S 7 AS 1007/10 ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Landshut (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AS 1007/10 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Angelegenheiten nach dem SGB II,
Grundsicherung für Arbeitsuchende (AS)
Bemerkung
ohne mündliche Verhandlung
I. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller zu 1) vorläufig weitere monatliche Leistungen in Höhe von 236,33 EUR vom 10.12.2010 bis 31.01.2011 sowie vom 01.02.2011 bis 09.06.2011 in monatlicher Höhe von 221,07 EUR zu gewähren.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

II. Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu 1) zu zwei Drittel zu tragen.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von höheren Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II streitig.

Die Antragsteller (Ast.) bilden eine Bedarfsgemeinschaft und bezogen zunächst gemeinsam von der Antragsgegnerin (Ag.) Leistungen nach dem SGB II. Zuletzt erhielt nur noch der Ast. zu 1) Leistungen von der Ag ... Mit Bewilligungsbescheid vom 16.07.2010 wurden dem Ast. zu 1) für die Zeit von 01.08.2010 bis 31.01.2011 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 305,95 EUR (107,73 EUR Regelleistung und 198,22 EUR Leistungen für Unterkunft und Heizung) gewährt und ein Zuschuss nach § 22 Abs. 7 SGB II für die Ast. zu 2) abgelehnt.

Die Aufwendungen für die von den Ast. bewohnte Mietwohnung belaufen sich auf insgesamt 420 EUR monatlich, wovon 300 EUR auf die Kaltmiete und 120 EUR Nebenkosten inkl. 50 EUR Heizung entfallen. Bereits mit Schreiben der Ag. vom 05.08.2009 wurde dem Ast. zu 1) mitgeteilt, dass die Aufwendungen für die Unterkunft den angemessenen Umfang überstiegen und er verpflichtet sei bis 31.01.2010 die Kosten der Unterkunft zu senken. Seit 01.02.2010 bezahlt die Ag. nur noch Unterkunftskosten in Höhe von 346,45 EUR monatlich (Bruttokaltmiete sowie die Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 50 EUR).

Seit 15.09.2008 befindet sich die Ast. zu 2) in einer kaufmännischen Berufsausbildung. Sie erhält Ausbildungsvergütung und Berufsausbildungsbeihilfe. Die Ausbildungsvergütung der Ast. zu 2) beläuft sich seit April 2010 auf 640 EUR brutto bzw. 444,88 EUR netto. Außerdem erhält die Ast. zu 2) Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) in Höhe von monatlich 321 EUR, wovon 237,07 EUR auf den Lebensunterhalt entfallen und 83,93 EUR auf die Fahrtkosten. Als Bedarf für den Lebensunterhalt wurden bei der Berechnung der BAB 551 EUR (341 EUR nach § 65 Abs. 1 SGB III i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 1 BAföG plus 210 EUR hälftige tatsächliche Kosten für Unterkunft und Heizung) zugrunde gelegt. Die Beiträge zur Kfz-Haftpflichtversicherung der Ast. zu 2) belaufen sich vierteljährlich auf 161,45 EUR.

Mit Schreiben vom 16.08.2010 legte der Ast. zu 1) gegen den Bescheid vom 16.07.2010 Widerspruch ein und begründete diesen im Wesentlichen damit, dass zwar im Bescheid für die Bedarfsgemeinschaft korrekt ein Betrag i.H. von 611,89 EUR berechnet worden sei. Das bedeute, dass die Ast. zu 2) mit ihrem Einkommen ihren Bedarf von 521,22 EUR nicht decken könne. Dieser Betrag sei aber nochmals auf zwei Personen aufgeteilt worden, obwohl die Ast. zu 2) nach § 7 Abs. 5 SGB II keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts habe. Da die Ast. zu 2) bei der Ag. keinen Anspruch auf den Differenzbetrag von 90,67 EUR habe, stehe dem Ast. zu 1) die volle Regelleistung i.H.v. 521,22 EUR zu.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.11.2010 wurde der Widerspruch des Ast. zu 1) zurückgewiesen. In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich der Gesamtbedarf des Ast. zu 1) auf 521,22 EUR belaufe. Er bilde mit seiner Ehefrau eine Bedarfsgemeinschaft. Jedes Mitglied habe sein Einkommen und Vermögen für alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft einzusetzen. Dass der Auszubildende selbst von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sei, ändere daran nichts. Das Einkommen der Ehefrau sei daher abzüglich der gesetzlichen Freibeträge zu gleichen Teilen auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft aufzuteilen.

Mit Änderungsbescheid vom 17.11.2010 wurden dem Ast. zu 1) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für August 2010 in Höhe von insgesamt 330,17 EUR (131,95 EUR Regelleistung inkl. Mehrbedarfe plus 198,22 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung) und für die Zeit von 01.09.2010 bis 31.01.2011 in Höhe von 397,89 EUR monatlich (199,67 EUR Regelleistung inkl. Mehrbedarfe plus 198,22 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung) bewilligt.

Mit Schreiben vom 10.12.2010 erhob der Ast. zu 1) Klage zum SG Landshut. Er führte aus, dass er mit der Einbehaltung des Betrages in Höhe von 305,95 EUR für seine Ehefrau nicht einverstanden sei. Es könne nicht sein, dass seine Ehefrau durch den BAB-Anspruch keinen Anspruch auf SGB II-Leistungen mehr habe. Zugleich stellte der Ast. zu 1) Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes.

Die Ag. führte in der Antragserwiderung vom 22.12.2010 aus, dass die Ag. der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 22.03.2010 – B 4 AS 39/09 R - gefolgt sei. Die Ag. sei sich bewusst, dass sich danach eine Bedarfsunterdeckung der Bedarfsgemeinschaft ergebe. Dies sei vom BSG entweder in Kauf genommen oder nicht gesehen worden. Zur Berechnung der Leistungen einer Bedarfsgemeinschaft mit einem ausgeschlossenen Altersrentner habe das BSG im Urteil vom 15.04.2008 – B 14/7b AS 58/06 R - ausgeführt, dass zur Vermeidung einer tatsächlichen Bedarfsunterdeckung der Bedarfsgemeinschaft zu der es in gemischten Bedarfsgemeinschaften bei einer Berechnung nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II kommen könne, lediglich das den Bedarf des nicht leistungsberechtigten Mitglieds übersteigende Einkommen auf die hilfebedürftigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft entsprechend dem Anteil ihres individuellen Bedarfs am Gesamtbedarf zu verteilen sei. Bis 31.07.2010 habe die Ag. die Leistungen für den Ast. zu 1) entsprechend der Entscheidung vom 15.4.2008 berechnet, ab dem 01.08.2010 sei das Urteil des BSG vom 22.03.2010 umgesetzt worden.

Im Schreiben vom 10.01.2011 führte der Ast. zu 1) noch aus, dass sich die Ast. in einer sehr angespannten finanziellen Situation befänden.

Mit Bescheid vom 31.01.2011 gewährte die Ag. dem Ast. zu 1) für den Zeitraum vom 01.02. bis 31.07.2011 monatliche Leistungen in Höhe von 413,15 EUR.

Der Ast. zu 1) hat beantragt,

die Ag. im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig weitere Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 305,95 EUR monatlich zu gewähren.

Die Ag. hat beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Akten der Ag. und die Prozessakte ergänzend Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz ist zulässig. Er ist zum Teil auch begründet.

Die Ag. hat dem Ast. zu 1) vorläufig weitere monatliche Leistungen in Höhe von 236,33 EUR vom 10.12.2010 bis 31.01.2011 sowie vom 01.02. bis 09.06.2011 in monatlicher Höhe von 221,07 EUR zu gewähren. Im Übrigen ist der Antrag allerdings abzulehnen.

Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Regelungsanordnung) ist zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint, § 86 b Abs.2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Das ist etwa dann der Fall, wenn dem Ast. ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht vom 25.10.1988, BVerfGE 79, 69).

Eine solche Regelungsanordnung setzt voraus, dass der Ast. einen Anordnungsanspruch, das heißt die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass er auch in der Hauptsache Erfolg haben wird, und einen Anordnungsgrund, das heißt die Dringlichkeit, der begehrten vorläufigen Regelung, darlegen und glaubhaft machen kann, § 86 b Abs.2 SGG i.V.m. §§ 920, 294 Zivilprozessordnung (ZPO). Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander. Vielmehr besteht zwischen beiden eine Wechselbeziehung derart, dass sich die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils verringern und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden damit auf Grund ihres funktionellen Zusammenhangs ein bewegliches System (Meyer-Ladewig, § 86b Rn. 27). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache hingegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an einen Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Im Fall einer solchen Orientierung an den Erfolgsaussichten der Hauptsache muss das Gericht in den Fällen, in denen das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung der Hauptsache übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung droht, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen. Bei einem offenen Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer umfassenden Folgeabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des Ast. umfassend in die Abwägung einzubeziehen (vgl. Meyer-Ladewig, § 86b Rn. 29a). Der Ast. zu 1) hat einen Anordnungsanspruch auf eine Gewährung von weiteren Leistungen i.H.v. 236,33 EUR bzw. 221,07 EUR pro Monat glaubhaft gemacht. Die Streitsache wäre in der Hauptsache offensichtlich sowohl zulässig als auch überwiegend begründet.

Dass der Ast. zu 1) grundsätzlich leistungsberechtigt nach dem SGB II ist, ist zwischen den Beteiligten nicht strittig. Es bedarf daher keiner Erörterung, ob die Voraussetzungen der §§ 7 ff SGB II vorliegen. Ebenso wenig streitig ist zwischen den Beteiligten der Gesamtbedarf und das anrechenbare Gesamteinkommen der Bedarfsgemeinschaft. Strittig zwischen den Beteiligten ist aber die Anwendung des § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II.

Diese Vorschrift bestimmt, dass jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig gilt, wenn in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt ist. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) folgt aus dieser Formulierung, dass zunächst der Bedarf jeder Person einzeln und hieraus der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft zu ermitteln ist. In einem weiteren Schritt wird dieser Gesamtbedarf dem Gesamteinkommen der Bedarfsgemeinschaft gegenübergestellt. Der danach nicht durch Einkommen gedeckte Gesamtbedarf wird alsdann im Verhältnis des jeweiligen Einzelbedarfs am Gesamtbedarf der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft aufgeteilt (BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr. 13). Dieses gilt auch in den Fällen, in denen das Einkommen einzelner Personen innerhalb der Bedarfsgemeinschaft zur Deckung ihrer eigenen Bedarfe, nicht jedoch zur Deckung des Gesamtbedarfs der Bedarfsgemeinschaft genügt. Ist allerdings ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft nicht leistungsberechtigt nach dem SGB II, ist § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II einschränkend dahingehend auszulegen, dass als Gesamtbedarf nur der Bedarf der hilfebedürftigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft anzusehen ist. Diesem Gesamtbedarf ist das Einkommen der Bedarfsgemeinschaft gegenüberzustellen, das sich nach Abzug des eigenen Bedarfs des nicht hilfebedürftigen Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft ergibt (vgl. BSG vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R).

Nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II müsste die Differenz zwischen Gesamtbedarf und Gesamteinkommen der Bedarfsgemeinschaft entsprechend der Bedarfsanteile auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft aufgeteilt werden und es würde ein entsprechender Anteil sowohl auf den Ast. zu 1) als auch auf die Ast. zu 2) entfallen. Da aber die Ast. zu 2) gemäß § 7 Abs. 5 SGB II vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen ist, könnte sie den auf sie entfallenden Anteil am Gesamtbedarf nicht geltend machen. Folglich würde eine Unterdeckung des Gesamtbedarfs der Bedarfsgemeinschaft eintreten. Diese am Wortlaut orientierte Vorgehensweise ist unter Berücksichtigung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) weder gewollt noch rechtmäßig. Sie widerspricht auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Bei einer "normalen" Bedarfsgemeinschaft kann davon ausgegangen werden, dass die bewilligten Leistungen tatsächlich auch den bedürftigen Personen im Ergebnis zufließen. Entfällt aber ein Anteil des Gesamtbedarfs auf ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, das diesen Anspruch nicht realisieren kann, ist die Deckung des nach dem SGB II bestehenden Gesamtbedarfs nicht mehr gewährleistet. Es findet sich kein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber bei gemischten Bedarfsgemeinschaften in dieser Konstellation in Kauf nehmen wollte, dass durch die anteilige Verteilung des Gesamtbedarfs eine Lücke in der Bedarfsdeckung verbleibt (vgl. BSG a.a.O.).

Art. 3 Abs. 1 GG gebietet es, in diesen Fällen entgegen dem Wortlaut der Vorschrift, dass § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II nur für die leistungsberechtigten Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft Anwendung findet. Nur das den Bedarf des nicht leistungsberechtigten Mitglieds übersteigende Einkommen ist auf die hilfebedürftigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft entsprechend dem Anteil ihres individuellen Bedarfs am Gesamtbedarf zu verteilen. Ansonsten würden Hilfebedürftige, die mit einer Person zusammenleben, die vom Leistungsbezug ausgeschlossen ist, schlechter stehen als Hilfebedürftige, die in einer Bedarfsgemeinschaft mit anderen Hilfebedürftigen leben (vgl. BSG a.a.O.).

Entsprechend diesen Ausführungen besteht nach dem Änderungsbescheid vom 17.11.2010, der vom Ast. zu 1) im Übrigen nicht angefochten wurde, aktuell ein Gesamtbedarf in Höhe von 1.155,44 EUR, wovon auf den Ast. zu 1) 634,22 EUR und auf die Ast. zu 2) 521,22 EUR entfallen. Der Unterschiedsbetrag zwischen den beiden Ast. ergibt sich daraus, dass der Ast. zu 1) Anspruch auf Mehrbedarfe in Höhe von 113 EUR hat. Das anrechenbare Gesamteinkommen der Bedarfsgemeinschaft beträgt 430,55 EUR, bzw. ab dem 01.02.2011 402,75 EUR. Die Ag. hatte nun daraus für den Ast. zu 1) einen Leistungsanspruch in Höhe von 397,89 EUR bzw. ab dem 01.02.2011 in Höhe von 413,15 EUR errechnet. Da das Einkommen der Ast. zu 2), d.h. des nicht leistungsberechtigten Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft, ihren individuellen Anteil am Gesamtbedarf nicht übersteigt, erfolgt danach auch keine Anrechnung auf den Bedarf des Ast. zu 1). Insofern hat der Ast. zu 1) Anspruch auf weitere Leistungen in Höhe von 236,33 EUR. Mit dem 01.02.2011 reduziert sich dieser Betrag auf 221,07 EUR, da sich das Gesamteinkommen der Bedarfsgemeinschaft auf 402,75 EUR vermindert hat. Die Differenz zwischen den vom Ast. zu 1) geltend gemachten Betrag in Höhe von 305,95 EUR rührt noch aus dem später abgeänderten Bescheid der Ag. vom 16.07.2010. Der Ast. zu 1) hatte insoweit nicht beachtet, dass ihm die Ag. mit Änderungsbescheid vom 17.11.2010 bzw. Bescheid vom 31.01.2011 mittlerweile einen höheren Betrag zuerkannt hatte.

Die Ag. hat im vorliegenden Fall die vom BSG entwickelte Rechtsprechung nicht mehr angewandt in der Überzeugung, das BSG hätte seine Rechtsprechung insoweit abgeändert, als nun § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II entsprechend seinem Wortlaut anzuwenden sei. Auf die Entscheidung vom 22.03.2010 – B 4 AS 39/09 R wird von der Ag. Bezug genommen. Das BSG hatte dort ausgeführt, dass das Verhältnis des Bedarfs des einzelnen Bedarfsgemeinschaftsmitglieds zum Gesamtbedarf im Sinne des § 9 Abs. 2 SGB II zu ermitteln sei, um danach den entsprechenden Anteil des Einzelnen am zu berücksichtigenden Einkommen dem jeweiligen Bedarf aus Regelleistung und Unterkunftsaufwendungen gegenüberzustellen. Angesichts dieser knappen Ausführungen ist es für das Gericht schlichtweg nicht vorstellbar, dass das BSG seine allerdings bei einem Altersrentner in einer Bedarfsgemeinschaft gegenüber einer BaföG-Bezieherin im vorliegenden Fall entwickelte Rechtsprechung zu § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II völlig aufgeben wollte. Schließlich sind beide Fallkonstellationen ähnlich, beide d. h. sowohl der Altersrenter als auch die BaföG-Bezieherin sind gemäß § 7 Abs. 4 und Abs. 5 vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen. Es liegt also eine vergleichbare Problematik vor. In beiden Fällen gebietet es Art. 3 Abs. 1 GG entgegen dem Wortlaut der Vorschrift, § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II nur für die leistungsberechtigten Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft anzuwenden. Hätte es das BSG beabsichtigt seine Entscheidung vom 15.4.2008 abzuändern oder sie bei BaföG-Beziehern nicht anzuwenden, dann ist davon auszugehen, dass dies nicht in einem Satz geschehen wäre. Dies umso mehr als das Grundrecht der Ast. aus Art. 3 Abs. 1 GG tangiert wird. Das Gericht geht daher weiterhin davon aus, dass das BSG mit seiner Entscheidung vom 22.03.2010 die Entscheidung vom 15.04.2008 nicht abändern wollte. Aber selbst wenn das BSG, bzw. der 4. Senat, nunmehr eine andere Auffassung als der 14. Senat vertreten sollte, folgt das Gericht weiterhin der Rechtsprechung des 14. Senats in der Entscheidung vom 15.04.2008. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

Der Ast. zu 1) hat mit seinen Ausführungen den Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 ff SGG.
Rechtskraft
Aus
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