L 7 AS 595/09

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 16 AS 400/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 595/09
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
§ 324 SGB III ist auf Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach dem SGB II nicht anwendbar. § 37 SGB II ist insoweit eine abschließende Regelung.
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 27. Juli 2009 wird zurückgewiesen.
II. Die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Streitig ist die Gewährung von Reisekostenbeihilfe für die Fahrt zum Antritt einer neuen Arbeitsstelle (§ 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 3a SGB III in der bis 31.12.2008 gültigen Fassung).

Die 1972 geborene Klägerin bezog von dem Beklagten laufend Arbeitslosengeld II. Am 17.09.2007 hatte die Klägerin einen Vorstellungstermin bei einem Möbelhaus in A-Stadt. Hierfür wurden Fahrtkosten übernommen. Am selben Tag vereinbart die Klägerin mit dem Möbelhaus telefonisch die Arbeitsaufnahme. Als erster Arbeitstag wurde Freitag, der 21.09.2007, festgelegt.

Die Klägerin trägt vor, sie habe die Arbeitsaufnahme dem für sie zuständigen Mitarbeiter der Beklagten ein oder zwei Tage vor Arbeitsantritt (also am 19. oder 20.09.2007) telefonisch mitgeteilt. Der Bearbeiter habe sie zur erfolgreichen Arbeitssuche beglückwünscht. Die telefonische Kontaktaufnahme konnte der Beklagte auf Nachfrage des Berufungsgerichts nicht bestätigen.

Am 05.11.2007 stellte die Klägerin den Antrag auf Reisekostenbeihilfe. Geltend gemacht wurde eine Fahrt von 765 km mit dem eigenen Kraftfahrzeug zur Arbeitsaufnahme am 21.09.2007. Der schriftliche Antrag wurde am 26.12.2007 von der Klägerin unterzeichnet.

Auf den am 15.11.2007 gestellten Antrag auf "Umzugshilfe" erhielt die Klägerin Umzugskostenbeihilfe für den am 28./30.09.2007 abgewickelten Umzug.

Mit Bescheid vom 10.01.2008 wurde der strittige Antrag auf Reisekostenbeihilfe abgelehnt. Der Antrag sei verspätet - nach der Arbeitsaufnahme - gestellt worden. Die Entscheidung beruhe auf § 53 SGB III i.V.m. § 324 Abs. 1 SGB III. Die Klägerin habe zuvor ein Merkblatt erhalten, in dem auf die Notwendigkeit der rechtzeitigen Antragstellung hingewiesen wurde. Gründe, die eine unbillige Härte begründen könnten, seien weder erkennbar noch vorgetragen. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 07.03.2008 als unbegründet zurückgewiesen.

Die am 07.04.2008 erhobene Klage wurde wie folgt begründet: Die telefonische Mitteilung der Arbeitsaufnahme enthalte einen konkludenten Antrag auf Bewilligung von Mobilitätshilfe. Im Widerspruchsbescheid fehle eine Ermessensentscheidung zur verspäteten Zulassung des Antrags nach § 324 SGB III. Selbst wenn eine Ermessensentscheidung vorliege, sei diese fehlerhaft, weil eine unbillige Härte bestehe.

Mit Gerichtsbescheid vom 27.07.2009 wies das Sozialgericht die Klage ab und ließ die Berufung zu. Es fehle schon an der Tatbestandsvoraussetzung der Notwendigkeit der Leistung nach § 53 Abs. 1 SGB III, weil die Förderung nicht unverzichtbar für die Aufnahme der Beschäftigung. Im Übrigen müssten Eingliederungsleistungen jeweils gesondert beantragt werden. Aus der Bedürftigkeit folge keineswegs eine Antragstellung. Der Antrag auf Fahrtkosten für das Bewerbungsgespräch enthalte keinen Antrag für die Fahrt zur ersten Arbeitsaufnahme. Dies seien völlig unterschiedliche Bedarfe. Der Antrag sei am 05.11.2007 nach dem Bedarf auslösenden Ereignis (Arbeitsantritt) gestellt worden. § 324 SGB III sei im SGB II nicht anwendbar. Eine Rückwirkung der Antragstellung komme entsprechend § 37 Abs. 2 SGB II nicht in Betracht. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch bestehe nicht, weil die Klägerin durch ein Merkblatt zur Antragstellung für Eingliederungsleistungen beraten wurde.

Die rechtzeitige Berufung wurde wie die Klage begründet. Ergänzend wurden eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder wegen Treu und Glauben und eine Beratungspflicht aus dem Telefonat vor der Arbeitsaufnahme geltend gemacht.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid vom 27. Juli 2007 sowie den Bescheid vom 10.01.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.03.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Reisekostenbeihilfe für den Antritt der Arbeit am 21.09.2007 zu gewähren, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.



Entscheidungsgründe:


Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Berufung ist jedoch unbegründet, weil das Sozialgericht die Klage zu Recht abgelehnt hat.

Die Berufung war nur wegen deren Zulassung durch das Sozialgericht zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstands liegt mit 229,50 Euro (0,30 Euro mal 765 km, § 54 Abs. 3, § 46 Abs. 2 SGB III a.F., § 5 Abs. 1 Bundesreisekostengesetz) nicht über 750,- Euro.

Das Berufungsgericht weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück und sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Lediglich ergänzend wird ausgeführt, dass sich sämtliche Argumentationen des Bevollmächtigten der Klägerin schon dadurch erledigen, weil es an der Leistungsvoraussetzung der "Notwendigkeit zur Arbeitsaufnahme" nach § 53 SGB III fehlt. Diese liegt nur vor, wenn ohne die Leistung das Beschäftigungsverhältnis wahrscheinlich nicht zustande kommt (Niesel, SGB III, 4. Auflage 2008, § 53 Rn. 5). Daran fehlt es hier.

Es kommt also nicht darauf an, dass der Anspruch auch aus weiteren Gründen nicht besteht: Leistungen zur Eingliederung in Arbeit sind gesondert zu beantragen. Der Antrag für das Vorstellungsgespräch beinhaltet sonst nichts. Die schlichte telefonische Mitteilung der Arbeitsaufnahme enthält keinen konkludenten Antrag auf Reisekostenbeihilfe. Die Klägerin hatte auch zuvor ein Merkblatt hierzu erhalten. Der Antrag auf Reisekostenbeihilfe erfolgte erst am 05.11.2007 und damit nach § 37 Abs. 2 SGB II verspätet. Auf eine Härte kommt es nicht ab, weil § 324 SGB III nicht anwendbar ist - § 37 SGB II ist eine abschließende Regelung. (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.12.2008, L 12 AS 2069/08, dort Rn. 21 und Eicher/ Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, §16 Rn. 58). Daneben wäre eine Klage auf Leistung ohnehin unzulässig, weil Eingliederungsleistungen (sofern die Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen) Ermessensleistungen sind.

Für die vom Bevollmächtigten der Klägerin beantragte Zulassung der Revision sind keine Gründe ersichtlich. Gleiches gilt für die vom Bevollmächtigten der Klägerin angeregte Richtervorlage an das Bundesverfassungsgericht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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