L 12 AS 1337/10

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 18 (22) AS 3/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AS 1337/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 166/11 R
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Revision zurückgewiesen.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 27.05.2010 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit vom 01.10.2008 bis 05.11.2008 streitig.

Die am 00.00.1948 geborene Klägerin ist türkische Staatsbürgerin. Sie bezog bereits ab dem Jahr 2005 Leistungen nach dem SGB II von dem Beklagten. Am 11.01.2007 vereinbarte die Klägerin mit dem Beklagten den Bezug von Arbeitslosengeld II unter erleichterten Voraussetzungen (sog. "58er-Regelung", § 428 des Sozialgesetzbuches - Arbeitsförderung - SGB III). Während des laufenden Leistungsbezuges händigte der Beklagte der Klägerin am 30.08.2007 ein Merkblatt "Wichtige Hinweise und Informationen zu Ihren Pflichten, wenn Sie Leistungen des Sozialgesetzbuches Zweites Buch (SGB II) in Anspruch nehmen" aus. Das Merkblatt enthielt u.a. den Hinweis, dass Leistungen der Grundsicherung für Tage vor Antragstellung nicht bewilligt werden. Die Klägerin bestätigte mit ihrer Unterschrift den Erhalt einer Kopie des Merkblattes.

Mit Bescheid vom 03.03.2007 und Änderungsbescheid vom 21.05.2008 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen nach dem SGB II für den Bewilligungszeitraum vom 01.04.2008 bis 30.09.2008.

Am 10.07.2008 sprach die Klägerin bei einem Mitarbeiter des Beklagten, dem Zeugen B, wegen der Einholung einer Zustimmung zu einer beabsichtigten Ortsabwesenheit vor. Der Beklagte stimmte einer Ortsabwesenheit der Klägerin vom 17.07.2008 bis 16.10.2008 zu. Am 15.07.2008 sprach die Klägerin erneut beim Zeugen B vor, um die Dauer der Zustimmung zur Ortsabwesenheit ändern zu lassen. An diesem Tag stimmte der Beklagte einer verlängerten Ortsabwesenheit der Klägerin vom 17.07.2008 bis 16.11.2008 zu. Der weitere Inhalt der Gespräche zwischen der Klägerin und dem Zeugen B sind zwischen den Beteiligten streitig.

Ab dem 17.07.2008 befand sich die Klägerin im Rahmen der zugestimmten Ortsabwesenheit in der Türkei. Am 08.08.2008 versandte der Beklagte ein Schreiben an die Klägerin, mit der er an die Stellung eines Weiterbewilligungsantrages für die Zeit nach dem 30.09.2008 erinnerte. Mit weiterem Schreiben des Beklagten vom 06.11.2008 wurde die Erinnerung wiederholt. Am 06.11.2008 meldete sich die Klägerin vorzeitig aus der Ortsabwesenheit zurück und stellte zugleich einen Fortzahlungsantrag.

Mit Bescheid vom 07.11.2008 bewilligte der Beklagte der Klägerin sodann Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 06.11.2008 bis 30.04.2009.

Am 17.11.2008 sprach die Klägerin in Begleitung einer Übersetzerin, der Zeugin L, erneut bei dem Zeugen B wegen der ausgebliebenen Leistungsgewährung während ihrer Ortsabwesenheit vor.

Mit Schreiben vom 24.11.2008 legte die Klägerin gegen den Bescheid vom 07.11.2008 Widerspruch ein, soweit ihr keine Leistungen für die Zeit ab 01.10.2008 bewilligt worden waren.

Den Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass sie sich beim Zeugen B erkundigt habe, ob eine sechswöchige Ortsabwesenheit ohne Konsequenzen bleiben würde, dies sei ihr gegenüber bejaht worden. Auch sei sie nicht über die Notwendigkeit der Stellung eines Folgeantrages und des Ablaufes ihres Alg-Il-Bescheides informiert worden, obwohl sie hiernach gefragt hätte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.12.2008 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Dies begründete er damit, dass Leistungen grundsätzlich erst nach Antragstellung erbracht werden könnten. Ein entsprechender Antrag sei durch die Klägerin erst am 06.11.2008 gestellt worden. Auch habe die Klägerin vom Erfordernis eines Fortzahlungsantrages Kenntnis gehabt, da sie seit dem Jahr 2005 im Leistungsbezug stehe und bereits mehrfach zuvor Anträge auf Weiterbewilligung der Leistungen gestellt habe. Weiterhin sei die Klägerin auch durch das Schreiben vom 08.08.2008 schriftlich über die Erforderlichkeit eines Fortzahlungsantrages informiert worden.

Am 13.01.2009 hat die Klägerin Klage vori dem Sozialgericht Detmold erhoben.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Nichtgewährung von Leistungen nach dem SGB II vom 01.10.2008 bis 05.11.2008 zu Unrecht erfolgt sei. Im Rahmen eines Fortzahlungsantrages sei davon auszugehen, dass der zuvor gestellte Erstantrag auf Arbeitslosengeld II fortwirke. Weiterhin sei ein Antrag auf Fortzahlung der Leistungen auch in ihrer Nachfrage gegenüber dem Zeugen B, ob sie während des Urlaubes Geld erhalte, enthalten. Jedenfalls sei in ihrem Antrag auf Zustimmung zur Ortsabwesenheit über den 30.09.2008 hinaus ein Leistungsantrag enthalten, da ohne Leistungsbezug eine Zustimmung zur Ortsabwesenheit nicht nötig sei. Weiterhin seien in ihrem Fall die Voraussetzungen für eine Gewährung von SGB Il-Leistungen für die Zeit vom 01.10.2008 bis 05.11.2008 nach den Grundsätzen der Nachsichtgewährung aufgrund einer besonderen Härte bzw. im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs gegeben. Dem Beklagten sei insoweit ein Beratungsfehler bezüglich der Zustimmung zur Ortsabwesenheit über das Ende des Bewilligungszeitraums am 30.09.2008 hinaus unterlaufen. Jedenfalls bei einer langandauernden Ortsabwesenheit - wie in ihrem Fall - sei der Beklagte zu der Prüfung verpflichtet, ob während der Ortsabwesenheit ein Bewilligungszeitraum endete bzw. ein entsprechender Fortzahlungsantrag vorliege. Während ihres Aufenthaltes in der Türkei habe sie niemanden beauftragt, sich um ihre Post zu kümmern, da sie ihrer Ansicht nach vorher alles geklärt habe und sie ansonsten auch keine Post erhalte.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid vom 07.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2008 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.10.2008 bis einschließlich 05.11.2008 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen In Höhe von zumindest 811,18 Euro zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat hierzu ausgeführt, dass die Nichtgewährung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.10.2008 bis 05.11.2008 zu Recht mangels Leistungsantrag erfolgt sei. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Zustimmung zur Ortsabwesenheit, da hieraus nur folge, dass die Ortsabwesenheit selbst einer weiteren Leistungsgewährung nicht entgegenstehe. Eine Aussage dahingehend, dass für die gesamte Zeit der Ortsabwesenheit automatisch Leistungen gewährt würden, ergebe sich hieraus nicht. Weiterhin sei die Klägerin auch ausreichend über das Erfordernis eines Fortzahlungsantrages informiert gewesen. Der Ablauf der laufenden Bewilligung habe sich insbesondere auch aus den ihr übersandten Bewilligungsbescheiden ergeben. Weiterhin habe die Klägerin das Schreiben, mit dem der Beklagte auf das Ende des Bewilligungszeitraums hingewiesen habe, lediglich deshalb nicht erhalten, weil sie sich trotz einer viermonatigen Ortsabwesenheit nicht um eine Kontrolle ihrer Post gekümmert habe.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch die uneidliche Zeugenvernehmung des Zeugen B sowie der Zeugin L. Hierzu wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 27.05.2010 sowie den Tatbestand des Urteils des Sozialgerichts Bezug genommen.

Mit Urteil vom 27.05.2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen das Folgende ausgeführt:

Die zulässige Klage sei unbegründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 07.11.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2008 sei rechtmäßig, soweit für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.10.2008 bis 05.11.2008 keine Leistungen nach dem SGB II gewährt worden seien und beschwere die Klägerin daher nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes - (SGG).

Der Beklagte habe die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.10.2008 bis 05.11.2008 zu Recht abgelehnt, denn es fehle für diesen Zeitraum am erforderlichen Leistungsantrag der Klägerin. Entscheidend für den Leistungsbeginn sei das Datum der Antragstellung; dieses habe der Beklagte zu Recht auf den 06.11.2008 gelegt. Denn erst zu diesem Datum sei der erforderliche Fortzahlungsantrag der Klägerin gestellt worden.

Ein Leistungsantrag sei sowohl für den erstmaligen Bezug von SGB Il-Leistungen wie auch für eine Fortzahlung der Leistungen nach Ablauf eines Bewilligungszeitraums (§ 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II) erforderlich. Leistungen nach dem SGB II würden gemäß § 37 Abs. 1 SGB II auf Antrag erbracht, für Zeiten vor Antragstellung scheide eine Leistungsgewährung grundsätzlich aus.

Die Regelung in § 37 SGB II gelte unabhängig davon, ob es sich um einen Erst- oder einen Folgeantrag für weitere Bewilligungsabschnitte handele. Der Wortlaut des § 37 SGB II, der allein den Begriff "Antrag" verwende, differenziere nicht zwischen Erst- und Folgeantrag. Auch im Wege der Auslegung sei eine solche Unterscheidung nicht nur nicht geboten; sie widerspreche sogar der mit der Regelung verfolgten Absicht des Gesetzgebers. Auch aus der Systematik des SGB II ergebe sich das Erfordernis des Fortzahlungsantrags für die Gewährung von weiteren Leistungen nach Ablauf eines Bewilligungszeitraums.

Es bleibe daher bei dem allgemeinen Grundsatz, dass ein verfahrensrechtlicher Antrag gemäß § 39 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) fortwirke und wirksam bleibe, solange die Bewilligungsentscheidung nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt sei. Es komme dem auf eine Leistungsgewährung nach dem SGB II gerichteten Antrag deshalb nur bis zu dem Zeitpunkt Wirkung zu, zu dem die Wirkung der auf diesen Antrag hin erfolgten Bewilligungsentscheidung ende. Ein Berechtigter, der Leistungen nach dem SGB II beantragt, sei deshalb gehalten, für die Folgezeit einen Weiterbewilligungsantrag gemäß § 37 SGB II zu stellen, um dem Leistungsträger eine Entscheidung über die weitere Leistungsbewilligung zu ermöglichen. Da es für die Hilfegewährung insbesondere auf die aktuelle Hilfebedürftigkeit und die aktuelle Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaft ankomme, sei davon auszugehen, dass nach Ablauf des Bewilligungsabschnitts die Wirkung des ursprünglichen Antrags erlösche, mithin ein neuer Fortzahlungsantrag notwendig sei.

Die Klägerin habe auch nicht bereits vor dem 06.11.2008 einen Fortzahlungsantrag gestellt. Ein Antrag auf Fortzahlung der Leistungen ab 01.10.2008 sei insbesondere nicht in dem Antrag auf Zustimmung zur Ortsabwesenheit zu erblicken.

Die Zustimmung zur Ortsabwesenheit beschränke sich darauf, dass durch sie im Fall der Ortsabwesenheit des Leistungsempfängers kein Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4a SGB II eintrete. Durch die Zustimmung zur Ortsabwesenheit werde seitens des Beklagten keine bindende Feststellung dahingehend abgegeben, dass für die gesamte Dauer der zugestimmten Ortsabwesenheit ein Leistungsanspruch bestehen würde. Auch habe die Erteilung der Zustimmung zur Ortsabwesenheit nicht zur Voraussetzung, dass bereits für die gesamte Zeit ein Leistungsanspruch bewilligt sei oder anschließend noch bewilligt werde. Die Zustimmung erschöpfe sich darin, dass durch sie festgestellt wird, dass für die Dauer der beabsichtigten Ortsabwesenheit die Vermittlung in Arbeit bzw. in eine Maßnahme voraussichtlich nicht beeinträchtigt werde. Der Beklagte habe daher nicht bereits durch die Zustimmung zur Ortsabwesenheit für den Zeitraum ab 01.10.2008 einen Leistungsanspruch der Klägerin bestätigt; er habe lediglich die Voraussetzungen geschaffen, dass bei Stellung eines Fortzahlungsantrages dieser nicht wegen eines Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 4a SGB II habe abgelehnt werden müssen.

Eine Antragstellung sei auch nicht im Verlauf der beiden Vorsprachen der Klägerin am 10.07.2008 und am 15.07.2008 bei dem Zeugen B erfolgt. Denn es stehe für die Kammer nicht fest, dass im Verlauf dieser beiden Vorsprachen über die Fortdauer der Leistungsgewährung gesprochen worden sei. Zwar habe die Klägerin selbst angegeben, sie sei aufgrund ihrer Nachfrage, ob sie Geld während des Urlaubes erhalte, davon ausgegangen, dass die Leistungen für die gesamte Dauer der Ortsabwesenheit weiter gezahlt würden. Dieses Vorbringen sei jedoch durch den Zeugen B nicht bestätigt worden. Der Zeuge habe für die Kammer nachvollziehbar bekundet, dass grundsätzlich bei Vorsprachen wegen Ortsabwesenheit Weiterbewilligungsanträge und die Dauer der laufenden Bewilligung nicht thematisiert würden. Auch habe der Zeuge bekundet, er habe an die konkreten Gesprächsinhalte mit der Klägerin keine Erinnerung mehr. Wenn im Fall der Klägerin, entgegen des ansonsten üblichen Ablaufs, über Weiterbewilligungsanträge gesprochen worden wäre, würde dies vielmehr dafür sprechen, dass sich der Zeuge an diesen Umstand habe erinnern können. Denn in diesem Fall läge eine Abweichung vom üblichen, standardisierten Ablauf der Erteilung der Zustimmung vor.

Die Angaben der Zeugin L seien zu den Umständen der Vorsprache im Juli 2008 unergiebig gewesen. Denn die Zeugin habe bekundet, dass sie bei dem späteren Gespräch im November 2008 zwar zugegen gewesen sei, sie sich jedoch an den Inhalt des Gespräches zwischen der Klägerin und dem Zeugen B nicht mehr habe erinnern können. Somit stehe jedenfalls nicht fest, dass die Klägerin gegenüber dem Zeugen B einen formlosen Fortzahlungsantrag im Zusammenhang mit ihrem Antrag auf Zustimmung zur Ortsabwesenheit gestellt habe. Die Nichterweislichkeit wirke sich zu ihrem Nachteil aus. Lasse sich der Zugang eines Antrags zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht feststellen, wirke sich dies nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zum Nachteil des Leistungsbeziehers aus, der aus dieser Tatsache (hier: rechtzeitige Antragstellung) Rechte herleiten will.

Schließlich sei die Klägerin auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu behandeln, als hätte sie den Fortzahlungsantrag rechtzeitig gestellt. Denn es fehle hierfür an einer notwendigen Pflichtverletzung des Beklagten. Zwar sei der Leistungsträger grundsätzlich verpflichtet, den Hilfebedürftigen rechtzeitig darauf hinzuweisen, dass nach Ablauf des Bewilligungsabschnitts ein Folgeantrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II zu stellen sei. Der Beklagte sei seiner Hinweispflicht gegenüber der Klägerin jedoch ausreichend nachgekommen. So sei die Klägerin durch ein Merkblatt des Beklagten am 30.08.2007 u.a. darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass der Bezug von Leistungen einen Antrag erfordere. Das Merkblatt habe auch den Hinweis enthalten, dass möglichst zwei Wochen vor Ablauf des Bewilligungszeitraumes ein neuer Antrag gestellt werden solle. Die Klägerin habe den Erhalt des Merkblattes mit ihrer Unterschrift bestätigt. Die Frage des Sprach- und Leseverständnisses der Klägerin müsse die Kammer hierbei nicht weiter aufklären; denn auch wenn die Klägerin nur unzureichend der deutschen Sprache mächtig wäre, entwerte dies nicht die Hinweise durch das Merkblatt. Die Klägerin wäre in diesem Fall verpflichtet gewesen, sich den Inhalt des Merkblattes durch die Zuhilfenahme eines Übersetzers oder durch konkrete Nachfragen bei der Beklagten selbst näher bringen zu lassen. Soweit dies unterblieben sei, sei der Klägerin ein Sorgfaltsverstoß anzulasten, da sie sich nicht ausreichend um die Verfolgung ihrer Interessen gekümmert habe.

Darüber hinaus sei die Klägerin auch durch die laufende Bewilligung aus dem Bescheid vom 03.03.2008 mit dem Bewilligungszeitraum vom 01.04.2008 bis 30.09.2008 davon in Kenntnis gesetzt worden, dass eine laufende Bewilligung nur bis zum Ablauf des Monats September 2008 bestanden habe. Aufgrund des bereits über einen Zeitraum von mehreren Jahren andauernden Leistungsbezugs habe die Klägerin hieran und dem Ausbleiben eines neuen Bewilligungsbescheides für die Zeit nach dem 30.09.2008 ebenfalls erkennen können, dass bis zum Beginn ihrer Ortsabwesenheit noch keine neue Bewilligung für die Zeit ab Oktober 2008 erfolgt sei.

Schließlich habe der Beklagte die Klägerin noch durch das Informationsschreiben vom 08.08.2008 über den Ablauf der Bewilligung zum 30.09.2008 und das Erfordernis des Fortzahlungsantrages für weitergehende Leistungen informiert. Der Umstand, dass die Klägerin von diesem Brief keine Kenntnis erlangt habe, sei ihrer Sphäre zuzurechnen. Denn die Klägerin habe es trotz eines für ca. vier Monate geplanten Auslandsaufenthaltes unterlassen, eine Kontrolle ihrer Briefpost sicherzustellen. Selbst wenn die Klägerin zutreffend davon ausgehe, dass sie kaum Post erhalte, stelle sich der Verzicht auf eine Kontrolle der Briefpost für vier Monate als fahrlässiges Verhalten dar. Der Umstand, dass die konkrete Information über die Stellung eines Fortzahlungsantrages vom 08.08.2008 die Klägerin nicht rechtzeitig erreicht habe, sei daher der Klägerin selbst zuzurechnen.

Der Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, durch den Zeugen B nochmals ausdrücklich auf die Stellung eines Fortzahlungsantrages hinzuweisen. Denn nach den Bekundungen des Zeugen B stehe nicht fest, dass über das Thema der Dauer der Bewilligung bzw. eines Fortzahlungsantrages überhaupt im Rahmen der Zustimmung zur Ortsabwesenheit gesprochen worden sei. Der Zeuge B habe sich auch nicht zu einer Spontanberatung (§ 14 des Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil - SGB I) veranlasst sehen müssen. Denn aus dem Gesamtverlauf der Leistungsgewährung an die Klägerin ergebe sich, dass durch die Beklagte eine generelle Information über die Notwendigkeit von Fortzahlungsanträgen gegenüber den Leistungsbeziehern erfolge. Einen Anlass für eine konkrete Beratung der Klägerin habe der Zeuge B daher für die Beklagte nicht annehmen müssen.

Auch aus den Grundsätzen der Nachsichtgewährung ergebe sich keine Verpflichtung der Beklagten zur Leistungserbringung für die Zeit vom 01.10.2008 bis 05.11.2008. Denn eine Nachsichtgewährung erfordere, dass das zugrunde liegende Versäumnis unverschuldet zustande gekommen sei. Hieran fehle es vorliegend bereits. Weiterhin scheide eine Nachsichtgewährung aus, da die Klägerin keinen außergewöhnlichen, unverhältnismäßigen Nachteil durch den begrenzten Verlust ihres Anspruches auf SGB II-Leistungen erleide. Die Folgen des verspäteten Fortzahlungsantrages erschöpften sich darin, dass vom Ende der bisherigen Bewilligung (30.09.2008) bis zum Fortzahlungsantrag (06.11.2008) keine Leistungen an die Klägerin erbracht würden. Darüber hinausgehende Folgen habe der verspätet gestellte Antrag jedoch für die Klägerin nicht. Insbesondere erleide sie keine weitergehenden, dauerhaften Verluste ihrer sozialen Rechte.

Gegen das der Klägerin am 09.07.2010 zugestellte Urteil wendet sie sich mit der am 09.08.2010 eingelegten Berufung.

Zur Begründung führt die Klägerin im Wesentlichen folgendes aus:

Das Sozialgericht verkenne in seiner Entscheidung die Tragweite des sich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - ergebenden Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG). Zwar könne es zunächst für den konkreten Fall dahinstehen, ob das in § 37 SGB II normierte Antragserfordernis für die Leistungen nach den Vorschriften des SGB II nicht bereits selbst verfassungswidrig sei und der Gesetzgeber einen Zugang zu dem verfassungsrechtlich gewährleisten Existenzminimum überhaupt von der Stellung eines Antrages habe abhängig machen dürfen oder das Einsetzen der Hilfen wie etwa in § 18 Abs. 1 SGB XII bereits spätestens ab der Kenntnis des Staates von der Notlage des Hilfebedürftigen hätte bestimmen müssen. Jedenfalls reiche es hier aus, § 37 SGB II dergestalt auszulegen, dass für die Bewilligung keine übergroßen Hürden aufgebaut und ungerechtfertigte Anforderungen an die Hilfebedürftigen gestellt würden, sondern eine Auslegung erfordere, die eine bestmögliche Verwirklichung ihres - der Klägerin - Grundrechts gewährleiste. Auch wenn in der Beweisaufnahme vor dem Sozialgericht die Gespräche mit dem Zeugen B nicht hätten rekonstruiert werden können, so habe sie mit der Einholung der Zustimmungen zu ihrer geplanten Ortsabwesenheit auch Anträge auf Leistungen gemäß § 37 SGB II gestellt. Denn es stehe anhand der Unterlagen und der Aussage des Zeugen fest, dass sie die 17-wöchige Ortsabwesenheit bei ihm beantragt habe und dafür zweimal bei ihm erschienen sei. Indem das Sozialgericht sich lediglich auf die Feststellung beschränke, dass die Zustimmung zur Ortsabwesenheit einem Ausschluss gemäß § 7 Abs. 4a SGB II vorbeuge und die Erteilung derselben keine Aussage der Behörde über die zukünftige Leistungsbewilligung enthalte, verkürze es den Antrag auf Bewilligung der Ortsabwesenheit in seinem objektiven und subjektiven Bedeutungsgehalt und vernachlässige bei seiner getroffenen Auslegung die Grundrechtsrelevanz. Denn diese Zustimmung sei nur unter der Voraussetzung notwendig und zulässig, dass überhaupt Leistungen in Anspruch genommen werden sollen. Es bestehe für Ortsabwesenheiten von Nichtleistungsbeziehern auch keine Kompetenz des Beklagten zur Bewilligung oder Ablehnung einer solchen Ortsabwesenheit. Da beide Beteiligten jedoch in der Auffassung übereingestimmt hätten, dass der Beklagte auch für den Zeitraum nach dem 01.10.2008 für die Erteilung der Ortsabwesenheit zuständig sein sollte und durfte, sei bei zutreffender Auslegung anhand der Kompetenzen des Beklagten und des erkennbaren Willens der Antragsteller in einer Beantragung von Ortsabwesenheiten immer auch ein solcher auf den Bezug von Leistungen mindestens für deren Dauer anzuerkennen.

Ferner hätte sich dem Sozialgericht und vor allem dem Beklagten aufdrängen müssen, dass im ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 03.03.2010 fehlerhaft kein Ermessen ausgeübt worden sei, ihr - der Klägerin - Leistungen gemäß § 41 Abs. 1 Satz 5 SGB II für einen Zeitraum von zwölf Monaten zu bewilligen. Da sie das Alg II unter erleichterten Voraussetzungen bezogen habe und sich ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie Bedarfe nicht grundsätzlich geändert hätten, hätte zumindest eine Ausdehnung des Bewilligungszeitraumes auf zwölf Monate in Erwägung gezogen werden müssen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 27.05.2010 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 07.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2008 zu verurteilen, ihr Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.10.2008 bis einschließlich 05.11.2008 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen in Höhe von zumindest 811,18 Euro zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er nimmt zur Begründung auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug. Darüber hinaus sei die Darstellung der Klägerin, mit der Entscheidung des Sozialgerichts sei insbesondere das Urteil des BVerfG vom 09.02.2010 nicht berücksichtigt worden, nicht überzeugend. So könne aus der Rechtsprechung des BVerfG, der gesetzliche Leistungsanspruch müsse so ausgestaltet sein, dass der gesamte existenznotwendige Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers sichergestellt sei, nicht geschlussfolgert werden, dass das Antragserfordernis mit der Verfassung unvereinbar sei. Vielmehr liege die Einführung eines Antragserfordernisses im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere statthafte und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 27.05.2010 ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht abgewiesen. Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid des Beklagten vom 07.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2008 nicht i.S.d. § 54 Abs. 2 SGG beschwert, da sich dieser als rechtmäßig erweist. Es besteht kein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Leistungen nach dem SGB II für die streitgegenständliche Zeit vom 01.10.2008 bis 05.11.2008.

1.) Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr. 1 SGG beteiligtenfähig. Es steht insoweit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gleich. Bei dem Jobcenter (§ 6d SGB II i.d.F. des Gesetzes vom 03.08.2010, BGBl. I S. 1112) handelt es sich um eine gemeinsame Einrichtung (§ 44b Abs 1 Satz 1 SGB II i.d.F. des Gesetzes vom 03.08.2010, BGBl I. S. 1112), die mit Wirkung vom 01.01.2011 kraft Gesetzes als (teil-)rechtsfähige öffentlich-rechtliche Gesellschaft sui generis entstanden ist (Luik, jurisPR-SozR 24/210 Anm. 1). Die gemeinsame Einrichtung ist im Rahmen der gesetzlichen Aufgabenzuweisung Trägerin von Rechten und Pflichten und nimmt die Aufgaben der Träger wahr, indem sie insbesondere Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide erlässt (§ 44b Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II). Gemäß § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB II tritt die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten Arbeitsgemeinschaft (ARGE). Nach dieser Vorschrift tritt bei einem Wechsel der Trägerschaft oder der Organisationsform der zuständige Träger oder die zuständige Organisationsform an die Stelle des bisherigen Trägers oder der bisherigen Organisationsform; dies gilt insbesondere für laufende Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Wegen dieser Weiterentwicklung der Organisation des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch ist somit kraft Gesetzes ein Beteiligtenwechsel auf der Beklagtenseite eingetreten, so dass das Passivrubrum von Amts wegen entsprechend zu berichtigen war (BSG 18.01.2011 - B 4 AS 90/10 R - Rdnr. 11 [Juris]).

2.) Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.10.2008 bis 05.11.2008, weil es für diese Zeit an einem hierfür erforderlichen Antrag nach § 37 Abs. 1 SGB II fehlt (s. unter a.). Ein solcher Antrag war auch nicht in dem von der Klägerin gestellten und von dem Beklagten bewilligten Antrag auf Ortsabwesenheit über den ursprünglichen Bewilligungszeitraum hinaus enthalten (s. unter b.). Ferner kann die Klägerin die begehrten Leistungen auch nicht aus dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs oder der sog. Nachsichtgewährung herleiten (s. unter c. und d.).

a.) Der Beklagte hat im angefochtenen Bescheid vom 07.11.2008 rechtmäßig den Beginn für die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II auf die Zeit ab dem 06.11.2008 festgesetzt, weil die Klägerin erst zu diesem Zeitpunkt den erforderlichen Folgeantrag nach § 37 Abs. 1 SGB II gestellt hat. Eine Weiterzahlung der Leistungen direkt im Anschluss an den letzten Bewilligungsabschnitt (01.04.2008 bis 30.09.2008, Bescheide vom 03.03.2008 und 21.05.2008), d.h. ab 01.10.2008, kommt deshalb nicht in Betracht (§ 37 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Das Sozialgericht hat zutreffend ausgeführt, dass auch für eine Fortzahlung der Leistungen nach Ablauf des jeweiligen Bewilligungsabschnitts (§ 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II) ein Leistungsantrag gemäß § 37 Abs. 1 SGB II erforderlich ist und Leistungen nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht werden (§ 37 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Es hat auch rechtlich zutreffend ausgeführt, dass einem auf eine Leistungsgewährung nach dem SGB II gerichteten Antrag nach § 37 Abs. 1 SGB II in Anwendung der Vorschrift des § 39 Abs. 2 SGB X nur bis zu dem Zeitpunkt Wirkung zukommt, zu dem die Wirkung der auf diesen Antrag hin erfolgten Bewilligungsentscheidung endet (vgl. hierzu eingehend LSG NRW 11.05.2010 - L 6 AS 40/09 - Rdnrn. 20 ff. [Juris]). Dies ist mit dem Ablauf des im Leistungsbescheid festgelegten jeweiligen Bewilligungsabschnitts der Fall, hier also mit Ablauf des 30.09.2008. Zur Vermeidung von Wiederholungen sieht der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil er den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt.

Die von dem Sozialgericht geäußerte Rechtsauffassung hat nunmehr mit Urteilen des 4. Senats des BSG vom 18.01.2011 (B 4 AS 99/10 R und B 4 AS 29/10 R, s. Terminbericht Nr. 1/11) ihre höchstrichterliche Bestätigung gefunden. Das BSG hat im Anschluss an die ganz herrschende Auffassung der Sozialgerichte und Landessozialgerichte (vgl. LSG NRW 11.05.2010 - L 6 AS 189/10 -; HessLSG 08.12.2009 - L 7 AS 413/09 -; LSG NRW 17.04.2009 - L 19 B 63/09 AS -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 16.03.2009 - L 29 AS 162/09 B ER -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 13.03.2009 - L 14 B 2368/08 AS PKH -; LSG NRW 17.04.2008 - L 9 AS 69/07 -; SG Bremen, Gerichtsbescheid v. 07.01.2010 - S 18 AS 664/09 -; SG Reutlingen 03.03.2009 - S 2 AS 4577/08 -) ausgeführt, dass auf das Antragserfordernis nach § 37 Abs. 1 SGB II nicht zu verzichten sei, weil eine Fortzahlung im direkten Anschluss an einen vorhergehenden Bewilligungszeitraum begehrt werde. Der Antrag im SGB II habe konstitutive Wirkung und anders als im Sozialhilferecht (§ 18 SGB XII) sei die Kenntnis des Leistungsträgers von der Hilfebedürftigkeit nicht anspruchsauslösend. Ebenso sei keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 SGB X einzuräumen, da die Vorschrift des § 37 SGB II keine gesetzliche Frist normiere. Dem schließt sich der Senat vollumfänglich an.

Auch soweit die Klägerin verfassungsrechtliche Bedenken gegen das (konstitutive) Antragserfordernis des § 37 SGB II aus dem Gesichtspunkt des Zugangs zum verfassungsrechtlich gewährleisteten, menschenwürdigen Existenzminimum (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG) geltend macht, folgt der Senat dem nicht. Insbesondere lässt sich dem von der Klägerin zitierten Urteil des BVerfG vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - kein Hinweis entnehmen, dass das Erfordernis eines (Erst- oder Folge-)Antrages als verfahrensrechtliche (nicht materiell-rechtliche) Voraussetzung für die Leistungserbringung nach dem SGB II grundrechtlichen Bedenken ausgesetzt ist. Dementsprechend fehlt auch eine mit Gesetzeskraft (§ 31 BVerfGG) versehene Anordnung, die sich auf Anträge nach § 37 SGB II bezieht. Ferner hat das BSG ausweislich des Terminberichts Nr. 1/11 in seinen Urteilen vom 18.01.2011 (B 4 AS 99/10 R und B 4 AS 29/10 R, letzteres mittlerweile im Volltext veröffentlicht, s. Juris) keinerlei verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung des § 37 SGB II artikuliert, sondern diese Vorschrift richtigerweise auch auf Folgeanträge erstreckt, was mit verfassungsrechtlichen Vorbehalten schlechterdings nicht zu vereinbaren wäre.

Aber auch in der Sache bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. So ist das Antragserfordernis aus dem Recht der Arbeitslosenhilfe (§§ 190 ff. SGB III a.F.) entlehnt, welches sich - soweit ersichtlich - keinen Bedenken in verfassungsrechtlicher Hinsicht ausgesetzt sah. Zwar enthält das Recht der Sozialhilfe in § 18 SGB XII ein solches Antragserfordernis nicht, sondern stellt auf den Kenntnisgrundsatz ab. Dass sich der Gesetzgeber des SGB II gleichwohl nicht hieran orientierte, ist unter Berücksichtigung seines auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht weiten Gestaltungsspielraums nicht zu beanstanden. So gehören vornehmlich erwerbsfähige Hilfebedürftige zum Kreis der nach dem SGB II Leistungsberechtigten (§§ 7 Abs. 1 Satz 1, 8 Abs. 1 SGB II), während dies bei Bedürftigen nach dem SGB XII im Grundsatz nicht der Fall ist (vgl. §§ 19, 21, 41 SGB XII). Es ist einleuchtend, wenn der Gesetzgeber typisierend davon ausgeht, dass von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (auch für die mit ihnen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen handelnd, § 38 SGB II) eher als von nicht Erwerbsfähigen verlangt werden kann, Anträge zu stellen, damit ihnen Leistungen bewilligt werden. Inwieweit dies unzumutbar sein soll, um Zugang zu existenzsicherenden Leistungen zu erlangen, ist nicht ersichtlich, zumal der Antrag nach § 37 Abs. 1 SGB II mit Blick auf den Grundsatz der Nichtförmlichkeit des Verwaltungsverfahrens an keine besondere Form gebunden ist, er mithin schriftlich, mündlich oder fernmündlich gestellt werden kann (vgl. Link, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 37 Rdnr. 20). Von "übergroßen Hürden" kann also keine Rede sein.

b.) Die Klägerin hat auch nicht dadurch einen Folgeantrag auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II über den 30.09.2008 hinaus gestellt, indem sie am 10.07.2008 und 15.07.2008 durch Vorsprache bei dem Beklagten erfolgreich die Zustimmung zur Ortsabwesenheit in der Zeit vom 17.07.2008 bis 16.11.2008 und damit über den ursprünglichen Bewilligungszeitraum für SGB II-Leistungen hinaus beantragt hat. Das Sozialgericht ist nach durchgeführter Beweisaufnahme mittels Befragung der Zeugen B (Mitarbeiter des Beklagten) und L (Übersetzerin der Klägerin, die diese zur erneuten Vorsprache bei dem Zeugen B am 17.11.2008 begleitete) in seiner ausführlichen Beweiswürdigung (§ 128 SGG) zu dem Ergebnis gelangt, es stehe nicht fest, dass im Verlauf der Vorsprachen der Klägerin bei dem Zeugen B am 10.07.2008 und 15.07.2008 auch über die Fortdauer des Leistungsanspruchs der Klägerin gesprochen wurde. Die Beweiswürdigung des Sozialgerichts ist nach Auffassung des Senats schlüssig, frei von Widersprüchen sowie Verstößen gegen Denkgesetze und damit nicht zu beanstanden. Auch nach eigener Würdigung der im Protokoll der mündlichen Verhandlung enthaltenen Aussagen der beiden Zeugen gelangt der Senat zum gleichen Ergebnis, so dass auch eine etwaige Wiederholung der Beweisaufnahme untunlich ist, da das Sozialgericht den Sachverhalt erschöpfend aufgeklärt hat, soweit es ihm möglich war. Zudem dürfte das Erinnerungsvermögen der Zeugen aufgrund des (weiteren) Zeitablaufs mittlerweile noch mehr nachgelassen haben. Ferner hat die Klägerin im Rahmen der Berufungsbegründung das Ergebnis der Beweisaufnahme und hierbei insbesondere die Beweiswürdigung des Sozialgerichts nicht angegriffen, sondern selbst eingeräumt, dass in der Beweisaufnahme die Gespräche mit dem Zeugen B nicht hätten rekonstruiert werden können. Die Nichterweislichkeit der die Klägerin begünstigenden Tatsache der rechtzeitigen (Folge-)Antragstellung am 10.07.2008 bzw. 15.07.2008 geht, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast nach Ausschöpfung aller Erkenntnisquellen zu deren Nachteil aus (vgl. hierzu LSG NRW 11.05.2010 - L 6 AS 189/10 - Rdnr. 10 [Juris]).

Soweit die Klägerin die Ansicht vertritt, dass in einer Einholung der Zustimmung zu einer geplanten Ortsabwesenheit gleichzeitig auch ein Folgeantrag gemäß § 37 Abs. 1 SGB II auf Leistungen der Grundsicherung zu sehen ist, wenn die Ortsabwesenheit über das Ende des jeweiligen Bewilligungsabschnitts hinaus reicht, überzeugt dies nicht. Die Klägerin begründet dies einerseits mit der Grundrechtsrelevanz des Antrags für den Zugang zu existenzsichernden Leistungen und andererseits mit einer fehlenden Kompetenz des Beklagten zur Bewilligung oder Ablehnung einer Ortsabwesenheit von Nichtleistungsbeziehern.

Beide Argumente sind nicht stichhaltig. So ist ein genereller Rechtssatz dergestalt, dass der Antrag auf Zustimmung zur Ortsabwesenheit über das Ende des jeweiligen Bewilligungsabschnitts hinaus stets als Antrag auf Weiterbewilligung von Leistungen der Grundsicherung nach § 37 Abs. 1 SGB II zu werten ist, nicht zulässig. Er widerspricht insbesondere der Gesetzessystematik. Gemäß § 7 Abs. 4a Halbsatz 1 SGB II erhält Leistungen nach dem SGB II nicht, wer sich ohne Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners außerhalb des in der Erreichbarkeits-Anordnung vom 23. Oktober 1997 (ANBA 1997, 1685), geändert durch die Anordnung vom 16. November 2001 (ANBA 2001, 1476), definierten zeit- und ortsnahen Bereiches aufhält. Die Norm hat einen sehr engen Anwendungsbereich. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es lediglich, eine Regelung über die Ortsabwesenheit zu treffen. Die Bezugnahme auf die Erreichbarkeits-Anordnung bezieht dabei die Prüfung ein, unter welchen Voraussetzungen und für welche Dauer Leistungsträger der Grundsicherung für Arbeitsuchende einem Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs zustimmen sollen (Spellbrink, in: Eicher/Spellbrink, a.a.O., § 7 Rdnr. 78). In der gesetzlichen Begründung (Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales vom 31.05.2006, BT-Drs. 16/1696, S. 26) heißt es ferner, "um die missbräuchliche Inanspruchnahme von Fürsorgeleistungen bei einem nicht genehmigten vorübergehenden auswärtigen Aufenthalt innerhalb und außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zu vermeiden, soll [ ] der Anspruch auf Leistungen bei einem Verstoß gegen den in Absatz 4a formulierten Grundsatz entfallen". Daraus folgt, dass § 7 Abs. 4a SGB II keine positive Anspruchsvoraussetzung für den Bezug von Leistungen nach dem SGB II darstellt, sondern vielmehr ein Leistungsausschluss die Folge sein soll, wenn sich der Leistungsempfänger bei rechtmäßiger Verweigerung der Zustimmung außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs aufhält (LSG NRW, Beschluss v. 22.09.2010 - L 9 B 166/09 AS - Rdnr. 8; ebenso Senat, Beschluss v. 14.11.2008 - L 12 B 129/08 AS -; Spellbrink, in: Eicher/Spellbrink, a.a.O., § 7 Rdnrn. 78 u. 88). Mit dem Sozialgericht bedeutet § 7 Abs. 4a SGB II positiv gewendet, dass die genehmigte Ortsabwesenheit des Leistungsempfängers einer (Weiter-)Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II nicht entgegensteht. Ob die sonstigen Voraussetzungen für das (Weiter-)Bestehen eines Leistungsanspruchs vorliegen, ist jedoch gerade nicht Gegenstand der Zustimmung zur Ortsabwesenheit. Deswegen kann die Frage der Ortsabwesenheit als bloße Teilvoraussetzung eines nach anderen Normen zu prüfenden Leistungsanspruchs auch nicht Gegenstand eines Verwaltungsakts sein, sondern es handelt sich allenfalls um eine bloße Verfahrenshandlung i.S.d. § 44a der Verwaltungsgerichtsordnung - (VwGO), die nicht zum Abschluss des Verfahrens durch eine Sachentscheidung führt (LSG NRW, Beschluss v. 22.09.2010 - L 9 B 166/09 AS - Rdnr. 9 [Juris]). Daraus folgt konsequenterweise aber auch, dass die Zustimmung zur Ortsabwesenheit keine Feststellung über das Fortbestehen eines Leistungsanspruchs nach dem SGB II beinhaltet, auch nicht über das Ende des Bewilligungsabschnitts hinaus. Es handelt sich vielmehr um ein rechtliches aliud, so dass in dem Zustimmungsantrag nach § 7 Abs. 4a SGB II i.V.m. der Erreichbarkeits-Anordnung nicht quasi automatisch auch ein Fortzahlungsantrag nach § 37 Abs. 1 SGB II erblickt werden kann. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Zustimmung zur Ortsabwesenheit speziell bei der Klägerin angesichts ihrer nach § 428 SGB III abgegebenen Erklärung "reine Formsache" war. Dies ändert nichts an den o.a. Grundsätzen. Entgegen dem Berufungsvorbringen der Klägerin ist ihre Ansicht auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten, weil für den Antrag nach § 37 Abs. 1 SGB II, wie bereits ausgeführt, gerade keine "übergroßen Hürden" aufgestellt werden, sondern dieser formlos gestellt werden kann. Nach alledem kommt es für die Frage, ob ein Leistungsantrag nach § 37 SGB II im Zusammenhang mit einem Begehren auf Zustimmung zur Ortsabwesenheit gestellt worden ist, stets auf die Umstände des Einzelfalls an, so dass diese Frage hier beweisbedürftig war und mit dem bekannten Beweisergebnis für die Klägerin ausgegangen ist (s.o.).

Endlich ist auch das Argument der fehlenden Regelungskompetenz des SGB II-Leistungsträgers für "Nichtleistungsempfänger" bei Zustimmungen zur Ortsabwesenheit nicht überzeugend. Entscheidend ist, dass die betreffende Person im Zeitpunkt der Erteilung der Zustimmung im Leistungsbezug steht oder zumindest zu dem leistungsberechtigten Personenkreis nach § 7 Abs. 1 SGB II gehört. Dass eine längere - genehmigte - Ortsabwesenheit angesichts des Bewilligungsabschnitts von in der Regel 6 Monaten (§ 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II) über das Ende des Bewilligungszeitraums hinausreichen kann, liegt in den dargestellten, unterschiedlichen Regelungskomplexen begründet. Einen Vergleich mit "Nichtleistungsbeziehern" hält der Senat dagegen für abwegig.

Soweit die Klägerin in der Berufungsbegründung darüber hinaus moniert, dass der Beklagte im Bescheid vom 03.03.2010 fehlerhaft kein Ermessen dahingehend ausgeübt habe, dass ihr gemäß § 41 Abs. 1 Satz 5 SGB II Leistungen für einen Zeitraum von 12 Monaten zu bewilligen gewesen wären, weil sie unter erleichterten Voraussetzungen Alg II beziehe und sich ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie Bedarfe nicht grundsätzlich änderten, ist ihr bereits die Bestandskraft des o.a. Bescheides mit daraus folgender Bindungswirkung (§ 77 SGG) entgegenzuhalten.

c.) Ferner ist die Klägerin auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als ob sie den erforderlichen Folgeantrag nach § 37 Abs. 1 SGB II rechtzeitig gestellt hätte. Denn es fehlt hierfür an einer notwendigen Pflichtverletzung des Beklagten. Dies hat das Sozialgericht eingehend und überzeugend ausgeführt, so dass der Senat auch hier auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug nimmt. Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Beklagte die Klägerin auf die Notwendigkeit auch einer Folgeantragstellung im von der Klägerin unterschriebenen Merkblatt vom 30.08.2007 ausdrücklich hingewiesen hat, ebenso mit Informationsschreiben vom 08.08.2008. Damit ist er seinen Beratungs- und Informationspflichten mehr als hinreichend nachgekommen (vgl. hierzu auch LSG NRW, Beschluss v. 17.04.2009 - L 19 B 63/09 AS - Rdnr. 7 [Juris]). Mangelnde Sprachkenntnisse der Klägerin sind dabei ebenso ihrer (und nicht des Beklagten) Sphäre zuzurechnen wie eine durch einen Auslandsaufenthalt bedingte fehlende Möglichkeit der Kenntnisnahme. Dies hätte durch entsprechende Vorkehrungen der Klägerin (Information des Beklagten, Beauftragung einer im Inland befindlichen Hilfsperson, Nachsendeauftrag o.ä.) abgewendet werden können. Das Sozialgericht hat auch angesichts der fortlaufenden Gewährung von Leistungen an die Klägerin seit 2005 mit wiederholten Informationen des Beklagten über die Notwendigkeit von Folgeanträgen nach Ablauf des jeweiligen Bewilligungsabschnitts sowie des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme zutreffend eine Pflicht des Beklagten auf Durchführung einer sog. Spontanberatung (§ 14 SGB I) anlässlich ihrer Vorsprachen am 10.07.2008 und 15.07.2008 verneint. Auch dem ist von Seiten des Senats nichts hinzuzufügen.

d.) Endlich scheidet auch eine Verpflichtung des Beklagten zur Leistungserbringung für den streitgegenständlichen Zeitraum (01.10.2008 bis 05.11.2008) nach den Grundsätzen der sog. Nachsichtgewährung (vgl. BSG 27.09.1983, SozR 5750 Art. 2 § 51a Nr. 55) aus, da bei der Klägerin weder ein unverschuldetes Versäumnis, noch - durch das zwischenzeitliche Ausbleiben von Leistungen - eine ungewöhnliche Härte vorgelegen hat (etwa Verlust der Wohnung). Näheres hierzu wird auch im Rahmen ihres Berufungsvorbringens nicht vorgetragen, so dass sich der Senat den Ausführungen des Sozialgerichts vollumfänglich anschließt.

3.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

4.) Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG bestehen nicht. Insbesondere fehlt es an einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache. Die Rechtsfrage, ob § 37 Abs. 1 SGB II auch auf Folgeanträge bei vorausgegangenem Leistungsbezug Anwendung findet und dem Antrag auf Gewährung von Leistungen konstitutive Bedeutung zukommt, ist nunmehr höchstrichterlich mit den zitierten Urteilen des 4. Senats des BSG vom 18.01.2011 (B 4 AS 99/10 R und B 4 AS 29/10 R) entschieden. Soweit die Klägerin die vom Fallgeschehen abstrahierende Ansicht vertritt, dass ein von dem Leistungsträger bewilligter Ortsabwesenheitsantrag über das Ende des Bewilligungszeitraums hinaus stets als konkludenter Leistungs(folge)antrag nach § 37 Abs. 1 SGB II zu werten ist, übersieht sie, dass es sich hierbei lediglich um eine auf den Einzelfall bezogene Tatfrage handelt.
Rechtskraft
Aus
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