L 9 SO 111/13 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 8 SO 249/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 111/13 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Bewilligung von Prozesskostenhilfe bei Rechtsstreit um Leistungen unter Zugrundelegung der Regelbedarfsstufe 1 statt 3
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 17.01.2013 geändert. Der Klägerin wird für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Münster ab dem 23.08.2012 ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt E aus O zu den Bedingungen eines im Bezirk des Sozialgerichts Münster ansässigen Rechtsanwalts beigeordnet. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Klägerin ist begründet. Das Sozialgericht (SG) Münster hat ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten für die gegen den Bescheid vom 12.04.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.07.2012 gerichtete Verpflichtungsklage, mit der die Klägerin sinngemäß die Verpflichtung der Beklagten begehrt, ihr unter Abänderung der Bewilligungsbescheide vom 29.11.2010 und vom 25.03.2011 für die Zeit vom 01.01.2011 bis zum 31.08.2011 höhere Leistungen der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) unter Zugrundelegung der Regelbedarfsstufe 1 im Sinne der Anlage zu § 28 SGB XII zu bewilligen, zu Unrecht abgelehnt.

1. Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit §§ 114 Satz 1, 115 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen liegen vor.

a) Entgegen der Auffassung des SG bietet die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg.

aa) Die von der Klägerin erhobene Verpflichtungsklage im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGG ist zwar, wie das SG in der Sache zu Recht festgestellt hat, unzulässig, soweit die Klägerin in dem anhängigen Klageverfahren auch für die Zeit ab dem 01.04.2011 höhere Leistungen begehrt. Denn insoweit fehlt es an der nach § 54 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGG erforderlichen Verwaltungsentscheidung durch Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), weil die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 12.04.2012 die Neuberechnung der Leistungen nur für die Zeit vom 01.01.2006 bis zum 31.03.2011 abgelehnt hat und etwaige weitere Ablehnungsbescheide nicht mit der vorliegenden Klage angefochten worden sind. Damit ist auch die sinngemäß begehrte Abänderung des Bescheids vom 25.03.2011, der allein den Zeitraum ab dem 01.04.2011 im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X regelt, kein zulässiger Gegenstand der Klage.

bb) In Bezug auf den Zeitraum vom 01.01.2011 bis zum 31.03.2011 und die insoweit sinngemäß begehrte Abänderung des Bescheids vom 29.11.2010 kann der insoweit zulässigen Klage jedoch eine hinreichende Aussicht auf Erfolg nicht abgesprochen werden.

Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht dann, wenn der Antragsteller - bei summarischer Prüfung - in der Hauptsache möglicherweise obsiegen wird. Dabei dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten jedoch nicht überspannt werden (vgl. BVerfGE 81, 347 (356 ff.)). Hinreichende Erfolgsaussichten sind grundsätzlich zu bejahen, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bisher ungeklärten Rechtsfrage abhängt (BVerfG a.a.O.) oder wenn von Amts wegen weitere Ermittlungen durchzuführen sind, bevor die streiterheblichen Fragen abschließend beantwortet werden können, und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Ermittlungen mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen würden (vgl. BVerfG, Beschl. der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20.02.2001 - 1 BvR 1450/00 -, juris Rn. 12).

Nach diesen Grundsätzen sind hinreichende Erfolgsaussichten zu bejahen.

Zwar scheidet § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X als Anspruchsgrundlage in Bezug auf die Abänderung des Bescheids vom 29.11.2010 aus, da dieser Bescheid in dem nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X maßgeblichen Zeitpunkt seines Erlasses der geltenden Sach- und Rechtslage entsprach. Es ist jedoch möglich, dass der Klägerin aufgrund § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X ein Anspruch auf Korrektur dieses Bescheides und Bewilligung höherer Grundsicherungsleistungen auf der Grundlage eines Regelbedarfs von 364,- Euro monatlich zusteht. Die gemäß Art. 14 Abs. 1 und 3 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 (BGBl I, S. 453) rückwirkend zum 01.01.2011 in Kraft getretenen Änderungen in Bezug auf den auch für die Klägerin als Empfängerin von Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII anzusetzenden Regelbedarf (vgl. § 42 Nr. 1 SGB XII) könnten sich zu Gunsten der Klägerin ausgewirkt haben. Ob dies der Fall ist, kann ohne weitere Ermittlungen von Amts wegen und Klärung schwieriger Rechtsfragen nicht beantwortet werden.

(1) Nach § 27a Abs. 2 Satz 1 SGB XII in der seit dem 01.01.2011 geltenden Fassung wird der notwendige Lebensunterhalt, wie er sich aus § 27a Abs. 1 SGB XII ergibt, durch den Regelbedarf dargestellt. Dieser ist in Regelbedarfsstufen unterteilt, die bei Kindern und Jugendlichen altersbedingte Unterschiede und bei erwachsenen Personen deren Anzahl im Haushalt sowie die Führung eines Haushalts berücksichtigen (§ 27a Abs. 2 Satz 2 SGB XII). Zur Deckung der Regelbedarfe, die sich nach den Regelbedarfsstufen der Anlage zu § 28 ergeben, sind monatliche Regelsätze zu gewähren. Der Regelsatz stellt einen monatlichen Pauschalbetrag zur Bestreitung des Regelbedarfs dar, über dessen Verwendung die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich entscheiden; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen (§ 27a Abs. 3 SGB XII).

Die in der Anlage zu § 28 SGB XII vorgesehenen Regelbedarfsstufen entsprechen den in § 8 des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz - (RBEG) geregelten Regelbedarfsstufen. In der für den streitgegenständlichen Zeitraum anwendbaren Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 lautet die Anlage zu § 28 SGB XII:

Regelbedarfsstufen nach § 28 in Euro

gültig ab 1. Januar 2011

Regelbedarfsstufe 1 = 364
Regelbedarfsstufe 2 = 328
Regelbedarfsstufe 3 = 291
Regelbedarfsstufe 4 = 287
Regelbedarfsstufe 5 = 251
Regelbedarfsstufe 6 = 215

Regelbedarfsstufe 1:

Für eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die als alleinstehende oder alleinerziehende Person einen eigenen Haushalt führt; dies gilt auch dann, wenn in diesem Haushalt eine oder mehrere weitere erwachsene Personen leben, die der Regelbedarfsstufe 3 zuzuordnen sind.

Regelbedarfsstufe 2:

Für jeweils zwei erwachsene Leistungsberechtigte, die als Ehegatten, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führen.

Regelbedarfsstufe 3:

Für eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die weder einen eigenen Haushalt führt, noch als Ehegatte, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führt.

Regelbedarfsstufe 4:

Für eine leistungsberechtigte Jugendliche oder einen leistungsberechtigten Jugendlichen vom Beginn des 15. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres.

Regelbedarfsstufe 5:

Für ein leistungsberechtigtes Kind vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres.

Regelbedarfsstufe 6:

Für ein leistungsberechtigtes Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.

(2) Ob die Beklagte nach diesen Vorschriften zu Recht davon ausgegangen ist, dass für die Klägerin an sich die Regelbedarfsstufe 3 anzusetzen ist, mit der Folge, dass die bei der Leistungsbewilligung am 29.11.2010 zu ihren Gunsten zugrunde gelegte Regelsatzhöhe gemäß § 137 Satz 1 SGB XII bis zum 31.03.2011 unverändert zu bleiben hatte und eine Erhöhung von 364,- Euro entsprechend der Regelbedarfsstufe 1 ausschied, kann nur nach Klärung schwieriger Rechtsfragen und weiteren Ermittlungen von Amts wegen beantwortet werden.

(a) Für die Abgrenzung der Regelbedarfsstufen 1 und 3 kommt es im Falle der Klägerin, die im Wortsinne durchaus alleinstehend ist und nicht mit einem Ehegatten, einer Lebenspartnerin oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft zusammen lebt, allein darauf an, ob sie einen "eigenen Haushalt" führt. Hintergrund dieser Regelungen ist die Annahme des Gesetzgebers, dass bei gemeinschaftlichem Wirtschaften mehrerer erwachsener Personen in einem Haushalt jedenfalls diejenigen Verbrauchsausgaben, die mit der Führung eines Haushalts verbunden sind (haushaltsgebundene Verbrauchsausgaben), wie z.B. die Ausgaben für Strom, Wohnungsausstattung und Kommunikationsausstattung, nicht proportional mit der Anzahl der im Haushalt lebenden Personen steigen, sondern Einsparungen durch gemeinsame Haushaltsführung zu berücksichtigen seien, mit der Folge, dass der zusätzliche Bedarf eines Haushalts, der durch eine hinzukommende erwachsene Person per Saldo entstehe, niedriger sein müsse als der Bedarf einer alleinstehenden Person (vgl. zum Ganzen BT-Drucks 17/4095, S. 40). Allerdings wird in den Gesetzgebungsmaterialien die Notwendigkeit einer Einzelfallprüfung betont (vgl. BT-Drucks 17/4095. S. 41 und BT-Drucks 17/3807, S. 39 f.). Ausdrücklich hießt es in dem Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales vom 02.10.2010, Voraussetzung (erg.: für den Ansatz der Regelbedarfsstufe 3) sei, dass die weitere erwachsene Person sich die vorhandene Ausstattung und Einrichtung der Wohnung mit den anderen Personen im Haushalt weitestgehend teile und sich an den für Anschaffung, Wartung und so weiter anfallenden Kosten nicht oder nur teilweise, in der Gesamtschau aber nur mit einem sehr geringen Anteil beteilige und im Ergebnis weit überwiegend die übrigen oder die übrigen erwachsenen Personen die Kosten der Haushaltsführung trügen (BT-Drucks 17/4095, S. 40). In der Literatur wird darüber hinaus erwogen, die Anwendung der Regelbedarfsstufe 3 auf Fälle zu begrenzen, in denen überhaupt kein eigener Haushalt (auch nicht in Teilen) geführt wird (so Gutzler, in: jurisPK-SGB XII, § 27a Rn. 80).

Vor diesem Hintergrund wird das SG zunächst zu klären haben, welche rechtlichen Anforderungen an das Führen eines eigenen Haushalts zu stellen sind. Daran anknüpfend wird es den Sachverhalt, ggf. durch Befragung der Klägerin und Einvernahme von Zeugen, weiter aufzuklären haben. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin im Beschwerdeverfahren vorgetragen hat, sie wirtschafte eigenständig und habe eine eigene Haushaltskasse. Diese Umstände könnten ausgehend von den Gesetzgebungsmaterialien dazu führen, dass die Klägerin trotz des Zusammenwohnens mit der Familie ihres Sohnes im Zeitraum vom 01.01.2011 bis zum 31.03.2011 einen "eigenen Haushalt" geführt hat.

(b) Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass das BSG zu dem bis zum 31.12.2010 geltenden Recht (§ 3 Abs. 1 und 2 Regelsatzverordnung (RSV)) in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten hat, da bezogen auf die Minderung des Regelsatzes bzw. der Regelleistung nach dem SGB II wegen Annahme einer Haushaltsersparnis für eine unterschiedliche Behandlung zwischen der Personengruppe der SGB-XII- und SGB-II-Leistungsempfänger im Hinblick auf die identische sozialrechtliche Funktion beider Leistungen (Sicherstellung des Existenzminimums) keine sachlichen Gründe erkennbar seien, dürften normativ Einsparungen bei gemeinsamer Haushaltsführung seit dem 1.1.2005, also mit Inkrafttreten des SGB XII und des SGB II, nach Maßgabe des Gleichheitssatzes (Art 3 Abs. 1 GG) und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwischen dem SGB II und dem SGB XII nur noch berücksichtigt werden, wenn die zusammenlebenden Personen bei Bedürftigkeit eine Bedarfsgemeinschaft i.S. des § 7 Abs. 3 SGB II oder eine Einsatzgemeinschaft i.S. des § 19 SGB XII bilden bzw. bilden würden. Personen, die außerhalb von Konstellationen einer Bedarfsgemeinschaft bzw. Einsatzgemeinschaft in einer reinen Haushaltsgemeinschaft mit anderen Personen lebten, seien deshalb keine Haushaltsangehörigen im Sinne von § 3 Abs. 2 RSV mit der Folge, dass bei ihnen der volle Eckregelsatz des Haushaltsvorstands gemäß § 3 Abs. 1 RSV anzusetzen sei (vgl. BSG, Urt. v. 19.05.2009 - B 8 SO 8/08 R -, juris Rn. 17 ff.; Urt. v. 09.06.2011 - B 8 SO 11/10 R -, juris Rn. 18 ff.; Urt. v. 09.06.2011 - B 8 SO 1/10 R -, juris Rn. 16 ff.). Es wird zwar ganz überwiegend vertreten, dass diese Rechtsprechung auf das hier anwendbare, ab dem 01.01.2011 geltende Recht nicht übertragbar ist (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 24.10.2011 - L 8 SO 275/11 B ER -, juris Rn. 18 ff.; LSG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 18.07.2012 - L 8 SO 13/12 B ER -, juris Rn. 25 f.; SG Aachen, Urt. v. 13.12.2011 - S 20 SO 79/11 -, juris Rn. 32; Urt. v. 20.01.2012 - S 19 SO 108/11 -, juris Rn. 20; SG Potsdam, Urt. v. 27.09.2012 - S 20 SO 187/11 -, juris Rn. 17; Gutzler, in: jurisPK-SGB XII, § 27a Rn. 80). Höchstrichterlich geklärt ist diese Frage jedoch nicht. Vielmehr ist gegen die zitierte Entscheidung des SG Potsdam ein Revisionsverfahren anhängig (Az.: B 8 SO 31/12 R).

(3) Sind hinreichende Erfolgsaussichten allein aus den vorstehend genannten Gründen gegeben, kann dahinstehen, ob dies auch deshalb gilt, weil die Verfassungsmäßigkeit der Regelbedarfsstufe 3 umstritten ist, obwohl die Klägerin insoweit nichts Substanzielles vorgetragen hat.

cc) Da für die Klägerin mithin zumindest ein Teilerfolg in Betracht kommt, sind hinreichende Erfolgsaussichten im vorliegenden sozialgerichtlichen Verfahren insgesamt anzunehmen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 13.03.2008 - L 20 B 6/08 SO -, juris Rn. 2 f.; Beschl. v. 10.03.2010 - L 19 B 303/09 AS -, juris Rn. 5, jeweils m.w.N.).

b) Die Rechtsverfolgung ist in Anbetracht der vorstehenden Ausführungen nicht mutwillig.

c) Die Klägerin ist als Empfängerin von Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen außerstande, die Kosten der Prozessführung aufzubringen (§ 73a SGG i.V.m. § 115 ZPO), so dass ihr ratenfrei Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren zu bewilligen ist.

d) Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe konnte jedoch erst ab dem 23.08.2012 erfolgen, da die Klägerin erst zu diesem Zeitpunkt alle für die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen erforderlichen Unterlagen beim SG eingereicht hat und das Prozesskostenhilfegesuch deshalb erst zu diesem Zeitpunkt bewilligungsreif war.

2. a) Die Beiordnung des Prozessbevollmächtigten des Klägers folgt unabhängig vom Wert des Streitgegenstandes (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24.03.2011 - 1 BvR 1737/10 -, juris Rn. 17) im Hinblick auf die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage aus § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO.

b) Die Beschränkung der Beiordnung des in O in Rheinland-Pfalz ansässigen Prozessbevollmächtigten zu den Bedingungen eines im Bezirk des Sozialgerichts Münster ansässigen Rechtsanwalts folgt aus 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 121 Abs. 3 ZPO. Danach kann ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats folgt daraus, dass der Prozesskostenhilfe begehrende Beteiligte grundsätzlich gehalten ist, einen Anwalt zu wählen, der im Bezirk des zuständigen Sozialgerichts seinen Wohnsitz oder seine Kanzlei hat. Wählt er einen nicht im Bezirk des zuständigen Sozialgerichts niedergelassenen Rechtsanwalt aus, kann dessen Beiordnung grundsätzlich nur zu den Bedingungen eines im Bezirk des zuständigen Sozialgerichts ansässigen Rechtsanwalts erfolgen, denn regelmäßig entstehen allein durch die Anreise des Rechtsanwalts zur Wahrnehmung eines mündlichen Verhandlungstermins Mehrkosten für die Staatskasse gegenüber der Beauftragung eines ortsansässigen Rechtsanwalts. Dies führt im Ergebnis dazu, dass Reisekosten vom Kanzleisitz bis zum Eintritt in den Bezirk des Prozessgerichts nicht, wohl aber Reisekosten innerhalb des Bezirks des Prozessgerichts beansprucht werden können.

Die Einschränkung entfällt nur dann, wenn im konkreten Fall Mehrkosten durch die Beiordnung des auswärtigen Rechtsanwalts offensichtlich nicht zu erwarten sind oder - entsprechend dem Rechtsgedanken des § 121 Abs. 4 ZPO - besondere Umstände die Beiordnung des auswärtigen Rechtsanwalts erfordern. Insoweit ist ein mit der Streitsache zusammenhängendes besonderes Vertrauensverhältnis zu dem auswärtigen Rechtsanwalt zu berücksichtigen, sofern dies nach Art und Umfang hinreichend dargelegt wird (zum Ganzen zuletzt der Beschluss des Senats vom 12.10.2012 - L 9 SO 261/12 B -, juris Rn. 4 f.). Hierzu ist weder etwas vorgetragen noch ersichtlich. Allein die nach Ziffer 7003 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) zu berücksichtigenden Fahrtkosten (bei der anzusetzenden einfachen Entfernung von 227 Kilometer = 136,20 Euro) übersteigen die Ersparnisse des Ansatzes der reduzierten Verfahrensgebühr nach Ziffer 3103 VV RVG.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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