L 7 AS 511/12 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 51 AS 1590/12 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 511/12 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Einordnung einmaliger Einnahmen als Einkommen hat nur bis zum Ablauf des Verteilzeitraums Gültigkeit.
Soweit das Einkommen nach Ablauf des Verteilzeitraums nicht aufgebraucht ist, handelt es sich um Vermögen nach § 12 SGB II.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 2. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Gründe:


I.

Streitig ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, ob der Antragsgegner den Antragstellern für die Zeit ab 01.07.2010 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vorläufig zu gewähren hat.

Die Antragsteller und Beschwerdeführer sind verheiratet und beide im Jahr 1948 geboren. Sie bezogen vom 01.01.2005 bis 30.06.2010 durchgehend Arbeitslosengeld II vom Antragsgegner. Davor erhielten sie Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz. Wegen der Leistungsgewährung und Schadensersatzforderungen der Antragsteller (ca. 7,8 Milliarden Euro) sind zahlreiche Rechtsstreite zwischen den Beteiligten anhängig.

Am 25.06.2010 erhielt der Antragsteller zu 1) aus einer Erbschaft 68.860,41 Euro auf ein extra dafür eingerichtetes Unterkonto. Die Leistungsgewährung wurde daraufhin eingestellt.

Am 19.06.2012 stellten die Antragsteller beim Sozialgericht München einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz und begehrten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II. Sie begehrten die Fortsetzung der Zahlung von Arbeitslosengeld II ab Juli 2010 und die Übernahme der Kosten eines Wohnungsmaklers bzw. die Vermittlung einer geeigneten Wohnung.

Mit Beschluss vom 02.07.2012 lehnte das Sozialgericht München den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ab. Es fehle bereits an einem Rechtsschutzbedürfnis, weil die Antragsteller bisher keinen Leistungsantrag beim Antragsgegner gestellt hätten. Die Sozialgerichte hätten die Aufgabe, Entscheidungen der Behörden darauf zu überprüfen, ob sie mit dem Gesetz in Einklang stehen. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes könnten Gerichte auch über Leistungen entscheiden, über die die Behörden noch nicht entschieden haben. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit seien aber nicht dafür zuständig - auch nicht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes - über Ansprüche auf Sozialleistungen zu entscheiden, ohne dass die Behörden Gelegenheit hatten, selbst darüber zu entscheiden. Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung setze deshalb voraus, dass sich ein Antragsteller zunächst an die Verwaltungsbehörde wendet und dort einen Leistungsantrag stellt (so BayLSG, Beschluss vom 16.02.2007, L 7 AS 964/06 AS ER). Im Übrigen fehle es bezüglich der Wohnung bzw. der Kosten eines Maklers auch an einem Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit), weil die Wohnung der Antragsteller nicht gefährdet sei.

Die Antragsteller haben am 09.07.2012 Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts eingelegt. Der Beschluss sei in einem unfairen Verfahren entstanden und stelle eine Rechtsbeugung dar. Überstaatliches Recht (Europäische Menschenrechtskonvention, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte) sei nicht beachtet worden. Es sei nicht richtig, dass die Antragsteller keinen Leistungsantrag gestellt hätten. Ihnen läge ein Schreiben des Antragsgegners vom 04.10.2010 vor, in dem sie aufgefordert worden seien, den Ausgang eines Widerspruchsverfahrens abzuwarten, bevor sie eine Abrechnung vorlegen sollten.

Nach Aufforderung durch das Beschwerdegericht teilten die Antragsteller mit, dass auf ihrem Bankkonto aus dem Erbe aktuell noch 25.972,30 Euro zur Verfügung stünden. Hiervon sei für einen eventuellen Pflichtteilsanspruch in Höhe von 17.401,- Euro, der allerdings trotz Information der Pflichtteilsberechtigen im Jahr 2010 bisher nicht geltend gemacht worden sei, abzuziehen. Unabhängig davon betrage der Vermögensfreibetrag der Antragsteller insgesamt 95.250,- Euro (750,- Euro je Lebensjahr).

Die Beschwerdeführer beantragen sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 02.07.2012 aufzuheben und den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, ihnen für die Zeit ab 01.07.2010 Arbeitslosengeld II zu gewähren und ihnen eine neue Wohnung zu vermitteln bzw. die Kosten eines Maklers zu übernehmen.

Der Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Es liege nach wie vor kein Leistungsantrag vor. Der letzte Aktenvorgang datiere vom 10.12.2012. Darin gehe es um die Leistungseinstellung wegen des Erbes.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf die Akte des Sozialgerichts und die Akte des Beschwerdegerichts verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil das Sozialgericht München den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt hat.

Das Beschwerdegericht schließt sich gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG der Begründung des Sozialgerichts an und weist die Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Lediglich ergänzend wird angemerkt, dass die Ausführungen der Beschwerdeführer einen Leistungsantrag gerade nicht belegen. Ein Hinweis des Antragsgegners, ein Widerspruchsverfahren abzuwarten, bevor Abrechnungen, die von den Antragstellern hier weder zeitlich noch inhaltlich spezifiziert wurden, eingereicht werden, belegt keinen Leistungsantrag für die Zeit ab Juli 2010.

Im Übrigen sind die Antragsteller nicht hilfebedürftig. Sie verfügen nach eigenen Angaben aktuell über 25.972,30 Euro. Hierbei handelt es sich um Vermögen, das die Vermögensfreibeträge deutlich überschreitet.

Das Erbe ist am 25.06.2010 im laufenden Leistungsbezug zugeflossen, so dass es sich gemäß der Zuflusstheorie zunächst um Einkommen handelte. Die rechtliche Wirkung des Zuflussprinzips erstreckt sich (nur) auf den Verteilzeitraum (BSG, Urteil vom 30.09.2008, B 4 AS 29/07 R. dort Rn. 21). Dieser wird weder durch das Ende des laufenden Bewilligungszeitraums noch durch einen erneuten Leistungsantrag abkürzt (BSG, a.a.O. Rn. 27).

Nach der bis 31.03.2011 gültigen Rechtslage (§ 11 SGB II i.V.m. § 2 Abs. 4, § 4 Arbeitslosengeld II-Verordnung in der bis 31.03.2011 gültigen Fassung) war ein Verteilzeitraum für einmalige Einnahmen nur als "angemessener Zeitraum" bezeichnet. Das BSG hat im Urteil vom 27.09.2011, B 4 AS 180/10 R, einen Verteilzeitraum von zwölf Monaten gebilligt, sich zu einer Obergrenze jedoch nicht geäußert. In Hinblick auf § 41 Abs. 1 SGB II hält der erkennende Senat diese 12 Monate grundsätzlich für die Obergrenze eines Verteilzeitraums nach altem Recht. Dieser Zeitraum ist hier längst abgelaufen.

Soweit das Einkommen nach Ablauf des Verteilzeitraums nicht aufgebraucht wurde, handelt es sich um Vermögen.

Wenn die Einordnung als Einkommen durch das Zuflussprinzip nur bis zum Ablauf des Verteilzeitraums Gültigkeit hat, ist für die Zeit danach eine neue Zuordnung nötig. Für eine erneute Einordnung als Einkommen fehlt es an einem erneuten Zufluss. Das danach noch nicht verbrauchte Einkommen ist als Vermögen einzustufen, weil eine Freistellung eines überschießenden Einkommensrestes den Begriff der Hilfebedürftigkeit unterlaufen würde. Wer ein besonders hohes Einkommen - wie hier das hohe Erbe - erhält, von dem nach zwölf Monaten noch erhebliche Teile vorhanden sind, kann nicht anschließend durch ein anrechnungsfreies Sondereinkommen besser gestellt werden als jemand, der ein geringes Einkommen erhalten hatte oder jemand, der Vermögen besitzt (so auch Geiger in LPK SGB II, 4. Auflage 2011, § 11 Rn. 41).

Entsprechendes gilt für die ab 01.04.2012 bestehende Rechtslage, wonach gemäß § 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II der Verteilzeitraum höchstens sechs Monate beträgt.

Der Vermögensfreibetrag wird mit 25.972,30 Euro deutlich überschritten, weil nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II lediglich ein Grundfreibetrag von 150,- Euro je vollendetes Lebensjahr freizustellen ist zuzüglich der Anschaffungsfreibeträge. § 65 Abs. 5 SGB II ist auf die nach dem 01.01.1948 geborenen Antragsteller nicht anwendbar. Der Freibetrag von 750,- Euro je Lebensjahr nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II bezieht sich nicht auf Guthaben auf verfügbaren Bankkonten. Schulden, die hier scheinbar ohnehin nicht bestehen, sind vom vorhandenen Vermögen nicht abzuziehen (ständige Rechtsprechung des BSG, z.B. Urteil vom 15.04.2008, B 14/7b AS 52/06 R, Rn. 39).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
Saved