L 3 AS 147/09

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Koblenz (RPF)
Aktenzeichen
S 6 AS 734/07
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 3 AS 147/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Ein Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 BGB ist als Vermögen im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB II anzusehen.
2. Vermögen dient nicht der "baldigen" Beschaffung eines Hausgrundstücks von angemessener Größe, wenn die Eigentumsübertragung erst fünf Jahre nach Antragstellung erfolgen soll.
3. Bei der Frage, ob die Verwertung des Vermögens eine besondere Härte im Sinne des § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II bedeutet, kommt es nicht darauf an, ob die Verwertung eine besondere moralische Härte darstellen würde.
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 11.02.2009 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger in der Zeit vom 15.12.2006 bis zum 31.07.2007 Anspruch auf ergänzende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) hat.

Der am 1982 geborene Kläger erlitt im Juli 1998 mit seinem Moped einen Verkehrsunfall und hat einen Grad der Behinderung (GdB) von 100. Außerdem erfüllt er die Voraussetzungen der Merkzeichen "G", "aG" und "H". Aufgrund der Verletzungsfolgen ist der Kläger querschnittsgelähmt und zur Fortbewegung auf einen Rollstuhl angewiesen. Die Mutter des Klägers H G (H.G.) hatte 1994 für den Kläger bei der D AG eine private Unfallversicherung abgeschlossen, die beim Kläger unfallbedingt einen Invaliditätsgrad von 100 % anerkannte und ihm im August 1999 eine Invaliditätsleistung von 390.000,00 DM (entspricht 199.403,83 Euro) zahlte.

Im Unfallzeitpunkt lebte der Kläger mit seiner Mutter in der O in N. Dieses Haus hatten seine Eltern 1981/1982 gebaut; die Grundstücksgröße beträgt 700 m² und die Wohnfläche 123 m². Seit der Scheidung der Eltern des Klägers im Jahre 1993 ist H.G. Alleineigentümerin dieses Hauses. Sie hat noch einen Sohn, der 1980 geboren ist. H.G. hat nach ihrer Scheidung erneut geheiratet. Von 1992 bis Ende 2008 arbeitete sie in Teilzeit als kaufmännische Angestellte und verdiente 590,00 EUR netto. Ihr Ehemann verdiente im streitigen Zeitraum ca. 1.800,00 EUR netto.

1999 wurde das zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr mit Verbindlichkeiten belastete Haus in der O behinderungsgerecht umgebaut. Um von der Garage in das Wohnzimmer gelangen zu können, wurde eine Rampe an das Haus angebaut, die Türen wurden verbreitert, das Bad verändert, ein Treppenlift eingebaut und die Kellerräume umgebaut. Die Kosten hierfür betrugen 53.000,00 DM (ent-spricht 27.098,46 Euro). Für den Umbau erhielt der Kläger Zuschüsse von der B (B ), der Stadt- und der Kreisverwaltung N (Wohnungsbauförderung, Wiedereingliederungshilfe).

Am 16.08.1999 schloss der Kläger bei der V AG eine kapitalbildende Risikolebensversicherung mit automatischer Anpassung ab. Versicherte Person im Todesfall war seine Mutter. Die dem Kläger von der privaten Unfallver-sicherung ausgezahlte Versicherungssumme wurde zum Teil für behinderungsbedingte Anschaffungen des Klägers, z.B. Sportrollstühle, den Umbau des Hauses und eines Fahrzeugs verwendet. Eine Summe von umgerechnet 100.000 Euro zahlte der Kläger, vertreten durch seine Mutter, nach seinen Angaben vierteljährlich in die V AG in fünf Raten ein. Zum 01.09.2002 wurde der Versicherungsvertrag (T 8455937.7-00424) geändert. Danach beträgt das Todes-fallkapital zum Stichtag 01.09.2002 85.855,00 Euro und das Erlebensfallkapital bei Abruf zum 01.09.2006 119.018,00 Euro, bei Abruf zum 01.09.2007 123.618,00 Euro, bei Abruf zum 01.09.2008 128.396,00 Euro, bei Abruf zum 01.09.2009 133.358,00 Euro, bei Abruf zum 01.09.2010 138.512,00 Euro und bei Ablauf des Versicherungsvertrages zum 01.09.2011 143.865,00 Euro. Für den Kläger und seine Mutter stand von Anfang an fest, dass die Lebensversicherung erst bei Ablauf des Versicherungsvertrages ausgezahlt werden soll.

Die Mutter des Klägers erwarb für sich und ihren Ehemann am 23.05.2006 ein Einfamilienhaus in der H in E. Hierbei handelt es sich einen Bungalow mit einer Wohnfläche von ca. 80 m² und einer Grundstücksgröße von ca. 500 m². Der Kaufpreis betrug 154.000,00 Euro. Zur Finanzierung des Kauf-preises nahm die Mutter des Klägers am 24.05.2006 bei der V bank N eG zwei Darlehen in Höhe von 85.000,00 Euro (Darlehensvertrag-Nr.: ; bis zum 01.09.2011 festgeschriebener Zinssatz von 4,1500 % jährlich) und 70.000,00 Euro (Darlehensvertrag-Nr.: ; bis zum 01.05.2014 festgeschriebener Zinssatz von 4,2500 % jährlich) auf. Seit Abschluss der Darlehensverträge zahlt H.G. hierauf nur die anfallenden Zinsen, Tilgungsleistungen erfolgen nicht.

Ebenfalls am 24.05.2006 trat der Kläger seine gegen die V AG zum 01.09.2011 in Höhe von 143.865,00 Euro bestehende Forderung an die V bank N eG für beide Darlehen ab (Vertrag Nr. ). Das Darlehen in Höhe von 85.000,00 Euro soll durch die ausgezahlte Lebensversicherung am 01.09.2011 abgelöst werden, das Darlehen in Höhe von 70.000,00 Euro soll am 01.05.2014 abgelöst werden. Nach Auszahlung der Lebensversicherung und Ablösung des Darlehens mit der Nr.: soll der verbleibende Betrag in Höhe von 58.865,00 Euro zunächst auf einen Bausparvertrag des Klägers eingezahlt und mit diesem Bausparvertrag das Darlehen Nr. zum 01.05.2014 abgelöst werden. Als Gegenleistung für die Abtretung seiner Lebensversicherung an die V bank N eG soll der Kläger das Eigentum an dem von ihm bewohnten Haus in der O erhalten. Dies hat er mit seiner Mutter mündlich vereinbart.

Der Kläger hatte außerdem mit seiner Mutter vereinbart, ihr ab Mai 2006 monatlich 300,00 Euro "für die Nutzung" des Hauses zu zahlen. Dieser Verpflichtung kam der Kläger auch im streitigen Zeitraum nicht regelmäßig nach. Nebenkosten des Hauses wie Strom, Gas und Wasser zahlte der Kläger allerdings monatlich selbst. Der Kläger ist bei der Bundesagentur für Arbeit - Familienkasse N - seit 2003 versicherungspflichtig bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 19,5 Stunden beschäftigt. Der Kläger erhält von der B ab 19.07.2009 eine Geldleistung nach der Pflegestufe I und von der Kreisverwaltung N Leistungen nach dem Landespflegegesetz.

Der Kläger spielt im R L in der 1. Bundesliga Rollstuhlbasketball. Einnahmen aus dieser Tätigkeit erzielt er nicht. Der Verein erstattet ihm lediglich seine nachgewiesenen Fahrtkosten. Im Jahr 2006 zahlte ihm der Verein außerdem eine monatliche Übungsleiterpauschale in Höhe von 150,00 Euro (insgesamt 1.800,00 Euro).

Nach dem Auszug seiner Mutter lebte der Kläger in dem Haus in der O zunächst allein, am 15.02.2011 ist seine Lebensgefährtin zu ihm gezogen.

Am 15.12.2006 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II.

Mit Bescheid vom 10.07.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.08.2007 lehnte der Beklagte die Gewährung von Leistungen ab. Zur Begründung führte er aus, der Kläger sei nicht hilfebedürftig, weil er über Vermögen aus einer kapitalbildenden Lebensversicherung verfüge. Der Rückkaufswert betrage zum Stichtag 01.01.2007 128.228,20 Euro. Dieser Betrag übersteige deutlich das geschützte Vermögen des Klägers in Höhe von 4.500,00 Euro.

Gegen den ihm am 11.08.2007 zugegangenen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 14.09.2007 beim Sozialgericht Koblenz Klage erhoben.

Das Sozialgericht hat dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt und den Beklagten durch Urteil vom 11.02.2009 unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides verurteilt, dem Kläger "ergänzende Leistungen nach dem SGB II" zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger erfülle die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung. Insbesondere sei er hilfebedürftig gemäß § 9 Abs. 1 SGB II. Die Verwertung der kapitalbildenden Lebensversicherung sei nicht möglich. Der Kläger habe nämlich seine gegen die V AG bestehende Forderung der V bank N eG zur Sicherung aller bestehenden, künftigen und bedingten Forderungen der Bank oder eines die Geschäftsverbindung fortsetzenden Rechtsnachfolgers der Bank gegenüber seiner Mutter abgetreten. Damit liege eine rechtliche Unverwertbarkeit im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB II vor. Im Übrigen stehe § 12 Abs. 3 Ziff. 5 SGB II einer Berücksichtigung des streitigen Vermögens entgegen. Nach einer Vereinbarung mit seiner Mutter solle der Kläger Ende 2011 das Eigentum an dem von ihm bewohnten Haus erhalten. Deswegen diene seine Lebensversicherung dem alsbaldigen Erwerb eines angemessenen Hausgrundstücks. Zwar betrage die Wohn-fläche 120 m², so dass fraglich sei, ob es sich hierbei um eine angemessene Größe für eine alleinstehende Person handele. Hier seien aber die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere, dass der Kläger auf einen Rollstuhl angewiesen sei und er deshalb behinderungsbedingt einen größeren Raumbedarf habe.

Gegen das ihr am 26.02.2009 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 16.03.2009 Berufung eingelegt.

Er ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 Nr. 5 SGB II nicht vorliegen. Von einer alsbaldigen Erhaltung oder Beschaffung von Wohnungseigentum im Sinne dieser Vorschrift könne vorliegend nicht ausgegangen werden. Der Kläger verfüge über erhebliches und auch anrechenbares Vermögen.

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 11.02.2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend und weist noch einmal darauf hin, dass er seine gegen die V AG bestehende Forderung an die finanzierende Bank seiner Mutter abgetreten habe, so dass er rechtlich nicht mehr Inhaber der Forderung sei und mithin über kein anrechenbares Vermögen verfüge.

Im Berufungsverfahren hat der Beklagte die Ansprüche des Klägers nach Vorlage der erforderlichen Unterlagen zwischen den Beteiligten, aber ohne Berücksichtigung der Einlassung des Klägers und den Angaben seiner Mutter in der mündlichen Verhandlung, für den Fall berechnet, dass der Kläger nicht über ein seine Hilfebedürftigkeit ausschließendes Vermögen verfügt. Diese belaufen sich danach für Dezember 2006 auf 211,75 Euro, für Januar 2007 auf 513,61 Euro, für Februar 2007 auf 549,07 Euro, für März 2007 auf 388,90 Euro, für April 2007 auf 466,22 Euro, für Mai 2007 auf 513,94 Euro, für Juni 2007 auf 513,61 Euro und für Juli 2007 auf 477,19 Euro.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Leistungsakte der Beklagten (Nr. der Bedarfsgemeinschaft: ) Bezug genommen. Er ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist auch begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht Koblenz den angefochtenen Bescheid des Beklagten vom 10.07.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.08.2007 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, dem Kläger "ergänzende Leistungen nach dem SGB II" zu gewähren. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung seinen Antrag zulässigerweise beschränkt hat, ist Streitgegenstand nur die Frage, ob der Kläger Anspruch auf ergänzende Leistungen nach dem SGB II in der Zeit vom 15.12.2006 bis zum 31.07.2007 hat. Hiervon ist aber nicht auszugehen.

Ein Anspruch des Klägers würde sich nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20.07.2006 (BGBl. 1, Seite 1706) u.a. nur dann ergeben, wenn er ab dem 15.12.2006 hilfebedürftig im Sinne dieses Gesetzes gewesen wäre. Dies wäre nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20.07.2006 (a.a.O.) nur der Fall, wenn er seinen Lebensunterhalt vor allem nicht aus seinem zu berücksichtigenden Ein-kommen oder Vermögen hätte sichern können. Nach § 12 Abs. 1 SGB II - ebenfalls in der Fassung des Gesetzes vom 20.07.2006 - sind als Vermögen alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Zum einzusetzenden Vermögen können neben beweglichen Sachen und Immobilien auch verbriefte oder nicht verbriefte Forderungen und Geldleistungen in Form von Rückkaufswer-ten aus Versicherungen gehören (BSG, Urteil vom 23.08.2010 - B 4 AS 70/09 R). Nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II sind als Vermögen allerdings nicht zu berücksichtigen Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde.

Im hier streitigen Zeitraum hatte der Kläger einen Bereicherungsanspruch gegen seine Mutter nach den §§ 812 Abs. 1 Satz 1. Alternative 1, 818 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Dieser Bereicherungsanspruch ist als Vermögen im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB II in der hier anzuwendenden Fassung anzusehen. Die primäre Verpflichtung von H.G. besteht darin, das auf Kosten des Klägers erlangte "etwas", also exakt jenen Vorteil herauszugeben, der ihr rechtsgrundlos zugeflossen ist. Dies sind hier jedenfalls 85.000,00 Euro, denn in dieser Höhe wird ihr mit der V bank N eG in dieser Höhe abgeschlossene Darlehensvertrag (Nr.: ) am 01.09.2011 abgelöst werden, weil der Kläger seine Forderung gegen seine Lebensversicherung an die finanzierende Bank seiner Mutter abgetreten hat.

Durch diese am 24.05.2006 gegenüber der V band N eG erfolgte Abtretung seiner gegen die V AG bestehenden Forderung in Höhe von 143.865,00 Euro hat die Mutter des Klägers "etwas" im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 BGB erlangt. Bereicherungsgegenstand und damit ein "etwas" im Sinne des Gesetzes kann jede Verbesserung der Vermögensposition sein. So kann insbesondere die Befreiung von einer Verbindlichkeit etwa durch abstrakten Verzicht, Schulderlass, ein negatives Schuldanerkenntnis oder auch durch eine Drittzahlung gemäß § 267 BGB als erlangtes "etwas" Gegenstand eines Bereicherungsanspruchs sein (vgl. hierzu Schwab in Münchner Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2009, § 812 Rz. 14). Zwar kommt aufgrund der Forderungsabtretung des Klägers die sich aus dem Lebensversicherungsvertrag ergebende Forderung zunächst wirtschaftlich der Volks- und Raiffeisenbank zugute. Dennoch leistete der Kläger im Ergebnis an seine Mutter (vgl. zur kontoführenden Stelle BGH, Urteil vom 18.05.1985 = BGH NJW 1985, 2700). Dieser Fall ist nicht anders zu behandeln, als wenn der Kläger seine Forderung zunächst an seine Mutter abgetreten und diese dann die ihr gehörende Forderung an die V bank abgetreten hätte. Das Ergebnis ist in beiden Fällen wirtschaftlich das selbe: Mit der Abtretung seiner gegen die Lebensversicherung bestehenden Forderung werden die Schulden von H.G. bei der V bank am 01.09.2011 in Höhe von 85.000,00 Euro getilgt, so dass sie der Kläger - im Ergebnis - von ihren Verbindlichkeiten gegenüber der V bank in dieser Höhe befreit (vgl. zu Befrei-ung von einer Verbindlichkeit: Schwab in Münchner Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2009, § 812 RdNr. 14). Durch die Zahlung dieses vor der erfolgten Abtretung ihm zustehenden Betrages will der Kläger seine Mutter von ihren Verbindlichkeiten befreien, also für sie leisten und ihr Vermögen mehren. Insoweit ist es wirtschaftlich unerheblich, dass die Parteien zunächst den "Umweg" über die V bank gewählt haben und der Kläger die Forderung nicht direkt an seine Mutter abgetreten hat.

Die Leistung des Klägers erfolgte auch ohne Rechtsgrund. Der Leistungszweck des Klägers bestand in der Erfüllung seiner zwischen ihm und seiner Mutter getroffenen Vereinbarung, wonach er die Forderung aus seinem Lebensversicherungsvertrag zu ihren Gunsten an ihre kreditgebende Bank abtreten sollte, damit sie ihm Ende 2011 das Eigentum an der von ihm bewohnten Immobilie in der O überträgt. Dieses Kausalverhältnis bestand jedoch nicht, so dass der Rechtsgrund für die Leistung des Klägers fehlte (vgl. Martinek in Juris PK-BGB, 5. Auflage 2010, § 812 RndNr. 30). Das der Erfüllung zugrunde liegende Kausalgeschäft, das für die Leistung des Klägers ursächlich war, war von Anfang an unwirksam. Gemäß § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB bedarf ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen, der notariellen Beurkundung. Ein Formmangel, auf dessen Beachtlichkeit die Parteien nicht verzichten können, führt zur von Amts wegen zu berücksichtigenden Nichtigkeit des Vertrages nach § 125 BGB (Gehrlein in Bamberg/Roth, Beck OK BGB, Stand 01.01.2010, § 311 b RndNr. 22).

Der Bereicherungsanspruch ist auf Herausgabe dessen gerichtet, was die Mutter des Klägers erlangt, also erspart hat, weil sie durch die aus dem Vermögen des Klägers stammende Zahlung der Versicherungssumme in Höhe von 85.000,00 Euro von ihren Verbindlichkeiten gegenüber der V eG befreit wer-den wird.

Der als Vermögen zu qualifizierende Bereicherungsanspruch des Klägers gegen seine Mutter war auch verwertbar. Er hatte einen Anspruch gegen seine Mutter jedenfalls auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 85.000,00 Euro. Die Mutter des Klägers hätte seinen Bereicherungsanspruch wenigstens teilweise, zumindest in dem Umfang, in dem der Kläger ergänzende Leistungen von dem Beklagten im streitigen Zeitraum, also Dezember 2006 bis Juli 2007 begehrt hat, realisieren müssen und können. Hierbei handelt es sich nach den Berechnungen des Beklag-ten um einen Betrag von rund 3.600,00 Euro. Selbst wenn davon auszugehen ist, dass der Kläger im Ergebnis Leistungen des Beklagten bis zum Einzug seiner Lebensgefährtin im Februar 2011 begehrt, hätte H.G. den Anspruch des Klägers realisieren können. Ausgehend von den vom Beklagten im streitigen Zeitraum ermit-telten Ansprüchen des Klägers ist überschlägig davon auszugehen, dass der Kläger im Zeitraum Dezember 2006 bis Februar 2011 einen Gesamtanspruch gegen den Beklagten von ca. rund 25.000 Euro hätte. Dabei geht der Senat zu Gunsten des Klägers von einem monatlichen Anspruch von durchschnittlich ca. 400,00 bis 500,00 Euro aus. Hierbei ist aber zu berücksichtigen, dass der Kläger nach dem Vortrag seiner Mutter in der mündlichen Verhandlung die vereinbarten 300,00 Eu-ro monatlich für die "Nutzung des Hauses" nicht regelmäßig zahlt, so dass sich in bestimmten Monaten ein deutlich geringerer Bedarf des Klägers ergeben würde. Anhaltspunkte dafür, dass H.G. einen Betrag von rund 25.000,00 nicht hätte zahlen und damit den Bereicherungsanspruch wenigstens zum Teil ohne Gefährdung ihres eigenen Lebensunterhalts hätte befriedigen können, sind nicht erkennbar, zumal H.G. die Gesamtsumme nicht auf einmal hätte aufbringen müssen. H.G. und ihr Ehemann waren im streitigen Zeitraum berufstätig; das Ehepaar hatte keine getrennten Konten, so dass auch das Einkommen des Ehemannes in die Finanzierung des gemeinsam bewohnten Hauses in der H und des Lebensunterhalts des Ehepaars floss. Der Anspruch des Klägers hätte bereits größtenteils dadurch realisiert werden können, dass ihm seine Mutter die monat-lich vereinbarten 300,00 Euro erlässt - also seinen Bedarf nach dem SGB II deutlich senkt - und sie - falls noch erforderlich - eine Differenz von ca. 150,00 Euro monatlich zuzahlt.

Dahinstehen kann es, wie es rechtlich zu beurteilen ist, dass nach Auszahlung der Lebensversicherung nur das Darlehen mit der Nr.: abgelöst, der verbleibende Betrag in Höhe von 58.865,00 Euro zunächst auf einen Bausparvertrag des Klägers eingezahlt und mit diesem Bausparvertrag das weitere Darlehen der Mutter (Nr. ) zum 01.05.2014 abgelöst werden soll. Selbst wenn insoweit davon auszugehen wäre, dass mit der Abtretung der gesamten Forderung gegen die V AG an die V bank H.G. nur ein "etwas" in Höhe von 85.000,00 Euro erlangt hätte - obwohl im Jahre 2014 auch der zweite Darlehensvertrag größtenteils mit der Lebensversicherung abgelöst werden soll - reicht ein Bereicherungsanspruch des Klägers auch in dieser Höhe aus, um seine Hilfebedürftigkeit zu verneinen.

Ein Verwertungsausschluss ergibt sich nicht aus § 12 Abs. 3 Nr. 5 SGB II. Danach wäre der sich aus dem Bereicherungsanspruch ergebende Geldbetrag des Klägers als Vermögen nicht zu berücksichtigen, wenn es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks von angemessener Größe bestimmt wäre, soweit dieses zu Wohnzwecken behinderter oder pflegebedürftiger Menschen dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde. Es kann dahinstehen, ob die für Ende 2011 vorgesehene Eigentumsübertragung durch die Mutter des Klägers als eine Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks von angemessener Größe im Sinne dieses Gesetzes zu verstehen ist, jedenfalls dient das Vermögen nicht zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung dieses Hausgrundstücks. Der Kläger hatte bereits im Zeitpunkt seiner Antragstellung, also am 15.12.2006, einen entsprechenden Bereicherungsanspruch gegen seine Mutter. Zur damaligen Zeit sollte das Eigentum erst 5 Jahre später, nämlich Ende 2011, auf den Kläger übertragen werden. Dieser Zeitraum von nahezu 5 Jahren kann aber nicht als "bald" im Sinne des § 12 Abs. 3 Nr. 5 SGB II angesehen werden. Zur Auslegung des Begriffs der baldigen Beschaffung, der sich auch in § 90 Abs. 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) findet und der auch schon in § 88 Abs. 2 Nr. 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) mit Wirkung ab 01.01.1991 verwendet wurde, kann auf die im Bereich der Arbeitslosenhilfe ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Dort war die Verwertung eines Vermögens nicht zumutbar, das nachweislich zum alsbaldigen Erwerb eines solchen Hausgrundstücks oder einer solchen Eigentumswohnung bestimmt ist (zum Beispiel § 6 Abs. 3 Nr. 7 Alhi-VO vom 07.08.1974 - BGBl. 1 Seite 1929, zuletzt geändert am 16.02.2001 - BGBl. I Seite 266). In der Rechtsprechung wurde insoweit gefordert, dass die Umwandlung von Geldvermögen in Immobilienvermögen verlangte, dass Anstalten getroffen bzw. konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen müssten, die erkennen ließen, dass die Umwandlung in naher Zukunft geschehe (vgl. BSG, Urteil vom 29.01.1997 - 11 RAr 63/96, Urteil vom 04.09.1979 - 7 RAr 115/78). Bei einem Zeitraum von 5 Jahren, der von dem Zeitpunkt an zu rechnen ist, zu dem der Beklagte die Hilfs-bedürftigkeit des Klägers erstmals prüfen muss, d.h. vom Zeitpunkt der Antragstellung (BSG, Urteil vom 04.09.1979 - a.a.O.), kann jedoch nicht davon gesprochen werden, dass der Kläger in naher, nächster Zukunft das Vermögen zur Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstückes einsetzen will. Eine andere Bewertung würde dem Sinn dieser Vorschrift zuwiderlaufen. Der Sinn dieser Bestimmung ist es nicht, die Vermögensbildung zu fördern, sondern ein Vermögen zu schützen, mit welchem durch den Erwerb eines Hausgrundstücks oder einer Eigentumswohnung die Wohnbedürfnisse des behinderten Anspruchsberechtigten befriedigt werden können. Hat der Betroffene zum Beispiel ein Vermögen, das in Verbindung mit möglichen weiteren Einkünften nicht ausreichen wird, um in absehbarer Zeit ein Grundstück oder eine Eigentumswohnung zu erwerben, so ge-nießt dieses Vermögen keinen Schutz. Es wird dann, wie jedes andere Vermögen, das die Freibeträge überschreitet, vom Gesetz als dazu bestimmt angesehen, durch seine Verwertung die Hilfebedürftigkeit des Betroffenen während der streitigen Zeit zu beheben (vgl. BSG, Urteil vom 04.09.1979 a.a.O.).

Die Verwertung des sich aus dem Bereicherungsanspruch ergebenden Vermögens stellt für den Kläger auch keine besondere Härte im Sinne des § 12 Abs. 3 Nr. 6 zweite Alternative SGB II dar. Nach dieser Vorschrift sind als Vermögen nicht zu berücksichtigen Sachen oder Rechte, soweit ihre Verwertung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde. Da maßgebend nur außergewöhnliche Umstände sind, die nicht schon durch die ausdrücklich gesetzlichen Freistellungen über das Schonvermögen und die Absetzbeträge nach § 12 Abs. 2 SGB II erfasst werden, setzt die Härteregelung solche Umstände voraus, die dem Betroffenen ein deutlich größeres Opfer abverlangen als eine einfache Härte und erst recht als die mit der Vermögensverwertung stets verbundenen Einschnitte (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 15.04.2008 - B 14/7b AS 68/06 R = BSG 100, 196).

Bei der Frage, ob die Verwertung für den Kläger eine besondere Härte in diesem Sinne bedeuten würde, ist nicht darauf abzustellen, ob die Geltendmachung des Bereicherungsanspruchs gegen seine Mutter für den Kläger eine besondere (moralische) Härte darstellen würde. Vielmehr kommt es lediglich darauf an, ob die Verwertung des ihm gegen seine Mutter zustehenden Geldbetrages für seinen Lebensunterhalt selbst eine besondere Härte darstellen würde. Dies ist aber vorliegend nicht der Fall. Außergewöhnliche Umstände, die nicht schon durch die ausdrücklichen gesetzlichen Freistellungen über das Schonvermögen und die Absetzbeträge erfasst werden, sind vorliegend nicht erkennbar. Dem Kläger wird durch die anteilige Verwertung, also Einsatz für seinen Lebensunterhalt, des ihm gegen seine Mutter zustehenden Geldbetrages kein größeres Opfer abverlangt, als bei einer einfachen Härte.

Es kann dahinstehen, ob seine Mutter dem Kläger - falls er seinen Bereicherungsanspruch tatsächlich geltend gemacht hätte - das Eigentum an der von ihm bewohnten und auf seine Bedürfnisse nach dem Unfall umgebauten Immobilie übertragen würde. Selbst wenn diese Frage zu verneinen wäre, würde dies keine andere Beurteilung rechtfertigen. Insoweit hat die Mutter des Klägers in der mündlichen Verhandlung glaubwürdig dargelegt, dass der Kläger in jedem Fall in der O wohnen bleiben kann und er dieses Haus nicht verlassen muss. Dies allein ist entscheidungserheblich. Auch die unfallbedingte Behinderung des Klägers erfordert nicht zwingend eine im Eigentum des Klägers stehende Wohnung.

Von dem einzusetzenden Vermögen des Klägers ist ein Grundfreibetrag in Höhe von 150,00 Euro je vollendetem Lebensjahr, also 3.600,00 Euro (24 Lebensjahre x 150,00 Euro), gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II sowie ein Freibetrag in Höhe von 750,00 Euro (gesamt 4.350,00 Euro) gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II abzusetzen. Auch nach Abzug dieses Betrages hätte das Vermögen des Klägers nach (teilweiser) Befriedigung seines Bereicherungsanspruchs gegen seine Mutter ausge-reicht, um seinen Lebensunterhalt im streitigen Zeitraum aus seinem Vermögen zu bestreiten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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