L 11 AS 753/12 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 17 AS 883/12 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 753/12 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Keine einstweilige Anordnung bezüglich eines Feststellungsantrages in Bezug auf die Rechtmäßigkeit einer bereits abgelaufenen Eingliederungsvereinbarung.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 08.10.2012 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Gründe:


I.
Streitig ist die Feststellung der Rechtmäßigkeit einer Eingliederungsvereinbarung vom 04.02.2008 hinsichtlich des Einsatzes der Antragstellerin (ASt) in einem Tierheim.

Die ASt bezieht vom Antragsgegner (Ag) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Am 29.01.2008 vereinbarte sie mit der I. A-Stadt GmbH (I.) die Teilnahme an einem berufspraktischen Einsatz in einer Arbeitsgelegenheit für die Zeit vom 05.02.2008 bis 30.09.2008 im Tierheim P ... Sie sollte dort bei der Pflege der Katzen, der Futterzubereitung und dem Füttern der Tiere sowie dem Reinigen der Tierunterkünfte und des Tierheimes mithelfen. Im Rahmen einer Eingliederungsvereinbarung vom 04.02.2008 mit einer Gültigkeit bis längstens 04.08.2008 verpflichtete sie sich gegenüber dem Ag u.a. an der durch die I. vermittelten Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung teilzunehmen. Gesundheitliche Einschränkungen, die durch das Gutachten des ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit vom 28.08.2007 und aufgrund der Kur in Bad D. festgestellt worden seien, seien zu berücksichtigen.

Nach der Aufnahme der Tätigkeit im Tierheim traten bei der ASt Beschwerden im Bereich der Atemwege und der Haut sowie Übelkeit auf, so dass sie nach vierzehn Tagen die Tätigkeit endgültig aufgeben musste. Der Hautarzt und Allergologe Dr. K. bescheinigte eine Tierhaarallergie sowie Rhinoconjuncitivitis saisonalis. Eine Tätigkeit im Tierheim oder ähnlichen Einrichtungen sei nicht mehr möglich.

Am 28.08.2012 hat die ASt Klage beim Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben (Az: S 17 AS 885/12) und dabei sinngemäß die Feststellung der Rechtswidrigkeit ihres Einsatzes im Tierheim wegen gesundheitlicher Gründe sowie die Gewährung eines Mehrbedarfs im Rahmen des Alg II und eines Verdienstausfalls beantragt. Es habe beim Einsatz im Tierheim bereits eine Vorerkrankung der Lunge vorgelegen und keine Arbeitsfähigkeit bestanden. Der Mitarbeiter des Ag habe den medizinischen Dienst getäuscht und sich über dessen Entscheidung hinweggesetzt.

Im Rahmen eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes beantragte sie am 29.08.2012 beim SG die "Feststellungen" im Antrag vom 28.08.2012 sofort zu erlassen. Mit Beschluss vom 08.10.2012 hat das SG den "Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wegen Feststellung der Rechtswidrigkeit der Eingliederungsvereinbarung vom 04.02.2008" abgelehnt. Der Antrag sei mangels eines berechtigten Interesses einer solchen isolierten Feststellung nicht zulässig. Die Feststellungsklage sei vorliegend gegenüber der zivilrechtlichen Schadensersatzklage subsidiär. Im Übrigen sei der Antrag wegen der fehlenden Eilbedürftigkeit unbegründet.

Dagegen hat die ASt Beschwerde beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte des Ag und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.
Die form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig (§§ 172 Abs 1, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Das SG hat im Ergebnis zu Recht den Erlass einer einstweiligen Anordnung hinsichtlich der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Eingliederungsvereinbarung vom 04.02.2008 abgelehnt.

Rechtsgrundlage für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ist § 86b Abs 2 Satz 2 SGG. Dessen Anwendungsbereich ist vorliegend eröffnet, da es sich bei der Eingliederungsvereinbarung vom 04.02.2008 nicht um einen Verwaltungsakt gehandelt hat, mithin kein Fall des § 86b Abs 1 SGG vorliegt. Für die in der Hauptsache statthafte Klageart der Feststellungsklage bzw. Fortsetzungsfeststellungsklage hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der zeitlich bereits abgelaufenen Eingliederungsvereinbarung kann einstweiliger Rechtsschutz nur durch Erlass einer einstweiligen Anordnung gewährt werden (vgl Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 10. Aufl, § 86b Rn 24).

Nach § 86b Abs 2 Satz 2 SGG ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn den ASt ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1998 - BVerfGE 79, 69 (74); vom 19.10.1997 - BVerfGE 46, 166 (179) und vom 22.11.2002 - NJW 2003, 1236; Niesel/Herold-Tews, Der Sozialgerichtsprozess, 5. Aufl, Rn 652).

Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den die ASt ihr Begehren stützen - voraus. Die Angaben hierzu haben die ASt glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller aaO Rn 41).

Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 - Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Sind hierbei die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist ggf. auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange der Ast zu entscheiden (vgl BVerfG vom 12.05.2005 - Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927 und vom 22.11.2002 - NJW 2003, 1236; zuletzt BVerfG vom 15.01.2007 - 1 BvR 2971/06). In diesem Zusammenhang ist eine Orientierung an den Erfolgsaussichten nur möglich, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist, denn soweit schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, darf die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern sie muss abschließend geprüft werden (vgl BVerfG vom 12.05.2005 aaO).

Es kann vorliegend dahinstehen, ob der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vorliegend bereits unzulässig ist, da es jedenfalls am Vorliegen eines Anordnungsgrundes mangelt. Die Eingliederungsvereinbarung war bis längstens 04.08.2008 gültig, mithin ist dieser Zeitraum bereits seit mehr als vier Jahren abgelaufen. Der Erlass von Sanktionen wegen etwaiger Verstöße gegen die Vereinbarung kommt jetzt nicht mehr in Betracht, so dass der ASt insofern aktuell keine Nachteile mehr drohen. Soweit es der ASt um die Feststellung der Rechtswidrigkeit zur Vorbereitung der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen geht, ist eine Eilbedürftigkeit ebenfalls nicht gegeben. Sofern man von der Zulässigkeit eines solchen Begehrens ausgehen wollte, kann dies im Rahmen einer Hauptsacheklage, die die ASt bereits beim SG anhängig gemacht hat, geklärt werden. Das Abwarten des Hauptsacheverfahrens ist insofern zumutbar (vgl auch Beschluss des Senats vom 22.12.2011 - L 11 AS 864/11 B ER - juris).

Die Beschwerde hat somit keinen Erfolg und war zurückzuweisen.

Soweit die ASt mit ihrer Klage vom 28.08.2012 neben der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Eingliederungsvereinbarung vom 04.02.2008 auch die Feststellung der Rechtswidrigkeit ihres Einsatzes im Tierheim wegen gesundheitlicher Gründe sowie die Gewährung eines Mehrbedarfs im Rahmen des Alg II und eines Verdienstausfalls geltend gemacht und ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 29.08.2012 hierauf bezogen hat, fehlt es derzeit noch an einer Entscheidung des SG. Eine Auslegung, dass die ASt ihren Antrag auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Eingliederungsvereinbarung beschränkt hat, ist nicht nachvollziehbar. Über die übrigen Gegenstände wird das SG insofern noch zu befinden haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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