L 9 SO 441/13 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 42 SO 471/13 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 441/13 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 10.10.2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die fristgemäße Beschwerde des Antragstellers vom 16.10.2013, eingegangen am 17.10.2013, gegen den ihm am 16.10.2013 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 10.10.2013, mit dem es den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt hat, ist zulässig, aber unbegründet.

Zur Begründung nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes - (SGG) auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung, die er in jeder Hinsicht für zutreffend erachtet, Bezug und macht sie sich zu Eigen. Zu Recht hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unzulässig (mangels Rechtsschutzbedürfnis) und im Übrigen unbegründet (wegen fehlender Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs und Anordnungsgrundes i.S.d. § 86b Abs. 2 SGG) abgelehnt.

Auch das Vorbringen des Antragstellers zur Beschwerde vermag hieran nichts zu ändern. Er trägt im Wesentlichen nichts vor, was das Sozialgericht in seinem angefochtenen Beschluss nicht schon - überzeugend - berücksichtigt hat.

Hinsichtlich der von dem Antragsteller weiterhin sinngemäß geltend gemachten Übernahme von Energiekostenrückständen ("Stromschulden") auf der Grundlage von § 36 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII), der dem Senat noch Anlass zu weiteren Ermittlungen gegeben hat, fehlt es auch im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde jedenfalls an einem Anordnungsgrund, d.h. dem Bestehen einer gegenwärtigen Notlage des Antragstellers, die nicht anders als durch ein gerichtliches Eingreifen abgewendet werden kann.

Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 SGB XII können Schulden nur übernommen werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht (§ 36 Abs. 1 Satz 2 SGB XII). Geldleistungen können als Beihilfe oder als Darlehen erbracht werden (§ 36 Abs. 1 Satz 3 SGB XII). Auch wenn es sich dem systematischen Zusammenhang nach um Schulden handelt, die Kosten der Unterkunft und/oder Heizung (KdU) betreffen, d.h. auf Energiekostenrückstände von Heizung und Warmwasserversorgung bezogen sind, ist anerkannt, dass wegen einer vergleichbaren Notlage bei Energierückständen für sonstigen Haushaltsstrom, der nicht Bestandteil der KdU ist, sondern zum Regelbedarf gehört (§ 27a Abs. 1 Satz 1 SGB XII), eine entsprechende Schuldenübernahme bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 SGB XII in Betracht kommt (vgl. nur LSG NRW, Beschluss vom 13.05.2013 - L 2 AS 313/13 B ER - Juris-Rdnr. 45; LSG NRW, Beschluss vom 19.07.2013 - L 19 AS 2334/12 B - Juris-Rdnr. 14; LSG NRW, Beschluss vom 03.09.2013 - L 19 AS 1422/13 B ER - Juris-Rdnr. 16, jeweils m.w.N. zur parallelen Regelung des § 22 Abs. 8 des Sozialgesetzbuches Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II).

Eine Schuldenübernahme nach § 36 Abs. 1 SGB XIII seitens des Sozialhilfeträgers bzw. dessen Verpflichtung durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wird aber erst dann erforderlich, wenn zumutbare Möglichkeiten des Leistungsempfängers ergebnislos ausgeschöpft worden sind, eine Fortsetzung der Energielieferung zu erreichen (vgl. hierzu LSG NRW, Beschluss vom 20.08.2012 - L 2 AS 1415/12 B ER -; LSG NRW, Beschluss vom 13.05.2013 - L 2 AS 313/13 B ER -; LSG NRW, Beschluss vom 18.07.2012 - L 7 AS 1256/12 B ER -; LSG NRW, Beschluss vom 19.07.2013 - L 19 AS 2334/12 B - Juris-Rdnr. 16; LSG NRW, Beschluss vom 03.09.2013 - L 19 AS 1422/13 B ER - Juris-Rdnr. 18 m.w.N.).

Vor dem Hintergrund des § 2 Abs. 1 SGB XII, insbesondere des Bestehens präsenter Selbsthilfemöglichkeiten, sind zunächst sämtliche zur Verfügung stehenden Mittel und Möglichkeiten einzusetzen, bevor öffentliche Leistungen, wie hier die Gewährung eines Darlehens oder einer Beihilfe zur Schuldentilgung, in Anspruch genommen werden dürfen. Dies gilt in besonderem Maße für die Übernahme rückständiger Energiekosten, da der Leistungsträger sonst zum "Ausfallbürgen der Energieversorgungsunternehmen" würde (vgl. Hammel, info also 2011, 251, 253). Das Risiko des Energieversorgers, die von ihm an seinen Kunden erbrachten Leistungen auch abgegolten zu erhalten, muss zunächst weitgehend im zugrundeliegenden zivilrechtlichen Rechtsverhältnis geklärt sein, bevor ein etwaiger Einstand des Leistungsträgers und damit eine Risikoüberleitung auf den Steuerzahler in Betracht kommt. Entsprechend hat der Leistungsberechtigte sich sowohl um Ratenzahlungsvereinbarungen mit dem bisherigen Energieversorger als auch um einen Vertragsabschluss mit einem anderen Stromanbieter zu bemühen (LSG NRW Beschluss vom 20.08.2012 - L 2 AS 1415/12 B ER -; LSG NRW, Beschluss vom 03.09.2013 - L 19 AS 1422/13 B ER - Juris-Rdnr. 19 m.w.N.). Letzteres gilt in besonderem Maße, wenn der Leistungsberechtigte die Möglichkeit hat, zu einem anderen Grundversorger (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 1 Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung - EnWG) zu wechseln. Zahlungsrückstände bei anderen Energielieferanten kann der Grundversorger dem Haushaltskunden nicht entgegenhalten (§ 2 Abs. 5 der Stromgrundversorgungsverordnung - StromGVV). Ebenfalls ist es dem Leistungsberechtigten regelmäßig zumutbar, sich im Zivilrechtsweg gegen eine angekündigte oder ausgeübte Stromsperre zu wenden (LSG NRW, Beschluss vom 19.07.2013 - L 19 AS 2334/12 B - Juris-Rdnr. 17; s. auch LSG NRW, Beschluss vom 20.08.2012 - L 2 AS 1415/12 B ER -, LSG NRW, Beschluss vom 13.05.2013 - L 2 AS 313/13 B ER -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 05.08.2011 - L 5 AS 1097/11 B ER -), jedenfalls dann, wenn der Leistungsberechtigte Kenntnis von dieser Möglichkeit hat (LSG NRW, Beschluss vom 08.10.2012 - L 12 AS 1442/12 B ER - ) bzw. vom Leistungsträger diesbezüglich beraten und unterstützt wird (so LSG NRW, Beschlüsse vom 18.07.2012 - L 7 AS 1256/12 B ER -, vom 22.02.2012 - L 7 AS 1716/11 B -, vom 15.10.2012 - L 7 AS 1730/12 B ER - und vom 13.08.2013 - L 7 AS 1134/13 B ER - mit der Annahme einer entsprechenden Verpflichtung des Leistungsträgers). Die Hürden für Energieversorger, eine Liefersperre zivilrechtlich durchzusetzen, gelten als hoch.

Der Antragsteller hat hier bereits nicht glaubhaft gemacht, dass eine Einstellung der Energieversorgung seitens des Vertragspartners, der RWE Vertrieb AG, unmittelbar droht oder bereits erfolgt ist. Auf ausdrückliche Nachfrage des Berichterstatters des Senats mit Schreiben vom 06.11.2013, wonach der Antragsteller um Vorlage aussagekräftiger Unterlagen des Energieversorgers vor dem Hintergrund einer etwaigen Stromsperre gebeten wurde, hat er eine bereits unter dem 18.07.2013 (also fast zwei Monate vor Antragstellung bei dem Sozialgericht!) datierende "Mahnung" der RWE eingereicht, wonach sich die rückständigen Forderungen bis zum 07.06.2013 auf insgesamt 918,55 EUR belaufen, eine Unterbrechung der Energieversorgung aufgrund einer bis 07.07.2013 fälligen Zahlung von 63,00 EUR "vier Wochen nach Zugang dieses Schreibens" angekündigt und weiterhin ausgeführt wird, dass die dem Antragsteller "schon angekündigte Liefersperre" bereits eingeleitet worden sei. Der Antragsteller hat in seiner Beschwerdebegründung lediglich in Abrede gestellt, dass eine Versorgungseinstellung nicht drohen würde, jedoch nicht ausgeführt bzw. durch aktuelle Unterlagen glaubhaft gemacht, dass sein Energieversorger die bereits im Sommer dieses Jahres wiederholt mitgeteilten Ankündigungen nunmehr wahrgemacht und die Stromsperre veranlasst hat. Deshalb ist eine gegenwärtige Notlage des Antragstellers weiterhin nicht ersichtlich. Im Übrigen wäre er bei Vorliegen einer Versorgungsunterbrechung auf den soeben dargestellten Weg der (zivilrechtlichen) Auseinandersetzung mit seinem Energieversorger zu verweisen, bevor er sozialgerichtliche Hilfe zur Durchsetzung etwaiger Ansprüche gegen die Antragsgegnerin in Anspruch nimmt bzw. der Antragsgegnerin überhaupt erst Gelegenheit gibt, sich vor der Inanspruchnahme sozialgerichtlichen Eilrechtsschutzes mit seinem Begehren zu befassen, woran es hier offensichtlich bereits gefehlt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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