L 7 AS 914/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 28 AS 1999/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 914/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 338/13 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
NZB als unzulässig verworfen.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 22.03.2012 geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 15.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.08.2010 verurteilt, der Klägerin Leistungen der Grundsicherung nach den Vorschriften des SGB II ohne die Berücksichtigung von Einkommen oder Vermögen des Zeugen P ab 01.12.2007 zu gewähren. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin aus dem gesamten Verfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch -Grundsicherung für Arbeitsuchende- (SGB II) ab dem 01.12.2007.

Im August 2004 beantragte die 1949 geborene, seit 1994 von dem Zeugen P (im Folgenden Zeuge P) geschiedene Klägerin, erstmals Leistungen nach dem SGB II. Zuvor bezog sie Leistungen der Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Zum Zeitpunkt der Antragstellung wohnte sie in der N-Straße 00 in Q. Die Beklagte forderte die Klägerin damals auf, ihre Unterkunftskosten zu senken, da diese nicht angemessen seien. Zuvor war die Klägerin in die Wohnung der Mutter, die ebenfalls in der N Straße gewohnt hatte und die die Klägerin bis zu ihrem Tode gepflegt hatte, gezogen. Im Februar 2005 sprach die Klägerin sodann mit dem Zeugen P bei der Beklagten vor und teilte mit, sie ziehe in das Haus des Zeugen P im L 00 in Q, in welchem sie unentgeltlich ein Zimmer mit Waschgelegenheit und Toilette bewohnen werde. In der Folgezeit gewährte ihr die Beklagte Leistungen unter Berücksichtigung des Regelbedarfes, aber ohne die Kosten für Unterkunft und Heizung. In dem Haus L 00 wohnte auch der aus erster Ehe stammende und im Jahr 1974 geborene Sohn der Klägerin (S T).

Im Dezember 2005 veranlasste die Beklagte eine Prüfung, ob zwischen der Klägerin und dem Zeugen P eine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft vorlag. Im Rahmen dieser Prüfung wurde ein Hausbesuch im Januar 2006 durchgeführt. Der Hausbesuch ergab, dass sich am Hauseingang drei Türklingeln mit den Namen der Klägerin, des Zeugen sowie des Sohnes der Klägerin angebracht waren, außerdem zwei Briefkästen, einer mit dem Namen T, der andere mit dem Namen des Zeugen P. Es wurde festgestellt, dass die Klägerin in der Wohnung des Zeugen im ersten Obergeschoss des Hauses wohnte. Hierin befanden sich vier Zimmer, drei Bäder und eine Küche. Im Zimmer der Klägerin befanden sich eine Schlafcouch, Schränke und ein Tisch. Von dem Zimmer war eines der drei Bäder zu erreichen, welches Hygieneartikel für Frauen enthielt. Die Klägerin gab an, die Küche werde gemeinsam genutzt. Eine erkennbare Trennung der Lebensmittel im Kühlschrank war nach Auffassung des Außendienstmitarbeiters nicht zu erkennen. Die Klägerin habe auch eingeräumt, dass die Grundnahrungsmittel von beiden gemeinsam genutzt würden und nur spezielle Dinge getrennt erworben würden. Das Geschirr gehörte nach Angaben der Klägerin sämtlich ihr, wie auch die Möbel in ihrem Zimmer sowie ein Geschirrschrank im Flur. Die Töpfe sollten zum Teil im Eigentum des Zeugen P stehen. Mahlzeiten wurden nach Angabe der Klägerin getrennt zubereitet und eingenommen. Jeder kümmere sich um seine Wäsche, Reinigungsarbeiten würden grundsätzlich getrennt durchgeführt. Der Außendienstmitarbeiter kam zu dem Schluss, dass einige Indizien für, andere jedoch gegen eine Einstandsgemeinschaft sprachen. Daraufhin gewährte die Beklagte die Leistungen unverändert weiter, zuletzt mit Bescheid vom 29.05.2007 bis November 2007 in Höhe eines Regelbedarfs von monatlich 345,00 Euro, wobei von der Beklagten ein Betrag von 26,00 Euro als Energiekostenanteil nach der Sachbezugsverordnung in Abzug gebracht wurde.

Im Rahmen der Folgeantragstellung teilte die Beklagte der Klägerin im Oktober 2007 mit, dass wegen einer geänderten Rechtslage eine erneute Prüfung notwendig sei, ob sie mit dem Zeugen in einer Einstandsgemeinschaft lebe. Eine solche werde nunmehr vermutet, weil sie ihm schon mehr als ein Jahr zusammen lebe. Dem Vorliegen einer solchen Gemeinschaft widersprach der Zeuge P und gab an, er werde nunmehr einen Mietvertrag mit der Klägerin abschließen. Diesen Vertrag, unter dem 28.10.2007 datiert, mit Mietbeginn am 01.01.2007, legte die Klägerin der Beklagten vor. Laut Mietvertrag hatte die Klägerin für Miete inklusive Nebenkosten 80,00 Euro monatlich zu zahlen. Im Mietvertrag war vermerkt, dass ab dem 01.01.2007 ein mündlicher Mietvertrag geschlossen worden sei. Die Klägerin gab an, von Anfang an Nebenkosten an den Zeugen P gezahlt zu haben, bislang in bar. Eine Einstandsgemeinschaft verneinten sowohl die Klägerin wie auch der Zeuge P weiterhin.

Mit Bescheid vom 20.12.2007 lehnte die Beklagte die Leistungsgewährung ab Dezember 2007 mit der Begründung ab, es bestünden Zweifel an der Hilfebedürftigkeit der Klägerin und sie sei ihren Mitwirkungsobliegenheiten wegen Nichtvorlage von Nachweisen über Einkommen und Vermögen des Zeugen P nicht nachgekommen. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 08.09.2008). Im anschließenden Klageverfahren (S 18 (24) AS 85/08) hob das Sozialgericht (SG) Detmold die angefochtene Verwaltungsentscheidung durch Urteil vom 16.12.2009 mit der Begründung auf, die Voraussetzungen für einen Versagungsbescheid nach § 66 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) hätten nicht vorgelegen.

Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15.03.2010 die Gewährung von Leistungen ab Dezember 2007 mangels Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen ab. Nach der Beurteilung des Gesamtbildes bestehe zwischen der Klägerin und dem Zeugen P eine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft, so dass das Einkommen- und Vermögen des Zeugen P zu berücksichtigen sei. Hierzu seien bislang keine Angaben gemacht worden. Die fehlende Feststellbarkeit der Bedürftigkeit müsse sich die Klägerin entgegenhalten lassen. Die Bereitschaft des Zeugen P, die Klägerin in einer Notsituation aufzunehmen, mache die Einstandsbereitschaft des Zeugen deutlich. Die Klägerin bewohne keine abgeschlossene Wohneinheit, welche ein eigenständiges Leben der Klägerin zulassen würde. Die Klägerin und der Zeuge P wirtschafteten gemeinsam. Die Küche der Wohnung werde gemeinsam benutzt, eine Trennung von Lebensmitteln und Küchenutensilien finde nicht statt. Ausschließlich die Klägerin reinige die gemeinsam benutzten Räume. Die Klägerin benutze Waschmaschine und Trockner des Zeugen, außerdem seinen Telefonanschluss. Die Klägerin habe auch vier Jahren keine eigene Wohnung bezogen. Es gebe keine Erklärung dafür, warum der Zeuge P sich mit einer Beteiligung an den Nebenkosten zufrieden gebe. Sie pflegten einen vertrauten Umgang, und würden gemeinsam bei der Beklagten vorsprechen. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin seit Leistungseinstellung ihren Lebensunterhalt durch Zuwendungen des Zeugen P bestreite.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.08.2010 als unbegründet zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 09.09.2010 beim SG Detmold Klage erhoben. Eine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft sei nicht gegeben. Der Zeuge P habe sie lediglich aufgenommen, nachdem er von ihrer Notlage erfahren habe. Dies sei ihm ohne Einschränkungen möglich gewesen, weil die entsprechenden Räume in der Wohnung ohnehin leer gestanden hätten. Die geringe Nutzungsvergütung entspringe dem Willen des Zeugen, der Beklagten Kosten zu ersparen. Erst als die Beklagte später die Auffassung vertreten habe, es müsse ein Mietvertrag vorgelegt werden, sei ein solcher gefertigt und der Beklagten vorgelegt worden. Die Beklagte hätte dem Einzug in die Wohnung des Zeugen P zugestimmt, ohne dass in irgendeiner Weise leistungsrechtliche Konsequenzen angekündigt bzw. angedroht worden seien und habe auch Sozialhilfeleistungen gezahlt. Es bestehe ein begründeter Vertrauensschutz.

Eine exakte Trennung der Lebensmittel im Kühlschrank sei aus Platzgründen nicht möglich gewesen. Die Küche sei fast ausschließlich durch sie benutzt worden, während sich der Zeuge P von Fertiggerichten ernährt habe. Gemeinsam gekocht oder gegessen worden sei nicht. Sie habe die Waschmaschine des Zeugen lediglich deswegen benutzt, weil ihre eigene defekt gewesen sei. Die Teilung der Reinigungsarbeiten entspreche einem normalen Mietverhältnis, zumal sie nur eine geringe Miete zahle. Sie benutze nicht den Telefonanschluss des Zeugen, sondern habe ein eigenes Telefon. Es sei auch keineswegs einfach, eine günstige Wohnung als Alleinstehende zu finden. Außerdem unterhalte der Zeuge P Beziehungen zu anderen Frauen, so auch zu der Zeugin A (im Folgenden Zeugin A) aus Lüneburg, mit der er früher verlobt gewesen sei. Als weiterer Zeuge käme auch der enge Freund des Zeugen P -Horst Müller- (im Folgenden Zeuge M) in Betracht, der diesen regelmäßig, mindestens einmal in der Woche besuche. Dieser fahre auch mit ihm in den Urlaub und besuche mit diesem auch regelmäßig die Freundin des Zeugen P. Auch der Bruder des Zeugen, Dr. G P, der im Erdgeschoss des Hauses L 00 eine Zahnarztpraxis betreibe, könne zu den Verhältnissen zwischen ihr und dem Zeugen P Angaben machen. Zwischenzeitlich sei sie mit dem Zeugen P in ein Haus, welches dieser gekauft habe, umgezogen. Dort habe sie eigene Räume. Der Zeuge P und die Zeugin A hätten bestätigt, dass der Zeuge P kein Interesse an einer engeren Beziehung zu ihr habe, sondern lediglich, dass sie gute Freunde seien. Insbesondere durch die Aussage der Zeugin A werde bestätigt, dass allenfalls zwischen dem Zeugen P und der Zeugin A eine besondere enge Freundschaft bzw. Beziehung bestehe.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.03.2010 und des Widerspruchsbescheides vom 25.08.2010 zu verurteilen, ihr ab Dezember 2007 Leistungen der Grundsicherung nach den Vorschriften des Zweiten Sozialgesetzbuches ohne die Berücksichtigung von Einkommen oder Vermögen des Zeugen P zu bewilligen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bleibt bei ihrer Ansicht, dass zwischen der Klägerin und dem Zeugen P eine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft bestehe. Dies ergebe sich aus dem jahrelangen Zusammenleben trotz der Tatsache, dass die anfängliche Notlage inzwischen vorüber sei, der nicht dem Mietwert entsprechenden Nutzungsvergütung aufgrund eines lediglich nachgeschobenen Mietvertrages bei teilweiser gemeinsamen Nutzung des Hausrates und der allgemein fehlenden klaren Trennung der räumlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Gegen eine bloße Wohngemeinschaft spreche, dass im Rahmen des Mietverhältnisses lediglich 50,00 Euro bzw. 80,00 Euro an Nebenkosten vereinbart worden seien. Des Weiteren hätten die Klägerin und der Zeuge P mittlerweile ihre Wohnung gewechselt und würden erneut gemeinsam Räumlichkeiten bewohnen. Spätestens zum Zeitpunkt des Umzuges hätte es nahegelegen, getrennte Wege zu gehen, um den andauernden "Schwierigkeiten" mit der Grundsicherungsbehörde ein einfaches Ende zu bereiten. Eine "normale WG" hätte sich längst aufgelöst. Die Freundin in Thailand stehe einer Einstandsgemeinschaft nicht entgegen. Dass ein gelegentlicher Besuch einer Frau auf einem anderen Kontinent einer Beziehung entgegenstehen solle, die täglich in engem räumlichen Bezug gelebt werde und von einem gegenseitigen füreinander Einstehen geprägt sei, vermöge nicht einzuleuchten. Auch die Freundschaft des Zeugen P zur Zeugin A sei nicht geeignet, der Annahme einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft entgegenzustehen. Zwar sei einzuräumen, dass die beiden zuvor verlobt gewesen seien und auch jetzt wieder eine engere Freundschaft pflegen mögen. Allerdings sei der Zeuge P mit der Klägerin nicht nur verlobt, sondern auch verheiratet gewesen. Darüber hinaus gebe es bei der Klägerin und dem Zeugen P konkrete Indizien für eine Einstandsgemeinschaft, was im Verhältnis zwischen dem Zeugen P und der Zeugin A nicht der Fall sei. So habe die Zeugin A erklärt, dass sie nach den Erfahrungen mit ihrer Ehe nicht mehr mit einem Mann richtig zusammenleben möchte. Zudem sei sie beispielsweise nicht bereit, zu dem Zeugen P nach Q zu ziehen, um ihn notfalls dort zu pflegen. Gerade diese Hilfestellung habe die Klägerin dem Zeugen angedeihen lassen, sei es in Form von Autofahrten zum Freund während der Krebserkrankung, sei es durch diverse konkrete alltägliche Hilfestellungen wie z.B. Putzen, Wäsche waschen, Einkäufe erledigen, alles jeweils ohne konkrete Gegenleistung.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Beweisaufnahme durch das SG wird hinsichtlich der Vernehmung des Zeugen P und der Zeugin A auf das Sitzungsprotokoll vom 17.06.2011 verwiesen.

Mit Urteil vom 22.03.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin sei im streitgegenständlichen Zeitraum nicht bedürftig, denn das Einkommen und Vermögen des Zeugen P. sei im Rahmen von § 11 SGB II anspruchsausschließend zu berücksichtigen. Denn der Zeuge P. sei der Partner der Klägerin im Sinne von § 9 Abs. 2 S. 1 SGB II, mit welchem sie im streitgegenständlichen Zeitraum in einer Bedarfsgemeinschaft (§ 9 Abs. 2 SGB II) gelebt habe. Zur Bedarfsgemeinschaft gehöre u. a. der Partner des Hilfebedürftigen (§ 9 Abs. 3 SGB II), und hierzu zähle auch eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebe, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen sei, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Dies träfe hier auf den Zeugen P. zu. Dabei sei zu berücksichtigen, dass nach § 9 Abs. 3a Nr. 1 SGB II ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, vermutet werde, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben.

Die Voraussetzungen für diese gesetzliche Vermutung lägen seit Beginn des streitgegenständlichen Zeitraumes vor. Zu diesem Zeitpunkt hätten die Klägerin und der Zeuge P bereits seit mehr als einem Jahr zusammen gewohnt. Sie hätten im fraglichen Zeitraum eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft, die über ein bloßes Zusammenleben in einer Wohneinheit hinausging, gebildet. Hierfür spreche, dass die Klägerin und der Zeuge P nur über Kochtöpfe verfügt haben, die der Klägerin gehört haben, dass nach letztlich wohl übereinstimmenden Angaben beider weder eine Trennung der Lebensmittel, die im Wesentlichen gemeinsam eingekauft worden seien, erfolgt sei, noch die anfallenden Reinigungsarbeiten hälftig aufgeteilt gewesen seien, sondern die Klägerin diese zum überwiegenden Teil übernommen habe. Schließlich werde seit mehr als vier Jahren finanziell umfassend aus "einem Topf" gewirtschaftet, in dem allein der Zeuge P für den Lebensunterhalt der Klägerin finanziell aufkomme.

Die sich hieraus ergebene Vermutung eines gegenseitigen Einstandswillens sei durch die weiteren Umstände nicht widerlegt. Nicht entscheidend gegen eine Einstandsgemeinschaft spreche dabei zunächst, dass nach den Ergebnissen des Hausbesuchs die Klägerin und der Zeuge P in getrennten Zimmern schlafen. Denn dies komme auch bei Ehepartnern vor. Für einen gegenseitigen Einstandswillen spreche demgegenüber, dass sich die Klägerin um den Zeugen P nach übereinstimmenden Schilderungen während einer Krankheitsphase gekümmert habe. Ein weiterer für eine Einstandsgemeinschaft sprechender Umstand sei, dass die Klägerin nach Überwindung ihrer anfänglichen Notlage beim Zeugen P wohnen geblieben sei, obwohl sie spätestens seit Beginn der gerichtlichen Auseinandersetzungen genau gewusst habe, dass sie durch einen Auszug aus der gemeinsamen Wohnung mit dem Zeugen P eine Klärung der Situation hätte herbeiführen können, ohne dass (spätestens nach Überwindung der Schwierigkeiten des Sohnes der Klägerin) ein durchgreifender Grund für die Aufrechterhaltung der Wohngemeinschaft gesprochen hätte. Vielmehr sei die Klägerin sogar mit dem Zeugen P in ein neues Haus umgezogen. Auch habe die Klägerin nach übereinstimmender Schilderung beider zumindest zeitweise in Form von Bankkarte und PIN prinzipiell unkontrollierten Zugriff auf das Konto des Zeugen P gehabt. Entscheidend sei jedoch, dass der Zeuge P die Klägerin seit mehr als vier Jahren trotz des ungewissen Ausganges des hiesigen Rechtsstreits umfassend hinsichtlich Obdach und Lebensunterhalt versorge. Dies gehe weit über die Hilfsbereitschaft eines guten Bekannten oder auch eines wohlwollenden Ex-Ehemannes hinaus. Hierbei sei es nicht glaubhaft, dass es sich bei den laufenden finanziellen Zuwendungen des Zeugen an die Klägerin lediglich um Darlehen handeln soll, das die Klägerin zurückzuerstatten habe. Hiergegen spreche neben der Dauer dieses "Arrangement" entscheidend der Umstand, dass eine Kontrolle im Einzelnen, wie hoch die Zuwendungen bisher gewesen und weiterhin seien, selbst nach seinen eigenen Schilderungen nicht einmal ansatzweise stattfände. Vielmehr werde letztlich, wie bereits erwähnt, finanziell umfassend und undifferenziert aus einem Topf gewirtschaftet. Der Zeuge P vermag also letztlich überhaupt keinen Überblick darüber zu gewinnen, wie hoch die von ihm angeblich der Klägerin gewährten "Darlehen" inzwischen seien. Seine Angabe, dass diese in etwa dem Regelbedarf der Klägerin im hier streitgegenständlichen Zeitraum entsprechen, müsse dabei als Spekulation gewertet werden. Angesichts dieser starken für eine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft zwischen der Klägerin und dem Zeugen sprechenden Indizien falle die von der Zeugin A geschilderte Beziehung zu dem Zeugen P nicht durchgreifend ins Gewicht. Angesichts der räumlichen Entfernung, des eher geringen Umfangs der Zeit, die die Zeugin A und der Zeuge P nach eigenen Angaben miteinander verbringen, und des Umstandes, dass die Zeugin A ein Zusammenleben mit dem Zeugen P (außer im Fall seiner etwaigen Pflegebedürftigkeit) für sich kategorisch ausschließe, vermögen die Schilderungen der Zeugin A das SG nicht ohne gewichtige Restzweifel davon überzeugen, dass entgegen der gesetzlichen Vermutung des § 9 Abs. 3a SGB II deswegen keine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft zwischen dem Zeugen P und der Klägerin vorliege, weil die angebliche Beziehung zwischen dem Zeugen P und der Zeugin A eine solche ausschließen würde. Vielmehr sei es aufgrund der Umstände nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen, dass es sich bei dem Verhältnis der beiden Zeugen lediglich um eine gute und enge Freundschaft handele.

Aufgrund des Vorstehenden könne es auch (obgleich dafür einiges spreche) letztlich dahingestellt bleiben, ob die Klägerin allein schon wegen der tatsächlichen Zuwendungen des Zeugen P, welche nach seinen Angaben in etwa dem Regelbedarf der Klägerin entsprechen, über bedarfsdeckendes und damit entsprechend § 9 Abs. 1 SGB II ihre Bedürftigkeit ausschließendes Einkommen verfüge, sodass die Klage schon deshalb als unbegründet abzuweisen wäre.

Gegen das ihr am 24.04.2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 14.05.2012 Berufung eingelegt. Sie ist weiterhin der Auffassung, dass ihr Leistungen nach dem SGB II zuständen. Eine Bedürftigkeit sei gegeben. Sie habe im streitgegenständlichen Zeitraum nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit dem Zeugen P gelebt. Zu keinen Zeitpunkt hätten sie eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft gebildet, die über ein bloßes Zusammenleben in einer Wohneinheit hinausgegangen wäre. Dass sie Teile ihres Hausrates, z.B. Kochtöpfe, mitgenommen habe und diese in der Küche des Zeugen P benutzt habe, widerspreche keinesfalls einer getrennten Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft. Der Zeuge P habe keine Töpfe besessen, da er selber nicht gekocht habe. Auch nach ihrem Einzug habe er ihre Töpfe nicht benutzt. Die anfallenden Reinigungsarbeiten seien von ihnen anteilig ausgeführt worden. Soweit es tatsächlich vorgekommen sei, dass sie einen etwas höheren Anteil der Reinigungsarbeiten übernommen habe, könne daraus kein besonderer Einstandswillen, der über eine reine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehe, abgeleitet werden. Sie habe allenfalls Räume sauber gehalten, die auch von ihr genutzt worden seien. Das finanzielle Wirtschaften aus einem Topf sei zwingend notwendig gewesen, weil sie von der Beklagten auf ihren Antrag hin keinerlei finanzielle Unterstützung erhalten habe und ohne die darlehensweise Unterstützung durch den Zeugen P schlicht und einfach verhungert wäre. Sie habe in einem separaten Zimmer mit eigenem Bad/WC gewohnt. Dabei habe es sich um einen früheren Büroraum, der von dem Zeugen P. nicht mehr benötigt worden sei und leer gestanden habe, gehandelt. Auch die Tatsache, dass sie sich um den Zeugen P während seiner Erkrankung gekümmert habe, stehe einer Wohngemeinschaft nicht entgegen. Dass sie über einen längeren Zeitraum in der Wohnung des Zeugen P verblieben sei, sei in erster Linie darauf zurückzuführen, dass es ihr nicht möglich gewesen sei, einen angemessenen eigenen Wohnraum zu finden.

Auch sei die Benutzungsmöglichkeit der Bankkarte des Zeugen P nicht aufgrund der Tatsache erfolgt, dass der Zeuge P den Willen gehabt hätte, aufgrund eines besonderen Einstandswillen für ihren Unterhalt und die notwendigen Kosten einzustehen. Der Zeuge P habe niemals habe für sie einstehen wollen. Er habe sie lediglich für die Dauer der Nichtleistung seitens der Beklagten darlehensweise unterstützt, da sie ansonsten keine Mittel zum Leben gehabt hätte. Aufgrund der Tatsache, dass die Ehe geschieden worden sei, werde bestätigt, dass keine gegenseitige innere Beziehung und Bindung bestehe, die ein Leben in einer Einstandsgemeinschaft begründen würde. Die ihr vom Zeugen P zur Verfügung gestellten Mittel seien darlehensweise erfolgt. Der Zeuge P habe in seiner Vernehmung zum Ausdruck gebracht, dass es ihm einzig und allein darum gegangen sei, zum einen ihr bei ihren Problemen zu helfen und zum anderen, insbesondere den Staat und die öffentlichen Kassen zu entlasten. Die Ausführungen des SG, die darlehensweise Unterstützung sei nicht glaubhaft, sei reine Spekulation. Sie sei nicht unbegrenzt und uneingeschränkt unterstützt worden. Die Unterstützung sei niemals über den Umfang der ihr zustehenden SGB II-Leistungen hinausgegangen. Die Zeugin A habe ausgeführt, niemals den Eindruck gehabt zu haben, dass ein wechselseitiger Wille der Parteien anzunehmen sei, Verantwortung füreinander zu tragen und für einander einzustehen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 22.03.2012 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.03.2010 und des Widerspruchsbescheides vom 25.08.2010 zu verurteilen, ihr ab Dezember 2007 Leistungen der Grundsicherung nach den Vorschriften des SGB II ohne die Berücksichtigung von Einkommen oder Vermögen des Zeugen P zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Berufungsbegründung zu den Reinigungsarbeiten stehe im Widerspruch zur Beweisaufnahme vom 17.06.2011. In der Beweisaufnahme habe die Klägerin bekundet, dass der Zeuge P eigentlich gar nicht geputzt habe. Auch sei der Vortrag, der Zeuge P habe die Klägerin finanziell unterstützen müssen, weil sie sonst verhungert wäre, nicht zwingend. Wenn keinerlei innere Bindungen mit gegenseitigem Einstandswillen vorhanden gewesen wären, hätte es weitaus näher gelegen, sich räumlich zu trennen, anstatt während laufender diesbezüglicher Rechtsstreitigkeiten auch noch gemeinsam umzuziehen. Dass es der Klägerin nicht möglich gewesen sein soll, über einen Zeitraum von mehreren Jahren angemessenen Wohnraum zu finden, sei nicht auf mangelndes Angebot, sondern auf fehlendes Interesse der Klägerin zurückzuführen. Im Kreis Minden-Lübbecke bestehe keine allgemeine Wohnungsnot. Ggf. möge die Klägerin ihre nachhaltigen Bemühungen um den Erhalt einer angemessenen Wohnung nachweisen. Wenn es dem Zeugen P darum gegangen sei, der Klägerin bei deren Problemen zu helfen, so spreche dies für eine Einstandsgemeinschaft und nicht dagegen. Das SG habe einleuchtend begründet, dass die darlehensweise Gewährung bisheriger Unterstützungen nicht glaubhaft sei. Das Argument der Darlehensgewährung stelle angesichts einer nicht vorhandenen Dokumentation zugewendeter Mittel eher eine nicht verifizierbare Schutzbehauptung dar.

Das Gesamtbild erscheine als Lebensgemeinschaft, die nicht nur durch gemeinsames Wohnen und Wirtschaften aus einem Topf, sondern auch durch gegenseitiges füreinander Einstehen im Bedarfsfall gekennzeichnet sei. Dass es sich um ehemalige Eheleute handele, indiziere langjährig gewachsene innere Bindungen, die immer noch so weit reichen, dass man für den anderen, sei es finanziell, sei es pflegemäßig, sei es bei hauswirtschaftlichen Verrichtungen, einspringe.

Ungeachtet des Umstandes, dass die Klägerin und der Zeuge P die Voraussetzungen für eine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft nach erfüllen würden, schraube die Entscheidung des Bundessozialgerichts -BSG- vom 23.08.2012 (B 4 AS 34/12 R) die tatbestandlichen Anforderungen an die Vermutungsregelung des § 7 Abs. 3a SGB II dermaßen hoch, dass sich hieraus im Ergebnis eine verfassungsrechtlich unzulässige Benachteiligung der Ehe gegenüber der nichtehelichen Gemeinschaft ergeben könnte.

Der Senat hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen P und M. Die Ladung der Zeugin A zum Termin hat der Senat aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Zeugin wieder aufgehoben. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 06.06.2013 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Zu Unrecht hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtene Verwaltungsentscheidung ist rechtswidrig und beschwert die Klägerin im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.12.2007 bis 06.06.2013. In dem streitigen Zeitraum bildete sie mit dem Zeugen P keine Bedarfsgemeinschaft. Die von dem Zeugen P der Klägerin gewährten Geldbeträge sind lediglich als Darlehen zu qualifizieren.

Streitgegenständlich bei einer vollständigen Leistungsversagung ist grundsätzlich die Zeit ab Antragstellung (Dezember 2007) bis zur letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2012, B 4 AS 99/11 R; BSG, Urteil vom 15.04.2008, B 14/7b AS 68/06 R).

Die Klägerin erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 SGB II. Danach erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet bzw. die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Die Klägerin, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet bzw. die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht hat, ist erwerbsfähig und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.

Die Klägerin ist auch hilfebedürftig. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

Die Klägerin verfügt(e) im streitigen Zeitraum (01.12.2007 bis 06.06.2013) selbst über kein Einkommen oder Vermögen. Die von dem Zeugen P zur Verfügung gestellten Mittel sind als Darlehen zu qualifizieren. Etwaiges Einkommen oder Vermögen des Zeugen P durfte zur Feststellung der Hilfebedürftigkeit der Klägerin nicht berücksichtigt werden.

Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II sind bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig (§ 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II). Die Klägerin bildet(e) im streitigen Zeitraum mit dem Zeugen P keine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II. Nach dieser Vorschrift gehört als Partner der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine Person zur Bedarfsgemeinschaft, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Dieser Wille wird nach § 7 Abs. 3a SGB II vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben (Nr. 1), mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben (Nr. 2), Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen (Nr. 3) oder befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen (Nr. 4). Bei den Kriterien Partnerschaft und Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt handelt es sich um objektive Tatbestandsvoraussetzungen, die nach der Systematik des § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II kumulativ zu der subjektiven Voraussetzung des Einstehens- und Verantwortungswillens gegeben sein müssen. Ob eine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft in diesem Sinne vorliegt, ist anhand der Indizien und im Wege einer Gesamtwürdigung festzustellen (BSG, Urteil vom 23.08.2012, B 4 AS 34/12 R, Rn. 13, 14 in juris).

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien steht zur Überzeugung des Senats nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass zwischen der Klägerin und dem Zeugen P im streitigen Zeitraum vom 01.12.2007 bis 06.06.2013 eine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft nicht gegeben war. Es fehlt bereits an der Tatbestandsvoraussetzung einer Partnerschaft zwischen der Klägerin und dem Zeugen P. Von dem Bestehen einer Partnerschaft ist auszugehen, wenn eine gewisse Ausschließlichkeit der Beziehung gegeben ist, die keine vergleichbare Lebensgemeinschaft daneben zulässt. Des Weiteren muss zwischen dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und dem Dritten die grundsätzliche rechtlich zulässige Möglichkeit der Heirat bzw. Begründung einer Lebenspartnerschaft nach dem LPartG bestehen (BSG, Urteil vom 23.08.2012, a.a.O., Rn. 20). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Beklagten werden vom Senat nicht geteilt. Vielmehr hat das BSG in seinem Urteil vom 23.08.2012 die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen einer Partnerschaft und des Zusammenlebens in einem gemeinsamen Haushalt im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zutreffend ausgelegt.

Nach den glaubhaften Angaben der Klägerin und der Zeugen liegt eine selbstständige Lebensführung mit überwiegend getrennten (außer)häuslichen Aktivitäten und im Wesentlichen getrennter Zubereitung und Einnahme von Mahlzeiten vor. Zwar hat die Klägerin dem Zeugen P Hilfe angedeihen lassen, sei es in Form von Autofahrten zum Freund während der Krebserkrankung, sei es durch diverse konkrete alltägliche Hilfestellungen wie z.B. putzen, Wäsche waschen, Einkäufe erledigen, ohne konkrete Gegenleistung. Dabei geht der Senat auch in Kenntnis der unterschiedlichen Angaben der Klägerin und des Zeugen P in der ersten und zweiten Instanz zu dem Umfang der von ihnen im Haushalt geleisteten Verrichtungen davon aus, dass die Klägerin bei den Haushaltsaufgaben den größeren Anteil verrichtet hat. Hierfür hat die Klägerin auch einen nachvollziehbaren Grund genannt. Sie hält es für gerecht, mehr von den Haushaltsaufgaben zu übernehmen, weil sie bei dem Zeugen P kostengünstig wohnen kann. Eine sexuelle Beziehung zu dem Zeugen P hat die Klägerin verneint. Ein Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Zeugen P wird auch von dem Zeugen M verneint. Nach seiner Aussage hat der Zeuge P eine Bekanntschaft mit der Zeugin A. Seine Aussage steht im Einklang mit den Angaben des Zeugen P. Danach bestehen zwischen ihm und der Klägerin keine persönlich engen Beziehungen. In seinem Freizeitverhalten ist die Klägerin nicht mit einbezogen. Sie unternehmen praktisch nichts zusammen. Gemeinsame Urlaube werden übereinstimmend von der Klägerin und dem P verneint.

Auch die räumliche Aufteilung bzw. Trennung der von der Klägerin bewohnten Zimmer sowohl in der ehemaligen Wohnung im L als auch in dem jetzigen Haus im L1 sprechen gegen eine Partnerschaft. In beiden Wohnungen standen der Klägerin eigene Räume zur Verfügung. In der damaligen Wohnung (L) befanden sich nach dem Bericht des Außendienstmitarbeiters im Zimmer der Klägerin eine Schlafcouch, Schränke und ein Tisch. Von dem Zimmer war eines der drei Bäder zu erreichen, welches Hygieneartikel für Frauen enthielt. Die Klägerin gab an, die Küche werde gemeinsam genutzt. Der Außendienstmitarbeiter kam zu dem Schluss, dass einige Indizien für, andere jedoch gegen eine Einstandsgemeinschaft sprachen. Die Beklagte hat in Kenntnis dieses Berichtes die Leistungen weiter gewährt. Letztlich führte nicht eine tatsächliche Änderung des Sachverhalts zur Ablehnung der Leistungen durch die Beklagte, sondern, worauf die Beklagte die Klägerin im Oktober 2007 im Rahmen des Fortzahlungsantrages hingewiesen hatte, eine gesetzliche Änderung. Der wechselseitige Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, werde nach § 7 Abs. 3a SGB II u. a vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben.

Eine andere Beurteilung ist auch nicht durch den Umzug in das Haus L1, welcher nach den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 06.06.2013 vor etwa zwei Jahren durchgeführt worden ist, gerechtfertigt. Auch dort verfügt die Klägerin über ein größeres eigenes Zimmer und über ein eigenes Badezimmer. Zwar steht nur eine gemeinsame Küche zur Verfügung. Eine gemeinsame Küche stand auch nur in der Wohnung L zur Verfügung und ist auch bei Wohngemeinschaften nicht untypisch.

Insbesondere spricht gegen eine partnerschaftliche Beziehung zwischen der Klägerin und dem Zeugen P die partnerschaftliche Beziehung zwischen dem Zeugen P und der Zeugin A, die in früheren Jahren bereits mit dem Zeugen P verlobt gewesen ist. Familienfeste besucht der Zeuge P nicht mit der Klägerin, sondern mit der Zeugin A, so zuletzt auch die Feier des Bruders des Zeugen P. Auch der Zeuge M hat bestätigt, dass bei gemeinsamen Feiern der Zeuge P mit der Zeugin A und nicht mit der Klägerin erscheine. Auch ist der Zeuge P mit der Zeugin A in den Urlaub gefahren. Ein weiterer Urlaub mit der Zeugin A, der für den Juni dieses Jahres geplant war, musste wegen eines Krankenaufenthaltes der Zeugin A abgesagt werden. Zudem lebt die Zeugin A während des Aufenthalts in Q mit dem Zeugen P zusammen und nächtigt auch im Ehebett des Zeugen P. Dementsprechend hat der Zeuge M auch eine Partnerschaft zwischen der Klägerin und dem Zeugen P verneint.

Aufgrund der Tatsache, dass der Senat bereits das Kriterium der Partnerschaft als nicht erfüllt ansieht, kann dahinstehen, inwieweit zwischen der Klägerin und dem Zeuge P in der streitgegenständlichen Zeit ein Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt und ein Einstehens- und Verantwortungswille gegeben war. Der Senat verkennt nicht, dass der Umzug in eine gemeinsame Wohnung und die längerfristige finanzielle Unterstützung der Klägerin durch den Zeugen P eher einer Partnerschaft als einer Wohngemeinschaft entspricht. Die Klägerin hat jedoch den Grund angeführt, der sie zu einem gemeinsamen Umzug in das Haus des Zeugen P veranlasst hat. Danach liegt der Grund für den Umzug in der früheren Drogenabhängigkeit des Sohnes der Klägerin, auf den sie weiter achten will und der ebenfalls in das Haus des Zeugen P gezogen ist. So hat sie das Methadon-Programm mit ihrem Sohn durchgezogen. Die Nähe zum Sohn wird auch von dem Zeugen P als Umzugsgrund angeführt.

Schließlich lässt die finanzielle Unterstützung der Klägerin durch den Zeugen P. ihre Hilfebedürftigkeit nicht entfallen. Diese Unterstützung stellt kein zu berücksichtigendes Einkommen der Klägerin im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II dar. Nach Sinn und Zweck dieser Norm kann eine von einem Dritten lediglich vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistung nicht als Einkommen qualifiziert werden. Der Zuwachs muss dem Hilfebedürftigen zur endgültigen Verwendung verbleiben, denn nur dann lässt er seine Hilfebedürftigkeit dauerhaft entfallen. Ein Darlehen, das an den Darlehensgeber zurückzuzahlen ist, stellt als nur vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistung kein Einkommen dar, auch wenn es als "bereites Mittel" zunächst zur Deckung des Lebensunterhalts verwandt werden könnte (vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2010, B 14 AS 46/09 R m.w.N.) und vorliegend auch verwandt wurde.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die finanzielle Unterstützung der Klägerin durch den Zeugen P lediglich als Darlehen anzusehen. Gemäß § 488 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wird der Darlehensgeber durch den Darlehensvertrag verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen. Ist für die Rückzahlung des Darlehens eine Zeit nicht bestimmt, so hängt die Fälligkeit davon ab, dass der Darlehensgeber oder der Darlehensnehmer kündigt. Die Kündigungsfrist beträgt drei Monate. Sind Zinsen nicht geschuldet, so ist der Darlehensnehmer auch ohne Kündigung zur Rückzahlung verpflichtet (§ 488 Abs. 3 BGB). Die vereinbarte Höhe muss nicht ein bestimmter Geldbetrag sein. Es kann auch ein Darlehen für ein bestimmtes vorzunehmendes Geschäft vereinbart werden, bei dem der Betrag noch nicht feststeht (vgl. Weidenkaff in Palandt, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 72. Auflage 2013, § 488 Rn. 4).

Die von dem Zeugen P der Klägerin gewährten Geldbeträge stellen einzelne Darlehen dar. Zwar halten die zwischen der Klägerin und dem Zeugen P mündlich geschlossenen Darlehensverträge einem strengen Fremdvergleich nicht stand. Dies ist auch nicht erforderlich. Bei der Prüfung, ob überhaupt ein wirksamer Darlehensvertrag geschlossen worden ist, können einzelne Kriterien des sog. Fremdvergleichs herangezogen und bei der abschließenden, umfassenden Würdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalles mit eingestellt werden. Bei der Beurteilung von Darlehensverträge unter Familienangehörigen geht es im Kern um die Abgrenzung zu Schenkung bzw. verdeckter Unterhaltsgewährung (BSG, Urteil vom 17.06.2010, B 14 AS 46/09 R).

Zur Überzeugung des Senats steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass der Zeuge P der Klägerin die finanziellen Mittel darlehensweise zur Verfügung gestellt hat und die Klägerin zur Rückzahlung der Mittel verpflichtet gewesen ist. So hat der Zeuge P in seiner erstinstanzlichen Vernehmung ausgesagt, dass er die Klägerin finanziell unterstützt hat, sofern sie Geld benötigt. Es handelt sich nach den Angaben des Zeugen P um ein zinsloses Darlehen. Er erwarte eine Rückzahlung, wenn die Beklagte die Leistungen bewilligt. Auch in der zweitinstanzlichen Vernehmung hat der Zeuge P noch einmal bekundet, für den Fall, dass die Klägerin rückwirkend Leistungen zugesprochen werden, ihm die Rückzahlung der von ihm gewährten Leistungen wichtig ist, weil er nicht über eine große Rente verfügt. Konkret stehen ihm selbst monatlich 800,00 bis 1000,00 Euro nach Abzug aller Belastungen zur Verfügung. Auch die Klägerin hat eine grundsätzliche Rückzahlungsverpflichtung bestätigt. Sie geht davon aus, dass bei einer rückwirkenden Gewährung von Leistungen ein Pauschalbetrag mit dem Zeugen P im Rahmen der Rückzahlung vereinbart wird. Bei der Gesamtwürdigung hat der Senat auch die (familiäre) Vertrauensbeziehung zwischen der Klägerin und dem Zeugen P, die früher verheiratet gewesen sind, berücksichtigt So wird das Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Zeugen P von der Zeugin A als harmonische Vermieterbeziehung bezeichnet.

Schließlich steht der Beurteilung des Senats nicht entgegen, dass der Zeuge P seit mehr als fünf Jahre keine Geldbeträge von der Klägerin zurückgefordert hat. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass der Klägerin aufgrund der ablehnenden Entscheidung der Beklagten keine finanziellen Mittel zur Verfügung gestanden haben. Im Hinblick auf die grundsätzliche Rückzahlungsverpflichtung handelt es sich nach Auffassung des Senats weder um eine Schenkung noch um eine verdeckte Unterhaltsgewährung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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