt. Danach sei Einkommen im Sinne von § 11 SGB II alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhalte und Vermögen das, was er vor der Antragstellung bereits besessen habe. Unter Berücksichtigung dieser Definition handele es sich bei der am 14.04.2008 zugeflossenen Erbschaft eindeutig um Einkommen. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts habe das BSG in dem zitierten Urteil keine Veranlassung gesehen, die Regelung von § 2 Abs. 4 AlgII-V zu beanstanden, vielmehr werde ausdrücklich eine Anrechnung unter Berücksichtigung der Regeln der Verordnung vorgenommen. Die hierzu vertretene Auffassung des Sozialgerichts erschließe sich der Beklagten nicht. In der Entscheidung vom 30.09.2008 habe das BSG über die Anrechenbarkeit einer Steuererstattung entschieden und hierbei zu Lasten der Hilfeempfänger eine Aufteilung auf mehrere Monate in Betracht gezogen. Auch wenn das BSG bislang noch nicht den Fall einer Erbschaft als einmalige Einnahme zu entscheiden gehabt habe, sei die Beklagte der Auffassung, dass die vorliegenden Entscheidungen des BSG auch bei einer Erbschaft Berücksichtigung finden müssten. Dieser Auffassung habe sich auch der 9. Senat des LSG NRW mit Urteil vom 02.04.2009 - L 9 AS 58/07 - angeschlossen. Die Ausführungen des Sozialgerichts zur Gleichbehandlung der Sachverhalte mit unterbrochenem und durchgehendem Leistungsbezug überzeugten ebenfalls nicht, denn es sei bereits im Hinblick auf § 46 Abs. 2 SGB I fraglich, ob eine Unterbrechung des Leistungsbezugs durch Verzicht überhaupt möglich sei, denn damit würde die Anrechnung von einmaligen Einnahmen zu Lasten der Allgemeinheit in das Belieben von Leistungsempfängern gestellt. Im Übrigen sei auch davon auszugehen, dass trotz des späteren Verzichts im Zeitpunkt des Zuflusses Hilfebedürftigkeit vorgelegen habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 05.05.2009 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Nach Ansicht der Kläger sei die erstinstanzliche Entscheidung zutreffend. Die Beklagte verweise zu Unrecht auf die Rechtsprechung des BSG. Eine Steuererstattung sei nicht mit einer Erbschaft zu vergleichen, weil die Steuererstattung aus zu viel gezahlten Steuern für erhaltenes Einkommen bestehe, während eine Erbschaft schon begrifflich Vermögen sei. Ein Geldbetrag als Vermögen werde nicht durch einen Erbfall zu Einkommen. Die Kläger gingen daher über die vom Sozialgericht vertretene Auffassung hinaus und sähen eine Erbschaft immer als Vermögen an. Aus diesem Grunde wäre die Rückzahlung für den Monat April nicht erforderlich gewesen; in jedem Fall bestünde aber ein Anspruch auf Leistungen ab Mai 2008.

Wegen der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten, die der Senat beigezogen hat und deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist sowie auf den Vortrag der Beteiligten im Übrigen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Leistungsgewährung ab Mai 2008 bis einschließlich 18.11.2008, nachdem die Beklagte mit Bescheid vom 29.12.2008 den Klägern ab 19.11.2008 Leistungen bewilligt hat. Die Leistungsbewilligung erfolgte zwar nur vorläufig, weil das erzielte Einkommen des Klägers zu 1) aus selbständiger Erwerbstätigkeit im Zeitpunkt der Bewilligung nicht feststand, erfolgte aber unabhängig von der Frage der zugeflossenen Erbschaft. Dementsprechend haben die Kläger im Termin vor dem erkennenden Senat am 06.04.2011 den streitigen Zeitraum auch hierauf begrenzt.

Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts wird der Bescheid vom 20.05.2008 (Rückforderung der mit Bescheid vom 20.03.2008 darlehensweise gewährten Leistung) vom Streitgegenstand nicht erfasst. Der Streitgegenstand bestimmt sich primär nach dem Begehren der Kläger. Dieses ist gerichtet auf die Gewährung von Leistungen ab Mai 2008. Das ergibt sich daraus, dass die Kläger die Rückforderung der mit Bescheid vom 20.05.2008 geltend gemachten Leistungen akzeptiert haben, denn sie haben den Betrag in voller Höhe erstattet. Das ergibt sich aus dem Telefonvermerk vom 27.05.2008 (Bl. 265 R Verwaltungsakte (VA) II) und ihrem Vortrag im Berufungsverfahren (Schriftsatz vom 08.10.2009, Seite 2 letzter Absatz (Bl. 50 Gerichtsakte (GA)). Sie führen zwar in diesem Schriftsatz aus, der Ansicht zu sein, die Erbschaft sei grundsätzlich Vermögen, so dass die Rückzahlung für den Monat April nicht notwendig gewesen; es heißt dort aber weiter, auf jeden Fall hätten sie Anspruch auf Leistungen ab Mai 2008. Dieser Vortrag ist so zu verstehen, dass letztlich an der Rückforderung und Rückzahlung für den Monat April 2008 nicht mehr gezweifelt werden solle. Gestützt wird diese Bestimmung des klägerischen Begehrens auch durch die weiter von den Klägern vertretene Auffassung, durch die Rückzahlung der bewilligten Leistungen für April 2008 habe in diesem Monat kein Leistungsbezug vorgelegen, so dass die Erbschaft nicht im laufenden Bewilligungszeitraum zugeflossen und deshalb für die ab Mai 2008 begehrten Leistungen als Vermögen zu behandeln sei. Auch wenn diese Auffassung unzutreffend ist - die Erstattung der bewilligten Leistungen führt im Nachhinein nicht dazu, dass kein Leistungsbezug vorgelegen hat - , ändert das nichts am Begehren der Kläger. Es macht vielmehr deutlich, dass die Kläger die Rückforderung der Leistungen für den Monat April 2008 akzeptiert haben. Ungeachtet dieser Ausführungen hätte das Sozialgericht dann ausgehend von seiner Annahme, der Bescheid vom 20.05.2008 sei auch angefochten, diesen Bescheid in den Antrag der Kläger und den Tenor des Urteils aufnehmen müssen, was aber nicht erfolgt ist.

Die Berufung ist begründet, denn zu Unrecht hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, den Klägern ab Mai 2008 Grundsicherungsleistung nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Der Bescheid vom 25.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.10.2008 ist hinsichtlich des noch streitigen Zeitraums rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten nach § 54 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Die Beklagte hat zu Recht den Geldzufluss aus der Erbschaft als Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II angerechnet und - nach erfolgter Bewilligung ab 19.11.2008 - die Leistungsgewährung für die Zeit vom 01.05.2008 bis einschließlich 18.11.2008 versagt, weil das Einkommen den Bedarf der fünfköpfigen BG übersteigt, sich also kein Leistungsanspruch ergibt (vgl. hierzu BSG-Urteil vom 30.09.2008 - B 4 AS 57/07 R - ).

Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen und Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schäden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden. Nach § 12 Abs. 1 SGB II sind als Vermögen alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen; nach Abs. 2 der Vorschrift sind hiervon jedoch Freibeträge abzusetzen. Zudem sind in § 12 Abs. 3 SGB II bestimmte Vermögensbestandteile aufgeführt, die ganz oder teilweise nicht (bedarfsmindernd) zu berücksichtigen sind.

Eine Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen erfolgt durch das SGB II ebensowenig wie durch das bis zum 31.12.2004 geltende Bundessozialhilfegesetz (BSHG). § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist im Wesentlichen wortgleich mit der Vorgängerregelung des § 76 Abs. 1 BSHG sowie § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Im Sozialhilferecht hat das BVerwG die modifizierte Zuflusstheorie entwickelt und danach Einkommen als das angesehen, was jemand in der Bedarfszeit wertmäßig dazu erhält und Vermögen als das eingestuft, was er in der Bedarfszeit bereits hat (BVerwG, Urteil vom 18.02.1999 - 5 C 35/97 - und - 5 C 16/98 - ). Das BSG hat in seiner Rechtsprechung die modifizierte Zuflusstherorie aufgegriffen und weiter angewandt (BSG, Urteile vom 30.07.2008 - B 14 AS 26/07 R - , - B 14/7 b AS 12/07 R - , - B 14 AS 43/07 - und Urteile vom 30.09.2008 - B 4 AS 29/07 R - und - B 4 AS 57/07 R - ). Dieser Rechtsprechung folgt der Senat.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Unterscheidung von Einkommen und Vermögen ist im SGB II die Antragstellung gemäß § 37 SGB II, wobei auf die erste Antragstellung abzustellen ist (BSG, Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 62/08 R - ). Im zugrunde liegenden Sachverhalt erfolgte die erstmalige Antragstellung im September 2005. Unstreitig ist der Klägerin zu 2) der Betrag von 21.650,42 EUR am 14.04.2008, also nach der Antragstellung, zugeflossen. Der Zufluss resultiert auch unstreitig aus der Erbenstellung der Klägerin zu 2), die ausweislich des notariellen Testaments der Frau T1 vom 22.08.2003 Miterbin zu 1/3 geworden ist.

Die Anwendung der modifizierten Zuflusstheorie auf Erbschaften ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Die ganz überwiegende Rechtsprechung zum SGB II stellt bei Erbschaften auf den Zeitpunkt des Geldzuflusses aus der Erbschaft ab und betrachtet diesen - bei Zufluss nach der Antragstellung - als Einkommen (vgl. hierzu Urteil LSG NRW vom 02.04.2009 - L 9 AS 58/07 - , Juris-Ausdruck Rdz 33 m.w.N.).

Bei der rechtlichen Qualifizierung der Einordnung des Zahlungszuflusses bei der Klägerin zu 2) am 14.04.2008 geht der erkennende Senat von Einkommen aus. Nicht zu folgen ist der Auffassung des Sozialgerichts, unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Bewilligungszeiträume im SGB II (6 Monate) und im SGB XII (1 Monat) sei die Erbschaft nur im Monat des Zuflusses Einkommen, vom Folgemonat hingegen als Vermögen anzusehen. Angesichts der oben dargestellten Abgrenzung des Zuflusses nach dem Zeitpunkt der ersten Antragstellung und nicht nach weiteren Folgeanträgen kann der Frage, welche Dauer der Bewilligungszeitraum umfasst, keine Bedeutung zukommen. Der Zeitpunkt der ersten Antragstellung stellt eine klare Zäsur dar, für die es auf die Dauer des Bewilligungszeitraums nicht ankommt. Ebensowenig vermag der Senat der Auffassung der Kläger zu folgen, der der Klägerin zu 2) zugeflossene Betrag stamme aus dem Verkauf einer Eigentumswohnung, die unstreitig als Vermögen der Erblasserin anzusehen gewesen sei und aus diesem Grunde auch dauerhaft die Eigenschaft als Vermögen behalte. Gegen diese Ansicht spricht der Umstand, dass es sich bei dem der Klägerin zu 2) zugeflossenen Betrag um eine Forderung handelt, die ihr entsprechend ihrem Anteil am Nachlass aus der ungeteilten Erbengemeinschaft gegenüber ihren Miterben nach der Teilung zusteht. Durch die Veräußerung der Wohnung hat die ungeteilte Erbengemeinschaft sich ihres dinglichen Rechts an der Eigentumswohnung begeben, deren Wert mit der weiteren Folge kapitalisiert, dass die sich daraus für die einzelnen Erben ergebenden Forderungen bei ihrer Realisierung eigene Wege gehen. Der Anteil der Klägerin zu 2) an dem Nachlass ist nicht als Immobilie in ihr Alleineigentum gelangt, sondern nur als daraus resultierender und ihrem Anteil entsprechender Geldbetrag.

Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Forderung der Klägerin zu 2) auf Auszahlung eines Drittels des Wertes der Wohnung gegenüber ihren Miterben nach Teilung der Erbengemeinschaft eine vermögenswerte Position darstellt, denn in der höchstrichterlichen Rechtsprechung wird davon ausgegangen, dass bei der Realisierung von Forderungen auf den Zeitpunkt des Geldzuflusses abzustellen ist und nicht auf den des Erwerbs der Forderung (BVerwG, Urteil vom 18.02.1999 - 5 C 16/98 - und BSG, Urteil vom 30.09.2008 - B 4 AS 29/07 R - und - B 4 AS 57/07 R - ). Ungeachtet dessen, dass auch die Forderung als vermögenswerte Position erst durch den Erbfall am 21.06.2007, also nach der ersten Antragstellung im September 2005 der Klägerin zu 2) zugefallen ist, ergibt sich die Richtigkeit dieser Überlegung auch aus der Tatsache, dass Einnahmen grundsätzlich aus bereits bestehenden Rechtspositionen erzielt werden. Das BVerwG (a.a.O.) hat hierzu bereits ausgeführt, der Umstand, dass eine auf Geld oder Geldeswert gerichtete und noch nicht erfüllte Forderung einen wirtschaftlichen Wert darstelle und damit zum Vermögen des Inhabers gehöre, führe nicht zu einer Konkurrenz dergestalt, dass die Forderung als Vermögen und daneben die Leistung aus der Forderung zu berücksichtigen seien. Vielmehr sei § 76 BSHG zu entnehmen, dass im Falle der Auszahlung einer Forderung sozialhilferechtlich grundsätzlich nicht das Schicksal der Forderung interessiere, sondern allein auf die Erzielung von Einkünften in Geld- oder Geldeswert als Einkommen abgestellt werde. Etwas Anderes gelte nur dann, wenn mit bereits erlangten Einkünften Vermögen gespart worden sei. Das BSG hat diese Sichtweise für das SGB II übernommen und entschieden, dass eine Einkommensteuererstattung nach Antragstellung (Urteil vom 30.07.2008 - B 14 / 7 b AS 12/07 R - und vom 30.09.2008 - B 4 AS 29/07 R - ), nachträglich gezahltes Arbeitsentgelt (Urteil vom 30.07.2008 - B 14 AS 43/07 R - ) und Zinsgutschriften aus Schonvermögen (Urteil vom 30.09.2008 - B 4 AS 57/07 R - ) Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 SGB II darstellen.

Der Senat hat keine Bedenken, diese Überlegungen auch auf Geldzahlungen aus einer Erbschaft, insbesondere nach Auseinandersetzung der Miterbengemeinschaft, zu übertragen.

Ebensowenig bestehen Bedenken, dieses Einkommen auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag anzusetzen. Das ergibt sich vorliegend bereits aus der Überlegung, dass die Beklagte der Bedarfsgemeinschaft, wiederum ab 19.11.2008 Leistungen ohne Berücksichtigung der Erbschaft bzw. der Forderung daraus bewilligt hat, so dass sich hier der streitige Zeitraum auf einen solchen von 6 Monaten und 18 Tagen beschränkt. Bei einem unter Berücksichtigung der Einkünfte aus Erwerbsvermögen noch offenen monatlichen Bedarf von 779,68 EUR käme damit ein Betrag von ca. 5000,00 EUR zur Anrechnung, der weniger als ¼ der Erbschaft ausmacht.

Rechtsgrundlage für die Verteilung ist § 2 Abs. 4 der auf der Rechtsgrundlage des § 13 SGB II erlassenen Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II /Sozialgeld vom 17.12.2007. Die Bedenken des Sozialgerichts, die Vorschrift sei von ihrer Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt, hält der Senat nicht für überzeugend. Die Verordnungsermächtigung geht ersichtlich nicht dahin, die Begriffe Einkommen und Vermögen im Wege einer Rechtsverordnung voneinander abzugrenzen, sondern gibt der Verwaltung die Legitimation, die Verwendung und Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen näher zu bestimmen. Daraus ergibt sich, dass die Unterscheidung bereits vorausgesetzt wird und erst dann, wenn feststeht, ob es sich bei wirtschaftlichen Werten um Einkommen oder Vermögen handelt, der Regelungsgehalt der AlgII-V einsetzt. Damit hält sich die Verordnung im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage und ist bei der Verteilung anzuwenden.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

Da die Frage der Kategoriesierung einer Erbschaft bisher höchstrichterlich nicht entschieden ist, hat der Senat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 SGG). Die Entscheidung des 14. Senats des BSG vom 24.02.2011 - B 14 AS 45/09 R - , die ohne mündliche Verhandlung erging, lag dem erkennenden Senat im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 06.04.2011 noch nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved