L 19 AS 344/11 B ER und L 19 AS 345/11 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 37 AS 5630/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 344/11 B ER und L 19 AS 345/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Ablehnung der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 29.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2010 durch den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 19.01.2011 wird als unzulässig verworfen. Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten. Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

Die Rechtsvorgängerin des Antragsgegners (im Folgenden: Antragsgegner) ersetzte, nachdem zwischen ihm und dem Antragsteller eine Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Abs. 1 S. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) nicht zustande gekommen war, letztere durch Verwaltungsakt vom 29.09.2010, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 08.11.2010).

Die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen diesen Bescheid sowie Gewährung von Prozesskostenhilfe für das einstweilige Rechtsschutzverfahren hat das Sozialgericht (SG) Dortmund mit Beschlüssen vom 19.01.2011 abgelehnt, weil vor Erlass des Verwaltungsaktes Verhandlungen nicht erforderlich, die abverlangten Eigenbemühungen hinreichend konkretisiert und die Bestimmungen bezüglich des Aufenthalts im zeit- und ortsnahen Bereich nicht offensichtlich rechtswidrig seien. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe der Beschlüsse verwiesen.

Die gegen die Ablehnung der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gerichtete Beschwerde ist unzulässig, weil sich der angefochtene Verwaltungsakt im Hinblick auf seinen Wirkungszeitraum, der bis zum 28.02.2011 begrenzt gewesen ist, erledigt hat. Da aufgrund dieses Verwaltungsaktes der Antragsgegner auch keinen Sanktionstatbestand festgestellt hat, kann mit der begehrten Anordnung die Rechtsposition des Antragstellers nicht mehr verbessert werden.

Ein Fortsetzungsfeststellungsantrag zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit des behördlichen Handelns ist im einstweiligen Rechtsschutzverfahren unzulässig (BVerwG Beschl. v. 27.01.1995 - 7 VR 16.94 = DVBl 1995, 520; BFH Beschl. v. 17.01.1985 - VII B 46/84 = NVwZ 1986, 512).

Die Beschwerde ist daher mit der auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG beruhenden Kostenentscheidung zu verwerfen.

Das SG hat auch zu Recht Prozesskostenhilfe abgelehnt, weil der Antrag keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 73a Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) geboten hat, sodass die Beschwerde hiergegen zurückzuweisen ist. Der angefochtene Verwaltungsakt, dessen sofortige Vollziehbarkeit aus § 39 Nr. 1 SGB II folgt, erscheint bei der insoweit gebotenen summarischen Prüfung nicht in einer Weise rechtswidrig, dass dem Aussetzungsbegehren des Antragstellers gegenüber dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners bei der Entscheidung nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Vorrang einzuräumen gewesen wäre.

Der Antragsteller kann sich nicht darauf berufen, dass der Antragsgegner keine Verhandlungen/Gespräche über den Inhalt der angestrebten Eingliederungsvereinbarung mit ihm geführt hat. Aus § 15 Abs. 1 S. 1 SGB II, wonach die Agentur für Arbeit im Einvernehmen mit dem kommunalen Träger mit jedem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen die für seine Eingliederung erforderlichen Leistungen vereinbaren (Eingliederungsverein-barung) soll, folgt allenfalls eine unverbindliche Handlungsanweisung, wie der Grundsicherungsträger verfahrenstechnisch diese Regelung umzusetzen hat, ohne dass ein subjektiv-öffentliches Recht des erwerbsfähigen Leistungsempfängers damit korrespondiert (BSG Urt. v. 22.09.2009 - B 4 AS 13/09 R = www.juris.de Rn. 24).

Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch darauf, dass seine spezifischen Ausbildungs- und Berufswünsche Berücksichtigung finden. Leistungsempfängern sind, wie aus § 10 Abs. 1 SGB II folgt, unabhängig von ihrer schulischen und beruflichen Bildung grundsätzlich alle Arbeiten zur Überwindung ihrer Arbeitslosigkeit zumutbar (BSG Urt. v. 15.12.2010 - B 14 AS 92/09 R = www.juris.de Rn. 22).

Der Antragsgegner hatte durch den Eingliederungsverwaltungsakt auch eigene Pflichten in hinreichendem Maße übernommen. Wie diese beschaffen seien müssen, definiert § 15 SGB II nicht. Es kann dahinstehen, ob die Wiederholung des Gesetzeswortlauts der Fördermöglichkeiten oder die Aufzählung bloßer Leistungsmöglichkeiten diesbezüglich ausreichend ist (ablehnend Berlit in LPK-SGB II, 3. Aufl., § 15 Rn. 24 m.w.N.), denn der Antragsgegner hatte sich konkreten Verpflichtungen unterworfen. Er hat u.a. die Übernahme des Bewerberprofils des Antragstellers in www.arbeitsagentur.de und die Unterstützung der Bewerbungsaktivitäten durch Übernahme von angemessenen nachgewiesenen Kosten für schriftliche Bewerbungen zugesagt. Insbesondere die Zusage der Erstattung von Bewerbungskosten konkretisiert in begünstigendem Maße die Ansprüche des Antragstellers, weil die Kosten der Beschäftigungssuche grundsätzlich der Leistungsempfänger selbst zu tragen hat (Berlit a.a.O. § 2 Rn. 23) und die Erstattung von entsprechenden Aufwendungen im Ermessen des Leistungsträgers steht (§ 16 Abs. 1 SGB II in Verbindung mit § 45 S. 2 Nr. 1 SGB III).

Die dem Antragsteller abverlangten Eigenbemühungen begegnen ebenfalls keinen Bedenken. Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist durch den Verwaltungsakt hinreichend bestimmt, welche Pflichten ihm abverlangt werden. Aus der Zusammenschau der Bestimmung über die erforderlichen Bewerbungsbemühungen und der hierüber zu führenden Nachweise ergibt sich ohne weiteres, dass der Antragsteller verpflichtet ist, sich innerhalb von vier Wochen auf mindestens fünf Ausbildungsstellen bzw. schulische Berufsausbildungsplätze in geeigneter Weise zu bewerben. Diese Verpflichtung begegnet weder ihrem Umfang nach (vgl. dazu BSG Urt. v. 31.01.2006 - B 11a AL 13/05 R; Berlit a.a.O. § 2 Rn. 23 m.w.N.) noch hinsichtlich der Anforderungen an die Bewerbungen Bedenken. Der Antragsgegner durfte angesichts des Bildungsstandes des Antragstellers davon ausgehen, dass diesem bekannt ist, welche Anforderungen an eine ernsthafte Bewerbung zu stellen sind. Dass die entsprechende Regelung der Möglichkeit missbräuchlicher Verhängung von Sanktionen Vorschub leisten könnte, ist fernliegend.

Ebenso wenig ist die Verpflichtung zur zeitnahen Bewerbung, spätestens am 3. Tag nach Erhalt des Stellenangebots, auf Vermittlungsvorschläge zu reagieren, rechtswidrig, weil die Frist erst ab Erhalt des Stellenangebotes, dessen Zugang im Zweifelsfall der Antragsgegner nachzuweisen hat, läuft.

Schließlich hält sich die Regelung über den Aufenthalt und die postalische Erreichbarkeit im Wesentlichen im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen. Diese entspricht weitestgehend den Vorschriften des § 7 Abs. 4a SGB II, § 1 der Erreichbarkeits-Anordnung (EAO) vom 23.10.1997 (ANBA 1997, 1685) geändert durch Anordnung vom 16.11.2001 (ANBA 2001, 1476). Sie hatten damit keinerlei Bezug zu den Beschränkungen, die Asylbewerbern auferlegt werden können, sondern orientiert sich an den Pflichten von Arbeitslosen, die Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach dem SGB III beziehen (vgl. § 119 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 SGB III in Verbindung mit § 1 EAO). Für die behauptete Verletzung des Grundrechts des Antragstellers aus Art. 11 Grundgesetz (GG) fehlt daher jeglicher Anhaltspunkt.

Lediglich die Nichtaufnahme der Bestimmung des § 1 S. 3 EAO - Regelung über die Erreichbarkeit an Samstagen und Feiertagen - begegnet im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Bedenken. Mangels tatsächlicher Kontrollierbarkeit eines Verstoßes insoweit ist aber schon fraglich, ob der Antragsgegner überhaupt eine entsprechende Pflichtenverschärfung im Sinn hatte. Jedenfalls hätte dieser Umstand allein auch nicht die begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung gerechtfertigt.

Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.

Die Nichterstattungsfähigkeit der Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt insoweit aus einer entsprechenden Anwendung des § 127 Abs. 4 ZPO.

Da demzufolge auch die Beschwerde keine hinreichende Erfolgsaussicht bietet, ist auch insoweit Prozesskostenhilfe abzulehnen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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