L 7 AS 434/12

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 434/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Es handelt sich bei der Prozesskostenhilfe um eine eigenständige Leistung der Hilfe zum Lebensunterhalt
nach dem Dritten Kapitel des SGB XII und nicht um Hilfe in besonderen Lebenslagen nach § 73 SGB XII (Anschluss an übrige Senate des SächsLSG).

2. Lebt der um Prozesskostenhilfe Nachsuchende mit seinem Ehegatten oder Lebenspartner in einer Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II, dann unterhält er diesen nicht überwiegend i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII.
Der Antrag des Klägers und Berufungsbeklagten, ihm für das Berufungsverfahren vor dem Sächsischen Landessozialgericht Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.

Gründe:

Der Kläger und Berufungsbeklagte (im Folgenden: Kläger) hat mit einem beim Sächsischen Landessozialgericht (SächsLSG) am 29.08.2012 eingegangenen Schreiben die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren beantragt.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann einem Beteiligten bei ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Zwar kommt es hier auf die Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung durch den Kläger nicht an (vgl. § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Nach den Feststellungen im vorliegenden Prozesskostenhilfeverfahren ist der Kläger allerdings nicht bedürftig i.S.d. § 115 ZPO, denn er hat einsetzbares Vermögen in Höhe von 1.782,00 EUR, mit dem er die Kosten seiner Rechtsverteidigung decken kann.

Nach der am 21.09.2012 vorgelegten Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse verfügt der verheiratete Kläger zusammen mit seiner Ehefrau über ein Girokonto, über zwei Sparbücher und Guthaben auf einem Tagesgeldkonto. Hinzu kommt der zum 30.04.2012 bestehende Rückkaufswert der Lebensversicherung zugunsten der Ehefrau S , von dem beim Kläger die Hälfte in Ansatz zu bringen ist. Damit ergibt sich verwertbares Vermögen von insgesamt 4.406,00 EUR, das den dem Kläger zustehenden Schonbetrag in Höhe von 2.624,00 EUR um 1.782,00 EUR übersteigt. Das Schonvermögen nach § 12 Zweites Buch Sozialgesetzbuch bleibt nur für die Bewilligung von Leistungen nach jenem Gesetz unberücksichtigt. Die im Rahmen der Prozesskostenhilfe zu berücksichtigenden Freibeträge sind andere und ergeben sich aus § 115 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 90 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch ((SGB XII); vgl. BSG, Urteil vom 27.09.2011 – B 4 AS 180/10 R, zitiert nach Juris, RdNr. 25).

Der Kläger hat gemäß § 115 Abs. 3 ZPO sein Vermögen einzusetzen, soweit ihm dies zumutbar ist. Das Vermögen ist in seiner Gesamtheit zu betrachten. Hat die Partei mehrere Vermögenswerte (Lebensversicherung, Sparbuch, Barvermögen), die zwar jeweils unter dem Freibetrag liegen, zusammen z.B. mit dem Rückkaufswert der Lebensversicherung allerdings den Vermögensfreibetrag überschreiten, kann sie auf die Verwertung des verfügbaren Vermögens verwiesen werden (vgl. Beschluss des Senats vom 02.12.2010 – L 7 AS 283/10 B PKH m.w.N.). Zum Vermögen gehören die Guthaben auf den Sparbüchern (vgl. SächsLSG, Beschluss vom 12.12.2007 – L 6 B 50/07 U-PKH), dem Tagesgeldkonto (vgl. SächsLSG, Beschluss vom 08.04.2008 –L 3 B 345/07 AL-PKH) und dem Girokonto (SächsLSG, Beschluss vom 17.05.2006 – L 1 B 121/05 AL-PKH; Beschluss vom 22.05.2007 – L 3 B 288/06 AL-PKH; Beschluss vom 26.11.2007 – L 4 B 501/07 R-PKH; Beschluss vom 05.05.2008 – L 2 B 211/08 AS-PKH). Es ist auch nicht ersichtlich, dass die – ggf. teilweise – Verwertung der Lebensversicherung und der Einsatz des auf dem Tagesgeldkonto vorhandenen täglich verfügbaren Guthabens und den Sparbüchern unzumutbar wären. Neben einer Kündigung der Lebensversicherung, um in den Genuss des Rückkaufswertes zu gelangen, kommt auch eine Beleihung der Versicherung in Betracht, bei welcher die Versicherung grundsätzlich erhalten bleibt (vgl. SächsLSG, Beschluss vom 15.03.2007 - L 6 B 249/06 R KN-PKH, Beschluss vom 17.08.2006 - L 4 B 174/06 R-PKH, Beschluss vom 21.01.2008 - L 2 B 711/07 AS-PKH).

Von dem danach einzusetzenden Vermögen ist nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII für den Kläger ein Freibetrag in Höhe von 1.600,00 EUR abzuziehen.

§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII lautet: "Kleinere Barbeträge oder sonstige Geldwerte im Sinne des § 90 Abs. 2 Nr. 9 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sind, 1. wenn die Sozialhilfe vom Vermögen der nachfragenden Person abhängig ist, a) bei der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch 1.600 Euro, jedoch 2.600 Euro bei nachfragenden Personen, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, sowie bei voll Erwerbsgeminderten im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung und den diesem Personenkreis vergleichbaren Invalidenrentnern, b) bei den Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch 2.600 Euro, zuzüglich eines Betrages von 256 Euro für jede Person, die von der nachfragenden Person überwiegend unterhalten wird, ( ...)"

Da der Kläger weder das 60. Lebensjahr vollendet hat, noch im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung voll erwerbsgemindert oder ein diesem Personenkreis vergleichbarer Invalidenrentner ist, kann er den Freibetrag in Höhe von 2.600,00 EUR nicht beanspruchen. Denn es handelt sich bei der Prozesskostenhilfe um eine eigenständige Leistung der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII und nicht um Hilfe in besonderen Lebenslagen nach § 73 SGB XII. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung der übrigen Senate des Sächsischen Landessozialgerichts an (noch offen gelassen im Beschluss vom 11.05.2011 – L 7 AS 753/09 B PKH; vgl. im Übrigen: SächsLSG, Beschluss vom 06.12.2010 – L 1 AL 122/09 B PKH und Beschluss vom 30.06.2008 – L 1 B 305/07 AL-PKH mit Diskussion zum Meinungsstand sowie ferner SächsLSG, Beschluss vom 31.03.2010 – L 2 AS 612/09 B PKH; Beschluss vom 03.06.2008 – L 3 B 99/08 AS-PKH; Beschluss vom 15.03.2007 – L 6 B 249/06 R-KN PKH; Beschluss vom 17.08.2006 – L 4 B 174/06 R-PKH; OLG Dresden, Beschluss vom 18.07.2005 – 4 W 787/05).

Hinzu kommen für jedes der vier Kinder des Klägers jeweils 256,00 EUR, also zusammen 1024,00 EUR. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII sind kleinere Barbeträge oder sonstige Geldwerte, wenn die Sozialhilfe (hier: Prozesskostenhilfe) vom Vermögen der nachfragenden Person und ihres nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners abhängig ist, der nach Nr. 1 Buchstabe a oder b maßgebende Betrag zuzüglich eines Betrages von 614,00 EUR für den Ehegatten oder Lebenspartner und eines Betrages von 256,00 EUR für jede Person, die von der nachfragenden Person, ihrem Ehegatten oder Lebenspartner überwiegend unterhalten wird. Die vier minderjährigen Kinder des Klägers werden von ihm und seiner Ehefrau in diesem Sinnen überwiegend unterhalten. Denn die kindergeldberechtigte Ehefrau setzt das für die Kinder gezahlte Kindergeld ein und beide leisten z.B. durch die Betreuung der Kinder Unterhalt in Natura. Der nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII vorgesehene Freibetrag in Höhe von 614,00 EUR für den Ehegatten kann allerdings nicht berücksichtigt werden, da der Kläger mit seiner Ehefrau in einer Bedarfsgemeinschaft lebt und sie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II beziehen, die Ehefrau also nicht überwiegend vom Kläger unterhalten wird (so auch SächsLSG, Beschluss vom 06.12.2010, a.a.O., S. 7 des Abdrucks).

Das nach Abzug des prozesskostenhilferechtlich relevanten Freibetrages verbleibende Vermögen deckt die voraussichtlichen Verfahrenskosten und ist daher zur Prozessführung einzusetzen, so dass Prozesskostenhilfe abzulehnen ist.

Unerheblich ist, ob der Kläger mittlerweile das ihm zur Verfügung stehende Geld (ggf. teilweise) verbraucht hat. Denn die Freibetragsgrenzen gelten nicht, wenn der Antragsteller sein Geld verbraucht hat, obwohl er mit dem Prozess oder mit einem Rechtsmittel rechnen musste (vgl. SächsLSG, Beschluss vom 30.01.1997 – L 2 B 63/96 U-PKH; Beschluss vom 05.01.2009 – L 1 B 410/08 KR-PKH; Beschluss vom 04.12.2003 – L 5 B 149/03 RJ-PKH; Geimer in Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 115 ZPO RdNr. 72). Dies gilt erst recht, wenn der um Prozesskostenhilfe Nachsuchende sich seines einsetzbaren Vermögens während eines von ihm selbst in Gang gesetzten Klageverfahrens entäußert, bevor das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist; vielmehr sind die Prozesskosten zurückzulegen (vgl. SächsLSG, Beschluss vom 14.10.2008 – L 7 B 385/07 AS-PKH). Die Partei hat nämlich ihre finanziellen Dispositionen auf die durch die Prozessführung entstandenen Kosten auszurichten und darf nur solche Ausgaben machen, die erforderlich sind (vgl. SächsLSG, Beschluss vom 19.02.2008 – L 2 B 433/07 AS-PKH). Wer seine Bedürftigkeit selbst herbeiführt, ist nicht schutzwürdig (SächsLSG, Beschluss vom 21.02.2008 – L 2 B 583/07 AS-PKH).

Dem Antrag kann deshalb nicht entsprochen werden.

Dieser Beschluss ist für die Beteiligten unanfechtbar (§ 177 SGG).

Dr. Anders Reichert Wagner
Rechtskraft
Aus
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