L 11 AS 306/13 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 18 AS 195/13 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 306/13 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Annahme einer zweiten wiederholten Pflichtenverletzung kommt nur dann in Betracht, wenn zuvor ein erster wiederholter Pflichtenverstoß nicht nur begangen, sondern auch festgestellt worden ist.
I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 22.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2013 wird angeordnet.

II. Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstatten.



Gründe:


I.
Streitig ist im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens eine Absenkung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) um 100% für die Zeit vom 01.04.2013 bis 30.06.2013.

Der 1983 geborene Antragsteller (ASt) bezieht vom Antragsgegner (Ag) Alg II. Zuletzt wurde ihm mit Bescheid vom 28.01.2013 vorläufig Alg II für die Zeit vom 01.02.2013 bis 31.07.2013 bewilligt. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 21.03.2012 senkte der Ag das Alg II in einer ersten Stufe um 30% des maßgeblichen Regelbedarfs für den Zeitraum vom 01.04.2012 bis 30.06.2012 ab. Im Hinblick auf eine erste wiederholte Pflichtverletzung senkte er mit weiterem Bescheid vom 30.11.2012 das Alg II um 60% des maßgeblichen Regelbedarfs für den Zeitraum vom 01.01.2013 bis 31.03.2013 ab, hob diesen Bescheid jedoch mit Bescheid vom 25.02.2013 wieder auf.

Wegen einer Nichtbewerbung auf einen Vermittlungsvorschlag vom 07.12.2012 erfolgte mit Bescheid vom 21.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2013 erneut eine Absenkung des Alg II um 60% des maßgeblichen Regelbedarfs für den Zeitraum vom 01.03.2013 bis 31.05.2013. Die dagegen beim Sozialgericht Würzburg (SG) erhobene Klage (Az: S 18 AS 172/13) hat das SG mit am 29.05.2013 an den ASt zugestelltem Urteil vom 17.05.2013 abgewiesen.

Mit Schreiben vom 24.01.2013 bot der Ag dem ASt eine für zwölf Monate befristete Arbeitsstelle als Mitarbeiter in der Qualitätssicherung bei der Zeitarbeitsfirma r. GmbH (R) in A-Stadt mit einer Arbeitszeit von 40 Wochenstunden an. Eine Bewerbung solle umgehend schriftlich, per Email oder über das Internet erfolgen, wobei "komplette Bewerbungsunterlagen" erwünscht seien. Die Rechtfolgebelehrung enthielt den Hinweis, dass bei Nichtaufnahme der angebotenen Tätigkeit oder negativem Bewerbungsverhalten das Alg II vollständig entfalle. Aufgrund eines ersten wiederholten Pflichtenverstoßes sei das Alg II zuletzt mit Bescheid vom 30.11.2012 um 60% des maßgebenden Regelbedarfs gemindert worden. In der Anlage wurde eine Stellenbeschreibung, das Profil des ASt und die vom Arbeitgeber geforderten Kenntnisse und Fähigkeiten angegeben.

Im Rahmen der Anhörung zu einer Sanktionierung wegen der Nichtbewerbung auf den Vermittlungsvorschlag vom 24.01.2013 teilte der ASt mit, er habe sich am 30.01.2013 per E-Mail an R mit der Bitte um Übersendung weiterer Informationen und Kontaktdaten des potentiellen Arbeitgebers gewandt. Eine Reaktion sei hierauf nicht erfolgt. Im Vermittlungsvorschlag habe es geheißen, die Firma suche einen Mitarbeiter für einen Kunden. Er habe deshalb wissen wollen, wo er arbeiten solle.

Mit Bescheid vom 22.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2013 stellte der Ag den vollständigen Wegfall des Alg II für die Zeit vom 01.04.2013 bis 30.06.2013 fest. Die bloße Anfrage stelle keine Bewerbung dar. Das Beschäftigungsverhältnis sei auch zumutbar gewesen. Der ASt hätte wegen der fehlenden Reaktion zeitnah nachfragen müssen, warum keine weitere Reaktion seitens R erfolgt sei, und er sich ordnungsgemäß bewerben müssen. Die dagegen beim SG erhobene Klage (Az: S 18 AS 196/13) hat das SG mit am 29.05.2013 an den ASt zugestelltem Urteil vom 17.05.2013 abgewiesen.

Bereits am 05.04.2013 hat der ASt beim SG beantragt, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 22.03.2013 wieder herzustellen. Zeitarbeitsfirmen hätten eigene Unternehmensziele, die dem Zweck der Arbeitsvermittlung zuwider laufen würden. Es hätten sich nunmehr auch erhebliche wirtschaftliche Probleme für ihn ergeben. Sein Konto sei überzogen und er könne seine Miete nicht mehr bezahlen, so dass er fürchte obdachlos zu werden. Die Einstellung der Stromversorgung habe nur durch einen Kredit eines Bekannten verhindert werden können. Hätte R an ihm Interesse gehabt, hätte sie auf seine E-Mail reagiert. Der Vermittlungsvorschlag habe nicht die Prüfung der Zumutbarkeit der Beschäftigung erlaubt. Mit Beschluss vom 16.04.2013 hat das SG die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs sei nicht anzuordnen. Die Anfrage des ASt bei R vom 30.01.2013 genüge nicht dem Erfordernis einer Bewerbung. Er hätte insofern auch bei R nachfragen müssen, nachdem von dort keine Reaktion erfolgt sei. Die Kontaktdaten des konkreten Arbeitgebers hätten später noch erfragt werden können. Der Ag habe die angebotene Stelle ausreichend beschrieben. Eine akute Stromsperre drohe derzeit nicht mehr.

Dagegen hat der ASt Beschwerde beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Der Ag verstoße gegen das Grundgesetz (GG). Es drohe Obdachlosigkeit. Ihm sei bislang nicht die Möglichkeit gegeben worden, sich ordnungsgemäß zu bewerben. Aus dem Vermittlungsvorschlag ergebe sich, dass R gar nicht der Arbeitgeber sei. Er sei nicht mehr in der Lage, Miete und Strom zu bezahlen sowie vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Akte des Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.
Die form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig (§§ 172 Abs 1, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und begründet. Das SG hat zu Unrecht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des ASt gegen den Bescheid vom 22.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2013 abgelehnt.

Gegenstand des Verfahrens ist der Antrag des ASt auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes in Bezug auf die sich durch den Sanktionsbescheid vom 22.03.2013 in der Gestalt den Widerspruchsbescheides vom 29.04.2013 ergebenden Regelungen, insbesondere den Wegfall seines Anspruchs auf Alg II für den Zeitraum vom 01.04.2013 bis 30.06.2013. Der vor dem SG gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruches in Bezug auf den Bescheid vom 22.03.2013 anzuordnen, ist mit dem Abschluss des Widerspruchverfahrens und der Erhebung der Klage vor dem SG im Rahmen des Beschwerdeverfahrens dahingehend auszulegen, nunmehr die aufschiebende Wirkung der Klage in Bezug auf den Bescheid vom 22.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2013 anzuordnen. Zwar hat das SG die entsprechende Klage (Az: S 18 AS 196/13) bereits mit dem am 29.05.2013 zugestellten Urteil vom 17.05.2013 abgewiesen. Dieses ist jedoch noch nicht rechtskräftig.

Die Anfechtungsklage gegen den Sanktionsbescheid vom 22.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2013 hat keine aufschiebende Wirkung, denn mit diesem Bescheid hat der Ag über eine Leistung der Grundsicherung für Arbeitssuchende entschieden (§ 86a Abs 2 Nr 4 SGG iVm § 39 Nr 1 SGB II). Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, § 86b Abs 1 Nr 2 SGG. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage ist nur möglich, wenn das besondere Interesse des ASt an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung das vom Gesetz vorausgesetzte Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes überwiegt, wobei bei der Prüfung der Interessen zuerst auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache abzustellen ist.

Unter Berücksichtigung des § 39 Nr 1 SGB II ist von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten des Suspensiveffektes auszugehen, da der Gesetzgeber die sofortige Vollziehung zunächst angeordnet hat. Davon abzuweichen besteht nur Anlass, wenn ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt Belasteten feststellbar ist (vgl Beschluss des Senats vom 18.11.2008 - L 11 B 948/08 AS ER). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl, § 86b Rn 12c). Ist der Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig und ist der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt, wird ausgesetzt, weil dann ein überwiegendes öffentliches Interesse oder Interesse eines Dritten an der Vollziehung nicht erkennbar ist. Ist die Klage aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung, wobei die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens und die Entscheidung des Gesetzgebers in § 39 Nr 1 SGB II mitberücksichtigt werden (vgl zum Ganzen: Keller aaO Rn 12f; Beschluss des Senats aaO).

Das SG hat die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 22.03.2012 zu Unrecht abgelehnt. Dem ASt war zwar das vom Ag vorgeschlagene Arbeitsplatzangebot in Bezug auf die Art der Tätigkeit als Mitarbeiter in der Qualitätssicherung offenkundig zumutbar. Im Vermittlungsvorschlag vom 24.01.2013 war die Stelle auch hinreichend konkret in Bezug auf Arbeitszeit, Arbeitgeber, Arbeitsort, Art der Stelle, Anforderungen und Verdienst beschrieben. Arbeitgeber ist dabei erkennbar R. Ein Arbeitsverhältnis sollte alleine mit ihr zu Stande kommen. Entsprechend enthielt der Vorschlag auch den Hinweis, dass ein Einsatz des ASt bei einer Firma im Bereich der Papier- und Druckindustrie erfolgen sollte. Der Einsatzbetrieb wird dadurch aber nicht zum Arbeitgeber. Er ist lediglich Entleiher. R ist dabei nicht als Arbeitsvermittler tätig, sondern als Verleiher. Alle arbeitsvertragliche Pflichten wären zwischen dem ASt und R zu regeln gewesen. Weiterer Informationen vor Einreichung der Bewerbung bedurfte er damit nicht. Der ASt, der im Vermittlungsvorschlag hinreichend konkret und zutreffend über etwaige Rechtsfolgen der Nichtaufnahme der Tätigkeit, wozu auch eine Nichtbewerbung zählt, belehrt worden ist, hat damit eine Pflichtverletzung iSv § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II begangen. Die von ihm erwähnte E-Mail vom 30.01.2013 ist nicht als ordnungsgemäße Bewerbung anzusehen. Er führt selbst aus, dass er damit weitere Informationen über den Arbeitgeber erhalten wollte, um damit die Zumutbarkeit der Stelle zu prüfen, und er bislang an einer ordnungsgemäßen Bewerbung gehindert worden sei. Damit geht der ASt selbst davon aus, dass die E-Mail keine ordnungsgemäße Bewerbung darstellt. Besondere Anforderungen an eine ordnungsgemäße Bewerbung waren nicht gestellt. Insbesondere wäre eine solche nach dem Vermittlungsvorschlag auch per E-Mail möglich gewesen. Hierzu wäre der ASt in der Lage gewesen. Ein wichtiger Grund für das Unterlassen einer Bewerbung besteht nicht.

Allerdings hat der Ag mit Bescheid vom 22.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2013 zu Unrecht eine zweite wiederholte Pflichtverletzung und damit eine Leistungsabsenkung um 100% festgestellt. Im bestandskräftigen Bescheid vom 21.03.2012 wurde die Absenkung der Leistungen um 30% des maßgeblichen Regelbedarfs festgestellt. Demgegenüber wurde aber der Bescheid vom 30.11.2012, mit dem wegen einer angeblichen ersten wiederholten Pflichtverletzung das Alg II des ASt um 60% des maßgeblichen Regelbedarfs für den Zeitraum vom 01.01.2013 bis 31.03.2013 abgesenkt und auf den auch in der Rechtsfolgenbelehrung zum Vermittlungsvorschlag vom 24.01.2013 Bezug genommen worden ist, mit Bescheid vom 25.02.2013 wieder aufgehoben. Dieser konnte damit im Hinblick auf die Nichtbewerbung auf den Vermittlungsvorschlag vom 24.01.2013 keine zweite wiederholte Pflichtverletzung begründen. Der Bescheid vom 21.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2013, mit dem erneut eine erste wiederholte Pflichtverletzung festgestellt worden ist, erging erst nach dem Pflichtenverstoß des ASt in Bezug auf den Vermittlungsvorschlag vom 24.01.2013 und kann damit auch keine zweite wiederholte Pflichtverletzung auslösen. Nach § 31a Abs 1 Satz 4 SGB II liegt eine wiederholte Pflichtverletzung nur vor, wenn bereits zuvor eine Minderung festgestellt wurde. Damit sind aber nach dem klaren Gesetzeswortlaut nur solche Pflichtverletzungen beachtlich, die nach der Minderung für die jeweils vorangehende Pflichtverletzung begangen worden sind (vgl dazu Berlit in: LPK-SGB II, 4. Aufl, § 31a Rn 16; Lauterbach in: Gagel, SGB II/SGB III, 42. Ergänzungslieferung 06/2001, § 31a SGB II Rn 6). Die Feststellung der ersten wiederholten Pflichtverletzung im Bescheid vom 21.02.2013 lag nach der Übersendung des Vermittlungsvorschlages vom 24.01.2013 mit der Auflage, sich umgehend bei R zu bewerben, und ist mithin für eine Erhöhung der Sanktionsstufe nicht relevant.

Im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens wäre allenfalls noch zu prüfen, ob sich etwas anderes daraus ergibt, dass zum Zeitpunkt des Pflichtenverstoßes in Bezug auf den Vermittlungsvorschlag vom 24.01.2013 noch der Sanktionsbescheid vom 30.11.2012 wirksam gewesen ist. Im Hinblick auf dessen Aufhebung mit Bescheid vom 25.02.2013, die noch vor Erlass des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2013 erfolgte, erscheint aber eine Relevanz eher fernliegend. Unter Berücksichtigung dessen, dass der Erfolg der Anfechtungsklage des ASt gegen den Bescheid vom 22.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2013 eher wahrscheinlich ist als unwahrscheinlich, und im Hinblick auf die schwerwiegenden Auswirkungen einer Leistungsabsenkung um 100% für drei Monate ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung gerechtfertigt.

Im Übrigen ist anzumerken, dass der Ag seinen Bewilligungsbescheid vom 28.01.2013 nicht aufgehoben und mit dem Sanktionsbescheid vom 22.03.2013 alleine eine Pflichtverletzung und den Wegfall eines Anspruchs auf Alg II festgestellt hat. Für die Rechtslage bis 31.03.2011 wurde eine solche Aufhebung einer zuvor erfolgten Leistungsbewilligung für notwendig angesehen (vgl BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 30/09 R - juris = SozR 4-4200 § 31 Nr 3), weil andernfalls weiterhin ein Zahlungsanspruch aus der ursprüngliche Leistungsbewilligung bestanden hätte. Nach der Neuregelung des § 31b SGB II (idF des Gesetzes vom 24.03.2011 - BGBl I 453 mWz 01.04.2011) mindert sich ein Auszahlungsanspruch mit Beginn des Kalendermonats, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes folgt, der die Pflichtverletzung und den Umfang der Minderung der Leistung feststellt (§ 31b Abs 1 Satz 1 SGB II). Mit dieser Regelung sollten nach dem Willen des Gesetzgebers die bisherigen Regelungen zu Beginn und Dauer der Sanktionen zusammengefasst und darüber hinaus klargestellt werden, dass sich der Auszahlungsanspruch der Betroffenen bei pflichtwidrigem Verhalten kraft Gesetzes mindere (BT-Drucks 17/3404, 112). Hieraus könnte eventuell abgeleitet werden, dass es ohnehin keiner gesonderten, ausdrücklichen Aufhebung vorangegangener Bewilligungsbescheide mehr bedarf und bereits der die Sanktion feststellende Bescheid, der sich neben dem Zeitraum auch auf den Umfang der Minderung bezieht, eine Aufhebungsentscheidung im Sinne des § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) treffen könnte, der ursprünglich bewilligte Leistungsbetrag werde mit Wirkung des nachfolgenden Kalendermonats wegen des Eintritts einer Sanktion iSd des § 31 SGB II modifiziert (vgl. Berlit in: LPK-SGB II, 4. Aufl, § 31b Rn 2 unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 17.12.2009 aaO). Denkbar erscheint auch, § 31b Abs 1 Satz 1 SGB II als eine die Vorschrift des § 48 SGB X verdrängende Spezialregelung zu qualifizieren (so Lauterbach in: Gagel, SGB II, 44. EL, § 31b Rn 2), wobei hier jedoch zu berücksichtigen ist, dass es der Gesetzgeber bislang unterlassen hat, diese verfahrensrechtliche Problematik ausdrücklich zu regeln. Allerdings führt der Gesetzgeber aus, er wolle mit der Neuregelung des § 31b Abs 1 SGB II die Minderung des Auszahlungsanspruchs kraft Gesetzes "klarstellen" (BT- Drucks 17/3404 aaO). Wenn es sich aber "nur" um eine Klarstellung handelt, dann dürfte damit aber keine inhaltliche Änderung der bisherigen Regelung gewollt gewesen sein, womit aber die bisherige Rechtsprechung des BSG (aaO) weiterhin Geltung haben könnte. Auch geht ein Teil der Kommentarliteratur (vgl Valgolio in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand 11/2011, § 31b Rn 13) davon aus, eine Leistungskorrektur infolge der festgestellten Sanktion könne im Falle bereits bewilligter Leistungen nur nach Maßgabe des § 48 SGB X erfolgen. Ein Leistungsanspruch könnte sich mithin bereits wegen der fehlenden Aufhebung des Bewilligungsbescheides ergeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved