S 26 AS 463/11 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
26
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 26 AS 463/11 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 299/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme von Kosten für den Nachhilfeunterricht des Antragstellers streitig.

Der 1995 geborene Antragsteller besucht aktuell die Einführungsphase Jahrgangsstufe E1 des X-Gymnasiums in A-Stadt. Im Abschlusszeugnis der Jahrgangsstufe 6 hatte der Antragsteller dabei in 6 der 11 Pflichtfächer eine 3 und in den übrigen 5 Fächern, darunter Mathematik, eine 4. Im 1. Halbjahr der Jahrgangsstufe 9 (Schuljahr 2009/2010) hatte der Antragsteller in 3 Pflichtfächern, darunter Mathematik, eine 4 sowie in Physik eine 5. Im 2. Halbjahr der Jahrgangsstufe 9 hatte der Antragsteller in 5 Pflichtfächern, darunter Mathematik und Physik, eine 4.

Am 21.04.2010 schlossen die Eltern für den Antragsteller bei der Y. e.K. einen Vertrag über die Erteilung von Nachhilfe in Mathe und Physik über 2 Schulstunden pro Woche ab dem 01.05.2010 ab. Die monatliche Unterrichtsgebühr beträgt 78 EUR. Am 27.04.2010 beantragte der Vater des Antragstellers beim Antragsgegner die Übernahme der Kosten für die Nachhilfe und Struck zur Begründung vor, dass der Antragsteller in Mathe und Physik schwach sei und dringend Nachhilfe benötige. Er legte ein Schreiben des Klassenlehrers des Antragstellers vom 26.05.2010 bei, wonach die Note des Antragstellers in Physik sich zum Mahntermin am 27.04.2010 auf schwach ausreichend (4-) gebessert habe und in Mathematik unverändert geblieben sei. Die Stabilisierung der Leistungen in matter sowie die Verbesserung infolge Physik sei auch der Erteilung von Nachhilfeunterricht zu verdanken. Ohne unterstützende Wirkung von Nachhilfeunterricht seien dauerhaft positive Leistungen in beiden Fächern nicht möglich. Eine weitere Unterstützung des Antragstellers erscheine durchaus Erfolg versprechend.

Mit Bescheid vom 28.06.2010 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Gewährung des zusätzlichen Bedarfs für die Nachhilfe des Antragstellers ab. Zur Begründung führte er an, dass der Antragsteller die Nachhilfe erst seit 01.05.2010 besuche, die Leistungen des Antragstellers sich jedoch bereits zum Mahntermin am 27.04.2010 in Physik gebessert hätten und in Mathe auf dem gleichen Stand geblieben seien. Ein direkter Zusammenhang der Leistungssteigerung durch die Nachhilfe sei deshalb nicht zu erkennen.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch, welcher damit begründet wurde, dass der Notstand in Mathe und Physik derzeit eine Versetzung in die Qualifizierungsphase der Oberstufe nicht zulasse und der Antragsteller schließlich Abitur machen wolle, wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 05.10.2010 als unbegründet zurück. Eine unabweisbare Bedarfssituation liege bei dem Antragsteller nicht vor.

Hiergegen erhob der Antragsteller am 28.10.2010 Klage zum Sozialgericht Frankfurt, welche unter dem Aktenzeichen S 26 AS 1718/10 geführt wird. Am 31.03.2011 beantragte der Antragsteller sodann den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Zur Begründung trug er vor, dass derzeit die Versetzung in die Qualifizierungsphase gefährdet sei. Der Antragsteller legte hierzu das Halbjahreszeugnis der Einführungsphase E1 vom 28.01.2011 vor, wonach er in Mathematik lediglich 1 Punkt, in Deutsch 6 Punkte, in Englisch 9 Punkte sowie in Französisch 5 Punkte erreicht hat. Zudem legte der Antragsteller ein ärztliches Attest vor, wonach er unter einer Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) leide, welche sich nachteilig auf seine Konzentrationsfähigkeit auswirke.

Der Antragsteller beantragt (sachdienlich gefasst),
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, dem Antragsteller die Kosten für die gewährte Nachhilfe zu erstatten.

Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung seines Antrags verwies der Antragsgegner darauf, dass ein ganz erheblicher Teil der Schüler Nachhilfe benötige. Es handle sich damit nicht um einen außergewöhnlichen Bedarf des Antragstellers. Es lägen bei dem Antragsteller auch keiner besonderen Umstände des Einzelfalls vor, welche im Ausnahmefall die Übernahme von Nachhilfekosten zuließe. Ein unabweisbarer Bedarf bestehe bei dem Antragsteller nicht. Es genüge dabei nicht, dass die Erteilung von Nachhilfeunterricht wünschenswert sei oder zu einer weiteren Verbesserung des Leistungsniveaus beitrage.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

Der formgerecht zum örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht Frankfurt erhobene Antrag auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, in der Sache aber unbegründet.

Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, soweit ein Fall des § 86 b Abs. 1 SGG nicht vorliegt und die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Als Sicherungsanordnung gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG ist der Antrag darauf gerichtet, einen bestehenden Zustand aufrecht zu erhalten, wobei wegen des Vorrangs des § 86 b Abs. 1 SGG der Eingriff in einen bestehenden Zustand nicht durch einen anfechtbaren Verwaltungsakt erfolgt sein darf. Die Regelungsanordnung gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG dient hingegen der vorläufigen Einräumung einer bislang noch nicht bestehenden Rechtsposition.

Ungeachtet der Differenzierung zwischen Regelungs- und Sicherungsanordnung ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung dabei gemäß § 86 b Abs. 2 SGG begründet, wenn ein Anordnungsanspruch im Sinne eines materiell rechtlichen Anspruches sowie ein Anordnungsgrund im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit vorliegen und bezüglich beider Punkte eine ausreichende Richtigkeitswahrscheinlichkeit gegeben ist. Hiernach müssen die dem Anordnungsanspruch und -grund zugrundeliegenden Tatsachen glaubhaft gemacht sein (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO).

Vorliegend hat der Antragsteller einen Anordnungsanspruch, aber auch einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.

Gemäß § 28 Abs. 5 SGB II in der seit 01.01.2011 geltenden Fassung wird eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung bei Schülerinnen und Schülern berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen.

Vorliegend ist die Versetzung des Antragstellers in die Qualifizierungsphase der Oberstufe gefährdet, da nach § 12 Abs. 2 der Hessischen Oberstufen- und AbiturVO zur Qualifizierungsphase nur zugelassen wird, wer in jedem Fach des verbindlichen Unterrichts am Ende der Einführungsphase mindestens 5 Punkte erreicht hat oder ein Fach des verbindlichen Unterrichts mit weniger als 5 Punkten durch mindestens 10 Punkte in einem anderen Fach oder jeweils mindestens 7 Punkte in 2 anderen Fächern ausgleichen kann (Nr. 1). Nach Nr. 2 der Vorschrift können die Fächer Deutsch, die verpflichtenden Fremdsprachen sowie Mathematik dabei nur durch ein anderes Fach oder 2 andere Fächer dieser Gruppe ausgeglichen werden. Da der Antragsteller zum Halbjahr in Mathematik nur 1 Punkt erreicht hat und auch in keinem anderen Fach der Gruppe nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 AbiturVO über mindestens 10 Punkte verfügt, kann er ohne Verbesserung seiner Noten nicht in die Qualifizierungsphase versetzt werden.

Die Notwendigkeit der Nachhilfe könnte daher noch bejaht werden, wobei sich diese nicht aus dem vorgelegten ärztlichen Attest über eine bestehende Schilddrüsenunterfunktion ergibt. Diesbezüglich besteht nämlich ggf. medikamentöser Behandlungsbedarf, nicht aber der Bedarf einer Erteilung von Nachhilfe.

Jedoch ist zumindest die Geeignetheit des hier streitigen Nachhilfeunterrichts zur Erreichung der Versetzung nicht gegeben. Der Antragsteller erhält bereits Nachhilfeunterricht in Mathematik und Physik seit Mai 2010. Trotzdem hat sich seine Note im Fach Mathematik keinesfalls verbessert, sondern sogar wesentlich verschlechtert von einer 4 zum Abschluss der Jahrgangsstufe 9 auf lediglich noch 1 Punkt (schwach mangelhaft) nach dem 1. Halbjahr der Einführungsphase. Der Nachhilfeunterricht hat dementsprechend bei dem Antragsteller nicht dazu geführt, dass sich seine Leistungen stabilisiert oder sogar verbessert hätten. Eine Geeignetheit zur Erreichung der Versetzung erscheint daher nicht gegeben. Zudem ist der Antragsteller in Mathematik von den notwendigen 5 Punkten mit lediglich 1 Punkt so weit entfernt, dass auch insoweit eine Erreichung der Versetzung mit der vorliegenden Nachhilfe unwahrscheinlich erscheint. Die im Fach Physik eingetretene Verbesserung spielt dabei für die Frage der Versetzung keine entscheidende Rolle, da das Fach nicht zu den Kernfächern nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 AbiturVO zählt, in welchen der Antragsteller sich zur Erreichung der Versetzung verbessern muss.

Schließlich hat der Antragsteller auch die Eilbedürftigkeit der Entscheidung und damit den Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht, da er bereits seit einem Jahr den Nachhilfeunterricht besucht und die Kosten hierfür offensichtlich aufbringen kann. Zudem kann der Erlass einer einstweiligen Anordnung grundsätzlich nicht für Zeiträume ergehen, die vor der Antragstellung bei Gericht liegen, da es insoweit an einer aktuellen Notlage fehlt. Soweit der Antragsteller demnach mit dem vorliegenden Antrag die Übernahme der Kosten bereits ab Beginn des Nachhilfeunterrichts begehrt, fehlt es an der notwendigen Eilbedürftigkeit der vorläufigen Entscheidung.

Im Ergebnis war der Antrag vorliegend abzulehnen. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus der analogen Anwendung des § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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