L 34 AS 821/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
34
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 14 AS 712/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 34 AS 821/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 07. März 2011 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 01. April 2010 bis zum 09. Juni 2010.

Die 1973 in Engels, Gebiet Saratov, Russische Föderation geborene Klägerin, die russische Staatsangehörige ist, ehelichte am 17. April 2009 den in S lebenden deutschen Staatsangehörigen R B. Sie ist Mutter der 1995 geborenen russischen Staatsangehörigen A V.

Die Klägerin und ihre Tochter reisten am 24. Juli 2009 mit am 16. Juli 2009 von der Deutschen Botschaft in Moskau erteilten Visa zum Zwecke der Familienzusammenführung in die Bundesrepublik ein. Am 28. Juli 2009 erteilte die Ausländerbehörde des Landkreises D ihr eine bis zum 27. Juli 2010 befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG).

Im Zuge familiärer Streitigkeiten zog die damals schwangere Klägerin am 11. Dezember 2009 mit ihrer Tochter in das Frauenhaus in K W. Am 14. Dezember 2009 beantragte sie die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II beim Beklagten. Mit Bescheid vom 29. Dezember 2009 bewilligte der Beklagte der Klägerin - und ihrer Tochter – für den Zeitraum vom 11. Dezember 2009 bis zum 30. Juni 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich Mehrbedarfe für werdende Mütter sowie für Alleinerziehende.

Nach einer Anhörung vom 19. Januar 2010 erging am 25. Februar 2010 ein Bescheid der Ausländerbehörde, mit welchem die der Klägerin und ihrer Tochter erteilten Aufenthaltserlaubnisse gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nachträglich auf den Tag der Zustellung des Bescheides befristet wurden, die Klägerin sowie ihre Tochter aufgefordert wurden, bis zum 15. März 2010 aus der Bundesrepublik auszureisen und die Abschiebung angedroht wurde. Gleichzeitig wurde die sofortige Vollziehung angeordnet. Hiergegen legte die Klägerin am 03. März 2010 Widerspruch ein. Am selben Tag beantragte sie beim Verwaltungsgericht Cottbus (VG) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 25. Februar 2010 sowie hilfsweise die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Aktenzeichen VG 4 L 39/10, vormals VG 5 L 39/10).

Mit an die Klägerin adressiertem Bescheid vom 05. März 2010 hob der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 29. Dezember 2009 für die Klägerin ab dem 01. April 2010 ganz auf. Da das Aufenthaltsrecht der Klägerin erloschen sei, habe sie gemäß § 7 SGB II keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II mehr. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 17. März 2010 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 06. April 2010 zurückgewiesen wurde.

Ab dem 01. April 2010 bezog die Klägerin Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Am 15. April 2010 brachte die Klägerin einen Sohn zur Welt.

Gegen den Aufhebungsbescheid vom 05. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. April 2010 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Cottbus erhoben (SG) und vorgetragen, ihr stünden weiterhin Leistungen nach dem SGB II zu. Sie sei nicht vollziehbar ausreisepflichtig. Unabhängig von der ausländerrechtlichen Fragestellung, ob sie aufgrund der nur vorübergehenden Trennung von ihrem Ehemann einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG habe, habe sie zumindest einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG, da sie seit dem 17. April 2009 mit dem deutschen Staatsbürger R B verheiratet sei und am 15. April 2010 den Sohn M B geboren habe. Dieser sei deutscher Staatsangehöriger. Eine Fiktionsbescheinigung gemäß § 81 Abs. 5 AufenthG sei beantragt, jedoch bislang nicht ausgestellt.

Mit Bescheid vom 10. Juni 2010 hat die Ausländerbehörde der Klägerin aufgrund ihres Antrags vom 10. Juni 2010 eine befristete Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG erteilt. Die Klägerin hat daraufhin das Widerspruchsverfahren mit Schriftsatz an die Ausländerbehörde vom 20. September 2010 für erledigt erklärt. Ferner ist das einstweilige Rechtsschutzverfahren vor dem VG Cottbus für erledigt erklärt und durch gerichtlichen Beschluss vom 04. August 2010 eingestellt worden.

Auf den Antrag der Klägerin vom 07. Juni 2010 sind der Klägerin mit vorläufigem Bescheid vom 27. Juli 2010 ab dem 01. Juli 2010 bis zum 31. Dezember 2010 sowie mit Bescheid vom 02. März 2011 ab dem 10. Juni 2010 bis zum 30. Juni 2010 Leistungen nach dem SGB II bewilligt worden.

Das SG hat die auf Aufhebung des Bescheides vom 05. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. April 2010 in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 07. März 2011 und Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01. April 2010 bis zum 09. Juni 2010 gerichtete Klage durch Urteil vom 07. März 2011 abgewiesen. Rechtsgrundlage für die Aufhebung sei § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), denn hier sei nach Erlass des ursprünglichen Bewilligungsbescheides insofern eine wesentliche Änderung eingetreten, als sich der Aufenthaltsstatus der Klägerin verändert habe. Hinsichtlich der persönlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II gelte § 7 SGB II. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II seien Ausländer unter bestimmten Maßgaben (Nrn. 1 bis 3) von Leistungen ausgeschlossen. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II seien Leistungsberechtigte nach § 1 des AsylbLG von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Entstehe der Anspruch auf Leistungen nach dem AsylbLG, entfalle der Anspruch nach dem SGB II. Dieser könne wieder aufleben, wenn die Leistungen nach dem AsylbLG wieder aufgehoben würden. Die Klägerin sei aufgrund der Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG Berechtigte von Leistungen nach dem AsylbLG gewesen. Damit sei ihre Berechtigung für die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II (zunächst) entfallen. Die Nr. 5 in § 1 Abs. 1 AsylbLG setze dabei nicht die Rechtmäßigkeit der vollziehbaren Ausreiseverpflichtung voraus, sondern allein deren formelles Bestehen. Die Leistungen nach dem AsylbLG würden denjenigen, die die Überprüfung eben jener Ausreiseverpflichtung anstrebten, gewährt unter anderem für die Dauer des Verfahrens. Der Gesetzgeber habe mit dem Ausschlussgrund der Berechtigung vom Empfang von Leistungen nach dem AsylbLG eine Wertentscheidung getroffen, welche Leistungen für welchen Verfahrensstand zu gewähren seien. Diese gesetzgeberische Entscheidung sei zugunsten der Leistungen nach dem AsylbLG ausgefallen. Eine teleologische Auslegung des Wortlautes des § 7 SGB II dahingehend, dass eine ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung die Rechtmäßigkeit des Bezuges von Leistungen nach dem AsylbLG sein müsse, erscheine hier nicht geboten. Auch die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des § 48 SGB X, insbesondere die Frist des § 48 Abs. 4 SGB X, seien erfüllt.

Gegen das am 23. März 2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 19. April 2011 bei dem SG eingegangene Berufung der Klägerin, mit welcher sie ihr erstinstanzliches Begehren fortführt. Sie habe zum einen bereits ab dem 15. April 2010 Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, da sie mit der Geburt einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs.1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG gehabt habe. Daran ändere auch die Tatsache, dass die zuständige Ausländerbehörde erst am 10. Juni 2010 die entsprechende Aufenthaltsgenehmigung erteilt habe, nichts. Unabhängig von der Geburt habe sie auch einen Anspruch nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01. April 2010 bis zum 14. April 2010, denn die nachträgliche Befristung der Aufenthaltserlaubnis sei unrechtmäßig gewesen. Das SG verkenne in seiner Entscheidung, dass es nicht darauf ankommen könne, ob die Klägerin tatsächlich Leistungen nach dem AsylbLG bezogen habe, sondern allein darauf, ob das herausdrücken in den Leistungskatalog des AsylbLG rechtmäßig gewesen sei, da es ansonsten in der Hand der Ausländerbehörde liege, wann sie die Aufenthaltsgenehmigung erteile.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 07. März 2011 sowie den Bescheid des Beklagten vom 05. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. April 2010 in der Fassung des Bescheides vom 02. März 2011 aufzuheben und ihr für den Zeitraum vom 01. April 2010 bis zum 09. Juni 2010 Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Mit richterlichem Schreiben vom 14. September 2012 ist die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass allein streitig ihr Individualanspruch auf Leistungen nach dem SGB II ist, da hinsichtlich der Individualansprüche der Tochter keine Klage erhoben worden ist und der Aufhebungsbescheid des Beklagten keine Entscheidung hinsichtlich der Individualansprüche des Sohnes getroffen habe.

Die Beteiligten haben mit Schreiben vom 17. Januar 2013 ihr Einverständnis mit einer schriftlichen Entscheidung durch die Berichterstatterin anstelle des Senats erklärt (§§ 153 Abs. 1, 155 Abs. 3, 4, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten, der Akte der Ausländerbehörde sowie der Akte des VG Cottbus zum Aktenzeichen VG 4 L 39/10 (vormals VG 5 L 39/10) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 155 Abs. 3, 4, 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig aber unbegründet. Zutreffend ist das SG in seinem Urteil vom 07. März 2011 zu dem Ergebnis gelangt, dass der Aufhebungsbescheid des Beklagten vom 05. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. April 2010 in der Fassung des Bescheides vom 02. März 2011 (Teilanerkenntnis vom 07. März 2011) nicht zu beanstanden ist. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II in dem Zeitraum vom 01. April 2010 bis zum 09. Juni 2010.

Streitig sind hier lediglich Leistungsansprüche der Klägerin, denn nur hinsichtlich dieser hat der Beklagte mit Bescheid vom 05. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. April 2010 eine Entscheidung getroffen. Eine Entscheidung dahingehend, dass auch Leistungsansprüche der Tochter A V ab dem 01. April 2010 aufgehoben würden, ist dem Bescheid vom 05. März 2010 nach seinem Regelungsgehalt nicht zu entnehmen. Darüber hinaus ist bezüglich etwaiger Ansprüche der Tochter weder ein Widerspruchsverfahren geführt noch Klage erhoben worden. Streitgegenstand sind ferner auch keine Ansprüche des erst nach Erlass des ursprünglichen Bewilligungsbescheides vom 29. Dezember 2009 und des diesen teilweise aufhebenden Bescheides vom 05. März 2011 geborenen Sohnes der Klägerin. Leistungsansprüche des Sohnes können erst ab dem 15. April 2010 entstanden und auch erst dann, bei Vorliegen eines entsprechenden Antrags, von dem Beklagten zu prüfen gewesen sein.

Rechtsgrundlage für den Bescheid vom 05. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. April 2010 in der Fassung des Bescheides vom 02. März 2011 ist § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i. V. m. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X, wonach, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben ist. Hier ist mit Zugang des sofort vollziehbaren Bescheides der Ausländerbehörde vom 25. Februar 2010 eine wesentliche Änderung der Verhältnisse in Form einer Änderung des Aufenthaltsstatus der Klägerin eingetreten, der zur Folge hatte, dass die Klägerin spätestens mit Ablauf der Ausreisefrist am 15. März 2010 Leistungsberechtigte nach § 1 des AsylbLG war und als solche gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen war.

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG sind u. a. leistungsberechtigt nach diesem Gesetz Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und die vollziehbar ausreisepflichtig sind, auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist. Die Ausreisepflicht ist nach § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG (in der bis zum 25. November 2011 geltenden Fassung) erst vollziehbar, wenn die Versagung des Aufenthaltstitels oder der sonstige Verwaltungsakt, durch den der Ausländer nach § 50 Abs. 1 ausreisepflichtig wird, vollziehbar ist. Dies war vorliegend im Hinblick auf den Bescheid der Ausländerbehörde vom 25. Februar 2010, mit dem die nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG (in der bis zum 25. November 2011 geltenden Fassung) erteilte Aufenthaltserlaubnis gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nachträglich auf den Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides befristet wurde, wegen der im Bescheid erklärten sofortigen Vollziehbarkeit (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)) mit dem Tag der Zustellung (laut Bl. 102 der Ausländerakte der 25. Februar 2010), jedenfalls aber nach Ablauf der Ausreisefrist am 15. März 2010 (vgl. hierzu Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl. 2011, § 50 Rdn. 11 f.; Zeitler, HTK-AuslR, Stand 2011, § 58 AufenthG, 01/2011, zu Abs. 2 Nr. 7) der Fall, da Widerspruch und Klage gegen den Bescheid vom 25. Februar 2010 nach Maßgabe des § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG keine aufschiebende Wirkung hatten. Dementsprechend bezog die Klägerin im streitigen Zeitraum auch tatsächlich Leistungen nach dem AsylbLG. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den in § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II normierten Ausschluss der Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende bestehen nicht (vgl. BSG, Urteil vom 13. November 2008 - B 14 AS 24/07 R – in juris; Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 4 AS 40/07 R – in juris; Urteil vom 07. Mai 2009 – B 14 AS 41/07 – in juris; Urteil vom 21. Dezember 2009 – B 14 AS 66/08 R – in juris).

Die ausländerrechtliche Entscheidung ist nach Erledigung des Widerspruchsverfahrens und des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens auch wirksam und bestandskräftig geworden. Der Klägerin ist lediglich ab dem 10. Juni 2010 aufgrund des Antrags (§ 81 Abs. 1 AufenthG) vom selben Tag eine neue befristete Aufenthaltserlaubnis (diesmal auf der Grundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG) erteilt worden.

Die Nichtvollziehbarkeit der Ausreisepflicht kann auch nicht aus der eingeschränkten Fortbestehensfiktion des Aufenthaltstitels zum Zwecke der Ausübung einer Beschäftigung (vgl. § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG) mit der Folge, dass § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG nicht anwendbar gewesen sei, geschlossen werden. Gegen eine solche Parallelwertung spricht bereits, dass es sich grundsätzlich verbietet, die für eine bestimmte Problemlage in einem Abschnitt eines Gesetzes getroffene Regelung ganz oder teilweise auf Regelungen eines anderen Abschnitts zu übertragen, wenn nicht der Gesetzgeber – etwa durch Verweisungen – dafür einen Anhalt bietet (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. September 1997 – 1 C 3/907 – BVerwGE 105, 232 = InfAuslR 1998, 12). Vorliegend ist ein solcher Anhaltspunkt dafür, dass die im 3. Abschnitt ("Verwaltungsverfahren") des 7. Kapitels geregelte Fortgeltungsfiktion des Aufenthaltstitels auf die im 2. Abschnitt ("Durchsetzung der Ausreisepflicht") des 5. Kapitels geregelte Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht (vgl. § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG) übertragbar wäre, nicht ersichtlich; insbesondere ist dort keine Verweisung geregelt. Auch Sinn und Zweck des § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG sprechen gegen eine Parallelwertung. Nach dieser Vorschrift gilt für Zwecke der Aufnahme oder Ausübung einer Erwerbstätigkeit der Aufenthaltstitel u. a. während eines gerichtlichen Verfahrens über einen zulässigen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung als fortbestehend. Sinn des § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ist es, in den in ihm genannten Fällen den Fortbestand des Aufenthaltstitels zu fingieren, damit Ausländer, denen gegenüber die Verlängerung eines Aufenthaltstitels abgelehnt worden ist, für eine begrenzte Zeit – z.B. während der Dauer eines gerichtlichen Verfahrens über einen zulässigen Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung - eine Erwerbstätigkeit weiter ausüben und damit ihren Lebensunterhalt unabhängig von staatlichen Leistungen sicherstellen können (vgl. Armbruster, HTK-AuslR, § 84 AufenthG 12/2011 Nr. 6 m. w. N.). Besteht die Fiktion des Fortbestehens eines Aufenthaltstitels nach § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, so hat die Ausländerbehörde dem Ausländer hierüber auf Antrag eine Bescheinigung zu erteilen, damit der Ausländer seine Berechtigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit nachweisen kann (OVG Hamburg, Beschluss vom 21. Oktober 2005 – 4 Bs 222/05 -, InfAuslR 2006, 60-63). Zweck des § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ist hingegen nicht, die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht zu modifizieren (vgl. hierzu das Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 19. Januar 2011 – L 18 AS 380/10 – in juris Rn. 18).

Es kann hier im Übrigen dahin stehen, ob der Bescheid der Ausländerbehörde vom 25. Februar 2010 rechtmäßig war, er ist jedenfalls wirksam und bestandskräftig geworden. Ob die Klägerin bereits ab dem 15. April 2010 einen Anspruch auf Erteilung einer – neuen – Aufenthaltserlaubnis gehabt hätte, kann hier ebenfalls letztlich dahin stehen, da maßgeblich für den Anspruch u. a. die Stellung eines entsprechenden Antrags ist (§ 81 Abs. 1 AufenthG).

Darüber hinaus sieht der Senat von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und schließt sich den überzeugenden und nachvollziehbaren Darlegungen des SG in den Gründen der angefochtenen Entscheidung an (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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