L 34 AS 90/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
34
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 99 AS 37319/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 34 AS 90/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 7. Dezember 2010 wird aufgehoben und der Beklagte unter Abänderung seiner Bescheide vom 30. Juli 2009 und 10. September 2009 sowie unter Aufhebung seines Bescheides vom 18. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 2009 verurteilt, den Klägern zusätzlich zu den bereits für die Wohnung in der R Straße in B gewährten Leistungen auch die Kosten der Unterkunft und Heizung für die Wohnung F-Straße in B für die Monate September und Oktober 2009 in Höhe von je 531,22 Euro zu gewähren. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Beklagte verpflichtet ist, den Klägern die für September und Oktober 2009 umzugsbedingt angefallenen Doppelmieten ("Überschneidungskosten") zu gewähren.

Der 1952 geborene Kläger zu 1) und seine Ehefrau, die 1966 geborene Klägerin zu 2), bewohnten seit November 1993 eine rund 67 m² große 3-Zimmer-Wohnung in der F-K-Straße in B für die sie Miete in Höhe von 531,27 Euro zu entrichten hatten. Mit Bescheid vom 13. März 2009 bewilligte der Beklagte den Klägern auf ihren Weiterbewilligungsantrag für die Zeit vom 01. April 2009 bis 30. September 2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von 1.163,22 Euro monatlich, wobei die Regelleistung für verheiratete Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft in Höhe von jeweils 316 Euro sowie Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) in Höhe von insgesamt 531,22 Euro (zweimal 265,61 Euro) zugrunde gelegt wurden. Eine Kostensenkungsaufforderung des Beklagten erging nicht.

Am 26. Mai 2009 und 22. Juni 2009 beantragten die Kläger unter Hinweis auf eine beabsichtigte Senkung der Mietkosten sowie die Schwerbehinderung der Klägerin zu 2) und den damit verbundenen Wunsch, eine Wohnung im Erdgeschoss zu beziehen, bei dem Beklagten die Erteilung von Zusicherungen zur Übernahme von Mietkosten für eine 2-Zimmer-Wohnung in der Fstraße bzw. in der K-A-Straße , beide in B, die der Beklagte mit Schreiben vom 5. Juni 2009 bzw. vom 26. Juni 2009 erteilte. Da beide Wohnungen bereits vergeben waren, legten die Kläger dem Beklagten am 20. Juli 2009 ein weiteres Mietangebot über eine 2-Zimmer-Wohnung in der R Str. in B zu einer monatlichen Bruttowarmmiete von 411,91 Euro vor. Mit Schreiben vom 20. Juli 2009 erteilte der Beklagte die beantragte Zusicherung und teilte den Klägern mit, dass neben der in dem Wohnungsangebot aufgeführten monatlichen Miete eine Kaution im Rahmen der gesetzlichen Normen als Darlehen (821 Euro) und die Kosten eines Umzugsunternehmens übernommen würden. Die Kläger mieteten daraufhin mit Vertrag vom 23. Juli 2009 die Wohnung in der R Str. ab 01. September 2009 an und zeigten dies dem Beklagten an, der daraufhin mit dem Hinweis "Übernahme der neuen Mietkosten" mit Änderungsbescheid vom 30. Juli 2009 für die Zeit vom 1. bis 30. September 2009 die KdUH auf 205,94 Euro für den Kläger zu 1) und auf 205,97 Euro für die Klägerin zu 2) reduzierte, so dass sich ein Gesamtleistungsanspruch von 1.057,91 Euro ergab. Die Kläger kündigten die Wohnung F-K-Str. mit undatiertem Schreiben "spätestens zum 30. September 2009". Mit Schreiben vom 03. August 2009 bestätigte der Vermieter die Kündigung zum 31. Oktober 2009. Laut Meldebescheinigung vom 30. Oktober 2009 haben die Kläger die Wohnung in der R Straße am 07. Oktober 2009 bezogen. Mit Bescheid vom 10. September 2009 bewilligte der Beklagte Leistungen für die Zeit vom 01. Oktober 2009 bis 31. März 2010 unter Berücksichtigung von KdUH in Höhe von insgesamt 411,91 Euro.

Am 10. August 2009 beantragten die Kläger die Übernahme von Doppelmieten die der Beklagte mit Bescheid vom 18. August 2009 ablehnte, weil Doppelmieten nur dann übernommen werden könnten, wenn diese im Einzelfall unvermeidbar seien. Dies sei jedoch hier nicht der Fall, denn mit dem Begleitschreiben zur Mietübernahmegarantie vom 20. Juli 2009 sei den Klägern mitgeteilt worden, dass im Nachhinein keine weiteren Leistungen im Zusammenhang mit der Anmietung des Wohnraums übernommen werden könnten.

Gegen diesen Bescheid wendeten sich die Kläger mit der Begründung, dass eine frühere Kündigung der alten Wohnung nicht möglich gewesen sei, weil zuvor nicht festgestanden habe, ob sie den Zuschlag für die neue Wohnung erhalten würden. Der Umzug sei erforderlich gewesen, weil die bisherige Wohnung für zwei Personen zu teuer gewesen sei. Hätten sie bereits vor Vertragsunterzeichnung die Übernahme der Doppelmiete beantragt, wäre die Zusicherung nicht erteilt worden, denn bereits als sie die Zusicherung beantragt hatten, sei ihnen erklärt worden, dass Doppelmieten keinesfalls übernommen würden. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 2009 zurück.

Am 30. Oktober 2009 haben die Kläger Klage bei dem Sozialgericht Berlin erhoben, zu deren Begründung sie vorgetragen haben, die Doppelmieten seien als Wohnungsbeschaffungskosten zu übernehmen, denn es sei ihnen entgegen der Auffassung des Beklagten nicht zumutbar gewesen, zunächst die Wohnung zu kündigen und dann eine neue Wohnung zu suchen, weil nicht sicher davon auszugehen gewesen sei, dass sie rechtzeitig eine neue Wohnung würden anmieten können. Allein die Erteilung einer Zusicherung durch den Beklagten biete keine Gewähr dafür, die gewünschte Wohnung auch zu erhalten, weil es regelmäßig mehrere Interessenten für eine Wohnung gäbe. Selbst bei einem eher entspannten Wohnungsmarkt – von dem der Beklagte ausgehe – bestehe bei einer zu frühen Kündigung die Gefahr der Wohnungslosigkeit. Eine passgenaue Kündigung hätte zudem zu einer längeren Suchfrist und damit zu einer höheren Belastung des Beklagten führen können. Gerade ihr Fall belege, dass trotz erteilter Zusicherung Wohnungen an andere Mietinteressenten vergeben würden, so dass eine Kündigung vor Mietvertragsunterzeichnung mit einem zu hohen Risiko verbunden sei. Sie hätten sich sowohl bei dem bisherigen Vermieter um eine frühere Entlassung aus dem Mietverhältnis als auch bei dem neuen Vermieter um einen späteren Beginn des Mietverhältnisses bemüht. Zudem habe der Kläger zu 1) in seinem Stammlokal versucht, einen Nachmieter für die bisherige Wohnung zu finden.

Nach Auffassung des Beklagten sei es den Klägern zumutbar gewesen, die Mietzeiträume nahtlos aufeinander abzustimmen. Die Ermittlungsergebnisse des Sozialgerichts belegten, dass die Kläger nicht versucht hätten, einen früheren Kündigungs- bzw. Auszugstermin zu erreichen, um doppelte Mietzahlungen zu vermeiden. Die Suche nach einem Nachmieter allein im Stammlokal reiche nicht aus.

Das Sozialgericht hat eine Auskunft der D W Management GmbH vom 31. März 2010 zu den Umständen des Mietvertragsabschlusses am 22. Juli 2009 eingeholt, in der mitgeteilt wurde, dass die Konditionen zum Mietbeginn mit den Mietinteressenten einvernehmlich besprochen, erläutert und vereinbart würden, Einzelgespräche aber acht Monate nach Vertragsschluss nicht mehr wortlautgetreu wiedergegeben werden könnten Eine Nachfrage bei der c Immobilienservice GmbH hat ergeben, dass das Kündigungsschreiben der Kläger dort am 28. Juli 2009 eingegangen sei und keinerlei Schriftverkehr vorliege, der belege, dass sich die Mieter um eine frühere Kündigung des Mietverhältnisses bemüht hätten. Ob es diesbezügliche telefonische Versuche gegeben habe, könne nicht mehr nachvollzogen werden (Schreiben vom 23. April 2010).

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 07. Dezember 2010 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein Anspruch auf Doppelmieten für September und Oktober 2009 bestehe nicht nach § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II. Zwar seien die Aufwendungen der Kläger für die Wohnung in der F-K-Straße als unangemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II anzusehen, doch sei Voraussetzung für eine positive Entscheidung des Beklagten im Rahmen der ihm vom Gesetzgeber eingeräumten Ermessensentscheidung, dass die Kläger die Unterkunft ohne Zusicherung auch wegen der Übernahme der Doppelmieten in einem angemessenen Zeitraum nicht hätten finden können und dass darüber hinaus die Aufwendungen der Kläger wegen der Doppelmieten als notwendig zu erachten gewesen wären. Von Letzterem habe sich das Gericht jedoch nicht überzeugen können, denn dies hätte vorausgesetzt, dass es den Klägern tatsächlich unmöglich gewesen wäre, eine Überschneidung der Mietverhältnisse zu vermeiden bzw. auf einen kürzeren Zeitraum zu beschränken und es ihnen darüber hinaus auch nicht möglich gewesen wäre, die Zahlung der Doppelmieten beispielsweise durch Gestellung eines für die Vermieterin zumutbaren Nachmieters zu vermeiden. Das Gericht habe sich nicht davon überzeugen können, dass die Kläger sich aktiv um eine frühere Auflösung des alten Mietvertrages oder einen späteren Beginn des neuen Mietvertrages bemüht hätten, um auf diese Weise die Überschneidungszeiträume zu verringern.

Gegen den am 15. Dezember 2010 zugestellten Gerichtsbescheid wenden sich die Kläger mit ihrer am 13. Januar 2011 eingegangenen Berufung, zu deren Begründung sie auf ihr erstinstanzliches Vorbringen Bezug nehmen.

Die Kläger beantragen,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 07. Dezember 2010 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung seiner Bescheide vom 30. Juli 2009 und 10. September 2009, soweit sich diese auf die Kosten der Unterkunft und Heizung für September und Oktober 2009 beziehen, sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 18. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 2009 zu verurteilen, ihnen zusätzlich zu den bereits für die Wohnung RStraße in B gewährten Leistungen auch die Kosten der Unterkunft und Heizung für die Wohnung F-K-Str. in B für die Monate September und Oktober 2009 in Höhe von 531,22 Euro monatlich zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält den Gerichtsbescheid für zutreffend und trägt ergänzend vor, es fehle bezüglich der Übernahme der begehrten Doppelmieten bereits an der vorherigen Zusicherung im Sinne des § 22 Abs. 3 SGB II. Die Zusicherung nach § 22 Abs. 2 Satz 1 SGB II enthalte keine Zusicherung zur Übernahme von Doppelmieten, was den Klägern auch bewusst gewesen sei. Der Gesichtspunkt, dass unangemessen hohe KdUH gesenkt würden, könne bei der Prüfung der Angemessenheit von Doppelmieten als Gesichtspunkt keine Rolle spielen, allein entscheidend sei vielmehr, ob Doppelmieten unvermeidbar gewesen seien. Dies sei aber nicht der Fall gewesen, weil der Mietvertragsbeginn variabel gewesen sei. Auch eine Übernahme der Doppelmieten nach § 22 Abs. 1 SGB II scheide aus, denn Schutzzweck dieser Vorschrift sei das Wohnen, so dass Aufwendungen für die nicht mehr bewohnte Wohnung nicht nach § 22 Abs. 1 SGB II gewährt werden könnten. Allerdings sei er - nach Vorlage der Meldebescheinigung im Berufungsverfahren - nun auch der Auffassung, dass als laufende KdUH im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II anstelle der Aufwendungen für die neue Wohnung bis zum 06. Oktober 2009 die Kosten für die alte, tatsächlich bewohnte Wohnung zu übernehmen seien. Ein Anspruch auf Übernahme von Doppelmieten für die nicht bewohnte Wohnung bestehe gleichwohl nicht, weil die Überschneidung und die Entstehung doppelter Mietaufwendungen vermeidbar gewesen sei.

Die Kläger haben das Übergabeprotokoll für die Wohnung F-K-Str. vom 30. Oktober 2009, aus dem sich entnehmen lässt, dass die Wohnung frei von mietereigenen Einbauten in unrenoviertem Zustand übergeben wurde, und das Übergabeprotokoll für die Wohnung RStr. vom 18. August 2009 überreicht.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung waren.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig (§ 105 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und in vollem Umfang begründet, denn die Kläger haben Anspruch auf Gewährung der ihnen für die Monate September und Oktober 2009 entstandenen Überschneidungskosten in Höhe von monatlich 531,22 Euro.

Die Kläger waren im streitgegenständlichen Zeitraum Berechtigte im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21. Dezember 2008 - BGBl. I S. 2917 ff – (im Folgenden: a. F.), denn beide hatten das 15. Lebensjahr vollendet, nicht aber die Altersgrenze des § 7a erreicht (Nr. 1), waren erwerbsfähig (Nr. 2), hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (Nr. 4) und waren unstreitig auch hilfebedürftig (Nr. 3).

Als grundsätzlich Leistungsberechtigte nach dem SGB II haben die Kläger einen Anspruch gegen den Beklagten auf Berücksichtigung von monatlich weiteren 531,22 Euro als Bedarf für die im September und Oktober 2009 zu zahlenden Mieten für die von ihnen in diesem Zeitraum noch genutzte Wohnung in der F-Str. in B. Ein entsprechender Anspruch ergibt sich unmittelbar aus § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II, denn bei den Überschneidungskosten handelt es sich - in Abgrenzung zu Wohnungsbeschaffungskosten im Sinne des § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II - um Kosten der Unterkunft und Heizung, die grundsätzlich nach § 22 Abs. 1 SGB II im Rahmen ihrer Angemessenheit zu übernehmen sind.

Nach Überzeugung des Senats besteht nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ein Anspruch auf Berücksichtigung der umzugsbedingt angefallenen Doppelmieten, denn bei diesen handelt es sich entgegen der vom Beklagten vorgenommenen rechtlichen Qualifizierung und anders als in der Literatur vertreten (so z.B.: Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand Oktober 2012, § 22 Rn. 96, Berlit in LPK-SGB II, 4. Aufl. 2011, § 22 Rn. 168, Lang/ Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 22 Rn. 83) nicht um Wohnungsbeschaffungskosten, sondern um Kosten der Unterkunft und Heizung im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II. Der Senat stützt sich hierbei auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ((BSG) Urteile vom 16.12.2008 - B 4 AS 49/07 R - Rn. 13 und vom 18.02.2010 - B 4 AS 28/09 R – Rn. 15, jeweils zitiert nach juris), nach der der Begriff der Wohnungsbeschaffungskosten zwar weit auszulegen ist, seine Begrenzung jedoch am Wortlaut findet. Wohnungsbeschaffungskosten sind danach nur Aufwendungen, die mit dem Finden und Anmieten der Wohnung verbunden sind. Anders als z.B. eine Maklercourtage, Kosten für eine Wohnungsanzeige oder Kosten, die für die Besichtigung einer weit entfernt liegenden Wohnung aufzuwenden sind, handelt es sich bei Mieten, die bis zum Umzug für die noch genutzte Wohnung bis zum Ablauf des Mietverhältnisses zu entrichten sind und den Kosten für die neu angemietete Wohnung, jedoch gerade nicht um Kosten, die mit dem Finden oder Anmieten der (neuen) Wohnung verbunden sind. Vielmehr sind diese Kosten Folge zweier nebeneinander bestehender Mietverhältnisse. Diese Kosten stellen sich ebenso wie die für die neu angemietete Wohnung anfallenden in der vorübergehenden Situation eines Umzuges als Kosten der Unterkunft dar, die ggf. nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu gewähren sind (vgl. BSG, Urteil vom 23.05.2012 - B 14 AS 133/11 R - zitiert nach juris, Rn. 20).

Als Unterkunftskosten sind diese neben den für die tatsächlich genutzte Wohnung anfallenden Mietkosten nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II grundsätzlich im Rahmen der Angemessenheit in tatsächlich anfallender Höhe zu übernehmen. Ohne Bedeutung ist dabei, dass die Summe dieser Mietkosten und der Kosten für die neue Wohnung regelmäßig die Grenze des Angemessenen überschreiten wird. Denn so wie die Kosten für eine Auszugsrenovierung bei Ende des Mietverhältnisses unabhängig von der Angemessenheit der laufenden Kosten der Unterkunft bestimmt werden und diejenigen Kosten, die üblicherweise anfallen, im Rahmen des Angemessenen insbesondere auch dann zu übernehmen sind, wenn sie zur Kostensenkung bei Auszug aus einer im Übrigen unangemessen teuren Wohnung entstehen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 06.10.2011 – B 14 AS 66/11 R – zitiert nach juris, Rn. 15), ist auch die Angemessenheit umzugsbedingt anfallender Doppelmieten unabhängig von der Angemessenheit der Kosten für die neu angemietete Unterkunft zu bestimmen. In die Angemessenheitsprüfung muss hingegen bei umzugsbedingt anfallenden Doppelmieten - und insoweit anders als bei Kosten der Auszugsrenovierung - nicht nur die Höhe der Kosten einbezogen werden, sondern insbesondere auch der Zeitraum, für den diese Kosten noch als angemessen anzusehen sind.

Entgegen der bei dem Beklagten anklingenden Rechtsauffassung kann für die Angemessenheit umzugsbedingt anfallender Doppelmieten in zeitlicher Hinsicht nicht darauf abgestellt werden, dass derartige Kosten generell zu vermeiden sind oder hier eine starre Frist zugrunde zu legen wäre. Vielmehr richtet sich die Dauer, für die Überschneidungskosten dem Grunde nach in Ansatz zu bringen sind, regelmäßig nach dem Einzelfall, wobei allerdings die absolute Höchstgrenze in der für das bisherige Mietverhältnis geltenden Kündigungsfrist zu sehen sein dürfte. Hierbei ist unter Berücksichtigung des Wohnungsmarktes zu würdigen, ob dieser sich für die konkrete Bedarfsgemeinschaft als überdurchschnittlich eng darstellt, weil z.B. aufgrund der personellen Zusammensetzung oder mit Blick auf eine Behinderung eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft ein besonderer Raumbedarf besteht oder die Wohnung eine spezielle Lage - etwa wie hier wegen der Gehbehinderung der Klägerin zu 2) im Erdgeschoss - aufweisen muss. Gemessen daran stehen den Klägern Überschneidungskosten für die Monate September und Oktober 2009 zu.

Der Senat hat durchaus Zweifel, ob es den Klägern tatsächlich objektiv möglich gewesen wäre, Überschneidungskosten völlig zu vermeiden, ob sie mithin in angemessener Zeit eine Unterkunft hätten anmieten können, ohne zur Zahlung der Mieten für zwei Wohnungen verpflichtet zu sein. Insbesondere vermag er die Ansicht des Sozialgerichts nicht nachzuvollziehen, dass es den Klägern ohne weiteres zuzumuten gewesen wäre, die Anmietung einer neuen Wohnung so zu organisieren und einzurichten, dass keine doppelten Mieten anfallen. Da es unter Berücksichtigung des Wohnungsmarktes im Allgemeinen nur in Ausnahmefällen gelingt, eine neue Wohnung bereits so frühzeitig anzumieten, dass trotz erst danach erfolgender Kündigung des alten Mietverhältnisses keine Doppelmieten anfallen, stellt sich die Frage, ob dies gerade Leistungsberechtigten, denen nur ein Teil des Wohnungsmarktes offen steht, möglich ist. Letztlich läuft die Klärung der Angemessenheit hier auf die Frage hinaus, ob es einer zweiköpfigen, aus einer gehbehinderten Frau und einem Mann bestehenden, Bedarfsgemeinschaft zumutbar ist, ihr bestehendes Mietverhältnis in der Erwartung zu kündigen, dass innerhalb der dreimonatigen Kündigungsfrist angemessener Wohnraum gefunden werden wird. Dies erscheint insbesondere unter den hier konkret gegebenen Umständen bedenklich. Hier ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Umzug nicht durch den Beklagten veranlasst war, dieser die Kläger vielmehr noch nicht durch Kostensenkungsaufforderung zur Verringerung der Mietkosten für ihre nicht mehr angemessen große Wohnung aufgefordert hatte. Allerdings waren die KdUH von 531,22 Euro für einen Zweipersonenhaushalt nach der vom Beklagten zur Ermittlung angemessener Wohnkosten zugrunde gelegten AV-Wohnen zu hoch, so dass eine Kostensenkungsaufforderung zumindest drohte. Die Kläger haben den Umzugswunsch zudem auch mit einer Schwerbehinderung der Klägerin zu 2) begründet, sodass der Senat davon ausgeht, dass der Umzug notwendig im Sinne des 22 Abs. 3 Satz 2 SGB II war. Den Klägern ist es in der Zeit vom 26. Mai bis zum 20. Juli 2009 zwar gelungen, dem Beklagten drei nach der AV-Wohnen angemessene Wohnungsangebote für 2-Zimmer-Wohnungen im Erdgeschoss vorzulegen. Gleichwohl wurden sie bei den ersten beiden Wohnungen trotz Mietübernahmegarantie des Beklagten nicht bei der Wohnungsvergabe berücksichtigt, was bereits zeigt, dass bei einer Kündigung der bisherigen Wohnung nicht selbstverständlich davon ausgegangen werden konnte, dass es den Klägern ohne weiteres gelingen würde, ohne Überschneidungskosten nahtlos eine andere Wohnung zu finden.

Anhaltspunkte dafür, dass sich die Kläger bemüht haben, durch Verhandlungen mit dem alten oder neuen Vermieter ein früheres Vertragsende oder einen späteren Vertragsbeginn zu vereinbaren oder einen Nachmieter zu stellen, ließen sich zwar nicht ermitteln. Der Senat hat jedoch bereits im Allgemeinen Zweifel, ob der Regelung des § 22 SGB II oder dem Grundsatz zur Vermeidung unnötiger Kosten gemäß § 2 SGB II die Forderung entnommen werden kann, entweder ein Wohnungsmietverhältnis schon vor dem Auffinden einer neuen Wohnung zu kündigen, um die bei Einhaltung von Mietkündigungsfristen regelmäßig entstehenden Überschneidungszeiträume zu vermeiden, oder sich nur auf solche Wohnungen zu bewerben, die wegen der schlechten Vermietbarkeit erst zum Ablauf der Kündigungsfrist der innegehaltenen Wohnung angemietet werden können (verneinend: Sozialgericht Berlin, Urteil vom 31.10.2008 - S 37 AS 29504/07 - zitiert nach juris, Rn. 14). Dies dürfte insbesondere dann gelten, wenn vom Beklagten (noch) keine Kostensenkungsaufforderung ausgesprochen wurde, sodass auch unter Berücksichtigung der vorgenannten Aspekte den Klägern eine Kündigung des bestehenden Mietverhältnisses vor Anmietung einer anderen Wohnung nicht zuzumuten war. In Fällen wie dem vorliegenden, in dem noch keine Kostensenkungsaufforderung vom Beklagten ausgesprochen wurde, ist in diesem Zusammenhang insbesondere zu berücksichtigen, dass bei Forderung eines nahtlosen Übergangs des bisherigen in ein neues Mietverhältnis ohne Entstehung von Überschneidungskosten die für Leistungsbezieher in Betracht kommende Anzahl von Wohnungen zusätzlich dadurch eingeschränkt wird, dass neben den allgemeinen Faktoren Wohnungsgröße und Mietkosten sowie mögliche individuelle Erfordernisse - hier Lage im Erdgeschoss – als weiteres Kriterium der spätestens mögliche Zeitpunkt des Mietbeginns tritt.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen der Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind, wobei nach Satz 3 der Regelung ausnahmsweise auch höhere als die angemessenen KdUH so lange zu berücksichtigen sind, wie es der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch Wohnungswechsel, Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Unter diesem Aspekt ist der Beklagte jedenfalls verpflichtet, die KdUH für die Wohnung F-K-Str. über den 31. August 2009 hinaus bis zum 31. Oktober 2009 zu übernehmen. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass die Kläger diese Wohnung bis zu ihrem Umzug am 07. Oktober 2009 weiterhin zu Wohnzwecken genutzt haben und diese eigenen Angaben zufolge anschließend in einen vertragsgemäßen Zustand versetzen, nämlich von verschiedenen Einbauten befreien mussten. Auch wenn eine Auszugsrenovierung nicht erforderlich war und die Wohnung jedenfalls am 18. Oktober 2009, dem Tag der Erstellung des Übergabeprotokolls, offenbar übergabebereit war, folgt daraus nicht, dass nur bis zu diesem Tag die KdUH für diese Wohnung zu übernehmen waren. Denn eine Kündigung zu einem beliebigen Zeitpunkt während eines laufenden Monats sehen weder der Mietvertrag noch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) vor. Da die Kläger keinen Nachmieter für die Wohnung gestellt haben, konnten sie die anteilige Miete für eine frühere Räumung der Wohnung auch nicht von einem Dritten erhalten. Im Übrigen kann aber die Übernahme von Doppelmieten auch nicht von dem tatsächlichen und nachhaltigen Bemühen abhängig gemacht werden, einen Nachmieter für die bisher genutzte Wohnung zu finden, denn der Vermieter ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den Mietvertrag auf Verlangen des Mieters aufzuheben, auch wenn dieser einen geeigneten und zumutbaren, die Vertragsbedingungen uneingeschränkt übernehmenden Ersatzmieter stellt, gegen den keine persönlichen Einwendungen bestehen, denn dem Vermieter muss es grundsätzlich freistehen, nach Beendigung des Mietverhältnisses einen neuen Mieter frei auszuwählen und neue Vertragsbedingungen auszuhandeln (vgl. Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012, § 537 Rn. 8 mNw.).

Den Klägern kam es mit ihrem nach Erlass des Änderungsbescheides vom 30. Juli 2009 innerhalb der Widerspruchsfrist gegen diesen Bescheid gestellten Antrag auf Gewährung der Überschneidungskosten vor allem darauf an, die Mietkosten für beide angemieteten Wohnungen, insbesondere auch die Kosten für die teurere und zudem aktuell noch genutzte Wohnung vom Beklagten zu erhalten. Zwar hätten die Kläger dieses Ziel auch durch einen Widerspruch gegen den Änderungsbescheid erreichen können, der Senat sieht hier jedoch den Änderungsbescheid vom 30. Juli 2009, den Bewilligungsbescheid vom 10. September 2009 und den Ablehnungsbescheid vom 18. August 2009 als Einheit an, die es erlaubt die Gewährung höherer KdUH in dem Verfahren um die Gewährung der vollen Überschneidungskosten zu verfolgen. Dies rechtfertigt sich auch daraus, dass der Änderungsbescheid vom 30. Juli 2009 rechtswidrig sein dürfte, soweit die Aufhebung der Leistungsbewilligung für die Zeit vom 01. bis 30. September 2009 auf eine Änderung der Verhältnisse gestützt wurde, denn wie sich im Berufungsverfahren ergeben hat, war jedenfalls in dem vom Bescheid vom 13. März 2009 umfassten Bewilligungsabschnitt keine tatsächliche Änderung der Verhältnisse aufgrund Umzugs eingetreten, die eine Reduzierung der KdUH gerechtfertigt hätte.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG und ist am Ergebnis des Rechtsstreits orientiert.

Die Revision war hier gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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