L 9 SO 383/12 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 2 SO 312/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 383/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 11.09.2012 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 11.09.2012 ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

1. Das Sozialgericht Gelsenkirchen hat den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Klageverfahrens zu Recht abgelehnt. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe setzt gem. § 73a SGG in Verbindung mit § 114 ZPO voraus, dass die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es hier.

Die Klage ist nach derzeitigem Sach- und Streitstand unbegründet. Der mit der Klage angefochtene Bescheid der Beklagten vom 04.05.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten gem. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Übernahme der geltend gemachten Gebühr in Höhe von 30,- EUR für den von ihm beabsichtigten Kirchenaustritt zu. Es ist bereits offen, ob der Kläger bislang überhaupt den Kirchenaustritt bei dem für ihn zuständigen Amtsgericht Duisburg erklärt und in diesem Zusammenhang eine Gebührenermäßigung oder vollständige Befreiung von der Gebühr gem. § 1 Abs. 1 Justizverwaltungskostengesetz NW in Verbindung mit § 12 Justizverwaltungskostenordnung beantragt und nicht erhalten hat. Er hat hierzu bislang keine konkreten Angaben gemacht und lediglich in der Beschwerdebegründung Aktenzeichen des AG Duisburg sowie des OLG Düsseldorf genannt. Dies kann jedoch dahinstehen. Denn einen sozialhilferechtlichen Anspruch gegen die Beklagte auf Übernahme der Gebühr hat der Kläger selbst dann nicht, wenn das Amtsgericht eine Gebührenbefreiung rechtskräftig abgelehnt haben sollte. Für einen solchen Anspruch fehlt es im Sozialhilferecht an einer Grundlage.

Offen bleiben kann in diesem Zusammenhang auch, ob die durch einen Kirchenaustritt entstehenden Verwaltungskosten Teil des notwendigen Lebensunterhaltes im Sinne von § 27a Abs. 1 SGB XII sind, und insbesondere ob sie unter die Ausgaben für "andere Waren und Dienstleistungen" in Einpersonenhaushalten gem. § 5 Abs. 1 des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 SGB XII (Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz) fallen. Wäre dies der Fall, so scheiterte eine zusätzliche Geltendmachung daran, dass sie bereits vom Regelbedarf gem. § 27a Abs. 2 Satz 1 SGB XII abgedeckt würden. Einen aus verfassungsrechtlichen Gründen oder im Einzelfall gem. § 27a Abs. 4 SGB XII höheren Regelbedarf kann der Kläger im vorliegenden Verfahren schon deshalb nicht geltend machen, weil der mit der Klage angefochtene Ausgangsbescheid vom 04.05.2012 eine Entscheidung über den Regelbedarf nicht enthält und der Streitgegenstand durch den Regelungsgegenstand des angefochtenen Verwaltungsaktes bestimmt wird.

Geht man demgegenüber davon aus, dass die Verwaltungsgebühr für den Kirchenaustritt nicht zum notwendigen Lebensunterhalt im Sinne des § 27a Abs. 1 SGB XII zählt, so käme als Rechtsgrundlage für eine Übernahme der Verwaltungsgebühr als Zuschuss allein § 73 SGB XII in Betracht. Danach können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Dies ist der Fall, wenn es um die Regelung einer sogenannten unbenannten Bedarfslage geht, die eine gewisse Vergleichbarkeit mit den ansonsten von der Sozialhilfe abgedeckten Lebenslagen hat. Eine unbenannte Bedarfslage liegt vor, wenn der Lebenssachverhalt weder einer der anderen in § 8 SGB XII genannten Hilfearten unterfällt, noch in den sonstigen Bereichen des (Sozial-)Rechts eine abschließende Regelung erfährt (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.05.2011, Az. L 20 AY 19/08, Rn 31). Nach § 6 des Gesetzes zur Regelung des Austritts aus Kirchen, Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsgemeinschaften des öffentlichen Rechts (Kirchenaustrittsgesetz) werden für Amtshandlungen der Amtsgerichte im Zusammenhang mit der Erklärung des Austritts aus einer Kirche mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts Kosten nach dem Justizverwaltungskostengesetz erhoben. Gem. § 1 Abs. 1 Justizverwaltungskostengesetz NW in Verbindung mit § 12 Justizverwaltungskostenordnung kann die Justizbehörde ausnahmsweise, wenn dies mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Zahlungspflichtigen oder sonst aus Billigkeitsgründen geboten erscheint, die Gebühren unter die Sätze des Gebührenverzeichnisses ermäßigen oder von der Erhebung der Kosten absehen. Diese Bestimmung, bei deren Anwendung und Auslegung die ordentlichen Gerichte zu beachten haben, dass die Gebührenerhebung die negative Religionsfreiheit des Austrittswilligen tangiert (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 02.07.2008, Az. 1 BvR 3006/07), stellt im Verhältnis zu § 73 SGB XII eine speziellere und abschließende Regelung dar. Eine Kostenübernahme durch den Sozialhilfeträger auf Grundlage von § 73 SGB XII für den Fall, dass das Amtsgericht eine Gebührenbefreiung rechtskräftig ablehnt, scheidet deshalb aus.

Auch eine darlehensweise Übernahme der Gebühr gem. § 37 Abs. 1 SGB XII kommt in keinem Fall in Betracht. Danach kann im Einzelfall ein von den Regelbedarfen umfasster und nach den Umständen unabweisbar gebotener Bedarf auf Antrag darlehensweise übernommen werden, wenn er auf keine andere Weise gedeckt werden kann. Ungeachtet der Frage, ob der hier geltend gemachte Bedarf von den Regelbedarfen umfasst ist, ist er jedenfalls nicht unabweisbar. Unabweisbar im Sinne des Gesetzes ist ein Bedarf nur dann, wenn es sich um einen unaufschiebbaren, notwendigen Bedarf handelt, der so geartet ist, dass die Verweisung auf eine Bedarfsdeckung nach einer weiteren Ansparphase nicht in Betracht kommt (Armborst in LPK-SGB XII, 9. Auflage 2012, § 37 Rn 6). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass es dem Kläger nicht zugemutet werden könnte, in der von ihm oder seinen Eltern für ihn gewählten Kirche noch so lange Mitglied zu bleiben, bis er die für einen Austritt anfallende Gebühr in Höhe von 30,- EUR angespart hat.

2. Kosten werden im Beschwerdeverfahren nicht erstattet.

3. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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