S 18 AL 198/11

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 18 AL 198/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit einer Sperrzeit für die Dauer von 12 Wochen streitig.

Der Kläger war seit dem 24.08.2009 bis 31.07.2010 bei der Fa. H GmbH und vom 01.08.2010 bis zum 17.02.2011 bei der Fa. G Transporte als Kraftfahrer beschäftigt. Aufgrund eines eingetretenen Führerscheinverlustes wegen des Erreichend von 18 Punkten im Verkehrszentralregister (Ordnungsverfügung des Kreises I vom 15.02.2012) kündigte die Fa. G Transporte das Arbeitsverhältnis des Klägers am 16.02.2011 fristlos zum 17.02.2011. Gegen die Kündigung war ein Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Herford (Az.: 2 Ca 268/11) anhängig.

Am 21.02.2011 meldete der Kläger sich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld.

Mit Bescheid vom 03.03.2011 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit für die Dauer von 12 Wochen für die Zeit vom 18.02. bis 12.05.2011 fest. Dies begründete sie damit, dass der Kläger seine Beschäftigung verloren habe, da er seinen Führerschein habe abgeben müssen. Da davon auszugehen sei, dass der Arbeitgeber dieses Verhalten nicht dulde, sei der Verlust des Arbeitsplatzes für den Kläger abzusehen gewesen. Ein wichtiger Grund für das Verhalten des Klägers sei nicht erkennbar. Entsprechend sei eine Sperrzeit von 12 Wochen eingetreten. Hierdurch mindere sich der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld um 90 Tage. Mit weiterem Bescheid vom selben Tage bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem Ende der Sperrzeit, beginnend mit dem 13.05.2011, in Höhe von 32,36 EUR täglich.

Gegen die Sperrzeitentscheidung erhob der Kläger in der Folgezeit Widerspruch. Diesen begründete er damit, dass die Sperrzeit rechtswidrig sei. Die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung hätten nicht vorgelegen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.03.2011 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Dies begründete sie damit, dass der Kläger sich vertragswidrig verhalten habe und dieses Verhalten zum Verlust der Beschäftigung geführt habe. Der Verlust des Führerscheines sei als vertragswidriges Verhalten zu sehen. Der Kläger habe damit rechnen müssen, dass der Arbeitgeber das Beschäftigungsverhältnis beenden würde. Entsprechend trete eine Sperrzeit für die Dauer von 12 Wochen ein. Die Voraussetzungen für eine Verkürzung der Sperrzeit wegen einer besonderen Härte lägen nicht vor.

Hiergegen hat der Kläger am 29.03.2011 Klage erhoben. Das Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht endete durch einen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis zum 31.03.2011 durch betriebsbedingte Kündigung sein Ende gefunden und der Kläger für die Zeit vom 17.02.2011 bis zum 31.03.2011 unbezahlten Sonderurlaub erhalten hat. Weiterhin verpflichteten sich Kläger und Arbeitgeber zum Wiederabschluss eines Arbeitsvertrages ab dem Tag der Wiedererlangung der Fahrerlaubnis durch den Kläger.

Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, dass die Feststellung einer Sperrzeit rechtswidrig sei. Er habe durch die Inanspruchnahme von verwaltungsgerichtlichem Rechtsschutz erfolglos versucht, den Führerscheinverlust zu verhindern. Auch habe er versucht, durch den Arbeitgeber im Lager beschäftigt zu werden. Die Punkte seien durch berufliche Fahrten entstanden, die Sperrzeit sei für ihn eine besondere Härte. Er habe nicht vorsätzlich sein Arbeitsverhältnis gefährdet, sondern im Rahmen seiner Tätigkeit zu viele Punkte gesammelt. Nach dem arbeitsgerichtlichen Verfahren liege eine betriebsbedingte Kündigung vor, so dass die Sperrzeit auch daher rechtswidrig sei.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

die Beklagte unter Teilaufhebung des Bewilligungsbescheides vom 03.03.2011 sowie vollständiger Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 24.03.2011 zu verpflichten, ihm für den Zeitraum vom 21.02.2011 bis zum 12.05.2011 Arbeitslosengeld I in Höhe von kalendertäglich 32,36 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die angefochtene Entscheidung sei rechtmäßig. Hierzu verweist sie auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid. Der Verlust des Führerscheines habe zum Verlust der Arbeit geführt. Eine besondere Härte sei nach der Wiesungslage nicht anzuerkennen, da sonst verkehrswidriges Verhalten legitimiert werde. Der Ausgang des arbeitsgerichtlichen Verfahrens könne keine Auswirkung auf die Sperrzeit haben, da das Arbeitsverhältnis nicht aber das Beschäftigungsverhältnis geregelt worden sei. Aus der Regelung zur Wiederaufnahme der Beschäftigung ergebe sich, dass der Führerscheinverlust kausal für den Verlust der Beschäftigung gewesen sei.

Im Rahmen eines Erörterungstermins am 22.11.2012 haben die Beteiligten übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten. Diese lag vor und war Gegenstand der gerichtlichen Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte mit Einverständnis der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist der Sperrzeitbescheid vom 03.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.03.2011, mit dem die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 18.02.2011 bis 12.05.2011 und eine Minderung des Arbeitslosengeldanspruches um 90 Tage festgestellt sowie die Zahlung von Arbeitslosengeld für diesen Zeitraum wegen Ruhens des Anspruchs abgelehnt hat. Weiterhin ist der ebenfalls am 03.03.2011 erlassene Bewilligungsbescheid, mit dem die Beklagte für die Zeit nach Ende der Sperrzeit ab dem 13.05.2011 Arbeitslosengeld bewilligt hat, Gegenstand des Verfahrens. Der Bewilligungsbescheid korrespondiert hinsichtlich der Ablehnung von Arbeitslosengeld für den Zeitraum der Sperrzeit mit dem Sperrzeitbescheid und bildet insoweit mit diesem eine einheitliche Regelung (so BSG, Urteil vom 08.07.2009, B 11 AL 17/08 R und Urteil vom 17.10.2007, B 11a AL 51/06 R m.w.N.). Diese Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Rechtsgrundlage für die Sperrzeitentscheidung ist § 144 SGB III. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer einer Sperrzeit, wenn der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liegt nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe).

Der Eintritt einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe setzt ein arbeitsvertragswidriges Verhalten voraus, das in jeglichem Verstoß gegen geschriebene oder ungeschriebene Haupt- und Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag bestehen kann. Dieses Verhalten muss kausal für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses geworden sein und eine verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt haben. Die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses muss Ursache für den Eintritt der Beschäftigungslosigkeit sein. Schließlich muss die Herbeiführung der Beschäftigungslosigkeit auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Arbeitslosen beruhen, wobei nicht von einem objektiven, sondern einem subjektiven Maßstab auszugehen ist (vgl. zum Vorstehenden BSGE 96, 22).

Ein Berufskraftfahrer kann die von ihm arbeitsvertraglich geschuldete Arbeit nur verrichten, wenn er im Besitz einer Fahrerlaubnis ist und bleibt. Entsprechend ist das Vorhandensein einer Fahrerlaubnis zur Erfüllung der vertraglichen Arbeitspflicht Geschäftsgrundlage eines Arbeitsvertrages bei Berufskraftfahrern (vgl. BSG, Urteil vom 25.8.1981, 7 RAr 44/80 und vom 6.3.2003, B 11 AL 69/02 R). Ein Arbeitnehmer, der zum Führen von Kraftfahrzeugen verpflichtet ist, hat dafür Sorge zu tragen, dass er nach Straßenverkehrsrecht hierzu berechtigt bleibt. Er hat daher nicht nur wie jedermann Verkehrsverstöße zu unterlassen; gegenüber dem Arbeitgeber trifft ihn die Nebenpflicht, jegliche Verkehrsverstöße zu unterlassen, die zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen könnten (BSG, Urteil vom 25.08.1981, 7 RAr 44/80). Die Überschreitung der Schwelle von 18 Punkten und der damit einhergehende Einzug der Fahrerlaubnis waren daher ursächlich für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses von Seiten des Arbeitgebers. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Kläger und sein Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht Herford eine vergleichsweise Regelung getroffen haben, wonach das Arbeitsverhältnis zum 31.03.2011 durch betriebsbedingte Kündigung sein Ende gefunden und der Kläger für die Zeit vom 17.02.2011 bis zum 31.03.2011 unbezahlten Sonderurlaub erhalten hat. Ein späteres arbeitsgerichtliches Urteil entfaltet ebenso wie ein arbeitsgerichtlicher Vergleich keine Bindungswirkung für die sozialrechtliche Fragestellung zum Vorliegen der Voraussetzungen für eine Sperrzeit (Niesel, SGB III, 5. A. 2010, § 144 Rn. 55). Denn entscheidend sind ausschließlich die tat-sächlichen Umstände, die zum Ende der Beschäftigung geführt haben. Die bloße Umbenennung einer außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche betriebsbedingte Kün-digung kann die Herbeiführung der Beschäftigungslosigkeit durch arbeitsvertragswidriges Verhalten nicht beseitigen (BSG, Urteil vom 03.06.2004, B 11 AL 70/03 R). Gegen die An-nahme, dass kein außerordentlicher Kündigungsgrund bestanden hätte spricht beim getroffenen Vergleich auch der Umstand, dass dem Kläger für die Zeit bis zum 31.03.2011 kein Lohnanspruch gegen seinen Arbeitgeber zustehen sollte.

Der Kläger hat auch grob fahrlässig seine Arbeitslosigkeit herbeigeführt. Es musste für ihn bereits bei einfachster Betrachtung klar sein, dass im Hinblick auf seinen Punktestand bei einem weiteren Verstoß gegen das Straßenverkehrsrecht, der zu weiteren Punkten führt, ihm aufgrund der dann nicht mehr möglichen Arbeitsleistung die Kündigung droht und mithin dies zur Arbeitslosigkeit führen würde. Der in § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III formulierte Schuldvorwurf bezieht sich nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm nur auf die Herbeiführung der Arbeitslosigkeit, nicht auf das arbeitsvertragswidrige Verhalten selbst (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.2005, B 7a AL 46/05 R). Unter grober Fahrlässigkeit ist ein Handeln zu verstehen, bei dem nach den individuellen Fähigkeiten und Möglichkeiten des Betroffenen, d.h. unter Zugrundelegung eines individuellen Sorgfaltsmaßstabs die erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße verletzt ist. Dies ist der Fall, wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden, wenn also dasjenige nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Hierfür genügt im Hinblick auf den Sperrzeitbestand, wenn der Eintritt von Arbeitslosigkeit infolge ver-tragswidrigen Verhaltens so nahe lag, dass diese drohende Entwicklung dem Arbeitslosen bekannt sein musste, ihm also vorzuwerfen ist, sie nicht bedacht zu haben (vgl. BSG, Urteil vom 25.8.1981, 7 RAr 44/80). Dies ist vorliegend der Fall. Dass es dem Kläger nicht darauf ankam vorsätzlich seinen Arbeitsplatz zu gefährden ist nicht entscheidungserheblich.

Die Sperrzeitdauer hat die Beklagte zutreffend auf die Dauer von 12 Wochen festgesetzt (§ 144 Abs. 3 Satz 1 SGB III). Anhaltspunkte für eine Verkürzung der Sperrzeit gem. § 144 Abs. 3 Satz 2 SGB III sind nicht gegeben. Insbesondere liegt keine besondere Härte vor. Eine besondere Härte liegt vor, wenn nach den Umständen des einzelnen Falles die Regeldauer der Sperrzeit von 12 Wochen im Hinblick auf die für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen objektiv als unverhältnismäßig anzusehen ist (BSG, Urteil vom 04.09.2001, B 7 AL 4/01 R). Vorliegend ist der Kläger nicht unverhältnismäßig durch die Sperrzeit betroffen (so auch Bayerisches LSG, Urteil vom 25.09.1984, L 11/Al 298/83). Ihn treffen dieselben Folgen, die jeden anderen Arbeitnehmer treffen, der aufgrund von vertragswidrigem Verhalten seine Beschäftigung verliert und hierdurch arbeitslos wird. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass er durch den Entzug der Fahrerlaubnis bereits von einer staatlichen Sanktion betroffen ist. Der Kläger ist nicht dafür arbeitsförderungsrechtlich zu privilegieren, dass er aufgrund des Umstands, der zur Sperrzeit geführt hat, sich auch straßenverkehrsrechtlich zu verantworten hatte (so auch LSG Rheinland-Pfalz, NZS 2003, 105).

Die Sperrzeit beginnt mit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses, und läuft kalendermäßig ab. Für die Dauer der Sperrzeit ruht der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld gegenüber der Beklagten.

Die Minderung des Anspruches auf Arbeitslosengeld um 90 Tage entspricht § 128 Abs. 1 Nr. 4 SGB III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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