S 41 AS 3912/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
41
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 41 AS 3912/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der in dem Zeitraum vom 01.03.2012 bis 31.05.2012 gewährten Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitssuchende – (SGB II) streitig.

Die am 27.08.1959 geborene Klägerin steht seit 2005 im Leistungsbezug bei der Beklagten. Sie bewohnt eine 53 qm große Wohnung im R. 6 in 4xxx E. Die Gesamtmiete beträgt 351,00 EUR.

Anfang 2012 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie ab dem 01.02.2012 eine 18-monatige Tätigkeit im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes bei der GAB-Gesellschaft für Arbeits- und Berufsförderung E. mbH aufnehmen und hierfür ein Taschengeld in Höhe von monatlich 250,00 EUR erhalten werde.

Auf einen entsprechenden Weiterbewilligungsantrag bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 06.02.2012 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.03.2012 bis 31.05.2012 in Höhe von monatlich 613,60 EUR. Die Beklagte ging von einem anrechenbaren Einkommen in Höhe von 120,00 EUR aus.

Am 18.04.2012 erging für den streitgegenständlichen Zeitraum ein Änderungsbescheid. Mit dem Änderungsbescheid gewährte die Beklagte der Klägerin nunmehr monatliche Leistungen in Höhe von 658,60 EUR. Als Änderung wurde die Korrektur des Einkommensfreibetrages auf 175,00 EUR monatlich ausgewiesen, was – nach den Ausführungen in dem Bescheid – zu einem anrechenbaren Einkommen von 75,00 EUR führe. Insgesamt bestehe daher ein höherer Leistungsanspruch.

Gegen den Änderungsbescheid vom 18.04.2012 legte die Klägerin am 23.04.2012 Widerspruch ein. Sie trug vor, die Berechnungen der Beklagten seien falsch, da ihr – der Klägerin – kein Fahrgeld in Höhe von 30,00 EUR gewährt worden sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31.08.2012 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Die Beklagte wies darauf hin, dass in dem gewährten Freibetrag in Höhe von 175,00 EUR bereits Fahrtkosten enthalten seien. Dies ergebe sich auch aus § 1 Absatz 7 der Arbeitslosengeld-II-Verordnung (Alg II-VO).

Hiergegen hat die Klägerin am 28.09.2012 Klage erhoben, mit der sie die Auszahlung weiterer Leistungen in Höhe von monatlich 30,00 EUR für die Monate März bis Mai 2012 begehrt. Zur Klagebegründung trägt sie vor, sie habe sich ein Ticket zur Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel in Höhe von 29,90 EUR gekauft. Gemäß Ziffer 3.2.22 des Vertrages über den Bundesfreiwilligendienst würden die 250,00 EUR Taschengeld auch 30,00 EUR Fahrtkosten enthalten. Gemäß § 11 b Absatz 3 SGB II sei das Einkommen um die Fahrtkosten zu bereinigen, da diese nach § 11 Absatz 3 a SGB II zweckbestimmt seien. Ein weiterer Freibetrag ergebe sich im Übrigen aus § 6 Absatz 1 Nr. 1 der Arbeitslosengeld-II-Verordnung.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Änderungsbescheides vom 18.04.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2012 der Klägerin für den Zeitraum vom 01.03.2012 bis 31.05.2012 zusätzlich einen Betrag in Höhe von 30,00 EUR monatlich zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, der Klägerin stünden keine höheren Leistungen zu, was sich aus § 1 Absatz 7 Alg II-VO ergebe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogene Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg.

Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Absatz 1, 1. Variante in Verbindung mit § 54 Absatz 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Klage ist zulässig. Insbesondere ist das beklagte Jobcenter gemäß § 70 Nr. 1 SGG beteiligtenfähig (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 18.01.2011 – B 4 AS 99/10 R – zitiert nach www.juris.de, Rn. 11). Nach 76 Absatz 3 Satz 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten Arbeitsgemeinschaft getreten.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin wird durch den angefochtenen Änderungsbescheid vom 18.04.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2012 nicht beschwert im Sinne des § 54 Absatz 1 Satz 1 SGG, da dieser nicht rechtswidrig ist. Höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes stehen der Klägerin in dem streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.03.2012 bis 31.05.2012 nicht zu. Zwar ist die Klägerin leistungsberechtigt im Sinne des § 7 Absatz 1 SGB II, weil sie das 15. Lebensjahr vollendet, nicht jedoch die Altersgrenze nach § 7 a SGB II erreicht hat, erwerbsfähig und hilfebedürftig war (§ 7 Absatz 1 Satz 1 SGB II). Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes als von der Beklagten mit dem angefochtenen Änderungsbescheid vom 18.04.2012 bewilligten Betrag.

Durch den Änderungsbescheid vom 18.04.2012 hat die Beklagte das Einkommen der Klägerin aus dem Bundesfreiwilligendienst bei der Leistungsbewilligung richtig angerechnet. Es handelt sich bei dem Einkommen der Klägerin aus dem Bundesfreiwilligendienst um zu berücksichtigendes Einkommen gemäß § 11 Absatz 1 Satz 1 SGB II. Das dieses Einkommen anzurechnen ist, ergibt sich insbesondere aus § 4 Satz 1, Satz 2 Nr. 4 Alg II-VO. Danach ist für die Berechnung von Einnahmen aus freiwilligen Dienstverhältnissen § 2 entsprechend anwendbar. Außerdem bestimmt der zum 01.01.2012 neu eingeführte § 1 Absatz 7 Alg II-VO wie Einnahmen aus dem Bundesfreiwilligendienst auf Leistungen nach dem SGB II anzurechnen sind. Aus diesen Regelungen ergibt sich damit, dass der Gesetzgeber selbst davon ausgeht, dass es sich bei Einnahmen aus freiwilligen Dienstverhältnissen um Einkommen im Sinne des SGB II handelt. Es handelt sich bei dem Taschengeld auch nicht um eine zweckbestimmte Einnahme gemäß § 11 a Absatz 3 Satz 1 SGB II. Demnach ist Einkommen anrechnungsfrei, wenn es anderen Zwecken als den der Leistungen des SGB II dient. Das Einkommen der Klägerin beinhaltet Taschengeld, wobei nach Mitteilung der Klägerin dieses Taschengeld auch Fahrtkosten beinhaltet. Taschengeld ist der typische Anwendungsfall der Regelleistung im Sinne von § 20 Absatz 1 SGB II. Das Einkommen ist daher nicht privilegiert, denn es dient demselben Zweck wie die Leistungen nach dem SGB II. Das Einkommen ist des Weiteren nicht nach § 11 a Absatz 4 privilegiert, da es keine Zuwendung der freien Wohlfahrtspflege darstellt. Das würde nämlich voraussetzen, dass die Zuwendung einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen würde, dass daneben Leistungen nach dem SGB II gerechtfertigt wären. Die Leistungen dienen aber gerade dem Zweck des SGB II.

Die Beklage hat zur Überzeugung der Kammer zutreffend einen Freibetrag in Höhe von 175,00 EUR gewährt. Dieser Freibetrag ergibt sich aus § 11 Absatz 7 Alg II-VO. Danach ist bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die an einem Bundesfreiwilligendienst oder einem Jugendfreiwilligendienst teilnehmen, anstelle der Beträge nach § 11 b Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 bis 5 SGB II vom Taschengeld nach § 2 Absatz 1 Nr. 3 des Jugendfreiwilligendienstgesetzes oder § 2 Nr. 4 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes ein Betrag von insgesamt 175,00 EUR monatlich abzusetzen.

Entgegen der Auffassung der Klägerseite ist kein zusätzlicher Betrag nach § 11 b Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 SGB II in Höhe von 30,00 EUR monatlich abzuziehen. Dies ergibt sich daraus, dass die Tätigkeit nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz zur Überzeugung der Kammer keine Erwerbstätigkeit darstellt. Denn zum einen geht § 1 Absatz 7 Satz 3 Arbeitslosengeld-II-Verordnung selbst davon aus, dass die Tätigkeit auch nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz keine Erwerbstätigkeit ist, denn wäre diese Tätigkeit eine Erwerbstätigkeit, so wäre die Regelung des § 1 Absatz 7 Satz 3 Alg II-VO überflüssig. Danach gelten nämlich die Sätze 1 bis 3 des § 1 Absatz 7 Alg II-VO nicht für erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die erwerbstätig sind oder aus einer Tätigkeit Bezüge oder Einnahmen erhalten. Darüber hinaus dient der Bundesfreiwilligendienst der Gemeinnützigkeit. Dies ergibt sich aus § 1 Bundesfreiwilligendienstgesetz (BFDG), wonach sich im Bundesfreiwilligendienst Frauen und Männer für das Allgemeinwohl, insbesondere im sozialen, ökologischen und kulturellen Bereich sowie im Bereich des Sports, der Integration und des Zivil- und Katastrophenschutzes engagieren. Nach § 2 Absatz 1 Nr. 1 BFDG sind diejenigen Freiwillige, die den Dienst ohne Erwerbsabsicht leisten. § 2 Absatz 1 Nr. 4 BFDG knüpft weiter daran an, dass die Personen für den Dienst nur unentgeltliche Unterkunft, Verpflegung und Arbeitskleidung sowie ein angemessenes Taschengeld oder anstelle von Unterkunft und Verpflegung und Arbeitskleidung entsprechende Geldersatzleistungen erhalten. Schon hieraus ergibt sich zur Überzeugung der Kammer, dass der Gesetzgeber den Dienst gerade nicht als Erwerbstätigkeit ansehen wollte. Darüber hinaus würde die Einstufung der Tätigkeit nach dem BFDG als Erwerbstätigkeit zu einer Besserstellung dieser Tätigkeit gegenüber einer "normalen" Erwerbstätigkeit führen, weil § 1 Absatz 7 Alg II-VO bereits einen höheren Grundfreibetrag von 175,00 EUR (anstatt 100,00 EUR gemäß § 11 b Absatz 2 Satz 1 SGB II) gewährt.

Es ist auch kein weiterer Freibetrag nach § 6 Absatz 1 Nr. 1 Alg II-VO zu berücksichtigen. Danach sind als Pauschbeträge abzusetzen von dem Einkommen volljähriger Leistungsberechtigter ein Betrag in Höhe von 30,00 EUR monatlich für die Beiträge zur privaten Versicherungen nach § 11 b Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 des SGB II, die nach Grund und Höhe angemessen sind. Die Anwendung dieser Vorschrift scheidet bereit deshalb aus, weil § 1 Absatz 7 Alg II-VO die Vorschrift des § 11 b Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 bis 5 SGB II bereits ausschließt. Damit hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass neben dem Freibetrag in Höhe von 175,00 EUR monatlich kein zusätzlicher Freibetrag zu gewähren ist.

Insgesamt ist daher von dem Einkommen der Klägerin in Höhe von 250,00 EUR ein Freibetrag in Höhe von 175,00 EUR abzuziehen, was zu einem anrechenbaren Einkommen in Höhe von 75,00 EUR führt. Dieses Einkommen hat die Beklagte berücksichtigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 183, 193 SGG.

Die Berufung zum Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen ist gemäß § 144 Absatz 1 SGG nicht zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes einen Betrag von 750,00 EUR nicht erreicht. Zudem sind keine wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen. Nach Auffassung der Kammer, liegen Gründe, die Berufung gemäß § 144 Absatz 2 SGG zuzulassen, nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved