L 6 AS 1792/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 17 AS 1913/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 AS 1792/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 13.08.2012 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen zwei sogenannte Meldeaufforderungen des Beklagten.

Der Beklagte forderte den Kläger, der von ihm Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) erhielt und erhält, mit Schreiben vom 02.05.2011 auf, bei ihm am 11.05.2011 um 8 Uhr vorzusprechen. Nachdem der Kläger an diesem Tag nicht erschienen war, wiederholte er unter dem Datum vom 11.05.2011 die Aufforderung zum 18.05.2011. Beide Schreiben enthielten den Hinweis, der Beklagte wolle mit dem Kläger über sein Bewerberangebot und seine berufliche Situation sprechen. Des Weiteren enthielten sie eine Belehrung über die Folgen des Nichterscheinens. Die gesetzlich vorgesehenen Sanktionen wurden im Einzelnen dargelegt.

Gegen die Meldeaufforderungen erhob der Kläger jeweils Widerspruch, die mit Widerspruchsbescheiden vom 25.05.2011 (Meldeaufforderung vom 02.05.2011) und 26.05.2011 (Meldeaufforderung vom 11.05.2011) als unzulässig verworfen wurden. Der Widerspruch sei nicht zulässig, da die Einladungsschreiben keinen Verwaltungsakt darstellten.

Gegen die Aufforderung vom 02.05.2011 hat der Kläger am 16.05.2011 eine als allgemeine Leistungsklage bezeichnete Klage erhoben (S 17 AS 1913/11), eine zweite Klage am 01.06.2011 nach Erteilung des Widerspruchsbescheides vom 25.05.2011 (S 17 AS 2144/11). Diese Klagen hat das Sozialgericht zusammen mit der gegen die Meldeaufforderung vom 11.05.2011 und den Widerspruchsbescheid vom 26.05.2011 am 06.06.2011 erhobene Klage (S 17 AS 2186/11) unter dem Aktenzeichen S 17 AS 1913/11 verbunden (Beschlüsse vom 12.09.2011 und 09.08.2012).

Das Begehren des Klägers, den Bescheid vom 02.05.2011 in der Form der Einladung zum Meldetermin für den 11.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.05.2011 und den Bescheid vom 11.05.2011 in Form der Einladung zum Meldetermin für den 18.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.05.2011 aufzuheben, hat das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid vom 13.08.2012 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, bei den mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Einladungsschreiben handele es sich um Ermessensentscheidungen. Die Rechtmäßigkeit der Meldeaufforderungen sei daher auch nur im Hinblick auf Ermessensfehler gerichtlich überprüfbar, sofern die übrigen Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit des Meldeverlangens - ordnungsgemäße Meldeaufforderung (insbesondere auch korrekte Rechtsfolgenbelehrung) und Bestehen mindesten einer der im Gesetz genannten Meldezwecke - vorlägen. Der Zweck der Meldung müsse in der Meldeaufforderung mitgeteilt werden. Es reiche aber aus, wenn der Meldezweck in der Meldeaufforderung allgemein umschrieben werde. Es sei nicht zu beanstanden, dass der Beklagte ein Einladungsschreiben nach § 59 SGB II iVm § 309 Abs. 2 SGB III zum Zwecke der Berufsberatung an den Kläger geschickt habe. Der Hinweis, dass ein Nichterscheinen des Klägers mit einer Kürzung seiner Leistungen in Höhe von 10 Prozent der Regelleistung verbunden sei, sei die korrekte Rechtsfolgenbelehrung nach § 32 Abs. 1 SGB II gewesen. Ermessensfehler seien nicht erkennbar.

Gegen den am 18.08.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 14.09.2012 Berufung eingelegt. Er habe sich bereits gegenüber dem Sozialgericht geäußert, die Klage zum Aktenzeichen zurückzunehmen, die Verbindung der Verfahren im Übrigen wieder aufzuheben und die Verfahren S 17 AS 2186/11 und 2144/11 fortzuführen. Darauf habe das Gericht nicht reagiert und den Klageantrag falsch verstanden. Tatsächlich habe er begehrt, den Beklagten zu verpflichten seinem Widerspruch vom 15.05.2011 stattzugeben und die pauschale Einladung zu einem Beratungsgespräch zurückzunehmen. Zudem habe sich sein Begehren darauf gerichtet, eine genaue Auskunft zu den Gründen für die Meldeaufforderung zu erhalten.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte, der verbundenen Vorprozessakten S 17 AS 2144/11 und S 17 AS 2186/11 sowie der Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, der Gegenstand der Beratung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß § 124 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt.

Das Begehren ist auch im Berufungsverfahren nicht auf die Überprüfung allein der Meldeaufforderung vom 11.05.2011 (und Widerspruchsbescheid vom 26.05.2011) beschränkt, gegen die sich der Widerspruch des Klägers vom 15.05.2011, auf den er in der Berufungsbegründung ausdrücklich Bezug nimmt, richtete. Die gegen die Meldeaufforderung vom 02.05.2011 (Termin 11.05.2011) und Widerspruchsbescheid vom 25.05.2011 erhobene Klage hat der Kläger, obwohl er konkrete Ausführungen zu diesem Verfahren vermissen lässt, nicht mit der für prozessrechtliche Erklärungen erforderlichen Eindeutigkeit zurückgenommen. Vielmehr führt er aus, er habe gegenüber dem Sozialgericht geäußert, die Klage 1913/11 zurückzunehmen und die Verfahren 2144/11 und 2186/11 zu verbinden und fortzuführen. Damit hat er die Auslegung seines Begehrens jedenfalls in dem Punkt bestätigt, er wolle die vor Erteilung des Widerspruchsbescheides vom 25.05.2011 erhobene "Leistungsklage" nicht weiter verfolgt wissen und sehe diesen Teil des Verfahrens als erledigt an.

Dieses Klagebegehren, das auch das Sozialgericht seiner Entscheidung zu Grunde gelegt hat, hat keinen Erfolg. Im Ergebnis zutreffend hat es die Klagen gegen beide Meldeaufforderungen abgewiesen.

Die gegen die Meldeaufforderung vom 02.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.05.2011 und diejenige vom 11.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.05.2011 erhobenen (Anfechtungs-)Klagen sind mangels Rechtsschutzbedürfnisses bereits unzulässig.

Die Aufforderungen stellen zwar entgegen der von dem Beklagten ursprünglich vertretenen Auffassung einen Verwaltungsakt dar (vgl LSG NRW Beschluss vom 08.08.2012 L 19 AS 1239/12 B; Voelzke in Hauck/Noftz SGB II § 59 Rn 16; Birk in LPK-SGB II § 59 Rn 4). Die darin getroffenen Regelungen, zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort zu einem Beratungsgespräch zu erscheinen, haben sich nach Verstreichen der festgelegten Meldetermine, zu denen der Kläger nicht erschienen ist, erledigt.

Ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers zur gesonderten gerichtlichen Überprüfung einer durch Zeitablauf bereits erledigten Meldeaufforderung, sieht der Senat nicht (vgl auch Meyerhoff in jurisPK § 59 Rn 29). Ob die Bescheide formell und materiell rechtmäßig sind, ist nach Verstreichen des Termins nur dann von Bedeutung, wenn der Beklagte gestützt auf den Verstoß gegen die Meldeaufforderung(en) durch einen sog Sanktionsbescheid die Regelleistung absenkt (vgl etwa Meyerhoff aaO). Im Rahmen der Anfechtung dieser Absenkung nach § 32 SGB II kann er die Rechtmäßigkeit der Bescheide überprüfen lassen; dies ist regelmäßig der schnellere und einfachere Weg, Rechtsschutz zu erhalten (vgl auch Voelzke aaO; Sander in GK-SGB II § 59 Rn 31; Meyerhoff aaO mwN). Vor diesem Hintergrund ist auch die verfahrensfehlerhafte Behandlung durch den Beklagten, der die Widersprüche jeweils als unbeachtlich zurückgewiesen hatte, unbeachtlich. Weitere Rechtswirkungen aus den Meldeaufforderungen werden vom Kläger nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.

Wenn der Kläger beanstandet, der Beklagte hätte die genauen Gründe für die Meldeaufforderung angeben müssen, und daraus das Begehren abzuleiten sein sollte, die Rechtswidrigkeit des (erledigten) Verwaltungsaktes festzustellen, kann er mit diesem Klageziel ebenfalls nicht durchdringen. Für die so verstandene Fortsetzungsfeststellungsklage (s § 131 Abs 1 Satz 3 SGG) fehlt es an einem (besonderen) Feststellungsinteresse in Form der Wiederholungsgefahr (vgl auch Voelzke aaO; Sander in GK-SGB II § 59 Rn 31; Meyerhoff aaO mwN; vgl zur Fortsetzungsfeststellungsklage und zur Wiederholungsgefahr Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer SGG 10. Aufl ... § 131 Rn 7d, 10a ff.).

Die bloße "Gefahr", der Beklagte werde erneut den Kläger auffordern, zu einem Beratungsgespräch erscheinen, reicht als Wiederholungsgefahr deshalb nicht aus, weil es gerade der gesetzliche Auftrag des Beklagten ist, den Kläger zu beraten und zu fördern (vgl §§ 4, 14, 16 SGB II) und zu diesem Zweck konkret eine Berufsberatung durchzuführen (§ 59 SGB II iVm § 309 Abs. 2 SGB III). Dieser Beratung kann sich der Kläger nicht von vorneherein entziehen.

Anhaltspunkte dafür, der Beklagte werde in Erfüllung dieses gesetzlichen Auftrags den Kläger - (erneut - immer wieder) - mit rechtswidrigen Meldeaufforderungen überziehen, sieht der Senat nicht. Selbst wenn die beanstandeten Meldeaufforderungen rechtswidrig gewesen sein sollten, besteht nicht ohne weiteres die Gefahr, dass der Beklagte die Aufforderung in dieser Form wiederholt. Eine Wiederholungsgefahr ist eher nicht gegeben, da die Entscheidung über die Einladung zu einem Beratungsgespräch eine Ermessensentscheidung darstellt (vgl etwa Meyerhoff aaO Rn 27), die als solche und in ihrer Begründungstiefe immer von den (dann gegebenen) Umständen des Einzelfalles abhängig ist. Dass der Beklagte mit den Meldeaufforderungen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als objektive Schranke des Ermessens verletzt hat, wird vom Kläger nicht geltend gemacht und ist aus den vom Sozialgericht zur Rechtmäßigkeit der Bescheide aufgeführten Gründen weder naheliegend noch ersichtlich. Die Festlegung der Rahmenbedingungen (Tag, Zeit, Ort) verbunden mit dem Meldezweck (Beratungsgespräch) lässt jedenfalls eine sachwidrige Betätigung des Ermessens oder Willkür, die der Beklagte wiederholen könnte nicht erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) nicht als gegeben angesehen.
Rechtskraft
Aus
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