L 9 AS 541/13 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 29 AS 52/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AS 541/13 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zur Gewährung eines höheren Mehrbedarfs nach § 21 ABs. 7 SGB II
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.02.2013 geändert. Dem Kläger wird für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Düsseldorf ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt X aus X beigeordnet. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet. Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten für die gegen den Bescheid vom 11.10.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.12.2011 gerichtete Klage, mit der der Kläger sinngemäß ein monatlich um 9,69 Euro höheres Arbeitslosengeld II (17,69 Euro angebliche tatsächliche monatliche Kosten für die dezentrale Warmwassererzeugung abzüglich der monatlich bewilligten 8,- Euro) im Zeitraum vom 01.07.2011 bis zum 31.12.2011 geltend macht, zu Unrecht abgelehnt.

1. Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit §§ 114 Satz 1, 115 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen liegen vor.

a) Entgegen der Auffassung des SG bietet die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht dann, wenn der Antragsteller - bei summarischer Prüfung - in der Hauptsache möglicherweise obsiegen wird. Dabei dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten jedoch nicht überspannt werden (vgl. BVerfGE 81, 347 (356 ff.)). Hinreichende Erfolgsaussichten sind grundsätzlich zu bejahen, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bisher ungeklärten Rechtsfrage abhängt (BVerfG a.a.O.) oder wenn von Amts wegen weitere Ermittlungen durchzuführen sind, bevor die streiterheblichen Fragen abschließend beantwortet werden können, und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Ermittlungen mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen würden (vgl. BVerfG, Beschl. der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20.02.2001 - 1 BvR 1450/00 -, juris Rn. 12).

Nach diesen Grundsätzen kann der Klage eine hinreichende Aussicht auf Erfolg nicht abgesprochen werden. Ob dem Kläger im Zeitraum vom 01.07.2011 bis zum 31.12.2011 Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld II im geltend gemachten Umfang von 9,69 Euro monatlich zusteht (zur fehlenden Abtrennbarkeit von Mehrbedarfen im Sinne von § 21 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) als selbstständigen Streitgegenstand vgl. zuletzt BSG, Urt. v. 23.08.2012 - B 4 AS 167/11 R -, juris Rn. 11 m.w.N.), hängt von der Beantwortung schwieriger, höchstrichterlich nicht geklärter Rechtsfragen sowie von dem Ergebnis weiterer erforderlicher Ermittlungen von Amts wegen ab. Es ist durchaus möglich, wenn nicht sogar überwiegend wahrscheinlich, dass dem Kläger in Bezug auf den geltend gemachten Mehrbedarf für die dezentrale Warmwassererzeugung gemäß § 21 Abs. 7 SGB II höhere Leistungen zustehen.

aa) Dem Grunde nach kommt beim Kläger gemäß § 21 Abs. 7 Satz 1 SGB II ein Mehrbedarf wegen dezentraler Warmwassererzeugung in Betracht. Nach § 21 Abs. 7 Satz 1 SGB II wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, weil in der von Kläger angemieteten Wohnung die Warmwasserbereitung durch eine gesondert installierte Gastherme erfolgt und deshalb keine Bedarfe für zentral bereites Warmwasser anerkannt werden. Ob aus der Regelung des § 21 Abs. 7 Satz 1 SGB II abgeleitet werden kann, dass ein Mehrbedarf nicht besteht, wenn die Warmwasserbereitung auch über die zentrale Heizungsanlage erfolgen könnte, die leistungsberechtigte Person sich jedoch freiwillig für eine dezentrale Warmwasserbereitstellung entscheidet (in diesem Sinne Brehm/Schifferdecker, SGb 2011, 505 (508)), kann dahinstehen. Nach den von der Beklagten nicht in Abrede gestellten Angaben des Klägers im Verwaltungsverfahren ist eine zentrale Warmwassererzeugung in dem vom Kläger bewohnten Mehrfamilienhaus nicht möglich.

bb) Dem Kläger sind im streitgegenständliche Zeitraum auch tatsächlich Kosten für die dezentrale Warmwassererzeugung entstanden, so dass ein Mehrbedarf im Sinne von § 21 Abs. 7 SGB II zumindest teilweise tatsächlich bestand (vgl. zu dieser Voraussetzung ausführlich den Beschluss des Senat im Parallelverfahren L 9 AS 540/13 B). Während der Kläger im Juli 2011 noch keinen fälligen Forderungen des Versorgungsunternehmens X AG ausgesetzt war, ist am 11.08.2011 die Forderung in Höhe von 211,65 Euro aus der Abrechnung vom 27.07.2011 bezüglich des vergangenen Zeitraums vom 21.07.2010 bis zum 19.07.2011 fällig geworden und als Bedarf in diesem Monat zu berücksichtigen (siehe auch insoweit den Beschluss des Senats im Parallelverfahren L 9 AS 540/13 B). Ob dem Kläger weitere tatsächliche Kosten für die dezentrale Warmwassererzeugung im August sowie in den Folgemonaten von September bis Dezember 2011 entstanden sind, kann gegenwärtig nicht festgestellt werden. Die Abrechnung der X AG vom 27.07.2011 deutet zwar daraufhin, dass für den 22.08.2011, den 21.09.2011, den 21.10.2011, den 21.11.2011 und den 21.12.2011 monatlich fällige Abschläge festgesetzt wurden, die als tatsächlicher Bedarf im Sinne von § 21 Abs. 7 SGB II zu berücksichtigen wären. Der vom Kläger eingereichten Kopie der Abrechnung kann jedoch ein konkreter Betrag nicht entnommen werden. Insoweit wird das SG den Sachverhalt weiter aufzuklären haben. Zu berücksichtigen ist zudem, dass der Kläger nach der gegenwärtigen Fassung seines Klageantrags sein Begehren auf die Gewährung von zusätzlichen 9,69 Euro monatlich beschränkt hat, so dass eine über diesen Betrag hinausgehende Verurteilung der Beklagten ungeachtet etwaiger höherer tatsächlicher Kosten in einzelnen Monaten nach § 123 SGG ausscheidet.

cc) Jedenfalls im August 2011 überstiegen die tatsächlichen Warmwassererzeugungskosten des Klägers auch den von der Beklagten zur Deckung des Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 7 SGB II gewährten Betrag von 8,- Euro. Ob dies in den Folgemonaten von September bis Dezember 2011 ebenfalls der Fall war, steht nicht fest und ist vom SG entsprechend den vorstehenden Ausführungen weiter aufzuklären.

dd) Der Höhe nach entsprechen die von der Beklagten jedenfalls im August 2011 dem Grunde nach zu Recht bewilligten Leistungen zwar in Verbindung mit der im Jahre 2011 geltenden Rundungsvorschrift des § 77 Abs. 5 SGB II der in § 21 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 SGB II vorgesehenen Pauschale (2,3% von 364,- Euro = 8,37 Euro, gerundet 8,- Euro). Nach der Öffnungsklausel des § 21 Abs. 7 Satz 2 2. Halbsatz 1. Alt. SGB II ist jedoch ein anderer Betrag anzusetzen, soweit im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht. Es spricht viel dafür, dass dem Kläger deshalb ein höherer Bedarf zusteht. Zumindest kann dies nicht im Prozesskostenhilfeverfahren abschließend beantwortet werden, sondern ist nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Klageverfahren zu klären.

(1) Dem Grunde nach kommt die Öffnungsklausel des § 21 Abs. 7 Satz 2 2. Halbsatz 1. Alt. SGB II zugunsten des Klägers zur Anwendung, denn es kann festgestellt werden, dass und in welcher Höhe dem Kläger für die dezentrale Warmwassererzeugung höhere Ausgaben entstehen. Der Kläger verfügt über eine technische Vorrichtung, mit der der konkrete Energieverbrauch zur dezentralen Wassererwärmung und die dadurch verursachten Kosten ermittelt werden können, denn in seiner Wohnung ist eine Gastherme installiert, die ausschließlich zur Erwärmung des Wassers benötigt wird, und der Kläger hat für die Belieferung mit Gas insoweit einen Versorgungsvertrag mit der X AG abgeschlossen. Gerade in solchen Fällen ist der Anwendungsbereich der Öffnungsklausel eröffnet (vgl. Brehm/Schifferdecker, SGb 2011, 505 (507)).

Dies ergibt sich auch aus der Entstehungsgeschichte des § 21 Abs. 7 SGB II. Die normierten Pauschalen sind offensichtlich in Anlehnung an die Rechtsprechung des BSG zum bis zum 31.12.2010 geltenden Recht festgesetzt worden. Danach war bei zentraler Warmwasserbereitung über die zentrale Heizungsanlage grundsätzlich ein pauschaler Abzug von den nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung zu übernehmenden Heizkosten vorzunehmen, weil die Warmwasserbereitungskosten auch in der Regelleistung enthalten waren und ohne den Abzug eine unzulässige Doppelleistung insoweit erfolgt wäre. Die Höhe der Pauschale hat das BSG dadurch bestimmt, dass es 30% der bei der Ermittlung der ursprünglichen Regelleistung von 345,- Euro statistisch zugrunde gelegten Kosten für Haushaltsenergie angesetzt hat (vgl. zum Ganzen BSG, Urt. v. 27.02.2008 - B 14/11b AS 15/07 R -, juris Rn. 20 ff., insbesondere Rn. 26). Überträgt man diesen Ansatz auf die nunmehr der Regelleistung zugrunde liegenden statistischen Werte für Strom (vgl. § 5 Abs. 1 Regelbedarfsermittlungsgesetz (RBEG) und vor allem BT-Drucks 17/3404, S. 55), erhält man annäherungsweise den in § 21 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 SGB II festgesetzten Wert. Nach der Rechtsprechung des BSG war der pauschale Abzug jedoch nur vorzunehmen, wenn die konkreten Wassererwärmungskosten nicht mit Hilfe technischer Vorrichtungen separat erfasst werden konnten (vgl. hierzu zuletzt BSG, Urt. v. 24.11.2011 - B 14 AS 121/10 R -, juris Rn. 16). Vor diesem Hintergrund spricht viel dafür, dass unter der Geltung des § 21 Abs. 7 SGB II die Warmwasserbereitungskosten nicht pauschal, sondern konkret zu bestimmen sind, wenn die konkreten Wassererwärmungskosten durch eine technische Vorrichtung, wie hier, genau bestimmt werden können.

(2) Bis zu welcher Höhe die dergestalt konkret festgestellten Warmwassererzeugungskosten zu übernehmen sind, ist in § 21 Abs. 7 Satz 2 2. Halbsatz 1. Alt. SGB II nicht eindeutig geregelt. Eine ausdrückliche Begrenzung enthält die Vorschrift nicht. Dennoch wird in der Literatur überwiegend vertreten, dass nach der Öffnungsklausel die individuell geltend gemachten Kosten nur zu berücksichtigen sind, soweit sie angemessen sind (so Behrend, in: jurisPK-SGB II, § 21 Rn. 121 a.E. m.N.; Brehm/Schifferdecker, SGb 2011, 505 (508)). Hierfür spricht, dass bei zentraler Warmwassererzeugung Warmwassererzeugungskosten Heizungskosten sind und Heizungskosten nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II nur anerkannt werden, soweit sie angemessen sind. Eine Besserstellung von Leistungsberechtigten, bei denen die Warmwassererzeugung dezentral erfolgt, wäre im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen.

(3) Wie die Grenzen der Angemessenheit der Kosten dezentraler Warmwassererzeugung zu bestimmen sind, ist höchstrichterlich nicht geklärt und nicht ohne weiteres bereits im Prozesskostenhilfeverfahren zu beantworten.

Die in § 21 Abs.7 Satz 2 1. Halbsatz SGB II festgelegten Pauschalen dürften nicht als gesetzlich normierte Angemessenheitsgrenzen zu verstehen sein. Zur Angemessenheit von Heizkosten nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung hat das BSG entschieden, dass insoweit ein konkret-individueller Maßstab gilt und eine Pauschalierung unzulässig ist, so dass von den tatsächlichen Heizkosten auszugehen ist (vgl. BSG, Urt. v. 02.07.2009 - B 14 AS 36/08 R -, juris Rn. 18 ff.). Diese Betrachtungsweise gilt unverändert für § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der ab dem 01.01.2011 geltenden Fassung, so dass nunmehr auch die Kosten der zentralen Warmwassererzeugung, die seit dem 01.01.2011 nicht mehr zum Regelbedarf im Sinne von § 20 Abs. 1 SGB II gehören und dementsprechend auch nicht mehr von den Heizkosten abzuziehen sind, einem konkret-individuellen Angemessenheitsmaßstab unterliegen. Für die Angemessenheit der Kosten dezentraler Warmwassererzeugung kann nichts anderes gelten. Zudem ist zu berücksichtigen, dass sich den Gesetzgebungsmaterialien nicht entnehmen lässt, wie die in § 21 Abs. 7 Satz 2 1. Halbsatz SGB II genannten Beträge zustande gekommen sind. Vermutlich hat sich der Gesetzgeber zwar an der der Rechtsprechung des BSG zu dem bis zum 31.12.2010 geltenden Recht orientiert (siehe dazu oben (1)). Eine transparente Ermittlung der Beträge (vgl. insoweit BVerfG, Urt. v. 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. -, juris Rn. 139) fehlt jedoch, zumal § 21 Abs. 7 SGB II erst aufgrund der Beratungen des Vermittlungsausschusses eingeführt worden ist (vgl. BT-Drucks 17/4719, S. 3) und der Vermittlungsausschuss seine Vorschläge nicht begründet. Es spricht deshalb viel dafür, dass die Pauschalen des § 21 Abs. 7 Satz 2 1. Halbsatz SGB II der Verwaltungsvereinfachung dienen und gerade dann zur Anwendung kommen, wenn sich die Warmwassererzeugungskosten in Ermangelung entsprechender technischer Vorrichtung nicht konkret ermitteln lassen, jedoch keine abstrakten Angemessenheitsgrenzen darstellen.

Analog zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen bei Heizkosten und bei Betriebskosten (vgl. hierzu BSG, Urt. v. 02.07.2009 - B 14 AS 36/08 R -, juris Rn. 21 ff.; Urt. v. 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R -, juris Rn. 34) könnte man in Ermangelung örtlicher Übersichten auf regionale oder bundesweite Kostenübersichten, z.B. Betriebskostenspiegel, zurückgreifen (so Brehm/Schifferdecker, SGb 2011, 505 (508)). Aus dem Betriebskostenspiegel des Deutschen Mieterbundes für Nordrhein-Westfalen für das Jahr 2011 ergeben sich beispielsweise Warmwasserkosten in Höhe von monatlich 0,25 Euro pro m², wobei das SG ggf. zu klären hat, ob in diesem Betrag nur die reinen Erwärmungskosten oder auch die Warmwasserverbrauchskosten, die von § 21 Abs. 7 SGB II nicht erfasst werden, enthalten sind (unklar insoweit Brehm/Schifferdecker, a.a.O.). Bezogen auf die seit dem 01.01.2010 geltende abstrakt angemessene Wohnfläche von 50 m² für eine alleinstehende Person (vgl. BSG, Urt. v. 16.05.2012 - B 4 AS 109/11 R -, juris Rn. 17) ergäben sich danach abstrakt angemessene Kosten von 12,50 Euro pro Monat.

Für den am 11.08.2011 fällig gewordenen Nachzahlungsbetrag für die Zeit vom 21.07.2010 bis zum 19.07.2011 dürfte allerdings ggf. auch auf im Jahre 2010 geltende Kostenübersichten abzustellen sein. Ebenso wie für die Angemessenheit einer Betriebs- oder Heizkostennachforderung muss es für die Angemessenheit einer Nachforderung von Warmwassererzeugungskosten auf die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Zeitraums, dem die fragliche Forderung nach ihrer Entstehung im tatsächlichen Sinne zuzuordnen ist, ankommen (vgl. zu Betriebs- und Heizkostennachforderungen BSG, Urt. v. 06.04.2011 - B 4 AS 12/10 R -, juris Rn. 17).

(4) Unabhängig von der schwierig zu bestimmenden abstrakten Angemessenheitsgrenze ist bei der gebotenen konkret-individuellen Betrachtungsweise auch zu prüfen, ob und inwieweit der Kläger durch zumutbare Veränderung seines Verbrauchsverhaltens die Warmwassererzeugungskosten senken kann (vgl. insoweit auch BSG, Urt. v. 02.07.2009 - B 14 AS 36/08 R -, juris Rn. 23). Dabei ist hier zu berücksichtigen, dass der Kläger bei der von ihm gewählten Form der Warmwassererzeugung bereits einen verbrauchsunabhängigen Grundpreis von 65,- Euro pro Jahr zu zahlen hat. Das SG und die Beklagte werden ggf. durch weitere Ermittlungen von Amts wegen zu beurteilen haben, ob es nach den tatsächlichen Gegebenheiten in der Wohnung des Klägers eine kostengünstigere Methode der Warmwassererzeugung gibt und ob dem Kläger ein "eklatant kostspieliges oder unwirtschaftliches" Verbrauchsverhalten (vgl. insoweit BSG, Urt. v. 02.07.2009 - B 14 AS 36/08 R -, juris Rn. 21) vorzuwerfen ist.

(5) Soweit das SG zu dem Ergebnis kommt, dass die tatsächlich im streitgegenständlichen Zeitraum entstandenen Warmwassererzeugungskosten nach den Ausführungen zu (2) bis (4) unangemessen sind, wird es schließlich eine analoge Anwendung des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II in Erwägung zu ziehen haben. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach dieser Vorschrift als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist eine entsprechende Senkung der Aufwendungen nur möglich und zumutbar, wenn die leistungsberechtigte Person hinreichend über die Unangemessenheit der Kosten informiert worden ist. Da § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II seit dem 01.01.2011 auch für etwaige unangemessene Kosten der zentralen Warmwassererzeugung gilt, die zu den Heizkosten gehören, liegt es nahe, diese Vorschrift bei unangemessenen Kosten der dezentralen Warmwassererzeugung entsprechend anzuwenden. Dies gilt umso mehr, als sich das Erfordernis der Angemessenheit der konkret nachgewiesenen Warmwasserbereitungskosten im Rahmen der Öffnungsklausel des § 21 Abs. 7 Satz 2 2. Halbsatz 1. Alt. SGB II nur aus dem systematischen Zusammenhang mit § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ableiten lässt und eine Ungleichbehandlung von Leistungsberechtigten mit dezentraler Warmwassererzeugung und Leistungsberechtigten mit zentraler Warmwassererzeugung zu vermeiden ist. Zudem hat das BSG auch nach dem bis zum 31.12.2010 geltenden Recht eine Übergangsfrist von sechs Monaten bei unangemessenen Heizkosten angenommen, obwohl Heizkosten in § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung nicht genannt waren (vgl. BSG, Urt. v. 19.09.2008 - B 14 AS 54/07 R -, juris Rn. 22; Urt. v. 06.04.2011 - B 4 AS 12/10 R -, juris Rn. 18). In Ermangelung eines Hinweises auf die Unangemessenheit der Warmwassererzeugungskosten könnten deshalb die dem Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum entstandenen tatsächlichen Kosten unabhängig von ihrer Angemessenheit als Bedarf im Sinne von § 21 Abs. 7 Satz 2 2. Halbsatz 1. Alt. SGB II anzuerkennen sein.

ee) Klarstellend wird darauf hingewiesen, dass die jedenfalls im Juli 2011 in Ermangelung tatsächlicher Warmwassererzeugungskosten erfolgte Überzahlung von Leistungen nicht im Wege einer "Gesamtbetrachtung" mit etwaigen Ansprüchen des Klägers auf höhere Leistungen im Hinblick auf § 21 Abs. 7 Satz 2 2. Halbsatz SGB II im August 2011 und ggf. auch in den Folgemonaten saldiert werden kann (vgl. BSG, Urt. v. 05.09.2007 - B 11b AS 15/06 R -, juris Rn 42). Ob die Beklagte berechtigt ist, nach §§ 45, 50 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) von dem Kläger den jedenfalls im Juli 2011 unberechtigt gezahlten Mehrbedarf zurückzufordern, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen.

ff) Da für den Kläger mithin zumindest ein Teilerfolg (bezüglich des Monats August 2011) in Betracht kommt, sind hinreichende Erfolgsaussichten im vorliegenden sozialgerichtlichen Verfahren insgesamt anzunehmen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 13.03.2008 - L 20 B 6/08 SO -, juris Rn. 2 f.; Beschl. v. 10.03.2010 - L 19 B 303/09 AS -, juris Rn. 5, jeweils m.w.N.).

b) Die Rechtsverfolgung ist in Anbetracht der vorstehenden Ausführungen nicht mutwillig.

c) Der Kläger ist als Bezieher von Arbeitslosengeld II, der auch nicht über Vermögen von mehr als 2.600,- Euro verfügt, nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen außerstande, die Kosten der Prozessführung aufzubringen (§ 73a SGG i.V.m. § 115 ZPO), so dass ihm ratenfrei Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren zu bewilligen ist.

2. Die Beiordnung des Prozessbevollmächtigten des Klägers folgt unabhängig vom Wert des Streitgegenstandes im Hinblick auf die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage aus § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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