L 14 AS 278/11 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 175 AS 36802/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 AS 278/11 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Wird im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ein Gegenstandwert von über 750,00 Euro nicht erreicht (§ 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG), ist auch die Beschwerde hinsichtlich der Bewilligung von Prozesskostenhilfe unzulässig (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG). Auf einen Beschwerdewert im (hypothetischen) Hauptsacheverfahren gemessen an einem sechsmonatigen Bewilligungszeitraum kommt es nicht an.
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 12. Januar 2011 wird als unzulässig verworfen. Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsteller noch gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 12. Januar 2011, soweit hiermit sein Antrag abgelehnt worden ist, ihm für den am 6. Dezember 2010 gestellten einstweiligen Rechtsschutzantrag Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwalts zu gewähren.

Die Beschwerde ist nicht statthaft.

Gemäß § 172 Abs. 1 SGG findet gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen des Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist. Die Beschwerde ist nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG in der Fassung des Gesetzes vom 5. August 2010 (BGBl. I, S. 1127) ausgeschlossen in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre; dies gilt auch für Entscheidungen über einen Prozesskostenhilfeantrag im Rahmen dieser Verfahren. Mit der bereits zum 1. August 2008 eingefügten Gesetzesänderung sollte bewirkt werden, dass die Rechtsschutzmöglichkeiten im einstweiligen Rechtsschutz nicht gegenüber denjenigen im Hauptsacheverfahren privilegiert werden (BT-Drs. 16/7716, S. 22). Nachdem zuvor umstritten war, ob auch die Beschwerde gegen die Ablehnung eines Antrags auf Prozesskostenhilfe in diesen Fällen ausgeschlossen ist, hatte die allein das Prozesskostenhilfeverfahren betreffende Änderung der Norm aufgrund des Gesetzes vom 5. August 2010 (a.a.O.) das Ziel, zu verhindern, dass gegen die Ablehnung eines Antrags auf Prozesskostenhilfe in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes weitergehende Rechtsschutzmöglichkeiten bestehen als in dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren selbst (vgl. (BT-Drs. 17/1684, S. 16 f.). So läge es aber hier. Denn die zunächst ebenfalls eingelegte Beschwerde des Antragstellers gegen die Ablehnung einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 12. Januar 2011 war unstatthaft.

Der Antragsteller war aufgrund des Beschlusses des Sozialgerichts nicht in dem von § 172 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 SGG vorausgesetzten Maße beschwert. Insofern ist von dem konkreten Antrag des Beschwerdeführers auszugehen (vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. März 2010 – L 20 AS 2061/09 B – Juris Rn. 9 sowie LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. April 2011 – L 10 AS 2324/10 B PKH – Juris Rn. 3 ff.). Mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2010 hat der Antragsteller seinen am 6. Dezember 2010 beim Sozialgericht gestellten einstweiligen Rechtsschutzantrag dahingehend geändert, dass er nunmehr die einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners begehrt hat, die Kosten seiner privaten Pflege- und Krankenversicherung in Höhe von monatlich 315,39 EUR, hilfsweise in Höhe von monatlich 311,68 EUR, in der Zeit vom 6. Dezember 2010 sinngemäß bis zum Ablauf des mit Änderungsbescheid vom 29. November 2010 festgesetzten Endes des Bewilligungszeitraums am 28. Februar 2010 zu berücksichtigen. Allein über dieses Begehren hat das Sozialgericht entschieden. Nachdem der Antragsgegner mit Bescheid vom 29. November 2010 für diesen Zeitraum bereits einen Zuschuss zur Krankenversicherung in Höhe von 126,05 EUR im Monat sowie zur Pflegeversicherung in Höhe von 18,05 EUR monatlich anerkannt hatte, betrug die Differenz zwischen den begehrten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen und den monatlichen gewährten maximal 171,29 EUR. Mithin hatte sich für den Antragsteller aufgrund des abweisenden Beschlusses – unter Berücksichtigung des Streitzeitraums vom 6. Dezember 2010 bis zum 28. Februar 2010 – eine Beschwer von höchstens (rund) 513,90 EUR ergeben, die den sich aus § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ergebenden Wert von 750 EUR von vornherein nicht überstieg (vgl. anders zu der Fallkonstellation einer beschränkten Beschwerde LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. April 2011 – L 10 AS 2324/10 B – a.a.O.).

Soweit die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers argumentieren, zur Ermittlung des Beschwerdewertes sei auf den im (hypothetischen) Hauptsacheverfahren gemessen am Bewilligungszeitraum längstens möglichen Streitzeitraum abzustellen, so dass es hier auf den Zeitraum vom 10. August 2010 bis zum 28. Februar 2011 ankäme mit der Folge, dass der maßgebliche Beschwerdewert überschritten wäre, folgt dem der Senat nicht (vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. April 2011, a.a.O., Rn. 4 f.). Eine solche Auslegung der Norm widerspräche dem Grundsatz, dass es für die Statthaftigkeit eines Rechtsmittels auf die durch die angefochtene Entscheidung begründete formelle Beschwer ankommt, die das Rechtsschutzinteresse für die Rechtsmittelinstanz umschreibt (vgl. auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, vor § 143 Rn. 5f).

Bereits der Wortlaut der Norm, wonach es für die Zulässigkeit der Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (sowie einem in diesem Rahmen gestellten Prozesskostenhilfeantrag) darauf ankommt, ob in der Hauptsache die Berufung zulässig wäre, legt es in Anbe-tracht des vom Gesetzgeber grammatikalisch gewählten Modus – Konjunktiv – nahe, für die Höhe des Beschwerdewertes den im konkreten einstweiligen Rechtsschutzverfahren gestellten Antrag zugrunde zu legen und hiernach festzustellen, ob – das konkrete einstweilige Rechtsschutzverfahren als Klageverfahren gedacht – die Berufung zulassungsfrei wäre. Unter Hauptsache in diesem Sinne ist dagegen nicht ein gegebenenfalls schon anhängiges oder andernfalls nach Maßgabe des angefochtenen Bescheides in Betracht kommendes Hauptsacheverfahren zu verstehen.

Mit dem Begriff der Hauptsache hat der Gesetzgeber an § 86b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 SGG angeknüpft, wonach über Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes das Gericht der Hauptsache entscheidet. Hiermit hat der Gesetzgeber eine Zuständigkeitsregelung getroffen, die unabhängig davon greift, ob in Bezug auf den konkreten Streitgegenstand bereits ein Klageverfahren anhängig ist. Ist die Hauptsache noch nicht anhängig, so kann es im Zuge des noch laufenden Verwaltungsverfahrens durchaus noch zu einer Veränderung des Streitgegenstandes kommen, etwa in Bezug auf den Umfang oder die Höhe einer bereits im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens begehrten Leistung. Ein gegebenenfalls noch nicht einmal rechtshängiges Begehren kann aber keinen sicheren Anhalt in Bezug auf den Wert der Beschwer geben; eine auf den jeweiligen Bescheid zurückgreifende Wertermittlung wäre rein spekulativ. Hiermit vergleichbar besteht in der Rechtsprechung Einigkeit, dass die Beschwerde dann gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen – und damit unzulässig – ist, wenn die Berufung in der Hauptsache nicht bereits Kraft Gesetzes ohne Weiteres zulässig wäre, sondern erst noch der Zulassung gemäß § 144 Abs. 2 SGG bedarf (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29. März 2011 – L 8 SO 6/11 B ER – Juris Rn. 6 sowie LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. September 2010 – L 20 AS 1702/10 B ER – Juris Rn. 5 m.w.N.). Denn erst die Zulassungsentscheidung ist im Falle der Berufungsbeschränkung nach § 144 Abs. 1 SGG konstitutive Voraussetzung für die Statthaftigkeit der Berufung (vgl. §§ 144 Abs. 3 und 145 Abs. 5 SGG).

Allein dieses Ergebnis entspricht im Übrigen dem Sinn und Zweck des Beschwerdeausschlusses nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG. Denn mit der zum 1. April 2008 neu geschaffenen Regelung des § 172 Abs. 3 SGG (und insofern auch der gesetzlichen Klarstellung aufgrund des Gesetzes vom 5. August 2010) hatte der Gesetzgeber das Ziel, die Sozialgerichtsbarkeit nachhaltig zu entlasten und zugleich eine Straffung und Beschleunigung der sozialgerichtlichen Verfahren herbeizuführen (BT Drs. 16/7716 S. 21). Die spekulative Ermittlung des Beschwerdewertes aus einem etwaigen Klageverfahren, welches unter Umständen – so auch vorliegend – nicht einmal mehr zu erwarten ist, würde diesem Ziel geradezu zuwiderlaufen.

Zwar ist die dem angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts beigefügte Rechtsmittelbelehrung unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen unzutreffend. Der Senat hat jedoch von Amts wegen über die Statthaftigkeit des eingelegten Rechtsmittels zu befinden, wie dem Antragsteller bereits mit Schreiben vom 18. Mai 2011 mitgeteilt worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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