L 3 AS 329/09

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 20 AS 175/07
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 329/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Zulassungsentscheidung in Bezug auf eine Maßnahme der beruflichen Weiterbildung (hier: Beginn im Januar 2007) und den Träger der Maßnahme kann weder im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches ersetzt werden, noch kann die Zulassungsfähigkeit im Rahmen einer Inzidentprüfung geklärt oder die Zulassung von Maßnahmeteilnehmern eingeklagt werden (Fortführung der Senatsrechtsprechung: vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 27. August 2009 – L 3 AL 9/08 –JURIS-Dokument Rdnr. 33 ff.).
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 3. April 2009 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin erstrebt die Verpflichtung der Beklagten, Kosten einer Maßnahme zur beruflichen Weiterbildung in Höhe von 9.556,40 EUR zu übernehmen.

Die am 1960 geborene Klägerin nahm am 24. März 2003, nachdem sie zuvor Ausbildungen zur Automobilkauffrau und zur Rechtsanwaltsfachangestellten nicht beendet hatte, eine Ausbildung zur Logopädin an den Blindow-Schulen in L auf. Diese Maßnahme wurde durch die Bundesagentur für Arbeit gefördert. Im Verlauf der Ausbildung stellten sich bei der Klägerin gesundheitliche Probleme ein, die zu Fehlzeiten führten. Unter dem 18. Juli 2006 teilten die Blindow-Schulen mit, dass die Klägerin die Abschlussprüfung nicht bestanden habe.

Den Antrag der Klägerin vom 12. Juni 2006 auf Weiterförderung der Ausbildung bis zur Ablegung einer Wiederholungsprüfung lehnte die ARGE L (im Folgenden: ARGE) mit Bescheid vom 25. August 2006 ab. Die Leistungen könnten nur gewährt werden, wenn die Weiterbildung im Sinne von § 77 Abs. 1 Nr. 1 SGB III notwendig sei. Eine Anfrage bei der Blindow-Schule habe aber ergeben, dass diese die Verlängerung der Ausbildung um ein halbes Jahr nicht für sinnvoll erachte, da größere Mängel in den Grundlagenfächern von der Klägerin nicht aufgeholt worden und auch im praktischen Bereich erhebliche Mängel festgestellt worden seien. Die berufliche Eingliederung der Klägerin sei daher nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit zu erwarten.

Dagegen legte die Klägerin am 7. September 2006 Widerspruch ein.

Am 22. Dezember 2006 sprach die Klägerin bei der ARGE vor. Sie teilte mit, sie könne ab dem 2. Januar 2007 bis Mitte Juli 2007 ihre Ausbildung zur Logopädin in H am Ausbildungszentrum für Gesundheitsfachberufe am Universitätsklinikum der Martin-Luther-Universität H -W fortsetzen und die Wiederholungsprüfung absolvieren. Dafür wolle sie Fahrkosten, Unterhaltsgeld und Prüfungsgebühr beantragen. Nach dem über das Gespräch erstellten Beratungsvermerk vom 22. Dezember 2006 wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass "nur Maßnahmen gefördert werden, wenn sie anerkannt sind und zertifiziert". Dem Vermerk über eine weitere Vorsprache am 5. Januar 2007 ist zu entnehmen, dass die Klägerin ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass die Maßnahme nicht zugelassen und daher keine Förderung möglich ist. Weiter heißt es in dem Vermerk, dass die Klägerin "trotzdem am 08.01.2007 die Ausbildung beginnt".

Den Antrag vom 22. Dezember 2006 lehnte die ARGE mit Bescheid vom 5. Januar 2007 ab. Nachdem nach bereits absolvierter Weiterbildung von März 2003 bis März 2006 keine der erforderlichen Prüfungen bestanden worden sei und die Blindow-Schule unter dem 21. August 2008 eine negative Einschätzung abgegeben habe, seien die Fördervoraussetzungen für die Weiterbildung mangels Erfolgsaussichten nicht gegeben. Darüber hinaus seien die beantragte Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung nicht zugelassen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2007 wies die ARGE auch den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 25. August 2006 zurück. Mindestens eine der Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 SGB III sei nicht erfüllt. Nach einer von der Klägerin eingereichten Bescheinigung der Blindow-Schule L sei nicht davon auszugehen, dass sie die Abschlussprüfung bestehen werde. Die Klägerin habe bereits an mehreren geförderten Maßnahmen teilgenommen, die sie jeweils abgebrochen habe. Eine erneute Förderung könne aufgrund der geringen Erfolgsaussichten nicht erfolgen.

Dagegen hat die Klägerin am 24. Januar 2007 Klage erhoben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. August 2008 wies die ARGE auch den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 5. Januar 2007 zurück. Die Klägerin habe bereits mehrere geförderte Maßnahmen erhalten, die sie jeweils abgebrochen habe. Eine erneute Förderung könne aufgrund der fehlenden Erfolgsaussichten nicht erfolgen. Zudem sei auch der Maßnahmeträger nicht nach § 84 SGB III zertifiziert. Er habe keine Zulassung für die Durchführung der Weiterbildungsmaßnahme beantragt. Die dagegen unter dem Akten-zeichen S 20 AS 3676/08 beim Sozialgericht Leipzig geführte Klage hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 3. April 2009 an das Sozialgericht Schwerin verwiesen.

Die Klage vom 24. Januar 2007 hat das Sozialgericht nach Einholung einer Stellungnahme des Universitätsklinikum H (S ), nach der eine Zertifizierung des Ausbildungszentrums für Gesundheitsfachberufe als Maßnahmeträger im Sinne von § 84 SGB III nicht erfolgt ist, mit Urteil vom 3. April 2009 abgewiesen. Die Ausbildungsstelle sei als Träger beruflicher Weiterbildungsmaßnahmen nicht zugelassen. Die förmliche Zulassung sei aber unentbehrlich. Die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches seien nicht gegeben. Die Entscheidung über die Durchführung eines Zulassungsverfahrens liege allein beim Maßnahmeträger, also dem Universitätsklinikum H /S und lasse sich nicht durch die Vornahme einer Amtshandlung ersetzen.

Gegen das ihr am 5. Mai 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 4. Juni 2009 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, die ARGE könne sich bei der Ablehnung der Förderung nicht darauf stützen, dass die Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 Nr. 1 SGB III nicht vorlägen. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Förderung der Weiterbildung sei bereits "mit dem Bildungsgutschein des Arbeitsamtes Oschatz vom März 2003 grundsätzlich festgestellt" worden. Auch sei ihr, der Klägerin, zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt worden, dass die von ihr gewählte Bildungseinrichtung nicht als Träger beruflicher Weiterbildungsmaßnahmen zugelassen sei. Weder der ablehnende Bescheid noch der Widerspruchsbescheid enthielten einen entsprechenden Hinweis. Auch sei der Bescheid vom 25. August 2006 rechtswidrig allein auf angeblich fehlende Erfolgsaussichten der weiteren Ausbildung gestützt worden. Sie habe die staatliche Abschlussprüfung in der Fachrichtung Logopädie später bestanden und damit unter Beweis gestellt, dass die von dem Beklagten vorgenommene Prognose falsch gewesen sei.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 3. April 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. August 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr für die Ausbildung zur Logopädin am Ausbildungszentrum für Gesundheitsfachberufe des Universitätsklinikums H Leistungen der Weiterbildungsförderung in Höhe von 9.556,40 EUR zu bewilligen.

Der zum 1. Januar 2011 an die Stelle der ARGE getretene Beklagte, das Jobcenter L , beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Entgegen ihrer Einlassungen sei die Klägerin darüber informiert worden, dass eine Finanzierung ihrer Wiederholungsprüfung nur erfolgen könne, wenn diese Prüfung bei einem anerkannten Träger erfolge. Auch von der Universität H sei sie darüber informiert worden, dass nur die Teilnahme an einer Maßnahme bei einem zertifizierten Träger erfolgen könne. Da es sich bei der Universität H nicht um einen zertifizierten Maßnahmeträger handele, habe keine Kostenzusage erfolgen können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Förderung der von ihr absolvierten Maßnahme der beruflichen Weiterbildung durch Übernahme der geltend gemachten Weiterbildungskosten nicht zu.

Anspruchsgrundlage für die von der Klägerin begehrten Leistungen ist § 77 Abs. 1 Satz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) in der bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung (im Folgend: a. F.). Nach dieser Vorschrift konnten Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten und Leistung von Unterhaltsgeld gefördert werden, wenn 1. die Weiterbildung notwendig war, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden, oder weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt war, 2. vor Beginn der Maßnahme eine Beratung durch das Arbeitsamt erfolgt war und 3. die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen waren. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein.

Vorliegend scheitert der Anspruch der Klägerin bereits daran, dass sowohl die Weiterbildungsmaßnahme als auch der Träger der Maßnahme für die Förderung nicht gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III a. F. zugelassen waren. Die Zulassungsentscheidung kann weder im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches ersetzt werden, noch kann die Zulassungsfähigkeit im Rahmen einer Inzidentprüfung geklärt oder die Zulassung von Maßnahmeteilnehmern eingeklagt werden (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 27. August 2009 – L 3 AL 89/08 – JURIS-Dokument Rdnr. 33 ff.).

Die Zulassung von Weiterbildungsmaßnahme und Maßnahmeträger ist eine Förderungsvoraussetzung. Ohne diese Zulassungen ist eine Maßnahme der beruflichen Weiterbildung nicht förderungsfähig (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 27. August 2009, a. a. O., Rdnr. 29; Olk, in: Mutschler u. a. (Hrsg.), Sozialgesetzbuch III [3. Aufl., 2008], § 77 Rdnr. 33).

Die Zulassung muss zum Zeitpunkt des Maßnahmebeginns erfolgt sein (so zu der bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Rechtslage: BSG, Urteil vom 27. Januar 2005 – B 7a/7 AL 20/04 R – SozR 4-4300 § 77 Nr. 2 Rdnr. 26 = JURIS-Dokument Rdnr. 26; vgl. zu § 77 SGB III in der seit 1. Januar 2003 geltenden Fassung: B. Schmidt, in: Eicher/Schlegel, SGB III [Stand: 110. Erg.-Lfg., August 2012] § 77 Rdnr. 52). Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte und folgt unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 27. August 2009, a. a. O., Rdnr. 30). Im Arbeitsförderungsgesetz (vgl. § 34 Abs. 1 Satz 2 AFG) war für die Förderung der Teilnahme an einer Maßnahme Voraus-setzung, dass die Bundesanstalt für Arbeit "vor Beginn der Maßnahme" geprüft hatte, dass die Maßnahme bestimmte Anforderungen erfüllte. Die bis zum 31. Dezember 2002 geltende Vorgängerreglung im SGB III verlangte dann in § 77 Abs. 1 Nr. 4 SGB III erstmals eine förmliche Anerkennung der Maßnahme. In § 77 Abs. 1 Nr. 4 SGB III (in der bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Fassung) hatte der Gesetzgeber als eine Fördervoraus-setzung gefordert, dass die Maßnahme für die Weiterbildungsförderung durch das Arbeitsamt "anerkannt ist". Seit 1. Januar 2003 war keine Anerkennung der Maßnahme durch die Bundesagentur für Arbeit, sondern eine Zulassung sowohl der Maßnahme als auch des Maßnahmeträgers durch eine (damals neu zu errichtende) fachkundige Stelle erforderlich (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III a. F. i. V. m. §§ 84, 85 SGB III a. F.). Die berufliche Weiterbildung kann danach gefördert werden, wenn die Maßnahme und der Maßnahmeträger zugelassen "sind" (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III [jeweils in der seit 1. Januar 2003 geltenden Fassung]). Durch die Wortwahl "anerkannt ist" oder "zugelassen sind" wird zum Ausdruck gebracht, dass die Zulassung bereits erfolgt sein muss und es sich nicht um ein in der Zukunft liegendes Ereignis handelt (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 27. August 2009, a. a. O.).

Zu Beginn der Weiterbildungsmaßnahme der Klägerin in H waren aber weder die Maßnahme noch der Maßnahmeträger zugelassen. Auch bis zum Abschluss der Weiter-bildungsmaßnahme war keine Zulassung des Maßnahmeträgers erfolgt. Welche Umstände für die nicht erfolgte Zulassungen maßgebend waren, ist unerheblich, weil es gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III a. F. allein darauf ankam, dass die Zulassungen vorlagen (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 27. August 2009, a. a. O., Rdnr. 31).

Das Tatbestandsmerkmal einer vorherigen Zulassung von Maßnahme und/oder Maßnahmeträger im Sinne von § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III a. F. kann auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ersetzt werden (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 27. August 2009, a. a. O., Rdnr. 33 ff.).

Allerdings war nach Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Arbeitsförderungsgesetz anerkannt, dass in besonders gelagerten Einzelfällen aus dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs der Antragsteller so zu stellen sein konnte, als habe das Arbeitsamt vor Maßnahmebeginn zugestimmt (vgl. BSG, Urteil vom 3. Juli 2003 – B 7 AL 66/02 RSozR 4-4300 § 77 Nr. 1 Rdnr. 41 = JURIS-Dokument Rdnr. 41). Gleiches galt nach Auffassung des Bundessozialgerichts auch für die geforderte vorherige Anerkennung der Maßnahme nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Fassung (vgl. BSG, Urteil vom 17. November 2005 –B 11a AL 23/05 R –JURIS-Dokument Rdnr. 20).

Auf Grund der zum 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Gesetzesänderungen kann diese Rechtsprechung jedoch nicht auf das Zulassungserfordernis im Sinne von § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III übertragen werden (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 27. August 2009, a. a. O., Rdnr. 35).

Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch im Arbeitsförderungsrecht hat zur Voraus-setzung, dass der Sozialleistungsträger eine ihm auf Grund Gesetzes oder eines Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung (vgl. §§ 15, 14 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – [SGB I]), verletzt hat. Ferner ist erforderlich, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können. Die Korrektur durch den Herstellungsanspruch darf dem jeweiligen Gesetzeszweck nicht widersprechen (vgl. BSG, Urteil vom 1. April 2004 – B 7 AL 52/03 RBSGE 92, 267 [279] = JURIS-Dokument Rdnr. 36, m. w. N.; vgl. auch BSG, Urteil vom 25. Januar 1994 – 7 RAr 50/93 – SozR 3-4100 § 449e Nr. 4 S. 37 = JURIS-Dokument Rdnr. 18).

Vor diesem Hintergrund weist die seit 1. Januar 2003 geltende Rechtslage im Vergleich zur früheren Rechtslage wesentliche Unterschiede auf (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 27. August 2009, a. a. O., Rdnr. 37 ff.).

Bis zum 31. Dezember 2002 war für die Anerkennung einer Maßnahme das Arbeitsamt zuständig. Nach seinerzeitiger Rechtslage war vom Arbeitsamt über den Antrag des Trägers auf Anerkennung einer Maßnahme durch Verwaltungsakt zu entscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juni 2003 – B 11 AL 59/02 RSozR 4-4300 § 86 Nr. 1 = JURIS-Dokument Rdnr. 15 ff.). Bei der Korrektur eines Verwaltungsfehlers wäre es also nicht darum gegangen, in die Zuständigkeit einer fremden Stelle einzugreifen oder die Beklagte zu einem Handeln außerhalb ihrer Zuständigkeit zu verurteilen. Mit dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung zum 1. Januar 2003 hatte sich dies geändert. Denn nunmehr mussten gemäß § 84 SGB III a. F. die Maßnahmeträger und gemäß § 85 SGB III die Maßnahmen von einer fachkundigen Stelle zugelassen (zertifiziert) werden. Auf diesen Unterschied hat das Bundessozialgericht bereits im Urteil vom 27. Januar 2005 (Az.: B 7a/7 AL 20/04 R, SozR 4-4300 § 77 Nr. 2 Rdnr. 26 = JURIS-Dokument Rdnr. 26) hingewiesen.

Ergänzend zur früheren Rechtslage kam zudem seit 1. Januar 2003 die weitere Förderungsvoraussetzung, dass auch der Maßnahmeträger und nicht nur die Maßnahme zugelassen sein mussten (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III a. F.), hinzu. Nach § 84 SGB III a. F. in der seit 1. Januar 2003 geltenden Fassung waren die Träger für die Förderung zugelassen, bei denen eine fachkundige Stelle festgestellt hatte, dass der Träger der Maßnahme die erforderliche Leistungsfähigkeit besaß (Nummer 1), der Träger in der Lage war, durch eigene Vermittlungsbemühungen die Eingliederung von Teilnehmern zu unterstützen (Nummer 2), Aus- und Fortbildung sowie Berufserfahrung des Leiters und der Lehrkräfte eine erfolgreiche berufliche Weiterbildung erwarten ließen (Nummer 3) und der Träger ein System zur Sicherung der Qualität anwandte (Nummer 4). Die Zulassung setzte gemäß § 7 der Verordnung über das Verfahren zur Anerkennung von fachkundigen Stellen sowie zur Zulassung von Trägern und Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (Anerkennungs- und Zulassungsverordnung – Weiterbildung – AZWV) voraus, dass der Maßnahmeträger einen entsprechenden Antrag gestellt hatte. Um die fachkundige Stelle in die Lage zu versetzen, den Zulassungsantrag prüfen zu können, war der Maßnahmeträger nach §§ 7 und 8 AZWV verpflichtet, umfangreiche Angaben zu machen und Unterlagen vorzulegen. Dieses Zulassungsverfahren war von dem Verfahren auf Förderung der beruflichen Weiterbildung nicht nur in verfahrensrechtlicher Hinsicht, sondern auch in Bezug auf die Beteiligten getrennt. Während am Verfahren über die Förderung der beruflichen Weiterbildung der Arbeitnehmer und die Agentur für Arbeit beteiligt waren, waren dies beim Zulassungsverfahren der Maßnahmeträger und die fachkundige Stelle. Dieser Trennung würde es aber widersprechen, wenn außerhalb des zwischen der fachkundigen Stelle und dem Maßnahmeträgers geführten Zulassungsver-fahrens die (noch) nicht erfolgte oder möglicherweise überhaupt noch nicht beantragte Trägerzulassung im Verfahren zwischen dem Arbeitnehmer und der Agentur für Arbeit im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches ersetzt werden könnte (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 27. August 2009, a. a. O., Rdnr. 39).

Hinzu kommt, dass gemäß § 86 SGB III a. F. eine Qualitätsprüfung durchzuführen war, in der die Durchführung der Maßnahme zu überwachen sowie der Erfolg zu beobachten war (vgl. § 86 Abs. 1 Satz 1 SGB III a. F.). Die Durchführung dieser Qualitätsprüfung war gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 SGB III a. F. eine Pflichtaufgabe der Agentur für Arbeit (früher des Arbeitsamts). Im Rahmen der Prüfungsmaßnahmen, die nach Ermessen festzulegen waren, war der Maßnahmeträger einer Reihe von Mitwirkungspflichten unterworfen. Gemäß § 86 Abs. 1 Satz 3 SGB III a. F. war die Agentur für Arbeit zudem berechtigt, zur Wahrnehmung der in § 86 Abs. 1 und 2 SGB III a. F. beschriebenen Aufgaben und Kompetenzen Grundstücke, Geschäfts- und Unterrichtsräume des Trägers während der Geschäfts- oder Unterrichtszeit zu betreten. Diese weitreichenden Befugnisse der Agentur für Arbeit und die damit zugleich verbundenen Eingriffe in die Rechtssphäre des Maßnahmeträgers sind verfassungsrechtlich nur zu rechtfertigen, wenn der Maßnahmeträger seine Zulassung beantragt und er antragsgemäß zugelassen worden ist. Eine fingierte Trägerzulassung allein in Folge eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches in einem Verfahren auf Förderung der beruflichen Weiterbildung ist demgegenüber nicht geeignet, die weit-reichende Pflichtenstellung des Trägers einer Maßnahme zu legitimieren (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 27. August 2009, a. a. O., Rdnr. 40).

Damit ist für den von der Klägerin geltend gemachten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch im vorliegenden Fall kein Raum. Der vom Bundessozialgericht entwickelte Anspruch ist auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung desjenigen Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Leistungsträger die ihm aus dem Versicherungsverhältnis erwachsenen Nebenpflichten ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Wesentlich ist daher das Ausbleiben von gesetzlich vorgesehenen Vorteilen infolge eines rechtswidrigen Verhaltens des Leistungsträgers. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist kein echter Schadensersatzanspruch. Er kann somit nicht dazu führen, dass ein eingetretener Schaden durch Zusprechung von besonderen Vergünstigungen kompensiert wird. Vielmehr erschöpft er sich in der Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 27. August 2009, a. a. O., Rdnr. 42). Da aber der Maßnahmeträger nicht eine Zulassung im Sinne der Anerkennungs- und Zulassungsverordnung – Weiterbildung – angestrebt hat, kommt ein Herstellungsanspruch gegen die Beklagte nicht in Betracht.

Auf Grund der beschriebenen Besonderheiten des seit 1. Januar 2003 geltenden Zulassungsverfahrens, insbesondere der Rechtsstellung des Maßnahmeträgers, ist auch eine Inzidentprüfung in Bezug auf die Zulassungsfähigkeit von Maßnahme und Maßnahmeträger im Verfahren der Klägerin nicht möglich (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 27. August 2009, a. a. O., Rdnr. 43). Ob nach früherem Recht eine Inzidentprüfung der Anerkennungsfähigkeit möglich war, hat das Bundessozialgericht im Urteil vom 27. Januar 2005 (Az.: B 7a/7 AL 20/04 R, SozR 4-4300 § 77 Nr. 2 Rdnr. 26 = JURIS-Dokument Rdnr. 26; vgl. hierzu auch Eicher, in: Eicher/Spellbrink, SGB II [2. Aufl., 2008], § 87 Rdnr. 29) offen gelassen. Mit Urteil vom 18. Mai 2010 hat es diese Möglichkeit jedenfalls für die bis zum 31. Dezember 2005 begonnenen Maßnahmen bejaht (vgl. BSG, Urteil vom 18. Mai 2010 – B 7 AL 22/09 R – SozR 4-4300 § 77 Nr. 5 Rdnr. 16 ff. = JURIS-Dokument Rdnr. 16 ff.). Vorliegend begann die Maßnahme der Klägerin in H aber erst nach dem Inkrafttreten der Anerkennungs- und Zulassungsverordnung – Weiterbildung – und nach dem vom Bundessozialgericht im Urteil vom 28. Mai 2010 angesprochenen Zeitpunkt.

Unabhängig davon, dass eine Inzidentprüfung ohnehin nur die Bundesagentur für Arbeit, nicht der hier agierende Leistungsträger nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch– Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II), hätte vornehmen können, kann die Zulassung der Maßnahme und des Maßnahmeträgers jedenfalls nicht von der Klägerin eingeklagt werden. Denn eine Entscheidung über einen Zulassungsantrag ist kein Verwaltungsakt, der von einem (potentiellen) Teilnehmer der Maßnahme, also auch nicht von der Klägerin, selbstständig angefochten oder eingeklagt werden kann (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 27. August 2009, a. a. O., Rdnr. 44; Olk, a.a.O.). Zwar ist die positive Zulassungsentscheidung eine notwendige Voraussetzung für die Förderung der beruflichen Weiterbildung. Die von der fachkundigen Stelle gegenüber dem Maßnahmeträger ausgesprochene Zulassung bewirkt gegenüber dem (potentiellen) Teilnehmer einer Weiterbildungsmaßnahme aber nur einen Rechtsreflex und greift nicht in dessen Rechte ein (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 27. August 2009, a. a. O.).

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

III. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe dafür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.

Dr. Scheer Höhl Krewer
Rechtskraft
Aus
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