L 2 AS 151/11 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 17 AS 2935/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AS 151/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 6. April 2011 wird aufgehoben und der Antrag des Antragstellers abgelehnt.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Versagung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) durch den Antragsgegner und begehrt eine vorläufige Anordnung dieser Leistungen mit Wirkung ab dem 1. Juni 2010.

Der am. 1960 geborene und geschiedene Antragsteller ist selbständig tätig und beantragte erstmals im Jahr 2001 Sozialhilfe, die er darlehensweise bis November 2002 von der Stadt H (S.) als zuständigem Träger für Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) erhielt. Später versagte die Stadt H (S.) die Sozialhilfe wegen fehlender Mitwirkung des Antragstellers bei der Aufklärung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Das VG Halle wies die Klagen des Antragstellers hiergegen ab (Az. 4 A 576/04 HAL, 4 A 524/03 HAL, 4 A 371/03 HAL).

Erstmals am 24. März 2005 beantragte der Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Seither sind zwischen dem Antragsteller und der ARGE SGB II H ... GmbH (ARGE), der Rechtsvorgängerin des Antragsgegners, viele Rechtsstreitigkeiten über die Leistungserbringung anhängig geworden. Im Zuge dessen fand zwischen den Beteiligten eine Mediation statt, in der sich die Beteiligten am 20. Januar 2010 auf einen Vergleich über strittige Ansprüche auf Leistungen für eine Mietkaution, Hilfe zum Lebensunterhalt im Jahr 2005 und Kosten der Heizung einigten. Sodann einigten sich die Beteiligten in Punkt 5 wie folgt: "Die Beklagte sagt dem Kläger zu, dass bei künftigen Antragstellungen eine formlose Antragstellung ausreicht. Der Kläger verpflichtet sich, unverzüglich sämtliche leistungsrelevanten Änderungen der Beklagten mitzuteilen sowie der Beklagten auf gesonderte Anforderung entsprechende Informationen zukommen zu lassen bzw. Unterlagen auf Anforderung einzureichen. Die Beklagte verpflichtet sich, bei Anforderung von Unterlagen den konkreten Sachverhalt, den es aufzuklären gilt, anzugeben."

Zuletzt bewilligte die ARGE mit Bescheid vom 5. November 2009 dem Antragsteller Arbeitslosengeld II (Alg II) in Höhe von monatlich 554 Euro (Regelleistungsanteil 279 Euro, Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung 275 Euro) für den Zeitraum vom 1. Dezember 2009 bis 31. Mai 2010.

Mit Schreiben vom 17. April 2010 beantragte der Antragsteller bei der ARGE ohne Verwendung der amtlichen Formulare die Fortzahlung von Leistungen ab dem 1. Juni 2010 für die Dauer von zwölf Monaten "nach SGB II bzw. hilfsweise nach SGB XII". Er sei auf die Sozialleistungen angewiesen. In seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen sei keine Änderung eingetreten bzw. seien diese bereits mitgeteilt. Änderungen seien nicht zu erwarten.

In einer am 29. April 2010 bei der ARGE eingegangenen Erklärung des Antragstellers "zur Ausübung von Erwerbstätigkeiten" versicherte der Antragsteller, dass er seit 1990 selbständig tätig sei und zwischenzeitlich neben dieser Beschäftigung eine unselbständige geringfügige Beschäftigung ausübe. Sowohl aus der nichtselbständigen Tätigkeit bei der ABM GmbH A ...betrieb und M (Geschäftsführer B. S. und G. F., Sitz in P straße in B.) als auch aus der selbständigen Tätigkeit für die Fa. GVD e.K. (eingetragener Inhaber Herr Dr. L., Sitz in L ...straße. in H. (S ...)) erziele er monatlich jeweils 100 Euro. Er werde regelmäßig an fünf Tagen in der Woche mehr als acht Stunden tätig. Eine weitere Erwerbstätigkeit sei ihm nicht möglich.

Mit Schreiben vom 17. Mai 2010 forderte die ARGE den Antragsteller auf, eine dem Schreiben beigefügte Erklärung "EKS" (Erklärung zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft) ausgefüllt einzureichen. Der Antragsteller habe mit seiner Erklärung vom 29. April 2010 ausgeführt, dass er neben einer abhängigen Beschäftigung auch eine selbständige Tätigkeit in einem Umfang von 40 Stunden wöchentlich ausübe. Sie benötige die Angaben zur Feststellung der Einkünfte aus der selbständigen Tätigkeit. Gleichzeitig belehrte die ARGE den Antragsteller, dass sie die Leistungen versagen könne, wenn der Antragsteller nicht bis zum 28. Mai 2010 reagiere oder die erforderlichen Unterlagen nicht einreiche. Dem Schreiben war der Gesetzestext der §§ 60, 66 und 67 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch – Allgemeiner Teil (SGB I) angefügt.

Mit Schreiben vom 19. Mai 2010 teilte der Antragsteller der ARGE mit, dass keine Veränderungen in seinen Verhältnissen eingetreten seien und dass er nicht erst am 29. April 2010 seine selbständige Tätigkeit dargelegt habe. Die ARGE solle sich bis zum 21. Mai 2010 äußern, wenn sie auch weiterhin die Bewilligung von der Einreichung der Unterlagen abhängig mache.

Am 29. Mai 2010 hat der Antragsteller bei dem Sozialgericht Halle (SG) vorläufigen Rechtsschutz mit dem Ziel beantragt, die ARGE zu verpflichten, ihm vorläufig für den Monat Juni 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren und diesen Antrag später auf die Zeit bis zur Entscheidung ausgedehnt. Zur Begründung hat der Antragsteller ausgeführt, dass seine persönlichen Verhältnisse und seine Einkommens- und Vermögenslage seit der letzten Bewilligung mit dem Bescheid der ARGE vom 5. November 2009 unverändert seien. Die ARGE fordere mit dem Schreiben vom 17. Mai 2010 ohne Berechtigung weitere Angaben. Die ARGE spekuliere darauf, dass er die formalen Anforderungen in diesem Verfahren nicht zu erfüllen vermöge. Er erhalte als Bezüge monatlich 200 Euro netto ausgezahlt. Hierüber seien keine schriftlichen Verträge geschlossen worden. Einnahmen aus Vermietung, Verpachtung, Kapitaleinkünfte oder sonstigen Einkünfte beziehe er nicht. Er entrichte auch keine Steuern von seinen Einkünften. Vermögen besitze er nicht. Im Rahmen seiner früheren gewerblichen Tätigkeit habe er Grundstücke in H , N ..., D.und K. sowie zwei Eigentumswohnungen in L ... erworben, deren Eigentümer er noch sei. Die ARGE habe die Grundstücke bereits bewertet und festgestellt, dass bedingt durch den baulichen Zustand und die eingetragenen Belastungen kein einsetzbares Vermögen vorliege. Nach Erstellung der Gutachten seien noch weitere Zwangshypotheken von Gläubigern eingetragen worden. Hierzu hat der Antragsteller verschiedene Unterlagen vorgelegt (z.B. Grundbuchauszüge, Schuldanerkenntnisse zugunsten eines Herrn Dr. D. L. aus H. und hierzu bewilligte Hypotheken, Vereinbarungen mit Herrn Dr. D L usw.). Herr Dr. L ... habe im Jahr 2000 auf die Gewährung von Sicherheiten gedrängt, so dass er abstrakte Schuldanerkenntnisse abgegeben habe, die die ihm gewährten Privatdarlehen ersetzten. Die Grundstücke seien bereits durch Besicherung zugunsten von Herrn Dr. L ... über den Verkehrswert hinaus belastet. Er wohne zur Untermiete in der Wohnung des Herrn Dr. L ... und habe eine Gesamtmiete von 275 Euro monatlich zu erbringen. Vergütungen für Strom, Telefon, TV-Anschluss und Warmwasseraufbereitung seien nicht in der Miete enthalten. Er lebe nicht in einer Lebensgemeinschaft oder eheähnlichen Gemeinschaft. Er verfüge nicht über Bankkonten und auch nicht über Ersparnisse. Für laufende Verbindlichkeiten gehe Herr Dr. L ... in Vorleistung. Er habe daher verfügt, dass laufende Sozialleistungen auf dessen Konto zu zahlen seien. Seine Vergütung für die Tätigkeiten für die ABM GmbH und die Fa. GVD e.K. seien jeweils für eine Arbeitszeit von vier Stunden und einem Stundensatz von 25 Euro kalkuliert. Mehrarbeit sei zu vergüten. Zu solcher Mehrarbeit sei er aber außer Stande. Die Ansprüche aus der Vermietung der Eigentumswohnung Nr ... in L ... (monatlich 360 Euro) habe er an Herrn Dr. L. abgetreten. Die Eigentumswohnung Nr. in L. sei an Herrn Dr. L ... vermietet, der sie weitervermieten habe wollen. Miete erhalte er aber nicht, weil diese erst fällig werde, wenn die Wohnung weitervermietet werde. Selbst wenn er eine Miete vereinnahmen würde, stünde den Einnahmen erhebliche Kosten gegenüber. Seine Forderungen gegen Dritte habe er auch Herrn Dr. L ... abgetreten. Zwischen ihm und Herrn Dr. L ..., den er seit den 1980er Jahren kenne, bestehe ein besonderes Vertrauensverhältnis.

Die ARGE hat eingewandt, der Antragsteller habe im Antragsverfahren keine genügenden Angaben gemacht. Mit dem Schreiben vom 29. April 2010 habe der Antragsteller keine Nachweise über sein Einkommen aus selbständiger bzw. nichtselbständiger Tätigkeit erbracht. Daneben bestehe kein Anordnungsgrund, weil keine existenzielle Notlage zu erkennen sei. Der Antragsteller erziele Einkommen mindestens in Höhe von 687,82 Euro (200 Euro aus den Tätigkeiten für die ABM GmbH und der Fa. GVD e.K.; Mieteinnahmen in Höhe von 360 Euro und 250 Euro). Die Abtretung der Einnahmen an Herrn Dr. L. sei sozialrechtlich wirkungslos. Ebenso seien die zugunsten von Herrn Dr. L ... eingetragenen Hypotheken grundsicherungsrechtlich nicht zu beachten, weil es dem Antragsteller verwehrt sei, sich hilfebedürftig zu machen. Es sei mangels glaubhafter Angaben zu den Darlehen von Herrn Dr. L ... davon auszugehen, dass die Hypotheken nur eingetragen worden seien, um die Grundstücke wertlos zu machen.

Mit Bescheid vom 27. Januar 2011 hat der Antragsgegner die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an den Antragsteller ab dem 1. Juni 2010 versagt: Der Antragsteller habe trotz Aufforderung vom 17. Mai 2010 die fehlenden Unterlagen bzw. Nachweise gemäß der Anlage EKS mit detaillierten Angaben zu Betriebseinnahmen und –ausgaben für den Zeitraum vom 1. Juni 2010 bis 30. November 2010 nicht vollständig vorgelegt. Dadurch sei der Antragsteller seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen und die Aufklärung des Sachverhalts sei erheblich erschwert. Er habe von seinem Ermessen Gebrauch gemacht und berücksichtigt, dass eine Bedarfsprüfung ohne Nachweise zu der unselbständigen Tätigkeit und der angeforderten EKS nicht vorgenommen werden könne.

Gegen den Bescheid vom 27. Januar 2011 hat der Antragsteller am 4. Februar 2011 Widerspruch erhoben, den die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 1. März 2011 zurückgewiesen hat.

Am 8. März 2011 hat der Antragsteller hiergegen Klage beim SG erhoben (S 17 AS 1257/11).

Am 6. Januar 2011 hat der Antragsteller den Antragsgegner um die Auszahlung gegebenenfalls offener Leistungen nach den Bewilligungen seit dem Januar 2005 gebeten und mitgeteilt, dass seine Bedürftigkeit noch immer andauere.

Auf die ab dem 6. Januar 2011 erklärte Bedürftigkeit hat der Antragsgegner den Antragsteller mit Schreiben vom 12. Januar 2011 aufgefordert, verschiedene Anlagen ausgefüllt zuzusenden. Unter dem 18. Januar 2011 hat der Antragsgegner mitgeteilt, dass ohne vollständige Unterlagen nicht festgestellt werden könne, ob und inwieweit ein Anspruch besteht und hat den Antragsteller aufgefordert, bis zum 4. Februar 2011 Angaben zu den voraussichtlichen Betriebseinnahmen und –ausgaben zu machen. Das Schreiben enthielt eine Belehrung, dass bei nicht genügender Mitwirkung die Leistungen versagt werden können. Auf das Schreiben vom 18. Januar 2011 hat der Antragsteller geäußert, dass die erklärten Einnahmen aus geringfügiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit die zufließenden Einnahmen darstellen und diesen Einkünften keine Ausgaben entgegenzusetzen seien. Für die Verwendung von bestimmten Formularen habe der Antragsgegner die Rechtsgrundlage zu nennen. Mit Schreiben vom 27. Januar 2011 hat der Antragsgegner zudem den Nachweis einer Gewerbeanmeldung in Halle bis zum 13. Februar 2011 verlangt und den Antragsteller erneut zu den Folgen fehlender Mitwirkung belehrt. Der Antragsteller hat darauf eine Gewerbeanmeldung bei der Stadt H. (S.) vom 25. Juni 1999 ab dem 1. Januar 1999 für einen "sonstigen Betrieb" zur "Durchführung erlaubnisfreier Dienstleistungen wie Dokumentationen, Recherchen, Botendienste, Verwaltungs- und Vertretungstätigkeit" an den Antragsgegner übersandt. Mit Bescheid vom 15. Februar 2011 hat die Antragsgegnerin auch die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab dem 6. Januar 2011 versagt. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Antragstellers hat der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 1. März 2011 zurückgewiesen. Am 8. März 2011 hat der Antragsteller hiergegen Klage beim SG erhoben (S 17 AS 1258/11).

Das SG hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 6. April 2011 verpflichtet, an den Antragsteller vorläufig Alg II für den Zeitraum vom 1. Juni 2010 bis 31. Dezember 2010 in Höhe von monatlich 554,00 Euro und für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis 31. Mai 2011 in Höhe von 559,00 Euro monatlich zu gewähren, solange nicht rechtskräftig in der Hauptsache entschieden worden ist. Zur Begründung hat das SG ausgeführt: Es sei davon auszugehen, dass der Antragsteller anspruchsberechtigte Person sei und seine Hilfebedürftigkeit glaubhaft gemacht habe. Der Antragsgegner könne keine vorläufigen Leistungen ablehnen. Ungeachtet der Fragen, die sich aus dem Vorbringen des Antragstellers zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen ergeben, habe der Antragsgegner wegen des Vergleichs zwischen der Rechtsvorgängerin des Antragsgegners und dem Antragsteller in einem Mediationsverfahren vom 20. Januar 2010 vorläufig Leistungen zu erbringen. Ein Ermessen, keine vorläufigen Leistungen zu erbringen, sei aufgrund der Formulierung in Punkt 5 des Vergleichs nicht mehr gegeben. Zweck dieser Regelung sei es gewesen, einen möglichst unbürokratischen Weg zu finden, um möglichst schnell zu einer Leistungsbewilligung zu kommen, ohne von vornherein auszuschließen, bei Zweifeln an der Leistungsberechtigung entsprechende, auch umfangreiche, Ermittlungen anzustellen. Dies führe dazu, dass dem Antragsteller auf entsprechenden Antrag hin zumindest vorläufig Leistungen hin zu bewilligen seien, wobei der Antragsgegner dann bei Zweifeln an der Hilfebedürftigkeit und der übrigen Voraussetzungen der Leistungsberechtigung Einzelheiten zu ermitteln habe.

Gegen diesen ihm am 13. April 2011 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 18. April 2011 Beschwerde erhoben und die Aussetzung der Vollziehung beantragt. Zur Begründung bringt der Antragsgegner vor: Der Antragsteller habe keinen Anspruch auf Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB II. Der Antragsteller habe nicht hinreichend bei der Feststellung der Leistungsberechtigung mitgewirkt, weshalb er auf den Antrag des Antragstellers vom 17. April 2010 die Gewährung von Leistungen ab dem Juni 2010 rechtmäßig versagt habe. Seine Rechtsvorgängerin habe den Antragsteller zu Recht zur Vorlage ausgefüllter Vordrucke zur Feststellung der Einnahmen aus der von dem Antragsteller ausgeübten selbständigen Beschäftigung aufgefordert, die nicht vorgelegt seien. Auch der zwischen dem Antragsteller und seiner Rechtsvorgängerin am 20. Januar 2010 zustande gekommene Mediationsvergleich rechtfertige keine mangelhafte Mitwirkung in Form der nicht vorgelegten Einkommensprognose. Er habe den Antragsteller mit gesondertem Schreiben vom 17. Mai 2010 zur Abgabe des Vordrucks "Erklärung zum Einkommen aus Selbständigkeit" (EKS) aufgefordert. Nach dem Inhalt des Vergleichs sei der Antragsteller verpflichtet, auf gesonderte Anfragen Unterlagen einzureichen. Des Weiteren sei der Antragsteller auch nicht hilfebedürftig. Er verfüge über Grundstücke, deren Wert mehr als die einzuräumenden Vermögensfreibeträge von 8.400 Euro zuzüglich 750 Euro betrage. Die auf den Grundstücken lastenden Grundpfandrechte seien nur zum Schein bzw. zur Herbeiführung der Hilfebedürftigkeit eingetragen. Entsprechende Darlehensverbindlichkeiten habe der Antragsteller nicht glaubhaft machen können. Der Lebensunterhalt des Antragstellers werde auch durch eine andere Person sichergestellt. Schließlich sei ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft.

Der Antragsgegner beantragt,

den Beschluss aufzuheben und den Antrag abzulehnen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den Beschluss und die Ansicht des SG, dass der im Mediationsverfahren geschlossene Vergleich darauf beruhe, dass er seine Bedürftigkeit bereits nachgewiesen habe und für künftige Bewilligungen nur noch die Antragsformalitäten abzuklären seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

II.

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen die einstweilige Anordnung des SG ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt sowie statthaft im Sinne der §§ 173, 172 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. 144 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Die vom Antragsgegner geltend gemachte Beschwer durch den Beschluss des SG liegt über 750,00 Euro.

Die Beschwerde ist auch begründet. Das SG hat den Antragsgegner zu Unrecht zu vorläufigen Leistungen im Zeitraum vom 1. Juni 2010 bis zum 31. Mai 2011 verpflichtet.

Gegenstand des Verfahrens bildet nur die Versagungsentscheidung des Antragsgegners vom 27. Januar 2011 und die Ansprüche des Antragstellers auf Alg II ab dem 1. Juni 2010 bis zum 5. Januar 2011. Dies folgt aus den Zeitpunkten der Anträge auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und den hierüber ergangenen Verwaltungsakten, d.h. hier den Versagungsentscheidungen des Antragsgegners vom 27. Januar 2011 und vom 15. Februar 2011. Durch den sinngemäßen Antrag des Antragstellers vom 6. Januar 2011 auf Gewährung von Leistungen in Verbindung mit dem hierüber mit Wirkung vom 6. Januar 2011 ergangenen Verwaltungsakt ist eine Zäsur - ähnlich der Trennung nach Bewilligungszeiträumen - eingetreten. Der Verwaltungsakt vom 15. Januar 2011 beinhaltet eine selbständige Prüfung des Anspruchs des Antragstellers und ist daher auch gesondert anzufechten. Die Regelung des § 96 SGG über die Einbeziehung nachfolgender Verwaltungsakte in das Verfahren kann keine (entsprechende) Anwendung finden, da die nachgehende Versagung die ursprüngliche Versagung inhaltlich nicht abändert oder ersetzt. Mit der Bekanntgabe der weiteren Versagung erledigt sich lediglich die Wirkung der ursprünglichen Versagung für die Zukunft.

Nach dem Verfahrensgegenstand und den Rechtsschutzmöglichkeiten in der Hauptsache beurteilt sich der vom Antragsteller gesuchte vorläufige Rechtsschutzes zunächst nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG und sodann gegebenenfalls ergänzend nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG.

Gegen die Versagung einer Sozialleistung wegen fehlender Mitwirkung ist nur eine Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG zulässig (vgl. Bundessozialgericht – BSG – v. 17.02.2004 – B 1 KR 4/02 R – Juris; BSG v. 01.07.2009 - B 4 AS 78/08 RBSGE 104, 26 – Juris Rn. 12). Mit dem in der Hauptsache angefochtenen Bescheid zur Versagung von Leistungen wegen fehlender Mitwirkung nach § 66 Abs. 1 SGB I ist keine materielle Regelung zum Leistungsanspruch selbst getroffen. Sein Regelungsgehalt erschöpft sich in der vorläufigen Versagung bis zur Nachholung der Mitwirkung. Erst dann würde bei Bestand der Versagung gemäß § 67 SGB I das Verwaltungsverfahren fortgesetzt.

Die Rechtsbehelfe des Antragstellers gegen den Versagungsbescheid vom 27. Januar 2011 haben im Sinne des § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG keine aufschiebende Wirkung, weil sie durch Gesetz ausgeschlossen ist. Nach § 39 Nr. 1 SGB II in der seit dem 1. Januar 2009 anzuwendenden Fassung (BGBl. I S. 2917) haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt, zurücknimmt, widerruft oder herabsetzt, keine aufschiebende Wirkung. Ein Versagungsbescheid gemäß § 66 Abs. 1 SGB I entscheidet jedenfalls in seiner Wirkung über eine Herabsetzung.

Im Rahmen des § 86b Abs. 1 SGG hat aufgrund der Regelung im § 39 SGB II nach der Wertung des Gesetzgebers das Vollzugsinteresse im Regelfall Vorrang vor dem Suspensiveffekt des Widerspruchs bzw. der Klage, so dass die aufschiebende Wirkung nur anzuordnen ist, wenn ein überwiegendes Interesse der durch den angefochtenen Verwaltungsakt Betroffenen festzustellen ist (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 9. Aufl., § 86b Rdnr. 12a). Bei der zu treffenden Abwägung der Interessen sind dabei vor allem die Natur, Schwere und Dringlichkeit der dem Betroffenen auferlegten Belastungen und die Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer etwaigen späteren Rückgängigmachung der Maßnahme und ihre Folgen zu berücksichtigen. Die aufschiebende Wirkung ist aber jedenfalls dann anzuordnen, wenn nach summarischer Prüfung deutlich mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes spricht. Denn es kann kein berechtigtes öffentliches Interesse an der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes bestehen.

Insoweit spricht derzeit bei der im einstweiligen Rechtsschutz hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen noch summarisch erfolgenden Prüfung mehr für eine Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts vom 27. Januar 2011 als dagegen. Einem Vollzug bis zum 6. Januar 2011 entgegenstehende, höher zu bewertende Interessen des Antragstellers liegen nach Ansicht des Senats nicht vor.

Rechtliche Grundlage für den Verwaltungsakt vom 27. Januar 2011 ist § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I. Nach dieser Vorschrift kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen bis zur Nachholung der Mitwirkung die Leistung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind, wenn derjenige, der eine Sozialleistung beantragt, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird.

Diese Voraussetzungen der Leistungsversagung sind hier erfüllt. Der Antragsteller ist seinen gesetzlich in § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 SGB I verankerten Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen. Die Voraussetzungen für Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II waren nicht nachgewiesen und der Antragsteller war von der Rechtsvorgängerin des Antragsgegners auf die Folgen fehlender Mitwirkung schriftlich hingewiesen worden.

Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 SGB I hat, wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen (Nr. 1) sowie Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen (Nr. 3). Nach Abs. 2 der Vorschrift sollen Vordrucke benutzt werden, soweit für sie für die in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 genannten Angaben vorgesehen sind. Der Antragsteller hat entgegen der Aufforderung vom 17. Mai 2010 weder die ihm übersandten Formulare benutzt noch in anderer Form hinreichende Tatsachen angegeben, um den Umfang seiner Einnahmen aus seinen Tätigkeiten zu klären. Hinreichend sind insbesondere nicht die wiederholte Erklärung des Antragstellers, er erziele aus seiner selbständigen Tätigkeit konstant 100 Euro monatlich und die hierüber eingereichten Belege bzw. Erklärungen durch die Fa. GVD e.K. bzw. die ABM GmbH. Diese Angaben sind tatsächlich nicht nachprüfbar und einer einigermaßen validen Einkommensprognose nicht zugänglich. Die Angaben des Antragstellers zur Kalkulation der Vergütung und dem Umfang seiner Tätigkeit sind zudem widersprüchlich. Die Vergütung soll in beiden Erwerbstätigkeiten nur für jeweils vier Stunden monatlich gewährt sein. Mehrarbeit erbringe der Antragsteller nicht. Zugleich erklärt der Antragsteller aber in seinem Schreiben vom 29. April 2010, dass er an fünf Tagen in der Woche mehr als acht Stunden tätig sei. Zweifel an den Angaben des Antragstellers zum Beschäftigungsumfang sind auch deshalb angebracht, weil der Antragsteller – wie dem Senat aus vorgängigen Verfahren bekannt und auch aus den Verwaltungsakten zu entnehmen – vielfach umfangreiche Ortabwesenheiten beantragte. Dies und die Aufgabenstellungen der Tätigkeiten legen eher einen wechselnden Umfang der Beschäftigung als einen über Jahre monatlich konstanten Umfang nahe. Im Übrigen sind Zweifel an den Angaben zum Entgelt aus der Tätigkeit für die Fa. GVD e.K. geweckt, weil es sehr ungewöhnlich ist, dass ein selbständiger Mitarbeiter ein derart niedriges Gehalt erhält, wenn er die Führung des Unternehmens übernimmt. Die Tätigkeit bei der Fa. GVD e.K. übernimmt der Antragsteller nach der von ihm hierüber eingereichten Vereinbarung vom 24. Februar 2004 für "alle im Rahmen der gewerblichen Tätigkeit des Unternehmers anfallenden Aufgaben" und ist von den Beschränkungen des § 181 BGB – was sonst nur für Geschäftsführer üblich ist – befreit. Auch die vertragliche Regelung, dass der Unternehmer (Herr Dr. L.) den Antragsteller rechtzeitig und hinreichend über den Abschluss von Geschäften mit Dritten zu unterrichten hat, unterstreicht die herausgehobene, weil einem Inhaber ähnliche, Stellung des Antragstellers in dem Unternehmen. Nach allem ist also immer noch völlig unklar, welchen gewerblichen Beschäftigungen der Antragsteller nachgeht, welche Einnahmen hieraus fließen und inwieweit sie dem Antragsteller zuzurechnen sind.

Die Angaben gemäß der Anlage EKS über die zukünftig zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben aus einer selbständigen Beschäftigung sind auch notwendig, um über einen zukünftigen Anspruch nach dem SGB II wenigstens vorläufig entscheiden zu können, weil das Einkommen gemäß § 11 Abs. 1 SGB II Einfluss auf die Höhe des Alg II hat.

Der Umfang der von dem Antragsgegner geforderten Angaben war auch nicht durch § 65 SGB I begrenzt. Nach § 65 SGB I bestehen die Mitwirkungspflichten nach §§ 60 bis 64 SGB I nicht, soweit 1. ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung oder ihrer Erstattung steht, 2. ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann, oder 3. der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann. Weder hat der Antragsteller vorgetragen noch ist ersichtlich, dass ihm eine detaillierte Einkommensprognose nicht zugemutet werden kann. Es sind auch keine Ermittlungsmöglichkeiten erkennbar, mit denen der Antragsgegner selbst die erforderliche Prognose anstellen kann. Die Verpflichtung zur Vorlage einer Einkommensprognose ist bei einkommensabhängigen Grundsicherungsleistungen auch angemessen.

Schließlich hat der Antragsgegner die Leistung auch ermessensfehlerfrei versagt. Ihm war ausweislich des angegriffenen Bescheids bewusst, dass ihm ein Entscheidungsermessen eingeräumt war. Bei der Entscheidung hat er insbesondere berücksichtigt, dass eine Bedarfsprüfung ohne Nachweise zur der unselbständigen Tätigkeit und der Vorlage der EKS nicht vorgenommen werden kann und dass der Antragsteller widersprüchliche Angaben zu dem Umfang seiner Beschäftigung macht. Der Antragsgegner hat weiter berücksichtigt, dass der Antragsteller sich mit dem Vergleich verpflichtet hatte, auf Anforderung Unterlagen vorzulegen. Hierin und auch im Umfang der Versagung liegen keine Ermessensfehler, weil die Hilfsbedürftigkeit auch nicht zum Teil hinreichend geklärt ist. Weitere in die Ausübung des Ermessens einzustellende Umstände sind nicht ersichtlich. Da sich der Antragsteller bewusst weigert, seine Angaben durch weitere Belege und Angaben glaubhaft zu machen, waren weitere Umstände durch den Antragsgegner bei der Ausübung des Ermessens nicht zu berücksichtigen.

Soweit der Antragsteller die vorläufige Anordnung von Leistungen begehrt, ist dieses Begehren nur im Rahmen einer Vollzugsfolgenbeseitigung im Sinne des § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG bzw. im Rahmen des Erlasses einer vorläufigen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG statthaft. Eine Vollzugsfolgenbeseitigung kommt vorliegend nicht in Betracht, weil mit dem Verwaltungsakt vom 27. Januar 2011 nicht in eine vorherige Bewilligung eingegriffen wurde.

Im Rahmen des § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder eine Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, weil sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung (ZPO) gelten entsprechend. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist daher stets, dass sowohl ein Anordnungsgrund (d. h. die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) als auch ein Anordnungsanspruch (d. h. die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) glaubhaft gemacht werden (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. mit § 920 Abs. 2 ZPO).

Eine solche Anordnung kommt ergänzend neben der eigentlich spezielleren Rechtsschutzmöglichkeit nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG in Betracht, um einen effektiven Rechtsschutz im Sinne des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes zu verwirklichen. Soweit wie hier eine vorläufige Anordnung nach § 86b Abs. 1 SGG nicht schon zu der vorläufigen Durchsetzung von Ansprüchen führen kann, weil die Anordnung lediglich dazu führen würde, dass über den Leistungsanspruch noch zu entscheiden ist, muss zumindest dann eine ergänzende Anordnung möglich sein, wenn aufgrund der nachgeholten Mitwirkung eine Entscheidung über den Leistungsanspruch möglich ist und die sonstigen Voraussetzungen für eine Regelungsanordnung vorliegen.

So liegt es aber hier nicht. Der Antragsteller hat die notwendige Mitwirkung noch nicht nachträglich erbracht, so dass eine im Ermessen des Antragsgegners liegende Entscheidung nach § 67 SGG nicht in Betracht kommt.

Ein materieller Leistungsanspruch des Antragstellers ist daher derzeit auch nicht glaubhaft. Solange die Versagungsentscheidung des Antragsgegners als rechtmäßig erscheint, besteht kein Anspruch auf die Erbringung von Leistungen nach dem SGB II.

Nach Ansicht des Senats hat der Antragsteller auch keinen Anspruch auf die Erbringung vorläufiger Leistungen, sobald er einen formlosen Antrag bei dem Antragsgegner stellt. Die vom SG als Begründung für den Anspruch auf vorläufige Leistungen tragend herangezogene Einigung der Beteiligten im Mediationsverfahren bindet den Antragsgegner nicht in der Weise, dass er auf einen Antrag des Antragstellers stets vorläufig Leistungen zu gewähren hat. Eine Vorentscheidung, dass stets vorläufig Leistungen zu bewilligen sind, findet sich weder im Wortlaut der Einigung noch bei deren Auslegung. Die Einigung regelt schon nicht die Form, den Umfang oder die Art der Leistungen, die vom Antragsgegner zu erbringen sind. Betroffen ist nur das Verfahren in der Antragsphase bzw. in und nach der Bewilligungsphase.

Eine förmliche Regelung in einem Verwaltungsvertrag bzw. Vergleichsvertrag im Sinne der § 53, 54 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) liegt nicht vor. Für den Abschluss und die Auslegung solcher Verträge gelten die Vorschriften über das Zustandekommen und die Auslegung von Verträgen bzw. Vertragserklärungen des BGB.

Eine ausdrückliche Willenserklärung des Grundsicherungsträgers über die Erbringung von Leistungen liegt nicht vor. In der Einigung ist nicht niedergelegt, dass der Antragsgegner (vorläufige) Leistungen zu gewähren hat bzw. wie er mit dem formlosen Antrag umzugehen hat bzw. wie zu verfahren ist, wenn auf konkrete Nachfragen Antworten bzw. Belege eingehen oder nicht eingehen. Der zitierte Punkt 5 Satz 1 bezieht sich zuerst auf die Form, in der Anträge gestellt werden können, und regelt, dass die Antragsformulare nicht zwingend benutzt werden müssen. Die weiteren Sätze regeln dann, dass sich der Antragsteller zur unverzüglichen Mitteilung von Änderungen verpflichtet und dem Antragsgegner auf dessen gesonderte Anforderung entsprechende Informationen zukommen lässt bzw. Unterlagen auf Anforderung einreicht. Der Antragsgegner ist verpflichtet, bei Anforderung von Unterlagen den konkreten Sachverhalt, den es aufzuklären gilt, anzugeben.

Eine sinngemäße bzw. konkludente Einigung auf vorläufige ungeschmälerte Vorausleistungen kann dem Regelungsgefüge der Einigung in dem zitierten Punkt 5 der Einigung nicht entnommen werden. Für eine wenigstens konkludent vorliegende Verpflichtung des Antragsgegners zu vorläufigen Leistungen auf künftige formlose Anträge müsste eine entsprechende Willenserklärung des Leistungsträgers vorliegen. Nur eine Handlung, die aufgrund der weiteren Umstände bei einer Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont nach außen überhaupt auf einen Leistungswillen und sodann auf eine rechtsverbindliche Erklärung dieses Leistungswillens hindeutet, kann eine Willenserklärung sein. Selbst wenn bei der Auslegung berücksichtigt wird, dass die Einigung zu einem schnelleren bzw. unbürokratischeren Umgang der Beteiligten beitragen soll, beschränkt sich die Einigung aber auf die Umstände, die noch zu einer Leistungsbewilligung führen bzw. zur späteren Klärung der leistungsrelevanten Umstände vom Antragsteller dargelegt werden sollen. Daraus kann bei Berücksichtigung der Begleitumstände der Einigung, dass nämlich für zurückliegende und künftige Leistungsanträge alsbald Klarheit über den Leistungsanspruch geschaffen werden sollte, aber nicht auf einen bedingungslosen Leistungswillen des Grundsicherungsträgers geschlossen werden.

Damit fehlt es auch an den Voraussetzungen einer Zusicherung im Sinne des § 34 Abs. 1 SGB X, weil der Grundsicherungsträger sich nicht schriftlich zu dem Erlass bestimmter Verwaltungsakte verpflichtet hat.

Aus der Mediationseinigung zu Punkt 5 ergibt sich auch keine Einschränkung des Ermessens des Antragsgegners, dass stets auf den bloßen formlosen Antrag bereits vorläufige Leistungen zu erbringen sind. Dem Antragsgegner ist nach §§ 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a SGB II i.V.m. § 328 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) das Ermessen eingeräumt, vorläufig über die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu entscheiden und diese zu erbringen. Dieses Ermessen hat der Leistungsträger im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I entsprechend dem Zweck der Ermächtigung und den gesetzlichen Grenzen des gesetzlichen Ermessens auszuüben. Vorläufige Leistungen als Hilfe zum Lebensunterhalt können daher dann gewährt werden, wenn es längerer Zeit bedarf, um den Umfang des Leistungsanspruchs vollständig zu klären (vgl. Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 40 Rn. 12c). Damit unterliegt es dem Ermessen der Behörde, ob und in welcher Höhe sie Leistungen nach dem SGB II vor einer solchen erforderlichen Klärung erbringt. Dieses Ermessen ist gerichtlich nur eingeschränkt, d.h. nur im Hinblick auf Ermessensfehler, zu überprüfen. Ermessenseinschränkungen aufgrund einer Selbstbindung der Verwaltung sind nicht zu erkennen. Das Ermessen der Behörde hinsichtlich einzelner gesetzlich rechtmäßiger Handlungsalternativen kann eingeschränkt sein, wenn sie sich z.B. selbst vorab bereits an einzelne Handlungsalternativen bindet (vgl. z.B. BSG v. 19.08.2010 - B 14 AS 36/09 R – Juris Rn. 20). Eine solche ausdrückliche bzw. konkludente Erklärung hat der Grundsicherungsträger aber wie bereits dargestellt nicht abgegeben.

Im Übrigen bestehen auch erhebliche Zweifel daran, dass ein Anordnungsgrund besteht. Der Antragsteller hat auf den (nunmehr zurückgenommenen) Antrag des Antragsgegners auf Aussetzung der Vollziehung des Beschlusses geäußert, dass er den Beschluss einstweilen nicht zur Vollziehung bringen werde. Dies und die Überbrückung seines Lebensunterhalts im langen Verlauf des Verfahrens beim SG stehen im Widerspruch zu seinem Vorbringen, dass er sich seit dem Juni 2010 in einer existenziellen Notlage befindet.

Für die Rechtsverfolgung in der Beschwerde sind Kosten in entsprechender Anwendung von § 193 Abs. 1 und 4 SGG nicht zu erstatten.

Dieser Beschluss ist nicht mit einer Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved