L 6 AS 376/11

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 5 AS 313/10
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 376/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 54/13 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 24. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

II. Kosten werden nicht erstattet.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Änderung der Bewilligung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) ohne Anrechnung von Kindergeld für den Zeitraum von Dezember 2007 bis einschließlich Juni 2008.

Die 1988 geborene Klägerin wurde 2006 Mutter einer Tochter. Im am 11. September 2006 vervollständigten Antrag der Klägerin auf Leistungen nach dem SGB II für sich und ihre Tochter gab sie an, derzeit mietfrei bei ihrer Mutter zu wohnen und noch in Mutterschaftszeit zu sein. Zum 1. September 2006 zog sie mit ihrer Tochter um in die Wohnung Q-Straße in A-Stadt, in der ihre Mutter, zeitweilig auch weitere Familienmitglieder wohnten. Mit Bescheid vom 18. September 2006 bewilligte der Beklagte der Klägerin und ihrer Tochter als Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II und rechnete dabei sowohl das Kindergeld für die Tochter der Klägerin als auch das der Mutter ausgezahlte Kindergeld für die Klägerin an.
Die Mutter der Klägerin bezog für die Klägerin bis Juni 2008 Kindergeld in Höhe von monatlich 154,- EUR. In entsprechender Höhe erfolgten nach den unwidersprochenen Angaben der Klägerin Zahlungen an die Klägerin seitens ihrer Mutter. Nachdem die Klägerin im November 2007 ihre schulische Ausbildung abgebrochen hatte, hob die Familienkasse BE. mit Bescheid vom 16. Februar 2009 die Festsetzung des Kindergelds ab Dezember 2007 auf. Zugleich wurde mitgeteilt, dass das von Dezember 2007 bis Juni 2008 überzahlte Kindergeld in Gesamthöhe von 1.078,- EUR zu erstatten sei. Die Klägerin glich diese Forderung für ihre Mutter aus.

Mit Bescheiden vom 27. Juli 2007 (Zeitraum: August 2007 bis Januar 2008), 29. Januar 2008 (Zeitraum: Februar 2008 bis Juli 2008) und 13. Februar 2008 (Änderung des Mietanteils im vorherigen Bescheid ab März 2008), zuletzt mit Bescheid vom 13. Januar 2009 rechnete der Beklagte bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Klägerin Kindergeld an. Mit Bescheid vom 18. März 2009 hob der Beklagte diesen Bescheid auf und berechnete die Leistungen neu, wobei wiederum Kindergeld als Einkommen angerechnet wurde.

Hiergegen legte die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigte am 3. April 2009 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, seit Juli 2008 sei kein Kindergeld mehr geflossen.

Am 5. Mai 2009 beantragte die Klägerin über ihre Prozessbevollmächtigte, die Bescheide für den Zeitraum Dezember 2007 bis Juni 2008 gem. § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) zu überprüfen.

Mit Bescheid vom 9. Juni 2009 hob der Beklagte die vorangegangenen Bewilligungsbescheide für die Monate Juli 2008 bis Januar 2009 insoweit auf, als darin für die Klägerin Kindergeld als Einkommen angerechnet worden war und setzte einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 1078,- EUR fest. Mit weiterem Bescheid vom selben Tage lehnte der Beklagte die Überprüfung gemäß § 44 SGB X für den Zeitraum Dezember 2007 bis Juni 2008 ab und führte zur Begründung aus, da das Kindergeld für den fraglichen Zeitraum ausgezahlt worden sei, sei es auch als Einkommen zu berücksichtigen.

Gegen den letztgenannten Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 2010 im Wesentlichen zurückwies; dem Widerspruch wurde lediglich abgeholfen, soweit die Versicherungspauschale in Höhe von 30,- EUR pro Monat nunmehr einkommensmindernd berücksichtigt wurde. Zur Begründung der Zurückweisung wurde ausgeführt, das von der Mutter an die Klägerin gezahlte Kindergeld sei zumindest als tatsächliche Unterhaltsleistung anzurechnen, selbst wenn die Klägerin nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern gelebt habe. Diese Unterhaltsgewährung werde nicht dadurch rechtswidrig, dass die Bewilligung des Kindergeldes sich als rechtswidrig herausgestellt habe.

Hinsichtlich der übrigen Feststellungen zu Einkommen und Vermögen wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (vier Bände) Bezug genommen, insbesondere auf die Angaben der Klägerin im Erstantrag und den Fortzahlungsanträgen vom 26. Juli 2007 und vom 29. Januar 2008 sowie auf die den Bescheiden vom 27. Juli 2007, 29. Januar 2008 und 13. Februar 2008 beigefügten Berechnungsbögen. Der Senat macht sich diese Feststellungen zu Eigen.

Die gegen den Bescheid vom 9. Juni 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2010 gerichtete Klage ist am 30. Juli 2010 bei dem Sozialgericht Marburg eingegangen.
Die Klägerin hat vorgetragen, das Kindergeld, das die Mutter der Klägerin erhalten habe, hätte nicht als Einkommen bei der Klägerin angerechnet werden dürfen, da sie nicht zur Bedarfsgemeinschaft ihrer Eltern gehört habe. Der Beklagte habe durch die separaten Bewilligungsbescheide für die Klägerin und ihre Tochter einerseits und die Mutter andererseits zum Ausdruck gebracht, dass sie von einer vorrangigen Bedarfsgemeinschaft der Klägerin und ihrer Tochter ausgehe. Zwar habe die Mutter die Bedarfslücke bei ihrer Tochter durch entsprechende Weiterleitung des Kindergeldes an die Klägerin zu schließen geholfen, dies aber nur aufgrund der rechtswidrigen Anrechnung durch die Beklagte.
Die Beklagte hat zur Begründung auf das Zuflussprinzip verwiesen.

Das Sozialgericht Marburg hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 24. Juni 2011, der Klägerin zugestellt am 28. Juni 2011, abgewiesen. Die Klage sei unbegründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Abänderung der Bewilligungsbescheide vom 27. Juli 2007, 29. Januar 2008 und 13. Februar 2008, sodass sich der Bescheid vom 9. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Juli 2010 als rechtmäßig erweise und die Klägerin nicht beschwert sei. Ein Anspruch der Klägerin auf höhere Leistungen nach dem SGB II bestehe nicht. Der Beklagte habe das an die Mutter der Klägerin gezahlte Kindergeld zu Recht bei der Klägerin als Einkommen angerechnet. Dabei komme es nicht entscheidend auf die im Widerspruchsbescheid diskutierte Frage an, ob die Klägerin mit ihrer Tochter zu Recht als eigene Bedarfsgemeinschaft angesehen worden sei oder ob eine Zusammenfassung mit der Mutter der Klägerin zu einer Bedarfsgemeinschaft hätte erfolgen müssen. Das Kindergeld sei gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II a.F. als Einkommen dem jeweiligen, der Bedarfsgemeinschaft angehörenden Kind zuzurechnen, soweit es bei diesem zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt werde. Weil die Klägerin mit ihrer Tochter von dem Beklagten nicht als Teil einer Bedarfsgemeinschaft mit der Mutter behandelt worden sei, könne man zwar diskutieren, ob diese Voraussetzungen für die Einkommensanrechnung vorgelegen hätten. Hierauf komme es aber nicht an, denn zwischen den Beteiligten sei unstreitig, dass die Klägerin das Kindergeld seinerzeit von ihrer Mutter weitergeleitet bekommen habe und es ihr damit tatsächlich zur Verfügung gestanden habe. Einkommen im Sinn des SGB II sei alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhalte. Es komme nicht auf die Herkunft und Rechtsgrundlage der Einnahmen an, entscheidend sei der tatsächliche Zufluss. Bei Anwendung dieser Grundsätze sei das der Mutter gezahlte und an die Klägerin weitergeleitete Kindergeld vom Beklagten zu Recht als Einkommen angerechnet worden. Denn in den jeweiligen Monaten habe das Kindergeld als tatsächlicher Einkommenszufluss zur Bestreitung des Lebensunterhaltes zur Verfügung gestanden. Auch wenn die Kindergeldbewilligung im Nachhinein aufgehoben worden sei und die Familienkasse die Erstattung verlange, sei das Kindergeld ursprünglich verfügbares Einkommen gewesen. Soweit die Klägerin sich zur Begründung ihrer Klage auf eine Entscheidung des Sozialgerichts Detmold aus dem Jahr 2009 (S 8 AS 61/08) berufe, ändere dies nichts. Der dort vertretenen Auffassung eines Rückforderungsvorbehalts könne sich das Gericht nicht anzuschließen. Das Bestehen einer gesetzlichen Änderungspflicht könne nicht genügen, um der Kindergeldzahlung in einem solchen Fall die tatsächliche wirtschaftliche Verfügbarkeit abzusprechen. Hierfür sei grundsätzlich ein bereits im Bewilligungsbescheid ausdrücklich enthaltener Rückforderungsvorbehalt erforderlich. Die Bewilligung des Kindergeldes sei vorliegend ohne einen ausdrücklichen Rückforderungsvorbehalt erfolgt. Zwar seien die Voraussetzungen für die Kindergeldbewilligung durch den Abbruch der hauswirtschaftsschulischen Ausbildung der Klägerin zum Dezember 2007 weggefallen, jedoch sei das Kindergeld zunächst mangels Kenntnis weitergezahlt worden. Da es somit zur Lebensführung bei der Klägerin tatsächlich zur Verfügung gestanden habe, habe der Beklagte es für den Leistungszeitraum Dezember 2007 bis Juni 2008 zu Recht als Einkommen angerechnet. Durch die spätere Aufhebung und Rückforderung des Kindergelds werde dies nicht fehlerhaft. Entgegen der Auffassung der Klägerin bestehe auch kein Anspruch auf Abänderung der ursprünglichen Bewilligungsbescheide gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X. Denn nach den eben dargelegten Grundsätzen sei unter Berücksichtigung des vorrangigen Zuflussprinzips die ursprüngliche Leistungsbewilligung auch nicht durch die spätere Erstattungsforderung der Kindergeldkasse rechtswidrig geworden.

Die hiergegen gerichtete Berufung ist am 26. Juli 2011 bei dem Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingegangen.

Die Klägerin trägt vor, sie habe im streitgegenständlichen Zeitraum keine Bedarfsgemeinschaft mit ihrer Mutter gebildet. Rechtlich vorrangig sei die Bedarfsgemeinschaft der Klägerin mit ihrer Tochter Y. Sie ist der Rechtsauffassung, dass das Kindergeld deshalb nicht hätte angerechnet werden dürfen, weil das Kindergeld nicht für ein zur Bedarfsgemeinschaft gehörendes Kind ausgezahlt worden sei. Erst durch die Anrechnung sei es zu einer rechtswidrig geschaffenen Bedarfslücke gekommen, die seitens der Mutter der Klägerin geschlossen worden sei, indem sie das Kindergeld an die Klägerin weitergeleitet habe. Die Mutter der Klägerin habe nur deshalb entsprechende finanzielle Leistungen erbracht, weil das Kindergeld in rechtswidriger Weise bei der Klägerin angerechnet worden sei. Die finanziellen Leistungen seien der Anrechnung des Kindergeldes zeitlich nachgefolgt, eine im Laufe des jeweiligen Monats nach Erlass der Bewilligungsbescheide geschlossene, erst aufgrund rechtswidriger Anrechnung entstandene Bedarfslücke dürfe nicht zur Einkommensanrechnung führen. Andernfalls könnte sich eine Behörde bei einer rechtswidrigen Nichtgewährung von Leistungen stets auf die Kompensation berufen, wenn eine solche erfolge. Selbst wenn eine Bedarfsgemeinschaft mit der Mutter bestünde, so dürfe das Kindergeld nicht angerechnet werden. Insoweit werde auf die Argumentation des Sozialgerichts Detmold im Urteil vom 31. März 2009 Bezug genommen. Die Klägerin habe die von ihrer Mutter erhaltenen Zahlungen inzwischen ausgeglichen, indem sie zu Gunsten ihrer Mutter den seitens der Familienkasse zurück geforderten Betrag an die Familienkasse direkt überwiesen habe.

Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 24. Juni 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 9. Juni 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2010 aufzuheben und den Beklagten in Abänderung der Bescheide vom 27. Juli 2007, 29. Januar 2008 und 13. Februar 2008 zu verurteilen, der Klägerin für die Monate Dezember 2007 bis Juni 2008 weitere Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II in Höhe von 124 EUR monatlich zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, die Anrechnung sei allein wegen der tatsächlichen Weiterleitung des Kindergeldes erfolgt. Angesichts der Argumentation der Klägerin sei unverständlich, warum sie sich nie wegen der behaupteten Bedarfslücke an den Beklagten gewandt habe. Sie beruft sich auf die Ausgestaltung des Zuflussprinzips im Urteil des Bundessozialgerichts vom 23. August 2011 – B 14 AS 165/10 R.

Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 24. April 2013 verwiesen. Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (4 Bände) Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Zwar ist die Klage zulässig. Sie ist als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (vgl. dazu zuletzt BSG, Urteil vom 28. Februar 2013 – B 8 SO 4/12 R – juris) auszulegen und als solche statthaft.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid vom 9. Juni 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2010 ist rechtmäßig. Der Beklagte ist nicht nach § 44 SGB X verpflichtet, die Bescheide vom 27. Juli 2007, 29. Januar 2008 und 13. Februar 2008 aufzuheben und der Klägerin höhere Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung des Kindergeldes zu bewilligen und auszuzahlen. Die genannten Bescheide sind rechtmäßig. Die Antragstellerin hat keinen höheren Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den §§ 7 ff., 19 ff. SGB II, da die Ermittlung der Hilfebedürftigkeit für den Zeitraum von Dezember 2007 bis einschließlich Juni 2008 rechtsfehlerfrei erfolgt und auch nicht wegen der Rückforderung von Kindergeld nachträglich zu korrigieren ist.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts kann allerdings nicht offen gelassen werden, wie sich die Bedarfsgemeinschaft zusammensetzt. Der Streitgegenstand lässt sich nicht auf das Element der Kindergeldanrechnung reduzieren (vgl. zum Folgenden BSG, Urteil vom 12. Juli 2012 – B 14 AS 153/11 R – juris Rn. 12 m.w.N.), sondern umfasst nach verständiger Auslegung des Begehrens der Klägerin im Verwaltungsverfahren die Überprüfung des Anspruches auf die Regelleistung einschließlich etwaiger Mehrbedarfe, auf den sich die Anrechnung des Kindergeldes, aber auch von etwaigem Einkommen anderer Bedarfsgemeinschaftsmitglieder auswirkt.
Der Beklagte ist aber zu Recht von einer allein aus der Klägerin und ihrer Tochter bestehenden Bedarfsgemeinschaft ausgegangen. § 7 Abs. 3 SGB II a.F. ist insoweit einschränkend auszulegen. Nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II a.F. gehören zur Bedarfsgemeinschaft die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift wäre die Klägerin in die Bedarfsgemeinschaft mit ihrer Mutter einzubeziehen, falls ein gemeinsamer Haushalt geführt wurde. Ob dies der Fall war, muss nicht aufgeklärt werden: In Fällen, in denen das erwerbsfähige, unter 25-jährige Kind – die Klägerin – wie hier mit einem eigenen Kind in einem Haushalt zusammen lebt, bildet die erwerbsfähige, unter 25-jährige Mutter mit ihrem Kind eine Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II), nicht aber mit ihrer Mutter bzw. der Großmutter des Kindes (wie hier: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. März 2011 - L 12 AS 910/10 – juris Rn. 23 ff. m.w.N.; Peters, in: Estelmann, SGB II, Stand: Dezember 2010, § 9 Rn. 35; jurisPK-SGB II/Hackethal, § 7 Rn. 59; Durchführungshinweise der BA zum SGB II, Stand: 7/2012, 7.23 ff.; a.A. Münder/Thie/Schoch, LPK-SGB II, 4. Aufl., § 7 Rn. 56, 71; differenzierend Spellbrink, in: Eicher/Spellbrink, 2. Aufl., § 7 Rn. 52a). Der Gesetzgeber hat nach dem Wortlaut mögliche, überlappende Bedarfsgemeinschaften oder Drei-Generationen-Bedarfsgemeinschaften ersichtlich nicht gewollt. Die Bedarfsgemeinschaft ist zentraler Anknüpfungspunkt für die Frage der Einkommens- und Vermögensanrechnung (vgl. u.a. § 9 Abs. 2 SGB II). Da es trotz der Konstruktion der Bedarfsgemeinschaft bei Individualansprüchen verbleibt, ist die Bedarfsgemeinschaft auch nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 3 SGB II ausgehend von dem jeweiligen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen bzw. Leistungsberechtigten zu bestimmen, was theoretisch zu mehreren, nicht notwendigerweise personenidentischen Bedarfsgemeinschaften führen kann. Dabei fehlt eine Regelung, wie bei mehreren Bedarfsgemeinschaften die Anrechnung des Einkommens- und Vermögens einer Person in zwei Bedarfsgemeinschaften zu erfolgen hat (so auch LSG Baden-Württemberg a.a.O.). Die Konstruktion der Bedarfsgemeinschaft wäre im Falle der Überlappung mangels hinreichend bestimmter Regelung der wesentlichen Rechtsfolge verfassungswidrig. Bei wortlautgetreuer Anwendung wäre die Klägerin Mitglied in zwei Bedarfsgemeinschaften, nämlich mit ihrer Mutter (u.U. Vater und Geschwister) und ihrer Tochter; diese kann aber wegen der Anknüpfung in § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft mit ihren Großeltern bei der Bestimmung von deren Ansprüchen sein. Der Regelungsausfall der Einkommens- und Vermögensaufteilung bei überlappenden Bedarfsgemeinschaften kann auch nicht unter Rückgriff auf die Verteilungsregelungen der bürgerlich-rechtlichen Unterhaltspflicht gelöst werden, da der Gesetzgeber mit der Bedarfsgemeinschaft ausdrücklich eine vom Familienrecht losgelöste Zielsetzung verfolgte. Außerdem erscheint zweifelhaft, ob damit immer eine Lösung für die denkbaren Konstellationen gefunden werden kann, insbesondere da häufig zwischen den Mitgliedern überlappender Bedarfsgemeinschaften überhaupt keine bürgerlich-rechtlichen Unterhaltspflichten bestehen (so LSG Baden-Württemberg a.a.O.). Die Alternative einer einzigen "großen" Drei-Generationen-Bedarfsgemeinschaft ist mit der gesetzlichen Konstruktion der Bedarfsgemeinschaft ausgehend vom jeweiligen Hilfebedürftigen in § 7 Abs. 3 SGB II schwer in Einklang zu bringen (dazu Spellbrink a.a.O. Rn. 37) und würde zudem § 9 Abs. 5 SGB II a.F. weitestgehend seines Anwendungsbereiches berauben.
Da die jüngste Generation nur einer Bedarfsgemeinschaft angehören kann, ist es sachgerecht, im Falle drohender überlappender Bedarfsgemeinschaften dieser Bedarfsgemeinschaft der jüngsten Generation mit ihren erwerbsfähigen hilfebedürftigen bzw. leistungsberechtigten Eltern(-teilen) im Sinne einer einschränkenden Auslegung den Vorrang einzuräumen.

Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der hier anzuwendenden Fassung des Artikel 1 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2954) sind als Einkommen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen, und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, zu berücksichtigen. Dabei ist Einkommen im Sinne des § 11 Abs 1 SGB II nach der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des Bundessozialgerichts grundsätzlich "alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte" (vgl. - auch zum Folgenden - BSG, Urteil vom 23. August 2011 – B 14 AS 165/10 R – juris Rn. 21 ff. m.w.N.). Das Kindergeld für die zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Kinder ist als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird (§ 11 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB II in der vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2011 geltenden Fassung). Nach § 1 Abs. 1 Nr. 8 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/ Sozialgeld (Alg II-VO) in der seit 1. Oktober 2005 geltenden Fassung ist Kindergeld für volljährige Kinder des Hilfebedürftigen nicht beim Berechtigten anzurechnen, soweit es nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende Kind weitergeleitet wird. Im Umkehrschluss ist Kindergeld, das von einem nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Elternteil dem (bedürftigen) Kind zufließt, dem volljährigen Kind zuzurechnen (Mecke in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 11 Rn. 90 und § 13 Rn. 14b m.w.N.; vgl. auch zum umgekehrten Fall BSG, Urteil vom 23. November 2006 – B 11b 1/06 R – Rn. 34).
Bei alledem gilt das sog. modifizierte Zuflussprinzip; stehen in einem Monat die faktisch zugeflossenen Mittel zur Bedarfsdeckung zur Verfügung, so sind diese grundsätzlich in diesem Monat als Einkommen zu berücksichtigen und zwar unabhängig vom "Behaltendürfen" (Geiger in: Münder (Hrsg.), LPK-SGB II, 4. Aufl. § 11 Rn. 16 m.w.N.); entscheidend für den Ausnahmefall einer etwaigen Privilegierung von bestimmten Zuflüssen ist, ob in dem Zeitpunkt, in dem die Einnahme als Einkommen berücksichtigt werden soll, der Zufluss bereits mit einer (wirksamen) Rückzahlungsverpflichtung belastet ist (BSG a.a.O.; speziell zur Rückforderung von Kindergeld: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. März 2012 - L 2 AS 5392/11 - juris). Jedenfalls sofern eine Verpflichtung zur Rückzahlung der laufenden Einnahme erst nach dem Monat eintritt, für den sie berücksichtigt werden soll, besteht die Verpflichtung des Hilfebedürftigen, die Leistung als "bereite Mittel" in dem Monat des Zuflusses auch zu verbrauchen. Insbesondere können solche Rückstellungen nicht geschützt sein, die Leistungsempfänger in Bezug auf möglicherweise eintretende, im Zeitpunkt des Zuflusses aber noch ungewisse, künftige Zahlungsverpflichtungen vornehmen (BSG a.a.O.). Dies hat zur Folge, dass Bewilligungsbescheide nicht rechtswidrig werden, wenn später eine Rückzahlungsverpflichtung begründet wird. Das Kriterium des Bestehens der wirksamen Rückzahlungsverpflichtung ist für das Bundessozialgericht auch maßgeblich für den fehlenden Einkommenscharakter einer Darlehensgewährung (BSG, Urteil vom 17. Juni 2010 – B 14 AS 46/09 R – juris, Leitsatz und Rn. 16; siehe auch Urteil des Senats vom 20. März 2012 – L 6 AS 682/10).

Gemessen an diesem Maßstab ist zunächst festzustellen, dass der Senat davon überzeugt ist, dass der Klägerin das Kindergeld im Wege der Weiterleitung als solches zugeflossen ist. Der Senat ist von den erfolgten monatlichen Weiterleitungen i.H.v. 154,- EUR im streitgegenständlichen Zeitraum aufgrund der eigenen Angaben der Klägerin hinreichend überzeugt. Die Behauptung, es sei ihr seitens der Mutter nur gezahlt worden, weil der Beklagte entsprechende Abzüge im Bescheid vorgenommen hat, ist indes lebensfremd und unglaubhaft, zumal die Klägerin selbst keine Tatsachen vorträgt, die in rechtserheblicher Weise diese Zielrichtung stützen könnten bzw. der weiteren Ermittlung zugänglich wären. Umstände für eine entsprechende Darlehensvereinbarung o.ä. mit ihrer Mutter trägt die Klägerin nicht vor und sind auch sonst nicht erkennbar. Insbesondere ist eine am o.g. Maßstab entscheidende, von Anfang an bestehende Rückzahlungsverpflichtung nicht ersichtlich. Gegen eine solche spricht maßgeblich – worauf der Beklagte zu Recht hingewiesen hat –, dass die Klägerin sich selbst zunächst überhaupt nicht um eine Nichtanrechnung des Kindergeldes bemüht hat, sondern erst viel später den streitgegenständlichen Überprüfungsantrag gestellt hat. Wäre die Behauptung der Klägerin zutreffend, so hätte sie oder ihre Mutter bereits damals auf eine Anrechnung bei der Mutter der Klägerin hinwirken müssen, um die Zahlungen überflüssig zu machen bzw. im Falle der Nachzahlung der Klägerin die Rückzahlung der Unterstützungsleistungen zu ermöglichen. Zudem verliert das Kindergeld nicht durch die bloße Weiterleitung seitens der Mutter seine Eigenschaft als Kindergeld im Rahmen der Prüfung des § 11 SGB II, wie § 1 Abs. 1 Nr. 8 Alg II-V zeigt (vgl. Sächsisches LSG, Beschluss vom 18. Juli 2012 - L 3 AS 148/12 B ER – juris).

Entgegen der Auffassung der Klägerin und des Sozialgerichts Detmold (Urteil vom 31. März 2009 – S 8 AS 61/08) führt die bloße Rückforderbarkeit des Kindergeldes nicht zu einer bereits zum Zeitpunkt der Auszahlung maßgeblichen Rückzahlungsverpflichtung. § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG), der die Aufhebbarkeit der Festsetzungsbescheide regelt, führt insoweit nicht zu einem Selbstvollzug des Gesetzes. Die Regelung ist vielmehr §§ 45 ff. SGB X vergleichbar. Maßgeblich für das Behaltendürfen ist jeweils die Existenz des Festsetzungs- bzw. Bewilligungsbescheides; die abstrakt-generelle Rückzahlungsverpflichtung wird erst durch den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid zu einer hinreichenden Konkretisierung der Rückzahlungsverpflichtung, so dass erst dann im Sinne der bundessozialgerichtlichen Rechtsprechung von einer "wirksamen" (i.S. einer nicht nur latenten) Rückzahlungsverpflichtung gesprochen werden kann.

Weitere Bedenken an der Rechtmäßigkeit der zur Überprüfung gestellten Bescheide werden weder vorgetragen noch sind sie sonst ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Revisionszulassungsgründe sind nicht ersichtlich. Die Problematik der Drei-Generationen-Bedarfsgemeinschaft bzw. überlappenden Bedarfsgemeinschaften hat der Senat in Übereinstimmung mit der Verwaltungspraxis und der vorliegenden Rechtsprechung aufgelöst; abweichende Stimmen in der rechtswissenschaftlichen Literatur begründen allein keine grundsätzliche Bedeutung, zumal ein höherer Anspruch der Klägerin insoweit nicht erkennbar ist. Aufgrund der zitierten Entscheidungen des Bundessozialgerichts sind die für die Prüfung des hiesigen Sachverhalts maßgeblichen Rechtsfragen bezüglich des Zuflussprinzips geklärt. Der Rechtsstreit bietet keine Gelegenheit, mögliche verbleibende Unschärfen des sog. modifizierten Zuflussprinzips, die etwa hinsichtlich der Fälligkeit der Rückzahlungsverpflichtung bestehen, einer Klärung zuzuführen.
Rechtskraft
Aus
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