L 14 AS 99/11 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 24 AS 45483/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 AS 99/11 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Eine vom Arbeitgeber gewährte, arbeitsvertraglich geregelte Aufwandspauschale u.a. für das Bereithalten eines Pkws des Arbeitnehmers stellt keine zweckbestimmte Leistung iSd § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a) SGB 2 in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung dar, wenn es an einer vertraglich verpflichtenden Regelung fehlt, hierfür auch die entsprechenden Kosten (mindestens teilweise) zu decken; der Bewilligung von Prozesskostenhilfe fehlen daher die hinreichenden Erfolgsaussichten
Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 30. November 2010 wird zurückgewiesen. Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Kläger begehren Prozesskostenhilfe für die Durchführung eines unter dem Aktenzeichen S 24 AS 45483/09 beim Sozialgericht Berlin anhängigen Klageverfahrens, in dem sie sich gegen Rückforderungs- und Erstattungsbescheide des Beklagten für den Leistungszeitraum vom 01. Dezember 2008 bis zum 31. Mai 2009 in einer Gesamthöhe von 312,00 EUR wenden.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Prozesskostenhilfe wird nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) nur gewährt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. In diesem Rahmen wird den Beteiligten ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO). Bei der Abwägung, ob einer Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg zukommt, gebietet Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i. V. m. dem Rechtsstaatsgrundsatz, der in Artikel 20 Abs. 3 GG allgemein niedergelegt ist, und in der in Artikel 19 Abs. 4 GG verankerten Rechtsschutzgarantie gegen Akte der öffentlichen Gewalt seinen besonderen Ausdruck findet, eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. In der Folge dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überzogen werden, weil das Prozesskostenhilfeverfahren den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bietet, sondern ihn erst zugänglich macht (ständige Rechtssprechung, vgl. Bundesverfassungsgericht – Beschluss vom 06. Mai 2009 – 1 BvR 439/08 sowie Beschluss vom 14. März 2003 – 1 BvR 1998/02).

In diesem Sinne hat die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, denn die Rechtsfrage, ob es sich bei einer auf privatvertraglicher Grundlage geleisteten Aufwandsentschädigung um zweckbestimmte Einnahmen im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1 a Sozialgesetzbuch Zweites Buch SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung (a.F.) handelt, ist höchstrichterlich bereits geklärt.

Nach § 11 Abs. 3 Nr. 1 a SGB II (a.F.) sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen, soweit sie als zweckbestimmte Einnahmen einem anderen Zweck als die Leistungen nach diesem Buch dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären.

Nach der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts (- BSG -; vgl. Urteil vom 01. Juni 2010 – B 4 AS 89/09 R -, m. w. N., zitiert nach Juris) ergeben sich die an den Begriff der zweckbestimmten Einnahmen zu stellenden Anforderungen aus der Systematik des § 11 SGB II in der ebenfalls bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung und dem Sinn und Zweck der Regelung. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II (a.F.) enthält den Grundsatz, dass als Einkommen alle eingehenden geldwerten Leistungen unabhängig von ihrer Bezeichnung und ihrem Rechtscharakter zu berücksichtigten sind. Die Nichtberücksichtigung von Einnahmen erfolgt unabhängig davon, ob diese steuerfrei sind, nur unter engen Voraussetzungen, die ausdrücklich durch den Zweck der weiteren Einnahmen gerechtfertigt sein müssen. Es war die Intention des Gesetzgebers des SGB II, die Einkommensberücksichtigung im Wesentlichen wie bisher in der Sozialhilfe zu regeln (vgl. BT - Drs. 15/1516 S. 53 zu § 11), nicht jedoch an das Recht der Arbeitslosenhilfe anzuknüpfen. Nach sozialhilferechtlichen Vorschriften sollte es bei der Einkommensberücksichtigung verbleiben, wenn eine Zweckidentität mit Sozialhilfeleistungen festgestellt oder die andere Leistung ohne ausdrückliche Nennung eines Zweckes "zweckneutral" gewährt wurde. Sinn des § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a SGB II (a.F.) ist es vor diesem Hintergrund zu verhindern, dass die besondere Zweckbestimmung einer Leistung durch ihre Berücksichtigung als Einkommen im Rahmen des SGB II verfehlt wird bzw. für einen identischen Zweck Doppelleistungen erbracht werden.

Die Zweckbestimmung wird sich regelmäßig aus einer öffentlich-rechtlichen Norm ergeben, jedoch können auch zweckbestimmte Einnahmen auf privatrechtlicher Grundlage hierunter fallen (vgl. BSG, Urteil vom 01. Juni 2010, a. a. O.). Die für das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG haben zu zweckbestimmten Einnahmen auf privatrechtlicher Grundlage bereits im Zusammenhang mit Abfindungszahlungen wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes gefordert, dass eine Vereinbarung vorhanden sein muss, aus der sich objektiv erkennbar ergibt, dass die Leistung von dem Arbeitnehmer für einen bestimmten Zweck (privatrechtlicher Verwendungszweck) verwendet werden soll, ihm also ein bestimmter Verwendungszweck "auferlegt" wird (BSG, Urteil vom 13. Mai 2009 – B 4 AS 29/08 R – in SozR 4 – 4200 § 11 Nr. 22).

Eine besondere Privilegierung der gezahlten Pauschale kommt vorliegend nicht in Betracht. In dem Arbeitsvertrag heißt es unter Vergütung/Prämien: "Der Arbeitnehmer erhält für die Anwesenheit von bis zu 27 Einsätzen eine Pauschalsumme von 1.320,00 EUR brutto, zahlbar in 8 monatlichen Abschlägen zu je 100 EUR brutto plus 65,00 EUR Aufwandspauschale." Die im Arbeitsvertrag getroffene Regelung ist – entgegen dem Vorbringen der Kläger – damit objektiv nicht so zu verstehen, dass die Aufwandspauschale gewährt wurde, um damit – vertraglich verpflichtend (!) – die Kosten für ein eigenes Fahrzeug, das Telefon, die Winterkleidung oder verpflegungsbedingten Mehraufwand (wenigstens teilweise) zu bezahlen oder zu decken. Dies wäre aber Voraussetzung, um zu Gunsten des Klägers annehmen zu können, ihm sei durch den Arbeitsvertrag ein bestimmter Verwendungszweck "auferlegt" worden (BSG a.a.O.). Selbst der Prozessbevollmächtigte der Kläger dürfte mit seiner Beschwerdebegründung nicht davon ausgehen, dass eine derartige verpflichtende Erklärung der Arbeitsvertragsparteien vorgelegen hat, wenn geregelt worden ist, "dass diese Leistung von dem Arbeitnehmer für einen bestimmten Zweck verwendet werden soll." Eine Arbeitgeberleistung, die es dem Arbeitnehmer letztlich offen lässt, wofür er sie verwendet, erfüllt eine "zweckbestimmte Einnahme" iSd § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a SGB II (a.F.) nicht. Eine Auslegung der getroffenen Regelung – wie von den Klägern geltend gemacht – i.S.e Gesamtschau der getroffenen privatrechtlichen Vereinbarung scheidet nach der Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) aus.

Nach alledem war der Antrag auf Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht abzulehnen.

Die Entscheidung über die Kostenerstattung beruht auf § 127 Abs. 4 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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