L 20 AS 95/12 NZB

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
20
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 4 AS 2955/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 20 AS 95/12 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 15. November 2011 wird zurückgewiesen. Außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 145 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, denn der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt nicht den Wert von 750,00 Euro, so dass die Berufung der Zulassung bedarf, die im Urteil des Sozialgerichts nicht zugelassen wurde.

Der Senat hatte von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung gegen das Urteil zulässig ist. Hierbei war von dem vor dem Sozialgericht in der mündlichen Verhandlung am 15. November 2011 gestellten und protokollierten Antrag, über den das Sozialgericht mit Urteil vom 15. November 2011 entschieden hat, auszugehen. Nach dem protokollierten Antrag ist eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage erhoben worden. Der Umfang der Beschwer nach § 144 Abs. 2 SGG ergibt sich hier jedoch allein aus dem Anfechtungsbegehren und beträgt nicht 750,00 EUR.

Den Klägern wurden mit Bescheid vom 16. Februar 2011 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – SGB II - in Höhe von monatlich 717,38 EUR für den Zeitraum von Januar 2011 bis April 2011 gewährt. Mit dem mit der Klage angefochtenen Bescheid vom 23.03.2011 ist der Bewilligungsbescheid für den Monat April 2011 und damit für den letzten Monat der Bewilligung aufgehoben worden. Weder hat der Beklagte mit dem Bescheid über weitere Leistungen noch über weitere Leistungszeiträume entschieden, so dass sich die Regelung in der Aufhebung für einen Monat erschöpft. Nach Erhalt des Widerspruchsbescheides ist dann folglich auch die allein zulässige Anfechtungsklage mit dem Klageschriftsatz vom 28.07.2011 erhoben worden. Hierüber, über die Rechtmäßigkeit der Aufhebungsentscheidung zur Leistungsbewilligung für den Monat April 2011 des Beklagten, hat das Sozialgericht mit Urteil vom 15. November 2011 entschieden und die erhobene Anfechtungsklage abgewiesen. Damit beträgt die Beschwer des Urteils nur 717,38 EUR und erreicht nicht den Beschwerdewert.

Soweit die Kläger meinen, das Sozialgericht habe ihren kombinierten Anfechtungs- und Leistungsantrag zu Unrecht als bloßen Anfechtungsantrag ausgelegt, führt dies nicht zu einem anderen Ergebnis. Prozesshandlungen sind bei Unklarheiten auszulegen. Maßgebend ist dabei der erklärte Wille, wie ein Empfänger nach der Interessenlage die Erklärung verstehen musste. Eindeutigen Erklärungen darf dabei kein anderer Erklärungsinhalt gegeben werden. Der hier protokollierte Klageantrag hinsichtlich der mit "ab" formulierten Verpflichtung des Beklagten war nicht eindeutig, da er eine auf den Monat April beschränkte Verpflichtung entsprechend des letzten Monats der Bewilligung oder auch Leistungen für Folgemonate umfassen konnte. Anhaltspunkt für die Auslegung ist das von den Beteiligten vernünftigerweise Gewollte (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, vor § 60, Rn. 11a). Der gestellte Antrag, "den Bescheid der Beklagten vom 23.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2011 aufzuheben. Die Beklagte zu verpflichten, Leistungen nach dem SGB II ab 01.04.2011 in gesetzlicher Höhe zu bewilligen." war als reines Anfechtungsbegehren auszulegen, da ein Leistungsantrag unzulässig gewesen wäre. Für einen Leistungsantrag für den Monat April 2011 fehlte es an einem Rechtsschutzbedürfnis, da mit der Anfechtungsklage das Klageziel zu erreichen war. Der gestellte Antrag konnte auch mit der Formulierung "ab" nicht als Verpflichtungsantrag für Zeiträume ab 01. Mai 2011 ausgelegt werden, da ein solcher Antrag wegen doppelter Rechtshängigkeit unzulässig gewesen wäre. Die Kläger hatten nämlich bereits in dem ebenfalls beim Sozialgericht Cottbus unter dem Aktenzeichen S 4 AS 2956/11 anhängigen Verfahren den einen Leistungsanspruch für diesen Zeitraum ablehnenden Verwaltungsakt angefochten und in diesem Verfahren die Verpflichtung des Beklagten begehrt, Leistungen ab 01. Mai 2011 zu gewähren.

Nach allem war hier eine Anfechtungsklage das vernünftigerweise Gewollte. Zu Recht hat daher das Sozialgericht den Verpflichtungsantrag als Klarstellung zur Leistungsverpflichtung für den Monat April 2011 bei Aufhebung des Bescheides vom 23. März 2011 ausgelegt.

Die Zulassungsbeschwerde ist nicht begründet.

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn

1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruht. Keine dieser Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Eine Abweichung der Entscheidung des Sozialgerichts von solchen der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte wird von den Klägern nicht geltend gemacht. Ein Verfahrensmangel wird ebenfalls mit der Beschwerde nicht angeführt und ist auch nicht erkennbar.

Die mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache besteht nicht. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie klärungsbedürftige Rechtsfragen aufwirft und die Klärung im allgemeinen Interesse steht (Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, § 144, Rn. 28). Nicht klärungsbedürftig ist weiterhin eine Rechtsfrage, wenn ihre Beantwortung sich unmittelbar und ohne weiteres aus dem Gesetz ergibt oder unzweifelhaft ist (a.a.O., § 160, Rn. 7, 7b).

Die von den Klägern als rechtsgrundsätzlich angegebene Frage, ob Einnahmen aus einem Promotionsstipendium, welches der Kläger zu 2) im streitigen Zeitraum erhielt, als zweckbestimmte Einnahmen nach § 11a Abs. 3 SGB II in der ab dem 01. April 2011 geltenden Fassung zu behandeln ist, ist keine klärungsbedürftige Rechtsfrage.

Die Rechtsfrage, was zweckbestimmte Leistungen im Sinne des § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch – RBEGuSGBII,SGBXIIÄndG vom 24. März 2011 (BGBl. I, S. 453) sind, ist nicht klärungsbedürftig. Die zum 01. April 2004 eingeführte Vorschrift hat im Absatz 3 den Wortlaut der Regelung des § 83 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch übernommen. Die Aufgabe der bis dahin unterschiedlichen Formulierungen in § 11 Abs. 3 Nr. 1 a) SGB II a.F. und § 83 Abs. 1 SGB XII war Ziel der Einführung des § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II und sollte der Klarstellung dienen (BT Drs. 17/3404, Seite 94 zu § 11 a). Bereits zu der Regelung des § 11 Abs. 3 Nr. 1 a) SGB II a.F. hat das Bundessozialgericht – BSG – entschieden, welche Anforderungen an eine "Zweckbestimmung" zur Annahme einer "zweckbestimmten Einnahme" im Sinne dieser Vorschrift zu stellen sind (BSG v. 20.12.2011, B 4 AS 200/10 R, juris, Rn. 16; v. 18.1.2011 - B 4 AS 90/10 R – Rn.21). Mit Urteil vom 03.03.2009 zum Aktenzeichen B 4 AS 47/08 R hat das BSG wie folgt ausgeführt: "§ 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a) und Buchst b) SGB II fassen die bisherigen Regelungen des § 77 Abs 1 Satz 1 BSHG und des § 78 BSHG zusammen. Diesen entsprechen die §§ 83 Abs 1 und 84 Abs 1 SGB XII. § 11 Abs 3 Nr 2 SGB II entspricht dem bisherigen § 77 Abs 2 BSHG und dem heutigen § 83 Abs 2 SGB XII. Sinn des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a) SGB II ist es zu verhindern, dass die besondere Zweckbestimmung einer Leistung durch Berücksichtigung im Rahmen des SGB II verfehlt wird, sowie dass für einen identischen Zweck Doppelleistungen erbracht werden (BSG, Urteil vom 6.12.2007 - B 14/7b AS 62/06 R, RdNr 24). Die Zweckbestimmung kann sich aus einer öffentlich-rechtlichen Norm ergeben (vgl BSG, Urteil vom 6.12.2007 - B 14/7b AS 16/06 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 8 RdNr 16) , jedoch können auch zweckbestimmte Einkünfte auf privatrechtlicher Grundlage darunter fallen (Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, August 2008, § 11 RdNr 212; Söhngen in jurisPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 11 RdNr 55; Brühl in LPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 11 RdNr 54; Voelzke, SGb 2007, 713, 720). Letzteres ergibt sich aus dem weiten Wortlaut des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a) SGB II, der sich insofern von der ähnlichen Vorschrift im Sozialhilferecht unterscheidet, die gemäß § 83 Abs 1 SGB XII einen in öffentlich-rechtlichen Vorschriften ausdrücklich genannten Zweck fordert (BSG, Urteil vom 6.12.2007 - B 14/7b AS 16/06 R, SozR, aaO, RdNr 16)" (juris, Rn. 20). Auch zu den Voraussetzungen der Annahme einer "zweckbestimmten Leistung" in § 83 SGB XII und damit zur Gesetzesformulierung in § 11a Abs. 3 SGB II liegt höchstrichterliche Rechtsprechung mit der Entscheidung des BSG vom 23.03.2010 zum Aktenzeichen B 8 SO 17/09 R (juris, Rn. 24) vor.

Mit der von den Klägern aufgeworfenen Frage, ob das vom Kläger zu 2) bezogene Promotionsstipendium eine solche zweckbestimmte Leistung im Sinne des § 11a Abs. 3 SGB II ist, wird keine klärungsbedürftige Rechtsfrage gestellt. Vielmehr betrifft diese Fragegestellung allein die Subsumtion konkreter Umstände unter die Regelung des § 11a Abs. 3 SGB II, (vgl. BSG v. 25.07.2011, B 12 KR 114/10 B, juris, Rn. 10).

Nach allem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1, Abs. 4 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG. Das Urteil des Sozialgerichts wird mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Landessozialgericht rechtskräftig, § 145 Abs. 4 Satz 4 SGG.
Rechtskraft
Aus
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