L 19 AS 495/11 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 31 AS 186/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 495/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 22.02.2011 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 26.01. bis 31.05.2011, längstens bis zum Ablauf der Klagefrist gegen den Widerspruchsbescheid, auch Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 337,97 EUR mtl. zu gewähren. Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren ab dem 14.03.2011 ratenfrei Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt G, D, beigeordnet.

Gründe:

I. Der am 00.00.1988 geborene Antragsteller wohnte zusammen mit seinen Eltern und seinem am 00.00.1987 geborenen Bruder in der 69 qm großen Wohnung der Eltern. Er teilte mit seinem Bruder ein Zimmer. Als Bedarfsgemeinschaft bezog er zusammen mit seinen Eltern und seinem Bruder bis zum 30.06.2007 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Zum 01.07.2007 wurde die Leistungsbewilligung wegen des Bezugs von Knappschaftsausgleichleistung nach § 7 Abs. 4 SGB II aufgehoben.

Ab dem 06.08.2010 war der Antragsteller bei der H GmbH sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Am 30.10.2010 schloss der Antragsteller einen Mietvertrag über die 42 qm große Wohnung, P 00, D, bestehend aus zwei Zimmern, einer Küche, Badezimmer und einem Wintergarten zum 01.11.2010 ab. Der Mietzins beträgt insgesamt 337,97 EUR mtl. (Grundmiete 199,97 EUR + 76,00 EUR Betriebskostenvorschuss + 55,00 EUR Heizkostenvorschuss). Zum 01.11. 2010 zog der Antragsteller ein. Am 16.11.2010 kündigte die Arbeitgeberin das Probearbeitsverhältnis zum 01.12.2010.

Der Antragsteller zahlte den Mietzins für die Zeit ab dem 01.12.2010 nicht. Mit Schreiben vom 09.12.2010 mahnte die Vermieterin den Mietrückstand für Dezember 2010 an. Mit weiterem Schreiben vom 20.01.2011 mahnte die Vermieterin letztmalig die Zahlung des Mietrückstandes von 336,97 EUR an und behielt sich die Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wegen Zahlungsverzuges vor, wenn die entsprechenden Voraussetzungen hierzu vorlägen. Mit Schreiben vom 17.03.2011 mahnte die Vermieterin die Mietrückstände für Januar und Februar an.

Am 22.11.2010 beantragte der Antragsteller die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Er hat vorgetragen, dass er seinen Lebensunterhalt bislang durch Erwerbseinkommen bei verschiedenen Arbeitgebern habe sichern können. Er habe den Kontakt zu seinen Eltern komplett abgebrochen. Durch Bescheid vom 29.12.2010 lehnte die Rechtsvorgängerin des Antragsgegners (nachfolgend: Antragsgegner) unter Berufung auf § 22 Abs. 2a SGB II den Antrag ab. Gründe für die anderweitige Wohnungsnahme außerhalb des Haushaltes der Eltern seien nicht ersichtlich. Durch die Rückkehr in den elterlichen Haushalt könne der Antragsteller die derzeit geltend gemachte Hilfebedürftigkeit nach § 3 Abs. 3 Satz 1 SGB II ganz oder teilweise beseitigen. Bei einem Umzug in die Wohnung der Eltern, würde der Antragsteller eine Bedarfsgemeinschaft mit seinen Eltern bilden, so dass das Einkommen und Vermögen der Eltern zur Sicherstellung des Lebensunterhalts herangezogen werden könne. Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein.

Am 26.01.2011 hat der Antragssteller beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen.

Er hat vorgetragen, dass beim Abschluss des Mietvertrages die Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht voraussehbar gewesen sei. Es bestehe Eilbedürftigkeit, da er aus eigenen Mitteln die Mietkosten nicht zahlen könne und befürchten müsse, dass das Mietverhältnis wegen rückständiger Miete gekündigt werde.

Der Antragsgegner ist der Auffassung, dass der Antragsteller grundsätzlich nach § 22 Abs. 2a SGB II auf den elterlichen Haushalt zu verweisen sei. Des weiteren sei nach § 22 Abs. 2a SGB II ein Anspruch auf Kosten der Unterkunft und Heizung ausgeschlossen, wenn ein unter 25-Jähriger aus der Wohnung der Eltern ausziehe, um die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung herbeizuführen. Ein objektiver Grund für den Auszug aus dem elterlichen Haushalt innerhalb der Probezeit sei nicht gegeben gewesen. Ein objektiver Dritter hätte das Ende der Probezeit abgewartet und sich dann aus einer gesicherten Arbeitstelle heraus eine eigene Wohnung gesucht.

Durch Beschluss vom 22.02.2011 hat das Sozialgericht Gelsenkirchen den Antragsgegner vorläufig im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragssteller ab dem 26.01.2011 für den Zeitraum bis zum 31.05.2011, jedoch längstens bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, Leistungen nach dem SGB II ohne Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 359,00 EUR zu gewähren. Im übrigen hat es den Antrag abgelehnt und dem Antragsgegner die Hälfte der außergerichtlichen Kosten auferlegt. Es hat einen Anordnungsanspruch hinsichtlich der Gewährung der Regelleistung für Alleinstehende nach § 20 Abs. 2 SGB II in Höhe von 359,00 EUR als glaubhaft gemacht angesehen. Der Antragssteller sei nicht nach § 22 Abs. 2a SGB II auf die reduzierte Regelleistung zu verweisen Es sei höchstrichterlich noch nicht geklärt, ob die Vorschrift des § 22 Abs. 2a SGB II nur dann Anwendung finde, wenn der unter 25-Jährige zum Zeitpunkt des Auszuges aus dem elterlichen Haus Leistungen nach dem SGB II beziehe. Deshalb erscheine die vorläufige Gewährung der Regelleistung vorliegend angemessen. Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft und Heizung sei ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.

Durch Bescheid vom 07.03.2011 hat der Antragsgegner dem Antragsteller vorläufig Regelleistung in Höhe von 359,00 EUR mtl. für die Zeit vom 26.01. bis 31.05.2011 nach § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a SGB II i.V.m. § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) bewilligt.

Gegen den seinem Bevollmächtigten am 28.02.2011 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 14.03.2011 Beschwerde eingelegt.

Er ist der Auffassung, dass im Hinblick auf seine Mietrückstände und die Mahnungen seiner Vermieterin ein Anordnungsgrund hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung gegeben sei. Die Wohnung seiner Eltern verfüge über drei Zimmer, ein Schlafzimmer für seine Eltern, ein Wohnzimmer und ein ca 11 qm großes Kinderzimmer. In das Kinderzimmer hätten lediglich zwei Betten und ein Schrank gepasst.

Der Antragsteller beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 22.02.2011 zu ändern und den Antragsgegner zu verpflichten, ihm auch Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 337,97 EUR mtl im Wege der einstweiligen Anordnung zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er trägt vor, dass nach seinen Erkenntnissen die Eltern des Antragstellers zur Zeit weder Leistungen nach dem SGB II noch nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) bezögen. Der Antragsteller habe zusammen mit seinen Eltern und seinem Bruder am 22.03.2010 Leistungen nach dem SGB II beantragt. Durch Bescheid vom 24.06.2010 sei die Leistung wegen mangelnder Mitwirkung versagt worden, da die Eltern des Antragstellers ihre Antragsunterlagen, Vermögensnachweise, Mietvertrag etc. nicht eingereicht hätten. Der Bruder des Antragstellers sei im Februar 2011 aus der Wohnung der Eltern ausgezogen. Insofern sei eine Verweisung des Antragstellers auf die Wohnung der Eltern durchaus möglich, da der Tatbestand der "schwerwiegenden sozialen Gründe" nicht mehr erfüllt sei.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches (d.h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie das Vorliegen des Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -).

Ein Anordnungsanspruch auf Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 337,97 EUR mtl. nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist glaubhaft gemacht. Danach hat der Antragsgegner die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, vorliegend 337,97 EUR mtl. zu übernehmen. Der Antragssteller ist leistungsberechtigt nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Er hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik sowie sein 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht erreicht. Er ist erwerbsfähig i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 8 SGB II. Hinderungsgründe, die der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mit einer Dauer von mindestens 3 Stunden täglich entgegenstehen, sind nach Aktenlage nicht ersichtlich. Auch ist der Antragsteller hilfebedürftig i.S.v. §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 SGB II. Er verfügt weder über Vermögen noch ist ihm ab dem 01.12.2010 Einkommen zugeflossen.

Die Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung ist nach der im einstweiligen Rechtschutzverfahren möglichen Prüfungsdichte nicht nach § 22 Abs. 5 SGB II i.d.F. des Gesetzes vom 24.03.2011 (BGBl I, 453) - n.F. - ausgeschlossen. Danach werden Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur erbracht, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat (Satz 1). Der kommunale Träger ist nach § 22 Abs. 2a Satz 2 SGB II in der bis zum 31.12.2010 gültigen Fassung - a.F. - (jetzt inhaltsgleich § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II n.F.) zur Zusicherung verpflichtet, wenn der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann (Nr. 1), der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist (Nr. 2) oder ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt (Nr. 3). Zwar ist der Antragsteller vor Vollendung des 25. Lebensjahres am 01.11.2010 aus der Wohnung der Eltern in eine eigene Wohnung umgezogen und der Antragsgegner hat keine Zusicherung nach § 22 Abs. 2a Satz 1 SGB II a.F. für diesen Umzug erteilt. Dieser Umzug fällt aber nicht in den Regelungsbereich des § 22 Abs. 2a SGB II a.F ... Nach der herrschenden Auffassung in Rechtsprechung (BSG Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 23/09 R = juris Rn 16; LSG Sachsen Beschluss vom 14.07.2010 - L 7 AS 175/10 B ER -; LSG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 03.06.2010 - L 5 AS 155/10 B ER -; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 06.11.2007- L 7 AS 626/07 ER -; LSG Mecklenburg-Vorpommern Urteil vom 21.05.2008 - L 10 AS 72/07 -; LSG Sachsen Urteil vom 02.07.2009 - L 3 AS 128/08) und Literatur (Berlit in LPK-SGB II, 3. Aufl., § 22 Rn. 90; Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2 Aufl.; § 22 Rn 80b ff), der sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt, ist die Vorschrift des § 22 Abs. 2a SGB II a.F. nicht auf Personen anwendbar, die zum Zeitpunkt ihres Auszuges aus dem elterlichen Haushalt nicht Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft gewesen sind und Leistungen bezogen haben. Der Antragsteller hat zum Zeitpunkt des Umzugs am 01.11.2010 weder Leistungen nach dem SGB II bezogen noch hat er solche beantragt. Das nach Angaben des Antragsgegners am 22.03.2010 eingeleitete Antragsverfahren ist mit Eintritt der Bestandskraft des Versagensbescheides vom 24.06.2010 beendet gewesen, so dass kein Antrag des Antragstellers zum Zeitpunkt des Auszuges beim Antragsgegner anhängig gewesen ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers nach Eintritt der Bestandskraft des Versagensbescheides vom 24.06.2010 wesentlich durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit am 06.08.2010 mit einem Nettogehalt von ca. 1.000,00 EUR gebessert haben, so dass auch nicht offensichtlich ist, dass der Antragsteller hilfebedürftig zum Zeitpunkt des Auszuges gewesen ist.

Des weiteren hätte aber auch für den Auszug ein Anspruch des Antragstellers auf Zusicherung nach § 22 Abs. 2a Satz 2 Nr. 1 SGB II a.F. durch den Antragsgegner bestanden. Denn der Antragsteller konnte zum Zeitpunkt des Auszugs, dem 01.11.2010, aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht mehr auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden. Zur Auslegung des Begriffs "schwerwiegende soziale Gründe" können die Vorschrift des § 64 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB III sowie die unterhaltsrechtliche Bestimmung des § 1612 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) herangezogen werden (Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 22 Rn 80p). Beengte Wohnverhältnisse und fehlender eigener Raum für ein volljähriges Kind (vgl. OLG Düsseldorf Beschluss vom 22.02.1993 - 3 Wx 520/92 = FamRZ 1994, 460) stellen nach der unterhaltsrechtlichen Rechtsprechung Gründe dar, dass sich volljährige Kinder nicht auf die Gewährung eines Naturalunterhalts in Form der Aufnahme in den Haushalt eines Elternteils verweisen lassen müssen. Vorliegend hat der Antragsteller in der Wohnung seiner Eltern ein 11 qm großes Zimmer zusammen mit seinem ein Jahr älteren Bruder genutzt. Im Hinblick auf das Alter des Antragstellers - 23 Jahre -, das Fehlen eines eigenen Raums in der elterlichen Wohnung, was nach Angaben des Antragsstellers gegenüber dem Amtsarzt zu Konflikten mit seinem Bruder geführt hat, und die Tatsache, dass der Antragsteller sich in keiner Schul- und Berufsausbildung befunden, vielmehr eine Erwerbstätigkeit in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis auf Probe ausgeübt hat, in der er ein Nettoeinkommen von mindestens 1.000,00 EUR mtl. erzielt hat, ist der Tatbestand des § 22 Abs. 2a Satz 2 Nr. 1 SGB II a.F. zum Zeitpunkt des Auszugs gegeben gewesen. Weder aus dem Akteninhalt noch aus dem Vortrag des Antragstellers ergeben sich Hinweise, dass zu diesem Zeitpunkt absehbar gewesen ist, dass der Bruder des Antragstellers in absehbarer Zeit ausziehen würde. Deshalb ist der Antragsteller auch zum Zeitpunkt der Antragstellung am 22.11.2010 nicht auf die Wohnung der Eltern verweisbar gewesen, da unzumutbare Wohnverhältnisse zu diesem Zeitpunkt bestanden haben.

Auch die Vorschrift des § 22 Abs. 2a Satz 4 SGB II a.F. (jetzt § 22 Abs. 5 Satz 4 SGB II n.F.) greift nicht zu Ungunsten des Antragstellers ein. Danach werden Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht, wenn diese vor Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umzuziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages absehen konnte, dass die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis noch während der Probearbeitszeit kündigen würde, insbesondere da der Antragsteller schon fast drei Monate Probearbeit nach Aktenlage ohne Beanstandung zurückgelegt hatte.

Auch die zwischenzeitlich eingetretene Veränderung in den Wohnverhältnissen in der elterlichen Wohnung - Auszug des älteren Bruders im Februar 2011 - begründet keinen Leistungsausschluss nach § 22 Abs. 5 Satz 1 und 2 SGB II n.F. für die Zeit ab Februar 2011. Dabei kann offen bleiben, ob unter 25-Jährigen, die sich in bezug auf die Unterkunft einmal endgültig von Elternhaus gelöst haben, ohne zu diesem Zeitpunkt auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen zu sein, in der Folgezeit wegen veränderter Verhältnisse - vorliegend Änderung der Wohnverhältnisse in der Wohnung der Eltern - entgegengehalten werden kann, dass sie ohne Zusicherung des Leistungsträgers umgezogen sind und damit ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung entfällt (verneinend Berlit in LPK-SGB II, 3. Aufl., § 22 Rn. 91). Denn der Umzug in die Wohnung der Eltern stellt entgegen der Auffassung des Antragsgegners vorliegend keine zumutbare Selbsthilfemöglichkeit des Antragstellers i.S.v. § 3 Abs. 3 SGB II dar. Zum einen ist nicht ersichtlich, dass die Eltern bereit sind, den Antragsteller wieder in ihre Wohnung aufzunehmen. Hiergegen spricht schon die Tatsache, dass der Antragsteller sich im Verwaltungsverfahren dahingehend eingelassen hat, dass er den Kontakt zu seinen Eltern komplett abgebrochen habe. Zum anderen ist der Antragssteller vertraglich verpflichtet, bestimmte Kündigungsfristen - 2 Monate nach Zugang der Kündigungserklärung beim Vermieter - einzuhalten.

Ebenso ist ein Anordnungsgrund i.S. der Eilbedürftigkeit für die Zeit ab dem 26.01.2011 glaubhaft gemacht, da eine Gefährdung der Unterkunft des Antragstellers zu besorgen ist. Denn der Antragsteller hat sich schon bei Antragstellung am 26.01.2011 mit zwei Mieten im Rückstand befunden, so dass die Voraussetzungen für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzuges durch die Vermieterin nach § 543 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, 569 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vorgelegen haben. Die Vermieterin hat sich auch nicht nur auf die Mahnung der Mietrückstände für die Zeit ab dem 01.12.2010 beschränkt, sondern in dem Schreiben vom 20.01.2011 eine Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs in Aussicht gestellt. Dies ist hier im Hinblick auf den offensichtlich bestehenden Anordnungsanspruch für die Annahme eines Anordnungsgrundes als ausreichend anzusehen (zu deren Verhältnis vgl. Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b Rn. 29 m.w.N.). Hinsichtlich der Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung vor Antragsstellung bei Gericht hat der Antragsteller dagegen keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (vgl. hierzu LSG NRW Beschluss vom 22.06.2010 - L 19 AS 875/10 B ER - m.w.N.).

Der Senat hat die Leistungsverpflichtung des Antragsgegners auf den 31.05.2011 begrenzt. Bei der Begrenzung der Leistungsverpflichtung des Antragsgegners auf gut vier Monate hat sich der Senat an § 41 Abs. 1 Satz. 4 SGB II orientiert. Danach sollen Leistungen für jeweils sechs Monate - hier ab November 2010 - im Voraus erbracht werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren gewährt. Die Beschwerde des Antragstellers bietet hinreichende Erfolgsaussicht i.S.v. § 73a SGG i.V.m. § 114 ZPO. Auf obige Ausführungen wird Bezug genommen. Der Antragsteller ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen außerstande, die Kosten der Prozessführung aufzubringen (§ 73a SGG i.V.m. § 115 ZPO), so dass ihm ratenfrei Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen ist.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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