L 1 SO 19/11

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
1
1. Instanz
SG Speyer (RPF)
Aktenzeichen
S 16 SO 43/07
Datum
-
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 1 SO 19/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zur fehlenden Bedürftigkeit bei der Gewährung von Prozesskostenhilfe wegen eines Anspruchs auf Prozesskostenvorschuss gegen den Ehegatten nach § 1360a Abs. 4 BGB in einem Rechtsstreit auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII.
Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren ist abzulehnen. Die Voraussetzungen des § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit (i.V.m.) § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) liegen nicht vor.

Nach § 114 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe ist ungeachtet der Beurteilung der Erfolgsaussicht des Berufungsverfahrens bereits mangels Bedürftigkeit der Klägerin zu versagen.

Nach § 115 Abs. 1 ZPO hat die Partei ihr Einkommen einzusetzen. Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist hierbei nicht nur nach den Mitteln zu bemessen, die die rechtsuchende Klägerin selbst besitzt, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch nach solchen, die sie sich erst bei Dritten beschaffen muss. Hierzu gehört auch der Anspruch gegenüber ihrem Ehegatten auf Gewährung eines Prozesskostenvorschusses nach § 1360a Abs. 4 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Diese Vorschrift gewährt einem Ehegatten, der nicht in der Lage ist, die Kosten eines Rechtsstreits zu tragen, der eine persönliche Angelegenheit betrifft, einen Anspruch auf Vorschuss gegen den anderen Ehegatten, soweit dies der Billigkeit entspricht. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

Die Klägerin und ihr Ehemann sind in rechtswirksamer Ehe verheiratet. Bedürftigkeit liegt bei der Klägerin vor, da sie mit ihrem Einkommen die Kosten der Prozessführung nicht bestreiten kann. Auch betrifft das vorliegende Berufungsverfahren eine persönliche Angelegenheit der Klägerin. Zu den persönlichen Angelegenheiten zählen neben den die Person berührenden nicht vermögensrechtlichen Angelegenheiten auch auf vermögensrechtliche Leistungen gerichtete Ansprüche insbesondere dann, wenn sie ihre Wurzeln in der Lebensgemeinschaft der Ehegatten haben, die auch die wirtschaftliche Existenz der Ehegatten umgreift (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 25.11.2009 - XII ZB 46/09 -, NJW 2010, 372). Keine persönliche Angelegenheit sind diejenigen vermögensrechtlichen Ansprüche, die einem Ehegatten in Verfolgung bloß eigener wirtschaftlicher Interessen erwachsen. Wird die eheliche Lebensgemeinschaft lediglich mittelbar berührt, schließt dies die Annahme persönlicher Angelegenheiten aus (vgl. Landesarbeitsgericht (LAG) Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31.03.2009 - 2 Ta 25/09 -, Juris). Bei sozialgerichtlichen Verfahren, die die Zahlung einer Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit oder die Altersrente betreffen, ist von persönlichen Angelegenheiten auszugehen (vgl. BGH a.a.O., RdNr. 6), ebenso bei einem Begehren auf Zuerkennung eines höheren Grades der Behinderung (vgl. Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.10.2010 - L 11 SB 288/09 B -, Juris). Ein Rechtsstreit, der die Rückforderung von Sozialhilfeleistungen betrifft, stellt demgegenüber keine persönliche Angelegenheit dar (Verwaltungsgericht (VG) Sigmaringen, Beschluss vom 04.02.2004 - 2 K 236/02 -, Juris).

Vorliegend geht es der Klägerin jedoch nicht ausschließlich um die Abwehr eines Rückforderungsbegehrens des Beklagten, sondern sie macht auch (höhere) Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für den Zeitraum von Oktober 2006 bis Januar 2008 geltend. Zudem wendet sie sich gegen eine ihr von dem Beklagten angebotene Ratenzahlung zur Begleichung eines ihr gewährten Darlehens betreffend rückständige Stromschulden. Diese Begehren der Klägerin sind zur Überzeugung des Senats ihren persönlichen Bedürfnissen zuzurechnen. Das Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) sieht - anders als noch das Bundessozialhilfegesetz (BSHG), aber ebenso wie das Gesetz über die bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (GSiG) - die Hilfe zum Lebensunterhalt und die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nicht mehr in Form differenzierter einmaliger Leistungen, sondern weitgehend in Form von Pauschalen vor (§§ 27a ff, 42 SGB XII). Der Empfänger der Leistung muss also einmalige Bedarfe für die Beschaffung von Bekleidung, Wäsche, Schuhe, Lernmittel, Gebrauchsgüter von längerer Lebensdauer und höherem Anschaffungswert sowie Bedarfe für besondere Anlässe aus der laufenden Leistung nach dem SGB XII befriedigen, d.h. er hat die ihm gewährte Leistung (auch) anzusparen, um sie dann im Bedarfsfall einsetzen zu können. Die Leistung dient mithin nicht allein der Befriedigung eines aktuellen, sondern auch eines zukünftigen und vergangenen Bedarfs, wobei der Eintritt bzw. der Zeitpunkt des Eintritts dieses Bedarfs ungewiss ist (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 16.10.2007 - B 8/9b SO 8/06 R -, SozR 4-1300 § 44 Nr. 11 RdNr. 19). Aus diesen Auswirkungen einer begehrten Leistungsgewährung auch für die Zukunft ergibt sich, dass die auf die Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums ausgerichteten laufenden Sozialhilfeleistungen auch dann persönliche Angelegenheiten des Anspruchstellers darstellen, wenn der streitige Leistungszeitraum in der Vergangenheit liegt. Die wirtschaftliche Existenz beider Ehegatten und die persönlichen Bedürfnisse des unterhaltsberechtigten Ehegatten sind von solchen Streitigkeiten betroffen. Im Übrigen ist der Zeitpunkt der Eheschließung - der vorliegend nach dem im Berufungsverfahren streitigen Zeitraum liegt - ohne Bedeutung für den Anspruch auf Prozesskostenvorschuss, da es im Rahmen des anhängigen Berufungsverfahrens darum geht, inwieweit die Klägerin derzeit in der Lage ist, die damit verbundenen Kosten zu tragen, also um ihre gegenwärtige Vermögenssituation und deren Beeinflussung durch einen jetzt gegebenen und realisierbaren Unterhaltsanspruch eigener Art (vgl. Bundesfinanzhof (BFH), Beschluss vom 11.09.1997 - X B 187/95 -, Juris, RdNr. 18). Der Umstand, dass die Klägerin und ihr jetziger Ehemann Gütertrennung vereinbart haben, beeinflusst den unabdingbaren Unterhaltsanspruch nach § 1360a Abs. 4 BGB nicht (vgl. BFH a.a.O., RdNr. 17).

Der Prozesskostenvorschussanspruch der Klägerin gegen ihren Ehemann entspricht auch der Billigkeit. Ein Prozesskostenvorschuss kann dann nicht verlangt werden, wenn durch seine Gewährung der eigene angemessene Unterhalt des Vorschusspflichtigen gefährdet würde. Darüber hinaus entspricht eine Prozesskostenvorschusspflicht dann nicht der Billigkeit, wenn der Inanspruchgenommene seinerseits Anspruch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe hätte, würde er den Prozess in gleicher Weise als eigenen führen (vgl. Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.03.2011 - L 13 R 887/10 -, Juris, RdNr. 6). Gesichtspunkte für eine Leistungsunfähigkeit des Ehemannes bzw. für einen Anspruch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe sind nicht gegeben. Der Ehemann bezieht eine monatliche Rente von 1.751,84 EUR, wohnt in einem ihm gehörenden Haus und besondere Belastungen sind nicht vorgetragen. Nach der Düsseldorfer Tabelle (B. IV. Stand 01.01.2011) beträgt der Ehegattenselbstbehalt (vgl. Clausius in Juris PK-BGB, 5.Aufl. 2010, § 1581 BGB Rdnr. 16) monatlich 1.050,00 EUR, wobei hierin bis zu 400,00 EUR für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten sind. Da bei dem Ehemann der Klägerin keine Mietkosten anfallen, ist der Betrag nach Schätzung des Senats um 200,00 EUR zu vermindern. Der billige Selbstbehalt des unterhaltspflichtigen Ehemannes ist damit gewährleistet. Er kann der Klägerin einen Prozesskostenvorschuss gewähren, ohne seinen eigenen Bedarf zu gefährden. Wenn der Ehemann den Prozess als eigenen führen würde, stünde ihm auch kein Anspruch auf Prozesskostenhilfe (§ 115 ZPO) zu.

Dieser Beschluss kann nach § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.
Rechtskraft
Aus
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