L 9 SO 11/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 7 SO 39/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 11/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Nochmals: Zur Kostentragung für die Behandlung mit der Petö-Therapie
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 10.01.2008 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten auch im Berufungsverfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist die Kostentragung für die Behandlung der Klägerin mittels konduktiver Therapie nach Petö (sog. Petö-Therapie).

Die am 00.00.1996 geborene Klägerin leidet seit ihrer Geburt unter einer Zerebralparese in Form einer spastischen Tetraparese und einer visuellen Retardierung. Aufgrund der Erkrankung ist sie auf einen Rollstuhl angewiesen. Vom Versorgungsamt wurden ihr ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen "G", "aG" und "H" zuerkannt. In der gesetzlichen Pflegeversicherung wurde sie der Pflegestufe II zugeordnet. Nach ihrem ersten Lebensjahr besuchte sie zunächst eine Sehbehindertenschule. Ab Sommer 2004 war sie Schülerin einer integrativen Grundschule in N. Im Rahmen des Schulbesuchs erhielt sie Unterstützung in Form von Betreuung durch einen Integrationshelfer in einem Umfang von 60 bis 80 Stunden monatlich. Die Kosten dafür in Höhe von monatlich durchschnittlich etwa 2000 EUR wurden von der Beklagten getragen.

Zusätzlich wurde die Klägerin von April 2003 bis Ende 2008 mit der Petö-Therapie gefördert. Diesem Konzept liegt ein ganzheitlicher Behandlungsansatz zugrunde, der medizinisch-therapeutische, psychologische und pädagogische Elemente enthält. Ziel ist es, auf den motorischen Grundlagen des zu behandelnden Kindes aufbauend, eine Verbesserung der Mobilität, Motorik und kognitiven Fähigkeiten zu erreichen. Dabei finden in der Regel wöchentliche Behandlungen statt, die normalerweise etwa zweimal jährlich durch intensive Blocktherapiezeiten ergänzt werden. In diesem Umfang nahm auch die Klägerin in der Vergangenheit an Therapiemaßnahmen am Zentrum für konduktive Therapie in P teil.

Seit April 2003 wurden die Kosten für diese Therapiemaßnahmen von der Beklagten als Leistung der Eingliederungshilfe übernommen. Etwa 4000 EUR pro Jahr entfielen dabei auf die Blocktherapie, etwa 2500 EUR auf die wöchentlich stattfindenden Behandlungen. Zuletzt verpflichtete die Beklagte sich mit Bewilligungsbescheid vom 17.01.2005 dazu, im Rahmen der Eingliederungshilfe die Kosten der von der Klägerin durchgeführte Petö-Therapie für den Zeitraum bis zum 31.12.2005 in einem Umfang von einmal wöchentlich stattfindenden Therapien sowie einer zweimal jährlich durchzuführenden jeweils vierwöchigen Blocktherapie zu tragen.

Am 08.12.2005 stellte die Klägerin einen Antrag auf Übernahme der Kosten für die im Jahr 2006 durchzuführende Petö-Therapie. Dem Antrag fügte sie eine Notwendigkeitsbescheinigung des Sozialpädiatrischen Zentrums des F Krankenhauses P vom 09.11.2005, Berichte über zwei vierwöchige in dem Zentrum für konduktive Therapie in P durchgeführte Blocktherapie-Einheiten im Juli bzw. September/Oktober 2005 und eine weitere Bescheinigung des F Krankenhauses P vom 14.12.2005 bei. Nach Auswertung dieser Unterlagen gab die zuständige ärztliche Mitarbeiterin des kinder- und jugendärztlichen Dienstes der Beklagten unter dem 02.02.2006 eine positive Stellungnahme zur weiteren Bewilligung von Eingliederungshilfeleistungen in Form der Finanzierung der Petö-Therapie ab. In einer weiteren ärztlichen Stellungnahme vom 23.06.2006 wies dieselbe Ärztin dann darauf hin, dass die Petö-Therapie als durchaus wirksame Förderung bei vielen Patienten sekundär auch der Eingliederung diene, womit bei der Klägerin sekundär auch eine Erleichterung des Schulbesuchs verbunden sei.

Die Beklagte lehnte hingegen mit Bescheid vom 09.03.2006 die weitere Kostenübernahme ab. Eine Kostenübernahme für die Petö-Therapie als Leistung der Eingliederungshilfe zugunsten der Klägerin sei nicht möglich, weil es sich dabei um eine Maßnahme der gesetzlichen Krankenversicherung handele und die Förderung der Schulbildung im Falle der Klägerin eher als Nebeneffekt anzusehen sei.

Hiergegen erhob die Klägerin am 23.03.2006 Widerspruch und machte zur Begründung geltend, dass die Therapie erhebliche Fortschritte gebracht habe. Als Anspruchsgrundlage gegenüber der Beklagten käme § 54 SGB XII i. V. m. § 26 SGB IX in Betracht. Die Petö-Therapie sei keine Maßnahme der Krankenhilfe, sondern eine heilpädagogische Maßnahme, die einer Anerkennung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen nicht bedürfe. Ferner habe eine Modellstudie in München gezeigt, dass insbesondere im Bereich der koordinativen Handfunktionen und der Aufrichtung erhebliche Verbesserungen durch die Petö-Therapie zu erzielen seien. Schließlich komme eine Übernahme der Kosten für die therapeutischen Maßnahmen als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung im Sinne des § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII in Betracht, was auch bereits das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in einem Urteil vom 30.05.2002, Az: 5 C 36/01 festgestellt habe. Danach seien alle Leistungen zu erbringen, die geeignet seien, das Ziel der Eingliederungshilfe, nämlich die Ermöglichung der gesellschaftlichen Teilhabe und den Schulbesuch, zu erreichen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.06.2006, der am 12.07.2006 an die Klägerin bzw. deren gesetzliche Vertreter abgesandt wurde, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ergänzend führte sie zur Begründung noch aus, dass sich zugunsten der Klägerin ein Anspruch aus den Vorschriften der §§ 54 SGB XII i. V. m. § 26 SGB IX nur herleiten ließe, wenn die Leistung der Petö-Therapie nach den Vorschriften in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht ausgeschlossen wäre. Dies sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) jedoch der Fall. Eine Eingliederung der Klägerin innerhalb der Schule sei lediglich, wenn überhaupt, nur ein Nebenerfolg der Petö-Therapie. Kern der Maßnahmen sei die Behandlung und Besserung der Behinderung selber. Das von der Klägerin in Bezug genommene Urteil des BVerwG vom 30.05.2002 sei noch zum alten Recht des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) ergangen. Zu der davon teilweise abweichenden Gesetzeslage nach dem SGB XII seien zwischenzeitlich verschiedene Urteile der Sozialgerichte ergangen, die zu einer anderen Beurteilung als das BVerwG kämen.

Hiergegen richtet sich die am 10.08.2006 erhobene Klage. Zu deren Begründung hat die Klägerin ergänzend noch vorgetragen, die Beklagte habe die Stellungnahmen ihres Gesundheitsamtes einseitig verstanden und lasse im Rahmen ihrer Entscheidung die gebotene Einzelfallbetrachtung vermissen. Zudem sei der Schwerpunkt der Petö-Therapie nicht medizinischer, sondern therapeutischer Art, was selbst das BSG in seiner Entscheidung betreffend die Inanspruchnahme der Petö-Therapie im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung festgestellt habe. Zudem habe sich aufgrund der zwischenzeitlich durchgeführten weiteren Maßnahmen der Petö-Therapie ausweislich der neueren Behandlungsberichte eine eindeutige Besserung des Krankheitsbildes ergeben. Schließlich dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass die Therapie auf Dauer Kosten spare.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.03.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2006 zu verurteilen, ihr Leistungen der Eingliederungshilfe in Form der Förderung von Maßnahmen der Petö-Therapie über den 31.12.2005 hinaus bis zum 31.12.2008 zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ergänzend darauf hingewiesen, dass nach den gesetzlichen Vorschriften darauf abzustellen sei, dass der SGB XII-Träger keine medizinischen Leistungen zu erbringen habe, die in der gesetzlichen Krankenversicherung nach den Vorschriften des SGB V auch nicht zu erbringen seien.

Das Sozialgericht hat zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts Befundberichte vom Zentrum für konduktive Therapie in P, vom Sozialpädiatrischen Zentrum beim F Krankenhaus P und von dem behandelnden Kinderarzt Dr. L beigezogen.

Die Klägerin hat nach eigenen Angaben auch nach dem 31.12.2005 laufend weiter Leistungen der Petö-Therapie in dem zuvor bewilligten Umfang bis zu dem Termin zur mündlichen Verhandlung in Anspruch genommen.

Mit Urteil vom 10.01.2008 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, die Kosten für die von der Klägerin in dem Zeitraum vom 01.01.2006 bis 31.12.2008 in Anspruch genommenen Leistungen der Petö-Therapie in einem Umfang von einem Termin wöchentlich und zweimal Blocktherapien jährlich als Leistung der Eingliederungshilfe zu übernehmen.

Dieser Anspruch ergebe sich zum Einen aus § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i. V. m. § 55 SGB IX. Die Klägerin gehöre unstreitig zu dem Kreis der Leistungsberechtigten im Sinne des § 53 Abs. 1 SGB XII. Besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe sei es nach § 53 Abs. 3 S. 2 SGB XII insbesondere, behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, wozu nach § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i. V. m. § 55 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX insbesondere Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben gehörten. Es handele sich dabei um eine Auffangvorschrift für unterschiedliche Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Um eine solche ("sonstige") Leistung zur Teilhabe der am Leben in der Gemeinschaft gehe es hier, weil der Klägerin aufgrund der in dem hier fraglichen Zeitraum durchgeführten bzw. durchzuführenden Maßnahmen der konduktiven Förderung nach Petö die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zumindest erleichtert werde, was sich insbesondere aus den beigezogenen Berichten des Zentrums für konduktive Therapie und des Sozialpädiatrischen Zentrum beim F Krankenhaus P ergebe. Danach hätte durch die Maßnahmen eine deutliche Verbesserung der Selbständigkeit der Klägerin auf verschiedenen Ebenen sowohl der körperlichen Beweglichkeit als auch im kognitiven Bereich erzielt werden können. Wesentlicher und nach dem Inhalt der vorgelegten Unterlagen auch wohl realistischerweise erreichbarer Zielpunkt sei das Erlernen des selbständigen Laufens, was unter dem Gesichtspunkt der Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft einen anerkennenswerten Aspekt darstelle

Ein Anspruch der Klägerin auf Übernahme der geltend gemachten Kosten gegenüber der Beklagten ergebe sich zum Anderen auch aus § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII. Denn nach den konkreten Umständen des vorliegenden Falles seien die bei der Klägerin durchgeführten Maßnahmen nicht nur auf die Verbesserung solcher Fähigkeiten gerichtet, die sie in ihrem gesamten Lebensalltag nutzen könne. Es ergebe sich vielmehr insbesondere aus Punkt 4 des Berichtes des Zentrums für konduktive Therapie vom 19.03.2007 bzw. den dort genannten Zieldefinitionen, dass wesentliche Teile der Therapie darauf abzielen, die kognitiven Fähigkeiten der Klägerin und damit ihre Schulfähigkeit zu verbessern. Dies gelte insbesondere im Hinblick darauf, dass die Klägerin aufgrund ihrer Erkrankung nicht nur Probleme bei der Bewegung der Extremitäten bzw. des Rumpfes habes, sondern auch eine visuelle Retardierung vorliege. Dementsprechend komme der Durchführung der Petö-Therapie im Falle der Klägerin in der Vergangenheit und in der Zukunft wesentliche Bedeutung für ihre schulische Bildung zu.

Die Gewährung der Leistungen sei auch nicht auf Grund von § 54 Abs. 1 S. 2 SGB XII ausgeschlossen. Denn der dortige Leistungsausschluss betreffe lediglich die Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation (§ 26 SGB IX) bzw. zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 33 SGB IX). Der Ausschluss nach § 54 Abs 1 S. 2 SGB XII greife auch nicht deswegen ein, weil es sich bei der konduktiven Förderung nach Petö (auch) um eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation (insbesondere nach § 26 Abs. 2 Nr. 4 SGB IX) handele. Entgegen anders lautender Rechtsprechung führe allein der Umstand, dass es sich nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 03.09.2003, 1 KR 34/01 R) bei der Petö-Therapie ihrem Schwerpunkt nach um eine medizinische Maßnahme im Sinne eines Heilmittels handele, nicht dazu, dass sie unter den anderen Gesichtspunkten des § 54 Abs. 1 oder Abs. 2 SGB XII nicht mehr in Betracht zu ziehen wäre. Insbesondere wenn es sich wie hier um eine Leistung handele, die nicht ausschließlich eine Leistung im Sinne des § 26 SGB IX sei, finde § 54 Abs 1 S 2 SGB XII keine Anwendung.

Gegen das ihr am 27.02.2008 zugestellte Urteil richtet sich die am 26.03.2008 eingelegte Berufung der Beklagten. Zu deren Begründung hat sie zunächst die Auffassung vertreten, dass das Urteil im Widerspruch zur Rechtsprechung des BSG stehe, nach der es sich bei der Petö-Therapie um eine medizinische Maßnahme handele, die allerdings nach dem SGB V nicht erbracht werden könne, so dass sie auch nicht als Eingliederungsleistung nach dem SGB XII in Betracht komme. Nunmehr meint die Beklagte, dass das BSG habe in seinem Urteil vom 29.09.2009 zwar nun klargestellt, dass die Klassifizierung der Petö-Therapie als Heilmittel nach dem SGB V eine Leistungserbringung unter einer anderen Zielsetzung nicht ausschließe. Dennoch komme eine Leistungserbringung nach dem SGB XII weiterhin nicht in Betracht, da die medizinische Rehabilitation vorliegend derart im Vordergrund stehe, dass von einem medizinischen Charakter der Fördermaßnahme auszugehen sei. Die Verbesserung der schulischen Situation stelle lediglich einen Nebeneffekt dar.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 10.01.2008 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt, die Kosten der Petö-Therapie zu übernehmen.

Die Beklagte ist als örtlicher Träger der Sozialhilfe für die Leistungserbringung sachlich zuständig.

Gemäß § 97 SGB XII ist für die Sozialhilfe sachlich zuständig der örtliche Träger der Sozialhilfe, soweit nicht der überörtliche Träger sachlich zuständig ist (§ 97 Abs. 1 SGB XII). Die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers wird nach Landesrecht bestimmt (§ 97 Abs. 2 S. 1 SGB XII). Gemäß § 1, 2 Landesausführungsgesetz (AG-SGB XII NRW) i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) der Ausführungsverordnung zum SGB XII (AV-SGB XII NRW) ist der überörtliche Träger für Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII zuständig für Personen, die in § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII genannt sind, wenn es wegen der Behinderung oder des Leidens in Verbindung mit den Besonderheiten des Einzelfalls erforderlich ist, die Hilfe in einer stationären oder teilstationären Einrichtung zu gewähren; dies gilt nicht, wenn die Hilfegewährung in der Einrichtung überwiegend aus anderen Gründen erforderlich ist.

Vorliegend ist eine Zuständigkeit des überörtlichen Trägers nicht gegeben, weil es sich nicht um eine Hilfegewährung in einer stationären oder teilstationären Einrichtung gehandelt hat. Gemäß § 13 Abs. 1 S. 1 SGB XII werden die Leistungen entsprechend den Erfordernissen des Einzelfalles für die Deckung des Bedarfs außerhalb von Einrichtungen (ambulant) und für teilstationäre oder stationäre Einrichtungen (teilstationäre oder stationäre Leistungen) erbracht. Einrichtungen im Sinne des Abs. 1 sind alle Einrichtungen, die der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach diesem Buch zu deckenden Bedarfen oder der Erziehung dienen (§ 13 Abs. 2 SGB XII). Erforderlich ist im Gegensatz zur ambulanten Leistungserbringung ein Teil- oder Vollaufenthalt des Leistungsberechtigten (Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl. 2010, § 13 Rn. 6 m. w. N.) und die geeignete sozialhilferechtliche Betreuung, zusammengefasst in einer besonderen Organisationsform von personellen und tatsächlichen Mitteln. Teilstationäre Einrichtungen sind alle Einrichtungen, in denen die Leistungsempfänger nicht rund um die Uhr, sondern stundenweise betreut werden (Schoenfeld in Grube/Wahrendorf a.a.O., § 75 Rn. 10). Damit eine mutmaßliche Einrichtung im konkreten Fall als Einrichtung angesehen werden kann, muss zudem eine nach dem subjektiven Hilfebedarf des Leistungsberechtigten bestehende Einrichtungsbetreuungsbedürftigkeit bestehen (vgl. LSG NRW Urt. v. 07.04. 2008, Az. L 20 SO 53/06 Rn. 52; Wahrendorf a.a.O., § 13 Rn. 6.; Schellhorn, in: Schellhorn/Schellhorn, SGB XII, 17. Aufl. 2006, § 13 Rn. 13). Dies setzt voraus, dass die Einrichtung die Gesamtverantwortung für die Lebensführung des Leistungsberechtigten übernimmt (LSG NRW a.a.O. unter Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 24.02.1994, Az. 5 C 24/02).

Nach diesen Maßstäben stellt sich die Petö-Therapie der Klägerin insgesamt als ambulante Maßnahme dar.

Das Sozialgericht hat die Beklagte zunächst dazu verurteilt, die Kosten für Leistungen der Petö-Therapie in einem Umfang von einem Termin wöchentlich (von 9 bis 12 Uhr) zu übernehmen. Diese Therapiemaßnahmen wurden vom Zentrum für konduktive Therapie in P erbracht und zwar jeweils freitags für drei Stunden am Vormittag in der Kindergartengruppe. Bei diesen Leistungen handelt es sich eindeutig um eine ambulante Therapie. Bei einem derart kurzen und nur einmal in der Woche stattfindenden Aufenthalt kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Einrichtung die Gesamtverantwortung für die Lebensführung der Klägerin auch nur ansatzweise übernommen und eine Einrichtungsbetreuungsbedürftigkeit vorgelegen hat.

Demgegenüber ließen sich die Blocktherapien, die jeweils für vier Wochen von montags bis freitags in der Zeit von 9.00 bis 16.00 Uhr ebenfalls vom Zentrum für konduktive Therapie durchgeführt wurden, für sich betrachtet u. U. durchaus als teilstationäre Leistung ansehen. So ist z. B. auch der tägliche Besuch eines therapeutischen Kindergartens als teilstationäre Maßnahme angesehen worden (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 15.02.2010, Az. L 8 SO 359/09 B ER; SG Hannover, Urt. v. 24.11.2009, Az. S 62 SO 398/07). Diese Entscheidungen bezogen sich allerdings nur auf dauerhafte Maßnahmen und nicht, wie hier, auf Blocktherapien. Der Senat geht davon aus, dass bei einer dauerhaft durchgeführten ambulanten Therapie, die nur zweimal jährlich von Blocktherapien unterbrochen wird, der Schwerpunkt der Maßnahme im ambulanten Bereich liegt und es sich daher bei einer Gesamtfallbetrachtung insgesamt um eine ambulante und nicht um eine teilstationäre Leistung handelt. Für diese Betrachtungsweise spricht auch, dass die Beklagte ihre Zuständigkeit als örtlicher Träger für die Blocktherapien über einen Zeitraum von mehreren Jahren hinweg selbst nie in Frage gestellt, sondern über mehrere Jahre hinweg die Kosten für diese Therapie übernommen hat.

Eine Zuständigkeit der Beklagten als Leistungsträger ergibt sich im Verhältnis zur Klägerin im Übrigen auch aus § 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX. Die Beklagte hat den Leistungsantrag der Klägerin nicht innerhalb der maßgeblichen Zweiwochenfrist an einen anderen Leistungsträger weitergeleitet und ist damit im Verhältnis zur Klägerin für die Leistungserbringung endgültig zuständig geworden (§ 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX).

Das Sozialgericht hat zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Erbringung der Petö-Therapie als Leistung der Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII angenommen.

Gemäß § 53 Abs. 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Unstreitig gehört die Klägerin mit einem GdB von 100 und den Merkzeichen "G", "aG", "H" zu dem Kreis der Leistungsberechtigten im Sinne des § 53 Abs. 1 SGB XII. Besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es nach § 53 Abs. 3 S. 2 SGB XII insbesondere, behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern. Für die Leistungen zur Teilhabe gelten die Vorschriften des Neunten Buches, soweit sich aus diesem Buch und den auf Grund dieses Buches erlassenen Rechtsverordnungen nichts Abweichendes ergibt (§ 53 Abs. 4 S. 1 SGB XII).

Gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII umfassen die Leistungen der Eingliederungshilfe neben den Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 des Neunten Buches insbesondere auch Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu; die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht bleiben unberührt (§ 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII). Dabei entsprechen die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben jeweils den Rehabilitationsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit (§ 54 Abs. 1 S. 2 SGB XII).

Das Sozialgericht hat in seiner Entscheidung zutreffend zunächst entschieden, dass § 54 Abs. 1 S. 2 SGB XII der Erbringung der Petö-Therapie als Leistung der Eingliederungshilfe nicht entgegensteht. Der entgegenstehenden Auffassung der Beklagten, wonach es sich bei der Petö-Therapie um eine medizinische Maßnahme handele, deren Kosten allerdings nicht von den Krankenkassen übernommen würden und bei der daher wegen § 54 Abs. 1 S. 2 SGB XII eine Übernahme durch den Sozialleistungsträger ausgeschlossen sei, ist das BSG in seinem Urteil vom 29.09.2009 (Az. B 8 SO 19/08 R) ausdrücklich entgegengetreten. Es hat festgestellt, dass die Petö-Therapie als sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nicht deshalb ausgeschlossen ist, weil sie als Heilmittel in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht verordnet werden darf (BSG a.a.O., Rn. 20). Dieser Auffassung folgt der Senat.

Das Sozialgericht hat zu Recht auch das Vorliegen der weiteren Voraussetzungen für eine Leistungserbringung nach § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII festgestellt. Gemäß § 12 Nr. 1 der Verordnung zu § 60 SGB XII (Eingliederungshilfe-VO) umfasst die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung im Sinne des § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII auch heilpädagogische sowie sonstige Maßnahmen zu Gunsten körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen und zu erleichtern. Dabei ist ein individueller, auf den Einzelfall bezogener Maßstab anzuwenden; es kommt nur auf die Erforderlichkeit und Geeignetheit im Einzelfall an (BSG a.a.O. Rn. 22). Auf Grund dieser individuell zu beurteilenden Erfolgsaussicht lässt sich auch aus dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesauschusses zur Petö-Therapie gerade nicht ableiten, dass die Petö-Therapie generell ungeeignet ist, die Schulfähigkeit eines an Zerebralparese leidenden Kindes zu verbessern (BSG a.a.O., Rn. 23).

Angesichts der vorliegenden medizinischen Unterlagen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Petö-Therapie im Falle der Klägerin prognostisch auch zur Verbesserung der Beschulungsfähigkeit geeignet war und ihr den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht jedenfalls erleichtert hat. Denn das Ziel der kognitiven Förderung hatte bei der Förderung der Klägerin eine erhebliche Bedeutung. Dies ergibt sich zunächst aus den fortlaufenden Berichten des F Krankenhauses P, wo die Förderung der kognitiven Ebene stets als Behandlungsziel aufgeführt war und wird durch den vom Sozialgericht von dort eingeholten Befundbericht bestätigt. Auch aus dem Bericht des Zentrums für konduktive Therapie in P, bei dem die wöchentlich stattfindende Petö-Therapie durchgeführt wurde, ergibt sich, dass dort auch eine Förderung der schulgerechten Entwicklung (kognitive Ebene, Schreiben, Lesen) erfolgte, wobei diese Maßnahmen im Befundbericht bei der Aufzählung der Ziele für das Jahr 2007 sogar an erster Stelle standen. Auch der behandelnde Kinderarzt sah in der Förderung der kognitiven Fähigkeiten ein wichtiges Ziel der Petö-Therapie.

Soweit die Beklagte auch in Ansehung des BSG Urteils vom 29.09.2009 weiterhin meint, die Petö-Therapie könne nicht als Eingliederungshilfe bewilligt werden, weil das BSG seine bisherige Rechtsprechung, wie sie im Urteil vom 03.09.2003, Az. B 1 KR 34/01 R zum Ausdruck gekommen sei, ausdrücklich nicht aufgegeben habe, überzeugt dies nicht. In der Entscheidung vom 03.09.2003 hat der für das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung zuständige 1. Senat des BSG (dort Rn. 15) dargelegt, er teile nicht die Auffassung, dass die konduktive Therapie nach Petö wegen ihrer pädagogischen Ausrichtung nicht als medizinische Behandlung oder Rehabilitation anzusehen sei. Vielmehr verliere der Umstand, dass für die Petö-Therapie vorwiegend pädagogische Mittel eingesetzt würden, deswegen an Bedeutung, weil rund 70 % der Arbeit mit den behinderten Kindern auf eine Verbesserung der motorischen Fähigkeiten, also ein therapeutisches Ziel gerichtet seien, wie sich aus dem Abschlussbericht über das Modellprojekt der Ersatzkassen zur konduktiven Förderung ergebe. Die Beklagte meint, dass es bei der Klägerin u. a. um die Förderung des Laufens, des Sitzen, der fein- und grobmotorischen Bewegungen usw. gegangen sei. Ausgehend von dieser Zielbeschreibung liege sogar noch ein höherer medizinischer Anteil als in dem vom BSG im Jahre 2003 entschiedenen Fall vor (dort 70 %). Die Verbesserung der schulischen Situation sei folglich nur ein Nebeneffekt und rechtfertige nicht die Kostenübernahme als Leistung der Eingliederungshilfe.

Dieses Vorbringen rechtfertigt schon deswegen keine andere Betrachtung, weil überhaupt nicht klar ist, woraus die Beklagte den Schluss zieht, dass ausgehend von der "Zielbeschreibung" hier noch von einem noch höheren therapeutischen Anteil der Petö-Therapie auszugehen sein soll, als in dem vom BSG seiner Entscheidung aus dem Jahre 2003 zu Grunde liegenden "Normalfall". Es ist nicht ersichtlich, warum sich der vorliegende Fall grundsätzlich von einem Normalfall unterscheiden soll. Die Beklagte unterschlägt in ihrer Aufzählung der Leistungszwecke zunächst völlig, dass das Eingliederungsziel der kognitiven Förderung bei der Förderung der Klägerin eine ganz erhebliche Bedeutung hatte. Dies ergibt sich aus den oben bereits angeführten Berichten des EVK P, des Zentrums für konduktive Therapie in P und des behandelnden Kinderarztes. Unabhängig davon kommt es nach Einschätzung des Senats aber nicht darauf an, ob im vorliegenden Fall der Anteil der motorischen Therapie genau bei 70 % oder darunter bzw. darüber gelegen hat. Anders als die Beklagte meint schließt nämlich der Umstand, dass von einem auch oder sogar überwiegend medizinischen Charakter der Maßnahme auszugehen ist, eine Förderung nach dem SGB XII gerade nicht aus. Der 8. Senat des BSG hat vielmehr ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Abgrenzung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation von Leistungen zur sozialen Rehabilitation nicht nach den in Betracht kommenden Leistungsgegenständen erfolge, sondern nach dem Leistungszweck und sich die Leistungszwecke zwischen medizinischer und sozialer Rehabilitation überschneiden könnten (BSG, Urt. v. 29.09.2009, Az. B 8 SO 19/08 R, Rn. 21). Dabei war dem 8. Senat bei seiner Entscheidung des 1. Senats die Entscheidung vom 03.09.2003 bekannt. Wenn er dennoch die Petö-Therapie als Leistung der sozialen Rehabilitation in Betracht gezogen hat, lässt sich hieraus nur der Schluss ziehen, dass es eben für die Förderung als Leistung zur sozialen Rehabilitation unschädlich ist, dass sich die Leistungszwecke der medizinischen und der sozialen Rehabilitation in erheblichem Ausmaß überschneiden und auch der Umstand, dass es sich bei der Petö-Therapie ihrem Schwerpunkt nach um eine medizinische Maßnahme im Sinne eines Heilmittels handelt, gerade nicht dazu führt, dass sie nicht im Einzelfall als Leistung der sozialen Rehabilitation erbracht werden kann. Hiervon abzuweichen sieht der erkennende Senat keinen Anlass.

Das Sozialgericht hat darüber hinaus zutreffend festgestellt, dass als Anspruchsgrundlage grundsätzlich auch § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i. V. m. § 55 Abs. 2 SGB IX in Betracht kommen könnte, und das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Vorschrift (§ 55 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX) dem Grunde nach zu Recht bejaht. Der Senat nimmt insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Allerdings dürfte es sich bei § 55 Abs. 2 SGB IX nur um eine Auffangnorm handeln (BSG a.a.O. Rn. 18), die nur heranzuziehen ist, wenn, anders als hier, nicht bereits ein Anspruch aus § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII besteht.

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass sich das Sozialgericht in seiner Entscheidung nicht zu einer Bedürftigkeit der Klägerin bzw. zu berücksichtigungsfähigem Einkommen und Vermögen der Eltern der Klägerin geäußert hat (§ 19 Abs. 3 SGB XII). Nach § 92 Abs. 2 S. 1 SGB XII ist den in § 19 Abs. 3 genannten Personen im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen für die in den Nrn. 1 bis 8 aufgeführten Leistungen die Aufbringung der Mittel nur für die Kosten des Lebensunterhalts zuzumuten. Bei diesen Leistungen findet eine Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht statt (§ 92 Abs. 2 S. 2 SGB XII). Zu den in § 92 Abs. 2 S. 1 SGB XII aufgeführten Leistungen zählt dabei auch die hier von der Beklagten zu erbringende Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn.1 und 2 SGG liegen vor dem Hintergrund des Urteils des BSG vom 29.09.2009 (Az.: B 8 SO 19/08 R) nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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