L 19 AS 771/13

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 41 AS 67/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 771/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29.11.2012 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Beklagte wendet sich gegen seine Verurteilung zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für März 2009.

Der am 00.00.1948 geborene Kläger ist Inhaber einer Kapitallebensversicherung mit Berufsunfähigkeitsschutz bei der A Lebensversicherung AG (Versicherungsschein-Nr.: 000). Die Laufzeit der Versicherung endet zum 01.12.2013. Am 08.09.2005 vereinbarte der Kläger mit dem Versicherungsunternehmen einen Verwertungsausschluss nach § 165 Abs. 3 VVG. Der Wert der vom Verwertungsausschluss betroffenen Ansprüche betrug 200,00 EUR je vollendetem Lebensjahr des Versicherungsnehmers und seines Partners, höchstens jedoch jeweils 13.000,00 EUR. Die Beitragszahlungen erfolgen jährlich, zum 01.12.2008 zahlte der Kläger einen Beitrag von 1.365,69 EUR. Laut Auskunft des Versicherungsunternehmens vom 02.02.2009 betrug der Rückkaufwert der Versicherung zuzüglich Überschüssen zum 01.02.2009 27.906,64 EUR.

Im März 2009 zahlte die A E Lebensversicherung AG an den Kläger zunächst 3.200,00 EUR und anschließend 5.000,00 EUR aus. Die Gutschriften auf das Girokonto erfolgten am 06.03.2009 bzw. 27.03.2009. Am 10.03.2009 überwies der Kläger einen Betrag von 3.000,00 EUR an Frau C zur Rückführung eines privaten Kredits. Der Kläger beglich am 26.03.2009 die Rechnung für eine Kraftfahrzeugreparatur i.H.v. 969,19 EUR bar. Das Girokonto des Klägers wies am 31.03.2009 ein Guthaben von 3.157,74 EUR auf.

Seit dem 01.12.2011 bezieht der Kläger eine monatliche Rente aus dem Versorgungswerk der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen i.H.v. 1.046,81 EUR brutto. Von der Rente erfolgt ein Abzug von 185,29 EUR für Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge. Seit dem 01.09.2013 erhält der Kläger eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 234,54 EUR monatlich.

Seit August 2005 bezog der Kläger durchgehend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Im Januar 2009 beantragte er die Fortzahlung der Leistungen ab dem 01.03.2009. Er gab in der "Anlage VM" zur Feststellung der Vermögensverhältnisse u.a. an, er habe Beiträge i.H.v. insgesamt 29.952,06 EUR auf seine Kapitallebensversicherung eingezahlt. Der Auszahlungsbetrag bei Rück- oder Verkauf belaufe sich auf 29.044,72 EUR. Auf Nachfrage der Rechtsvorgängerin des Beklagten (nachfolgend einheitlich Beklagter) legte der Kläger eine Bescheinigung der A E Lebensversicherung AG vom 02.02.2009 vor, wonach sich der Rückkaufwert seiner Lebensversicherung zum 01.02.2009 auf 27.906,64 EUR beläuft.

Durch Bescheid vom 03.03.2009 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Das Vermögen des Klägers von insgesamt 28.586,66 EUR (Rückkaufwert der Lebensversicherung 27.906,64 EUR + Guthaben Konto Q-bank 500,00 EUR + Bargeld 80,00 EUR + Guthaben Sparbuch 100,02 EUR) überschreite die Vermögensfreigrenze um 18.836,66 EUR. Die Verwertung der Lebensversicherung sei dem Kläger zumutbar.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er machte u.a. geltend, die Verwertung der Lebensversicherung bedeute für ihn eine besondere Härte.

Durch Widerspruchsbescheid vom 24.03.2009 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Rückkaufwert der Lebensversicherung i.H.v. 27.906,64 EUR zum 02.02.2009 übersteige den Freibetrag von insgesamt 24.750,00 EUR, der sich aus einem Freibetrag nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 SGB II i.H.v. 9.000,00 EUR (60 x 150,00 EUR), einem Freibetrag nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 SGB II i.H.v. 15.000,00 EUR (60 x 200,00 EUR) und einem Freibetrag nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 SGB II i.H.v. 750,00 EUR zusammensetze. Da das Vermögen des Klägers den Freibetrag um mindestens 3.156,64 EUR übersteige und die Verwertung der Lebensversicherung keine besondere Härte darstelle, bestehe kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II.

Am 31.03.2009 beantragte der Kläger erneut die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Er gab an, aus der Lebensversicherung sei ihm ein Betrag i.H.v. insgesamt 8.200,00 EUR ausgezahlt worden sei. Er habe von Frau C in den Jahren 2008 und 2009 jeweils ein zweckgebundenes Darlehen i.H.v. 1.500,00 EUR zur Erfüllung seiner Beitragsverpflichtung zwecks Aufrechterhalten seines Berufsunfähigkeitsschutzes erhalten. Dieses Darlehen habe er mit den Beträgen aus dem Teilrückkauf getilgt. Er legte eine Bescheinigung der A E Lebensversicherung AG vom 02.04.2009 vor, wonach sich der Rückkaufwert der Versicherung zuzüglich Überschüsse zum 01.12.2009 auf 21.000,82 EUR beläuft. Der Beklagte bewilligte dem Kläger durch Bescheid vom 16.04.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie Beitragszuschüsse zur Rentenversicherung i.H.v. 756,70 EUR monatlich für die Zeit vom 01.04.2009 bis zum 30.09.2009.

Am 22.04.2009 hat der Kläger Klage erhoben. Er hat vorgetragen, der Beklagte sei von überholten Verhältnissen ausgegangen. Wegen des Teilrückkaufes der Lebensversicherung und der Tilgung eines Darlehens sei eine Verwertbarkeit des Vermögens nicht mehr gegeben gewesen. Es habe sich nur noch um Schonvermögen gehandelt. Ihm sei es auch nicht möglich gewesen, das Versicherungsverhältnis vor dem 01.12.2009 zu beenden. Daher mangele es bereits an einem verwertbaren Vermögensgegenstand. Die Versicherung diene seiner Altersvorsorge in einem angemessenen Umfang. Ihre Verwertung sei offensichtlich unwirtschaftlich und bedeute für ihn eine besondere Härte.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 03.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.03.2009 zu verurteilen, ihm für den Monat März 2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Durch Urteil vom 29.11.2012 hat das Sozialgericht den Beklagten unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides verurteilt, dem Kläger für den Monat März 2009 Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Im Hinblick auf die kurze Dauer der Leistungsunterbrechung hat das Sozialgericht eine besondere Härte i.S.v. § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 Alt. 2 SGB II als gegeben angesehen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das ihm am 09.04.2013 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 29.04.2013 Berufung eingelegt. Er wendet sich gegen die Annahme einer besonderen Härte i.S.v. § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 Alt. 2 SGB II. Eine besondere Härte liege vor, wenn dem Betroffenen durch die Verwertung des Vermögens ein deutlich größeres Opfer abverlangt werde, als die mit der Vermögensverwertung stets verbundenen Einschnitte. Der Rückkaufwert aus der Lebensversicherung habe mehr als 6.000,00 EUR oberhalb des zu berücksichtigenden Freibetrages von 21.750,00 EUR gelegen Der Leistungsausschluss von nur einem Monat sei allein darin begründet, dass der Kläger sein vorhandenes und den Freibetrag übersteigendes Vermögen nach dem Leistungsausschluss in so kurzer Zeit verbraucht habe, dass er ab dem 01.04.2009 bereits wieder Leistungen nach dem SGB II habe beziehen können. Die kurzfristige Entscheidung des Klägers, mit dem Vermögen Schulden zu tilgen und so sein vorhandenes Vermögen innerhalb der Schongrenze zu bringen, könne nicht zu einer besonderen Härte führen. Der Ausschlussgrund nach § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 SGB II liege nur im vom Beklagten anerkannten Umfang vor. Eine Vereinbarung über einen weitergehenden Verwertungsausschluss (i.H.v. 250,00 EUR je Lebensjahr) habe der Kläger nicht getroffen. Selbst bei Berücksichtigung eines Verwertungsausschlusses i.H.v. 250,00 EUR pro Lebensjahr liege das Vermögen zudem noch über den Freibetragsgrenzen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29.11.2012 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Ergänzend trägt er vor, er habe sich nach Ankündigung der Leistungsablehnung mit seiner Lebensversicherung in Verbindung gesetzt. Diese habe ihm angeboten, Teilrückkäufe zu tätigen, um auf diese Art und Weise wenigstens zu erreichen, dass die Lebensversicherung als solche weiterhin bestehen bleibe und im Rentenalter zur Aufbesserung der Rente dienen könne. Hieraus resultierte der vereinnahmte Betrag von 8.200,00 EUR.

Auf Anfrage des Senats hat die A E Lebensversicherung AG mitgeteilt, dass der Rückkaufwert der Lebensversicherung am 1.3.2009 24.876,63 EUR und am 1.4.2009 20.265,40 EUR betragen habe. Die Beitragszahlungen hätten sich bis zum 28.02.2009 auf 28.807,64 EUR belaufen. Dem Kläger sei am 02.03.2009 ein Betrag von 3.200,00 EUR und am 24.03.2009 ein Betrag von 5.000,00 EUR ausgezahlt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Der Berufungsstreitwert (§ 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG) ist erreicht. Der Beklagte hat dem Kläger bis Februar 2009 und ab April 2009 jeweils 756,70 EUR monatlich bewilligt, so dass anzunehmen ist, dass der Kläger diesen Betrag auch für März 2009 begehrt.

Die Berufung ist nicht begründet.

Der Bescheid vom 03.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.03.2009 ist rechtmäßig. Dem Kläger steht gegenüber dem Beklagten (als Rechtsnachfolger der zunächst beklagten Arbeitsgemeinschaft, § 76 Abs. 3 S. 1 SGB II) kein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für März 2009 zu.

Zwar hat der Kläger die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2, und 4 SGB II für den Leistungsbezug im März 2009 erfüllt, da er das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht, seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik gehabt hat und erwerbsfähig i.S.v. § 8 SGB II gewesen ist.

Jedoch ist der Kläger im streitigen Zeitraum nicht hilfebedürftig i.S.v. §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 9 SGB II gewesen. Nach § 9 Abs. 1 S. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln aus dem zu berücksichtigenden Einkommen und Vermögen sichern kann.

Der Kläger hat im streitbefangenen Zeitraum über ein verwertbares Vermögen in Form von Forderungen aus einer Kapitallebensversicherung (A) verfügt, das seinen Bedarf im streitbefangenen Zeitraum gedeckt hat (B). Die Berücksichtigung als Vermögen ist nicht kraft Gesetzes ausgeschlossen (C.) und die Verwertung ist dem Kläger zumutbar gewesen (D.)

A. Das zum 01.03.2009 zu berücksichtigende Vermögen des Klägers hat sich aus Forderungen aus einem Kapitallebensversicherungsvertrag und Guthaben auf Bankkonten zusammengesetzt.

Vermögen i.S.v. § 12 SGB II sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände. Hierzu können neben beweglichen Sachen und Immobilien auch verbriefte oder nicht verbriefte Forderungen und Geldleistungen in Form von Rückkaufwerten aus Versicherungen gehören. Der Berücksichtigung von Forderungen als Vermögen i.S.v. § 12 SGB II steht nicht entgegen, dass weitere Verwertungshandlungen zwischengeschaltet werden müssen, um einen tatsächlichen Zufluss als Einnahme in Geld oder Geldeswert und damit als Einkommen i.S.v. § 11 SGB II zu erreichen. Daher können auch künftig fällig werdende Forderungen Vermögensgegenstände i.S.v. § 12 SGB II sein (vgl. BSG Urteil vom 30.08.2010 B 4 AS 70/09 R, Rn 14, 15). Insoweit handelt es sich bei der Forderung aus der Kapitallebensversicherung, die dem Kläger im Fall der vorzeitigen Vertragsauflösung zusteht, um einen Vermögensgegenstand.

Der Rückkaufwert der Kapitallebensversicherung ist verwertbar. Ein Vermögen ist verwertbar, wenn seine Gegenstände verbraucht, übertragen und belastet werden können (BSG Urteil vom 30.08.2010 - B 4 AS 70/09 R Rn 16 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Verwertungshindernisse liegen nicht vor.

B. Verwertbare Vermögensgegenstände i.S.v. § 12 Abs. 1 SGB II sind mit ihrem Verkehrswert (§ 12 Abs. 4 Satz 1 SGB II) zu berücksichtigen. Für die Bewertung ist nach § 12 Abs. 4 Satz 2 SGB II der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Antrag auf Bewilligung oder erneute Bewilligung der Leistungen gestellt wird, bei späterem Erwerb von Vermögen der Zeitpunkt des Erwerbs (hierzu auch BSG Urteil vom 13.05.2009 - B 4 AS 58/08 R Rn 17). Für den hier streitigen Zeitraum vom 01.03.2009 bis zum 30.03.2009 ist damit der Antrag vom 21.01.2009 maßgebend.

Zu diesem Zeitpunkt und auch während des streitigen Zeitraums hat der Verkehrswert der Kapitallebensversicherung die Freibetragsgrenzen des § 12 Abs. 1 Nrn. 1, 3, 4 SGB II überschritten. Bei einer Kapitallebensversicherung ergibt sich der Verkehrswert aus dem Rückkaufwert der Versicherung (BSG Urteil vom 15.04.2008 - B 14/7b AS 52/06 R Rn 14). Der Rückkaufwert für die Kapitallebensversicherung des Klägers hat sich nach Auskunft des Versicherungsunternehmens zum 01.02.2009 auf 27.906,64 EUR belaufen. Zwar hat sich der Rückkaufwert am 01.03.2009 auf 24.876,63 EUR verringert, diese Verringerung ist jedoch auf eine teilweise vorzeitige Vertragsauflösung durch den Kläger zurückzuführen, aus der ihm eine Forderung von 3.200,00 EUR gegenüber dem Versicherungsunternehmen zugestanden hat. Damit haben sich die Forderungen des Klägers aus dem Kapitallebensversicherungsvertrag gegenüber dem Versicherungsunternehmen am 01.03.2009 auf 28.076,63 EUR belaufen.

Im streitigen Zeitraum ist von dem Verkehrswert ein Gesamtfreibetrag von 22.750,- EUR abzuziehen. Der Gesamtfreibetrag setzt sich aus einem Freibetrag von 9.000,- EUR (60 x 150,- EUR) i.S.v. § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i.d.F. ab dem 01.08.2006 (Gesetz vom 20.07.2006, BGBl I, 1706) und 750,- EUR i.S.v. § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB III sowie einen Freibetrag nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II von 13.000,- EUR im Hinblick auf den am 08.09.2005 vereinbarten Verwertungsausschluss nach § 165 VVG zusammen. Wenn zu Gunsten des Klägers unterstellt würde (wofür es aber keine Anhaltspunkte gibt), dass er vor Beginn des streitbefangenen Zeitraums mit dem Versicherungsunternehmen eine Erhöhung des Verwertungsausschlusses entsprechend der Neuregelung des § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II mit Wirkung zum 01.01.2008 (Gesetz vom 20.04.2007, BGBl I, 554) vereinbart hat, beliefe sich der zu berücksichtigende Freibetrag nach § 12 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 SGB II auf insgesamt 15.000,- EUR (60 x 250,- EUR) und damit der Gesamtfreibetrag auf 24.750,- EUR.

Ein Abzug vom Verkehrswert im Hinblick auf die zum Zeitpunkt der Antragstellung vom Kläger geltend gemachten Darlehensverbindlichkeiten gegenüber Frau C i.H.v. 3.000,00 EUR ist nicht vorzunehmen. Vermögen i.S.v. § 12 SGB II ist nicht eine Bilanz aus aktiven und passiven Vermögenswerten, sondern das vorhandene aktive Vermögen. Alle aktiven Vermögenswerte müssen grundsätzlich zur Absicherung des Lebensunterhalts eingesetzt werden (BSG Urteil vom 18.02.2010 - B 4 AS 28/09 R, Rn 22). Daher erlaubt die Bedürftigkeitsprüfung nach dem SGB II keine Saldierung von Aktiva und Passiva. Dies folgt aus der Subsidiarität der staatlichen Fürsorge, welche erst eingreifen soll, wenn der Hilfebedürftige die ihm zur Verfügung stehenden Mittel verbraucht hat. Die Berücksichtigung von Verbindlichkeiten bei der Feststellung der vorhandenen Vermögenswerte ist nach gefestigter Rechtsprechung des BSG allenfalls dann geboten, wenn eine Verbindlichkeit unmittelbar auf dem fraglichen Vermögensgegenstand lastet (z.B. eine auf ein Grundstück eingetragenen Grundschuld), da der Vermögensgegenstand in diesem Fall nicht ohne Abzüge veräußert werden kann (BSG Urteil vom 18.02.2010 - B 4 AS 28/09 R Rn 22 m.w.N.). Zum Zeitpunkt der Antragstellung im Januar 2009 hatte der Kläger keine Schulden, die bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise auf seinem Kapital in Form der Kapitallebensversicherung lasteten (vgl. hierzu BSG Urteil vom 18.02.2010 - B 4 AS 28/09 R Rn 22 m.w.N.). So lagen beispielsweise keine Teilabtretung des Auszahlungsanspruchs oder eine Bestimmung von Frau C als Bezugsberechtigte für einen Teilbetrag oder die Bestellung eines Pfandrechts an einer Forderung nach § 1279 BGB vor.

Damit hat der Kläger im März 2009 selbst bei Annahme eines erhöhten Verwertungsausschlusses (250,00 EUR je vollendetem Lebensjahr) über ein Vermögen von 3.156,64 EUR (27.906,64 EUR - 24.750,- EUR) verfügt, dass seinen Gesamtbedarf im März 2009 gedeckt hat.

C. Zu Gunsten des Klägers greifen die Vorschriften des § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II und § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II nicht ein, da es sich bei der Kapitallebensversicherung nicht um ein nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge gefördertes Vermögen handelt und der Kläger nicht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist (zu den Anforderungen des § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 SGB II und Verfassungsmäßigkeit der Regelungen vgl. BSG Urteile vom 15.04.2008 - B 14/7b AS 52/06 R, Rn 20f, 24f und B 14/7b AS 56/06 R, Rn 29f, 32f).

D. Die teilweise Verwertung der Kapitallebensversicherung ist für den Kläger zumutbar gewesen.

1) Der Ausschlusstatbestand des § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 Alt. 2 SGB II greift zu seinen Gunsten nicht ein. Nach gefestigter Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 15.04.2008 - B 14/7b AS 52/06 R, Rn 32 m.w.N.) handelt es sich bei dem im Ausnahmetatbestand des § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 Alt. 2 SGB II verwandten Begriff "besondere Härte" um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Ob von einer besonderen Härte i.S.d. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 Alt. 2 SGB II auszugehen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Maßgebend sind dabei nur außergewöhnliche Umstände, die nicht durch die ausdrücklichen Freistellungen über das Schonvermögen (§ 12 Abs. 3 S. 1 SGB II) und die Absetzungsbeträge nach § 12 Abs. 2 SGB II erfasst werden. Demnach setzt § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 SGB II voraus, dass die Umstände dem Betroffenen ein deutlich größeres Opfer abverlangen als eine einfache Härte und erst recht als die mit der Vermögensverwertung stets verbundenen Einschnitte. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers sind nicht allein der Verlust der Altersvorsorge und dessen Zeitpunkt, sondern beides nur zusammen mit einer Versorgungslücke geeignet, eine besondere Härte i.S.d. § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 SGB II darzustellen. Es sind nur besondere, bei anderen Hilfebedürftigen regelmäßig nicht anzutreffende Umstände beachtlich und in ihrem Zusammenwirken zu prüfen (BSG Urteile vom 15.04.2008 - B 14/7b AS 52/06 R, Rn 32 und B 14 AS 27/07R, Rn 45).

Beim Kläger besteht keine Versorgungslücke. Er verfügt über Ansprüche gegenüber dem Versorgungswerk der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen sowie dem gesetzlichen Rentenversicherungsträger, die überschlägig seinen Bedarf decken (vgl. hierzu BSG Urteil vom 11.12.2012 - B 4 AS 29/12 R, Rn 27).

Anhaltspunkte für eine kurze Anspruchsdauer nach der Antragstellung im Januar 2009, die eine besondere Härte begründen kann, wenn bereits bei Antragstellung die konkret begründete Aussicht bestanden hat, dass Leistungen nur für einen kurzen Zeitraum in Anspruch genommen werden, sind nicht ersichtlich (vgl. BSG Urteil vom 06.05.2010 - B 14 AS 2/09 R, Rn 26). Der Umstand, dass der Kläger durch eigene Rechtshandlungen sein Vermögen gemindert hat und dies vom Beklagten akzeptiert worden ist, was zu einer einmonatigen Anspruchslücke geführt hat, begründet eine besondere Härte - abweichend zur Entscheidung des Sozialgerichts - nicht.

Auch die Tatsache, dass das zu berücksichtigenden Vermögen den Bedarf des Klägers für nur ca. 5,5 Monate decken konnte und ein künftiger Bezug von SGB II Leistungen im Hinblick auf die Erwerbsbiographie und das Alter des Klägers absehbar gewesen ist, rechtfertigt nicht die Annahme einer besonderen Härte. Vor der Inanspruchnahme steuerfinanzierten Leistungen zur Existenzsicherung ist zunächst ein zu berücksichtigendes Vermögen zur Deckung des Lebensunterhalts zu verwenden.

Dahinstehen kann, ob die Teilverwertung der Kapitallebensversicherung zum Verlust des mit der Lebensversicherung verbundenen Berufsunfähigkeitsschutz geführt hat. Der Verlust des Berufsunfähigkeitsschutz bei der Verwertung einer Kapitallebensversicherung stellt keinen eine besondere Härte begründenden Umstand dar (BSG Urteil vom 15.04.2008 - B 14/7b AS 52/06 R Rn 34).

Ebenso ist unerheblich, ob durch die kurze Leistungsunterbrechung von einem Monat nach Auffassung des Beklagten zu Lasten des Klägers die Vorschrift des § 12a SGB II eingreift und dieser zu Recht nach Erreichen des 63. Lebensjahres aufgefordert werden konnte, einen Antrag auf eine vorzeitige Altersrente verbunden mit Rentenabschlägen zu stellen. Etwaige Unbilligkeiten einer solchen Antragstellung sind bei der Rechtmäßigkeit der Aufforderung zu prüfen.

2) Schließlich ist die Verwertung der Kapitallebensversicherung nicht offensichtlich unwirtschaftlich i.S.v. § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 Alt. 1 SGB II gewesen. Offensichtliche Unwirtschaftlichkeit liegt vor, wenn der aktuell zu erzielende Gegenwert in einem deutlichen Missverhältnis zum Substanzwert des Vermögensgegenstandes steht. Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der Verwertung von Vermögen ist auf das ökonomische Kalkül eines rational handelnden Marktteilnehmers abzustellen. Es ist zu ermitteln, welchen Verkehrswert der Vermögensgegenstand gegenwärtig auf dem Markt hat. Dieser gegenwärtige Verkaufspreis ist dem Substanzwert gegenüber zu stellen. Bei einem Kapitallebensversicherungsvertrag ergibt sich der Substanzwert aus den eingezahlten Beiträgen und der Verkehrswert aus dem Rückkaufwert der Versicherung (BSG Urteil vom 15.04.2008 - B 14/7b AS 52/06 R Rn 14). Die Grenze der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit i.S.d. § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 SGB II ist nach der gefestigten Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, bei einem Verlust von 12,9% bei der Verwertung einer Lebensversicherung noch nicht erreicht (BSG, Urteile vom 15.04.2008 - B 14 As 27/07 R, Rn 42 und 06.09.2007 - B 14/7b AS 66/06 , Rn 23). Auch bei Zugrundelegung der bis November 2009 gezahlten Beiträge (29.832,60 EUR) und dem Rückkaufwert im Februar 2009 (27.906,64 EUR) liegt der Verlust noch deutlich unter dieser Grenze.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Anlass, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
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