L 4 SO 198/11

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 9 SO 56/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 SO 198/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 16. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Bewilligung von Kraftfahrzeughilfe.

Die 1950 geborene Klägerin lebt in A-Stadt bei OM. Bei ihr ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 und das Vorliegen der Voraussetzungen der Nachteilsausgleiche "G", "aG" und "B" festgestellt. Sie bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von rund 225,00 Euro. Ihr Ehemann verfügt über monatliche Renteneinkünfte in Höhe von rund 910,00 Euro; weitere Einkünfte sind nicht vorhanden.

Nachdem ihr altes Kfz im August 2008 einen Totalschaden erlitten hatte, beantragte die Klägerin am 16. September 2008 bei dem Beklagten die Gewährung von Kraftfahrzeughilfe. Sie legte zwei Gebrauchtwagenangebote und einen Kostenvoranschlag der QW. vom 19. September 2008 über den rollstuhlgerechten Umbau eines Kfz (Kofferraumlifter/Heckladehilfe) für rund 2.173,00 Euro vor. Sie gab an, das Kfz u. a. für Fahrten zur Kirche, zum Friedhof, zur Massagepraxis, zum Schwimmbad, zum Einkauf, für Arztbesuche, zu Veranstaltungen der AWO, zu den in OK. lebenden Eltern und für den Besuch einer in XY. wohnenden Freundin zu benötigen. Ergänzend legte sie Kontoauszüge ihres Girokontos vor, aus denen sich zum 5. September 2008 ein Guthabensaldo von rund 576,00 Euro ergab, und versicherte, über kein sonstiges Vermögen zu verfügen.

Der Beklagte veranlasste eine amtsärztliche Begutachtung durch die Ärztin WE., die in ihrem Gutachten vom 8. Dezember 2008 zu dem Ergebnis kam, die Kläger sei behinderungsbedingt in ihrer Mobilität beeinträchtigt. Das beantragte Kfz und der behinderungsbedingte Umbau seien zwar wünschenswert, aber nicht dringend erforderlich.

Mit Bescheid vom 12. Dezember 2008 lehnte der Beklagte den Antrag auf Bewilligung von Kfz-Hilfen ab. Kfz-Hilfen als Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen könnten nur geleistet werden, wenn der behinderte Mensch wegen Art und Schwere der Behinderung insbesondere zur Teilhabe am Arbeitsleben oder aus vergleichbar gewichtigen Gründen auf die regelmäßige Benutzung eines Kfz angewiesen sei oder sein werde. Vergleichbar gewichtige Gründe lägen nur vor, wenn die Notwendigkeit der Benutzung nicht nur vereinzelt und gelegentlich sondern ständig (wie bei Erwerbsfähigen) bestehe. Für Fahrten, die in Zusammenhang mit Leistungen der Krankenkasse notwendig seien, sei der Krankenversicherungsträger zuständig. Die ansonsten gewünschten Fahrten zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft würden durch den Behindertenfahrdienst des Landkreises sichergestellt. Den Widerspruch der Klägerin vom 16. Dezember 2008 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. April 2009 zurück.

Die Klägerin hat am 8. Mai 2009 Klage zum Sozialgericht Marburg erhoben. Sie hat unter Hinweis auf ein von ihr gefertigtes Fahrtenbuch vorgetragen, sie benötige nahezu jeden Tag ein Kfz für notwendige Arztbesuche, Besuche von Freunden und Verwandten, Gottesdienstbesuche, Fahrten zur Betreuung des Enkelkindes, zu Veranstaltungen der AWO und der Trachtengruppen ER. Bei den Arzt- und Therapeutenbesuchen handele es sich zumeist um kurzfristig anberaumte Termine, denen naturgemäß keine Genehmigung der Krankenkasse vorangehe, weshalb diese dann auch keine Fahrtkosten erstatte. Die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel scheide in der Regel aus, weil diese nicht rollstuhlgerecht seien. Ein Verweis auf den Behindertenfahrdienst sei unzumutbar. Sie leide an immer wieder auftretenden schmerzhaften Beschwerden und Infektionen im Bereich des linken Beines sowie Hyper- und Hypoglykämien, die plötzlich und ohne Vorankündigung massiv aufträten und eine vorherige Planung von Fahrten nicht ermöglichten. Die Klägerin hat ein dies bestätigendes Attest des Facharztes für Innere Medizin Dr. RT. vom 27. April 2009 vorgelegt, der mitteilt, bei der Klägerin sei es infolge eines Bandscheibenvorfalls mit Spinalkanalstenose zu einer erheblichen Atrophie des linken Beines gekommen, weshalb die Klägerin für kürzere Strecken auf einen Rollator, für längere Strecken auf einen Rollstuhl angewiesen sei. Darüber hinaus bestehe ein schwer einstellbarer Diabetes mellitus Typ IIb bei stark wechselnder Stoffwechsellage. Aufgrund einer chronisch venösen Insuffizienz komme es in Verbindung mit der diabetischen Stoffwechsellage immer wieder akut zu Ulzerationen überwiegend im Bereich des linken Beines.

Die Beklagte hat erwidert, der Behindertenfahrdienst werde Berechtigten, zu denen die Klägerin mit dem Merkzeichen "aG" gehöre, auf Antrag in Form von vierteljährlich 36 Gutscheinen zu je 3,07 Euro zur Verfügung gestellt. Die Berechtigten könnten zwischen der Benutzung von Taxen, Mietwagen und Spezialfahrzeugen frei wählen. Damit seien Fahrten zu Bekannten und Verwandten, zum Einkauf usw. möglich. Die Klägerin könne ihre Fahrten sehr wohl planen. Bei akuten Beschwerden könne der Behindertenfahrdienst auch wieder abbestellt werden. Für Arztbesuche komme bei akuten Schmerzzuständen die Benutzung eines Krankenfahrzeugs oder ein ärztlicher Hausbesuch in Betracht. Die Klägerin wohne sehr zentral in der Mitte von A-Stadt, so dass es ihr möglich sei, Einkäufe, Kirchenbesuche usw. mit dem Rollstuhl zu erledigen. Wenn es zutreffe, dass die Klägerin unter kurzfristig auftretenden massiven Beschwerden leide, stelle sich die Frage, ob sie überhaupt in der Lage sei, ein Kfz sicher zu führen. Dem ist die Klägerin durch Vorlage ärztlicher Atteste des Internisten und Diabetologen Dr. TZ., des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. ZU. und einer augenärztlichen Bescheinigung entgegengetreten, welche der Klägerin auf ihrem jeweiligen Fachgebiet Fahrtauglichkeit bescheinigen.

Im Rahmen eines Erörterungstermins vor dem Sozialgericht am 16. August 2010 hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie seit Juni 2009 Halterin eines Nissan Amera Tino sei. Das Kfz sei von ihrem Sohn im Wege eines Ratenkaufs angeschafft worden, der auch die Raten bezahle. Es bestehe die Absprache, dass sie das Kfz ihrem Sohn zurückgebe, sobald ihr ein anderes Kfz zur Verfügung stehe. Der Nissan verfüge über keine behindertengerechte Ausstattung. Sie könne das Kfz normal bedienen. Derzeit werde der Rollstuhl von ihrem Mann in das Auto gehoben, was diesem allerdings aus gesundheitlichen Gründen sehr schwer falle, weshalb ein entsprechendes Liftsystem benötigt werde.

Das Sozialgericht hat eine Auskunft der Firma UO. Omnibusverkehr vom 26. August 2010 eingeholt, die mitgeteilt hat, auf den in A-Stadt verkehrenden Linien würden vertragsgemäß zum weit überwiegenden Teil Niederflurbusse eingesetzt, die behinderten- und rollstuhlgerecht eingerichtet seien. Aus den hierzu vorgelegten Unterlagen der Firma UO. ergibt sich, dass nur für einzelne Fahrten keine Niederflurbusse eingesetzt werden.

Mit Urteil vom 16. Juni 2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung von Eingliederungshilfe in Form der Hilfe zur Beschaffung eines Kfz. Gemäß § 8 Abs. 1 Eingliederungshilfeverordnung (EinglhVO) gelte die Hilfe zur Beschaffung eines Kfz als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) i. V. m. §§ 33 und 55 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX). Sie werde in angemessenem Umfang gewährt, wenn der behinderte Mensch wegen Art und Schwere seiner Behinderung, insbesondere zur Teilhabe am Arbeitsleben auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen sei. Die Gründe für die Gewährung einer Eingliederungshilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft müssten mindestens vergleichbar gewichtig sein wie der Teilhabeanspruch am Erwerbsleben. Die Kammer teile die Beurteilung des Beklagten, wonach die Klägerin nicht auf die Benutzung eines eigenen Fahrzeuges ständig angewiesen sei. Die Kosten für die notwendigen Fahrten zu Ärzten und ärztlich verordneten Behandlungen seien von der zuständigen Krankenkasse zu erbringen (Hinweis auf BSG, Urteil vom 28. Juli 2008, B 1 KR 27/07 R, Rdnr. 22). Ansonsten sei es Sinn und Zweck der Eingliederungshilfe, dem behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen, jedoch nur in einem vertretbaren Umfang. Nicht behinderte Sozialhilfeempfänger könnten deshalb nicht beliebig oft an kulturellen oder sonstigen Veranstaltungen teilnehmen. Der Klägerin werde die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben durch die Nutzung des Behindertenfahrdienstes bzw. der im Wohngebiet verkehrenden öffentlichen Verkehrsmittel in hinreichendem Maße gewährleistet. Soweit die Klägerin sich darauf berufe, dass sie den Behindertenfahrdienst nicht nutzen könne, da sie als Halterin eines Kfz nach den Teilnahmebedingungen des Beklagten von der Teilnahme ausgeschlossen sei, liege dem ein Zirkelschluss zugrunde, denn die Teilnahme an dem Behindertenfahrdienst werde nur dadurch verhindert, dass der Klägerin derzeit ein Kfz zur Verfügung stehe, durch dessen Nutzung die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben möglich sei. Da der angegriffene Bescheid rechtmäßig sei und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletze, bestehe ebenfalls kein Anspruch, entsprechend dem Antrag der Klägerin die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Gegen das am 6. Juli 2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 1. August 2011 Berufung eingelegt.

Sie verweist auf ihr bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, aus der Auskunft der Firma UO. ergebe sich, dass nicht alle eingesetzten Busse als Niederflurfahrzeuge ausgestattet seien. Zudem werde der Weg von der Wohnung zur Bushaltestelle und von der Ausstiegsstelle zum jeweiligen Ziel vom Sozialgericht nicht berücksichtigt. Die Benutzung des Behindertenfahrdienstes sei unzumutbar, weil es sie dazu verpflichte, ihr Kfz abzugeben und sie damit von der Hilfe Dritter abhängig mache. Ein eigenes Auto sei das letzte bisschen Freiheit und Selbständigkeit, das ihr trotz ihrer Behinderung noch verbleibe. Aus der Stellungnahme des Beklagten ergebe sich, dass die privaten Beförderungsunternehmen zur Entgegennahme der ausgeteilten Gutscheine nicht verpflichtet seien, so dass sogar ungewiss sei, ob diese im Einzelfall überhaupt akzeptiert würden. Die Anzahl von 36 Gutscheinen sei auch so gering, dass damit ihr Transportbedarf nicht erfüllt werden könne. Er entspreche gerade einmal 1,5 Fahrten pro Woche. Eine Taxifahrt zum Besuch der Schwester im Raum OK. würde bereits den gesamten Gutscheinbetrag für einen Monat aufbrauchen. Noch unbeachtet sei hierbei, dass sie als Rollstuhlfahrerin auf eine Begleitperson angewiesen sei. Einkäufe ausschließlich mit dem Rollstuhl seien ihr nicht zumutbar. Die nächsten Einkaufsmöglichkeiten in A-Stadt seien von ihr ohne fremde Hilfe nicht zu erreichen, da sie den Rollstuhl nicht selbst fortbewegen könne. Auch andere Orte wie die Kirche oder die Einrichtung der AWO seien mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur mühsam erreichbar. Auch bei der Benutzung des Autos sei sie auf die Hilfe ihres Ehemannes angewiesen, der den Rollstuhl in das Auto heben müsse.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 16. Juni 2011 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 12. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. April 2009 zu verurteilen, ihr Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs und seines behinderungsgerechten Umbaus zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil des Sozialgerichts. Bushaltestellen befänden sich in einer Entfernung von ca. 1 km von der Wohnung der Klägerin. Sofern sie diese Distanz nicht alleine zurücklegen könne, komme die Beantragung eines Elektrorollstuhls in Betracht. Verschiedene Einkaufsmärkte lägen in unmittelbarer Entfernung der Wohnung der Klägerin. In der nahe gelegenen Stadtmitte befänden sich die Stadtbücherei, das Hallenbad und der Seniorentreff mit regelmäßigen Veranstaltungen. Fahrten zu Familienangehörigen könnten auch durch deren Unterstützung, z. B. den Sohn der Klägerin, sichergestellt werden. Auch Nichtbehinderte, die sich aus wirtschaftlichen Gründen kein eigenes Kfz leisten könnten, hätten nicht die Möglichkeit, beliebig oft Besuchsreisen zu Verwandten durchzuführen oder am Vereinsleben teilzuhaben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angegriffenen Bescheide des Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Diese hat keinen Anspruch auf die begehrte Hilfe zum Erwerb und zum behindertengerechten Umbau eines Kfz.

Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, erhalten Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann (§ 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen (§ 53 Abs. 3 SGB XII). Leistungen der Eingliederungshilfe sind unter anderem Leistungen nach den §§ 33 und 55 SGB IX (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII).

Gemäß § 8 Abs. 1 EinglHV gilt die Hilfe zur Beschaffung eines Kfz als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i. V. m. §§ 33 und 55 SGB IX. Sie wird in angemessenem Umfang gewährt, wenn der behinderte Mensch wegen Art oder Schwere seiner Behinderung insbesondere zur Teilhabe am Arbeitsleben auf die Benutzung eines Kfz angewiesen ist (§ 8 Abs. 1 Satz 2 EinglHV). Der vom Gesetz vorgesehene Schwerpunkt der Versorgung mit einem Kfz liegt damit in der Eingliederung in das Arbeitsleben. Dies bedeutet nicht, dass andere Eingliederungsziele ausgeschlossen sind; sie müssen aber vergleichbar gewichtig sein. Dazu gehört, dass die Notwendigkeit der Benutzung eines eigenen Kfz ständig bzw. "regelmäßig" (vgl. § 10 Abs. 6 EinglHV) und nicht nur vereinzelt bzw. gelegentlich besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juli 2000, 5 C 43/99 = BVerwGE 111, 328). Regelmäßig bedeutet allerdings nicht, dass das Fahrzeug gleichsam täglich benötigt wird. Entscheidend ist, ob der behinderte Mensch mit Blick auf das Ziel der Eingliederungshilfe auf ein eigenes Kraftfahrzeug angewiesen ist, wobei einerseits auf die Art und Schwere der Behinderung, andererseits auf die gesamten Lebensumstände des Behinderten abzustellen ist (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28. Juli 2007, 3 L 231/05, juris). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass ein Kraftfahrzeug typischerweise ein der Eingliederung eines Behinderten dienendes Hilfsmittel ist (BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 1977 - V C 15.77 - BVerwGE 55, 31 ff.). Sofern die Eingliederung aber durch andere Hilfen, zum Beispiel durch Benutzung eines Krankenfahrzeuges oder von öffentlichen Verkehrsmitteln oder durch die Übernahme der Kosten eines Taxis oder Mietautos erreicht werden kann, ist der Behinderte nicht auf die Benutzung eines (eigenen) Kraftfahrzeuges ständig angewiesen (Bayerisches LSG, Urteil vom 29. Juni 2010, L 8 SO 132/09, juris Rdnr. 35).

Bei behinderten Menschen, die keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können, ist die Frage nach dem regelmäßigen Angewiesensein auf ein Kraftfahrzeug aus der Sicht des nicht berufstätigen behinderten Menschen zu beantworten. Die Hilfe zur Teilnahme am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben umfasst nach § 58 SGB IX vor allem Hilfen zur Förderung der Begegnung und des Umgangs mit nichtbehinderten Menschen (Nr. 1), Hilfen zum Besuch von Veranstaltungen oder Einrichtungen, die der Geselligkeit, der Unterhaltung oder kulturellen Zwecken dienen (Nr. 2) und die Bereitstellung von Hilfsmitteln, die der Unterrichtung über das Zeitgeschehen und über kulturelle Ereignisse dienen, wenn wegen der Schwere der Behinderung anders eine Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft nicht oder nur unzureichend möglich ist (Nr. 3). Die Bereitstellung von Hilfsmitteln zur Unterrichtung über das Zeitgeschehen (wie Fernseher, Radio, Telefon, Zeitschriften) wird dabei, wie aus der gesetzlichen Formulierung deutlich wird, nicht als primäre Hilfeform, sondern quasi als Ersatzleistung angesehen, wenn wegen der Schwere der Behinderung eine andere, persönliche Teilnahme am Gemeinschaftsleben nicht oder nur unzureichend möglich ist; im Vordergrund der Hilfe stehen die persönlichen menschlichen Begegnungen.

Diesen Aspekt betont auch das Bundessozialgericht (BSG) im Hinblick auf Leistungen nach § 9 Abs. 2 Nr. 11 EinglHV (besondere Bedienungsreinrichtungen und Zusatzgeräte für Kraftfahrzeuge, wenn der behinderte Mensch wegen Art und Schwere seiner Behinderung auf ein Kraftfahrzeug angewiesen ist). Das BSG sieht es als Zweck der Leistung an, die Begegnung und den Umgang mit anderen Menschen im Sinne einer angemessenen Lebensführung zu fördern. Es gilt ein individueller und personenzentrierter Maßstab, der regelmäßig einer pauschalierenden Betrachtung des Hilfefalls entgegensteht. Die Hilfsmittelversorgung im Bereich der sozialen Rehabilitation ist daher nicht auf eine "Grundversorgung" im Sinne einer von den Wünschen des behinderten Menschen losgelösten, nach Anzahl und Entfernung von vorneherein eng limitierte Versorgung mit Transportdiensten beschränkt. Gesellschaftliche Kontakte sind in einem ausreichenden Umfang zu gewährleisten, wobei als Vergleichsmaßstab gleichaltrige nichtbehinderte Personen dienen (BSG, Urteil vom 2. Februar 2012, B 8 SO 9/10 R, juris Rdnr. 26 f).

Hiervon ausgehend benötigt die Klägerin zur Überzeugung des Senats kein Kfz, um am Leben in der Gemeinschaft in ausreichendem Maße teilnehmen zu können. Die Klägerin übt keine Erwerbstätigkeit aus. Sie ist auch nicht für andere, gesellschaftlich besondere anerkannte und geförderte Aktivitäten - wie bspw. Tätigkeiten im Ehrenamt, in der Sozialarbeit etc. - auf ein Kfz angewiesen. Dieses wird vielmehr ausschließlich für Fahrten zu Ärzten, Einrichtungen, Einkäufe sowie andere private Aktivitäten begehrt (Fahrten zu Freunden und Verwandten). Dafür stehen ihr jedoch genügend andere Mobilitätshilfen zur Verfügung.

Soweit es den um den Besuch von Ärzten oder Therapeuten geht, ist die Sicherstellung dieses Bedarfs zunächst nicht Aufgabe des Beklagten, wie bereits das Sozialgericht zutreffend dargelegt hat. Vielmehr betrifft dies den Bereich der Teilhabe an Leistungen der medizinischen Rehabilitation im Sinne von § 5 Nr. 1 SGB IX, für den nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX die gesetzlichen Krankenkassen zuständig sind. Für Fahrten zu ambulanten ärztlichen oder ärztlich verordneten Behandlungen besteht nach Maßgabe von § 60 SGB V in Verbindung mit den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten vom 22. Januar 2004 (Krankentransport-Richtlinien) ein Anspruch auf Übernahme der Fahrtkosten durch die Krankenkasse. Soweit die auf der Grundlage der Krankentransport-Richtlinien von der Krankenkasse zu tragenden Fahrtkosten ihren Bedarf in vollem Umfang decken, kommt evtl. ein ergänzender Anspruch der Klägerin im Rahmen des § 27a Abs. 4 Satz 1 SGB XII in Betracht (Gutzler in: jurisPK-SGB XII, § 27a SGB XII, Rdnr. 102 m. w. N.).

Auch soweit die Klägerin die Notwendigkeit eines Kfz damit begründet, dass sie dieses für Einkaufsfahrten brauche, ist der Bereich der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft im Sinne von §§ 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII, 55 Abs. 2 Nr. 7, 58 SGB IX nicht betroffen (so bereits Beschluss des Senats vom 5. Oktober 2011, L 4 SO 222/11). Ein derartiger Bedarf ist ggf. auf der Grundlage einer abweichenden Bedarfsfeststellung nach § 27a Abs. 4 Satz 1 SGB XII bzw. im Rahmen der Hilfe zur Pflege nach § 61 SGB XII, die hinsichtlich der hauswirtschaftlichen Versorgung auch das Einkaufen umfasst, zu decken (Bayerisches LSG, Urteil vom 29. Juni 2010, L 8 SO 132/09, juris Rdnr. 41). Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass ihr Haushaltshilfe in der Vergangenheit bereits zur Verfügung gestellt worden ist, als ihr Ehemann krankheitsbedingt nicht zur Verfügung stand.

Im Übrigen ist eine ausreichende Teilhabe der Klägerin am Leben in der Gemeinschaft durch entsprechende Hilfsmittel sowie Mobilitätsdienste gegeben. Für den Nahbereich um ihre Wohnung kann die Klägerin den Rollator oder den Rollstuhl nutzen. Diese Hilfsmittel erschließen ihr einen ausreichenden sozialen Kontakt und die Möglichkeit, städtische Einrichtungen, Begegnungsstätten usw. zu besuchen. Denn sie wohnt in A Stadt mitten im Ort in einer Entfernung von wenigen 100 m bis maximal 1 km zu vielen Geschäften, der Stadtverwaltung, dem Hallenbad und dem Gemeindezentrum, in dem nach Auskunft des Beklagten vielfältige Aktivitäten zur Freizeitgestaltung angeboten werden. Soweit die Klägerin dagegen einwendet, mit dem derzeit vorhandenen Schieberollstuhl könne sie wegen fehlender Kraft in den Armen diese Strecken nicht überwinden, ist sie auf die Möglichkeit zu verweisen, bei ihrer Krankenkasse einen Elektrorollstuhl zu beantragen. Denn es ist Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, die Mobilität behinderter Menschen im Nahbereich ihrer Wohnung sicherzustellen. Diesem Nahbereich beim mittelbaren Behinderungsausgleich sind solche Wege zuzuordnen, die räumlich einen Bezug zur Wohnung und sachlich einen Bezug zu den Grundbedürfnissen der physischen und psychischen Gesundheit bzw. der selbstständigen Lebensführung aufweisen. Für den unmittelbaren Umkreis der Wohnung des Versicherten ist die Mobilität für gesundheitserhaltende Wege, Versorgungswege sowie elementare Freizeitwege sowohl in Bezug auf den Hin- als auch auf den Rückweg durch Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sicherzustellen (BSG, Urteil vom 18. Mai 2011, B 3 KR 12/10 R, juris Rdnr. 18). Die Klägerin kann insoweit auch von Seiten der Krankenkasse nicht auf fremde Hilfe, insbesondere durch ihren Ehemann, verwiesen werden. Auf einen Elektrorollstuhl besteht ein Anspruch, wenn die Erschließung des Nahbereichs ohne das begehrte Hilfsmittel unzumutbar ist, weil Wegstrecken im Nahbereich nur unter Schmerzen oder nur unter Inanspruchnahme fremder Hilfe bewältigt werden können (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr. 27 Rdnr. 24) oder wenn die hierfür benötigte Zeitspanne erheblich über derjenigen liegt, die ein nicht behinderter Mensch für die Bewältigung entsprechender Strecken zu Fuß benötigt (BSG, Urteil vom 18. Mai 2011, B 3 KR 12/10 R, juris Rdnr. 22). Die Möglichkeit, unter Benutzung eines geeigneten Rollstuhls den Nahbereich der Wohnung zu erreichen, sichert der Klägerin auch eine ausreichende Mobilität für soziale Kontakte, die über den Nahbereich hinausgehen. Denn der Busbahnhof in A-Stadt befindet sich in rund 500 m von ihrer Wohnung. Von hier aus kann die Klägerin mit den regelmäßig verkehrenden Stadtbussen, die nach der Auskunft der Firma UO. zum ganz überwiegenden Teil rollstuhlfahrergerecht ausgestattet sind, alle Ziele in A-Stadt wie die Kirche und das Zentrum der AWO erreichen. Ebenso kann die Klägerin den Bahnhof in der Stadtmitte von A-Stadt erreichen, von dem in regelmäßigen Abständen Züge sowohl des Nah- als auch des Fernverkehrs verkehren. So sind - ausgehend vom Bahnhof in A Stadt - der Bahnhof in OM. in 14 Minuten und der Bahnhof in OK. in 32 Minuten erreichbar. Als Inhaberin eines Schwerbehindertenausweises mit den Merkzeichen "G", "aG" und "B" steht der Klägerin bei Erwerb einer Wertmarke für 60,00 Euro dabei der gesamte öffentliche Nahverkehr kostenlos zur Verfügung. Während der Gültigkeitsdauer der Wertmarke besteht eine Freifahrtberechtigung u. a. in allen Straßenbahnen, U Bahnen, S-Bahnen und in vielen Bussen in ganz Deutschland. Seit 2011 besteht darüber hinaus für schwerbehinderte Reisende, die die Voraussetzungen der Freifahrtberechtigung erfüllen, durchgängig eine bundesweite kostenfreie Nutzung der Nahverkehrszüge der DB Regio AG (Produktklasse C) - S-Bahn, Regionalbahn (RB), Regionalexpress (RE) und Interregio-Express (IRE); auch Fernverkehrszüge können unentgeltlich benutzt werden, wenn sie für Fahrkarten des Verkehrsverbundes freigegeben sind. Diese Berechtigung gilt ohne jegliche Einschränkung auf Verkehrsverbünde oder Streckenverzeichnisse (vgl. zum Vorstehenden http://www.bahn.de/p/view/service/barrierefrei/barrierefreies reisen handicap.shtml6b).Für schwerbehinderte Menschen, die zur Mitnahme einer Begleitperson berechtigt sind, können bei Fahrten mit der Deutschen Bahn bis zu zwei Sitzplätze ohne Entgelt reserviert werden. In vielen EC- und IC-Zügen sowie in allen ICE-Zügen sind zwei Rollstuhlstellplätze vorhanden, die im Voraus reserviert werden können. Zu den Rollstuhlstellplätzen sind naheliegende Sitzplätze für Begleiter reservierbar. Fast alle übrigen Züge (auch Nahverkehrszüge) führen ein Mehrzweckabteil; die Zugänge sind rollstuhlgängig.

Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel bindet die Klägerin allerdings möglicherweise an das Vorhandensein einer Begleitperson. Eine solche wird nicht immer zur Verfügung stehen, etwa wenn der Ehemann der Klägerin krank ist. Zudem kann es dem Bedürfnis der Klägerin entsprechen, andere Personen alleine zu besuchen, wenngleich sie in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt hat, dass sie bisher immer in Begleitung ihres Ehemannes unterwegs gewesen ist. Insofern hat die Klägerin jedoch die zusätzliche Möglichkeit, unter Benutzung der Wertgutscheine des Beklagten mit einem individuellen Beförderungsdienst Reisen zu unternehmen. Der Beklagte stellt Personen, die nicht über ein Kfz verfügen und bei denen der Nachteilsausgleich "aG" festgestellt ist, auf Antrag vierteljährlich 36 Gutscheine zu je 3,07 Euro für die Inanspruchnahme von individuellen Beförderungsdiensten zur Verfügung. Dies erlaubt ihr eine selbstbestimmte Teilnahme am sozialen Leben und die Begegnung mit anderen Menschen in einem bescheidenen Rahmen; überschlägig sind damit die Kosten für 3 - 4 Taxifahrten im Monat innerhalb von A-Stadt oder in die Nachbargemeinden abgedeckt. Ein darüber hinausgehender Bedarf, z. B. die geltend gemachten Besuchsfahrten zu den Geschwistern, zu ihrem Sohn usw., die im OK. Raum wohnen und für die Klägerin alleine unter Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nur mühsam oder - je nach gesundheitlichem Zustand - auch gar nicht zu bewältigen sind, könnte nach den Darlegungen der Beklagten durch Bereitstellung zusätzlicher Gutscheine gedeckt werden. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich ihre Bereitschaft erklärt, im Rahmen der Eingliederungshilfe zusätzlich gelegentliche Besuchsfahrten zu den Geschwistern im Raum OK. zu finanzieren. Zwar ist aus den Ausführungen der Beklagten deutlich geworden, dass diese Förderung nicht den von der Klägerin gewünschten Umfang haben würde, die nach ihren Angaben ein- bis zweimal in der Woche zusammen mit ihrem Ehemann Besuchsfahrten in den OK. Raum unternimmt, wobei dies allerdings noch mit anderen Aktivitäten (z.B. größere Einkäufe) verbunden ist. Der über die so angebotene Förderung seitens des Beklagten hinausgehende Bedarf der Klägerin an Mobilität ist indes nicht durch die Gesellschaft durch Finanzierung und Unterhaltung eines Kfz zu finanzieren. Bei der Bestimmung des soziokulturellen Existenzminimums muss auf die Lebensgewohnheiten abgestellt werden, welche von der Bevölkerung in bescheidenen Verhältnissen geteilt werden, so dass "soziale Ausgrenzung" aus wirtschaftlichen Gründen vermieden wird (Bayerisches LSG, Urteil vom 29. Juni 2010, L 8 SO 132/09, juris Rdnr. 49 m. w. N.). Bei einem Abstellen auf die Lebensgewohnheiten der in bescheidenen Verhältnissen lebenden Bevölkerungskreise kann das der Klägerin unter Nutzung persönlicher Mobilitätshilfen, öffentlicher Verkehrsmittel und der privaten Beförderungsdienste mögliche Maß der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nicht als unzureichend bezeichnet werden. Personen, die sich aus wirtschaftlichen Gründen kein Kfz leisten können, haben ebenfalls nur eingeschränkte Möglichkeiten, Freunde, Verwandte und Bekannte in weiter entfernten Orten zu besuchen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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