L 10 KR 52/07

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 1 KR 75/05
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 10 KR 52/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der beklagten Krankenkasse die Anerkennung eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses mit ihrem im Verlaufe des Rechtsstreits verstorbenen Vater für die Zeit ab dem 1. April 2005. Beigeladen sind Pflegekasse, Bundesagentur für Arbeit und Deutsche Rentenversicherung Bund. Die Beigeladene zu 4) ist Witwe und Erbin des ursprünglich als Arbeitgeber beigeladenen Vaters.

Die 1976 geborene Klägerin ist Eigentümerin des bebauten Grundstücks D. in N. Laut Auskunft des Gewerbeamtes der Stadt S. hat dort ihr Vater, geboren 1934, seit 1994 den Betrieb einer Imbisswirtschaft mit Getränkeverkauf angemeldet. Nach dem Mietvertrag vom 1. Juni 1998 hat die Klägerin das Grundstück für 15 Jahre zum Betrieb einer Ausflugsgaststätte an ihren Vater vermietet. Anstelle eines Mietzinses war vereinbart, dass der Vater den Ausbau des Hauses zum Betrieb einer Ausflugsgaststätte übernimmt. Nach einer Vertragsänderung im Jahre 2002 betrug der Mietzins 410,00 EUR zuzüglich Umsatzsteuer monatlich und sollte mit bestehenden Forderungen des Vaters für Bauleistungen auf dem Grundstück (31.404,19 EUR) verrechnet werden.

Am 11. April 2005 ging bei der Beklagten ein von der Klägerin und ihrem Vater unterzeichneter Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen ein. Beigefügt waren ein Arbeitsvertrag vom 24. März 2005, der Mietvertrag aus 1998 und eine Erklärung des Vaters, dass er den Kaufpreis für das Mietgrundstück seinerzeit selbst gezahlt habe und die Klägerin lediglich auf Anraten des Steuerberaters als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen worden sei. Nach dem Arbeitsvertrag (Bl. 3 Verwaltungsakte = VA) betrug das monatliche anfängliche Grundgehalt 405,00 EUR brutto bei einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden. Der Tätigkeitsbereich der Klägerin sollte "den gesamten administrativen Bereich insbesondere den Aufbau und die Entwicklung einer touristischen Einrichtung" umfassen. In dem Feststellungsbogen ist u. a. angegeben, dass die Mitarbeit der Klägerin seit dem 1. April 2005 erfolge und das Arbeitsentgelt regelmäßig auf ein Konto überwiesen werde, für das die Klägerin verfügungsberechtigt sei. Die Klägerin sei wie eine fremde Arbeitskraft weisungsgebunden in den Betrieb ihres Vaters eingegliedert und übe die Tätigkeit tatsächlich aus. Diese sei nicht wie bei familienhafter Mitarbeit durch gleichberechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt. Ohne die Mitarbeit müsste eine andere Arbeitskraft eingestellt werden. Die Klägerin wirke bei der Führung des Betriebes z. B. auf Grund besonderer Fachkenntnisse mit; sie habe den Beruf einer Gymnastiklehrerin gelernt. Neben dem Arbeitsverhältnis der Tochter bestünde kein weiteres Arbeitsverhältnis.

Mit Bescheid vom 28. April 2005 stellte die Beklagte fest, dass ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht vorliege. Insbesondere könne bei einem Stundenlohn von 2,53 EUR (40 Stunden/Woche bei 405,00 EUR/Monat) nicht ein tatsächlich ausgeübtes Beschäftigungsverhältnis angenommen werden. In ihrem Widerspruch vom 2. Mai 2005 verwies die Klägerin auf ein "aufklärendes Telefonat", das ihr Vater mit einem Mitarbeiter der Beklagten geführt habe. Weiterhin legte sie einen undatierten "Arbeits-Ergänzungsvertrag" vor, wonach in Abänderung des bisherigen Vertrages die wöchentliche Arbeitszeit anfänglich 25 Stunden und das anfängliche monatliche Gehalt 650,00 EUR betrage. Weiter heißt es: "Diese Vereinbarung gilt zunächst für 12 Monate und endet am 30.04.2006." Schließlich war dem Widerspruch der Klägerin eine Erklärung ihres Vaters vom gleichen Tage beigefügt (Bl. 15 VA), wonach dieser seit mehr als 35 Jahren selbständig sowohl im Inland als auch im Ausland tätig gewesen sei. Er sei in der Lage "außer deutsch in drei weiteren Sprachen zu agieren". Seine kaufmännischen und betriebswirtschaftlichen Kenntnisse seien "fundamental". Auch seine Ehefrau habe langjährige gastronomische Erfahrung. Diese Erfahrungen und Kenntnisse sollten an die Klägerin mit Blick auf eine spätere Übernahme und Selbständigkeit weitergegeben werden.

In der Zeit vom 4. Mai bis zum 10. Juni 2005 befand sich die Klägerin als Selbstzahlerin im Fachkrankenhaus U ... Die Entlassungsanzeige weist die Diagnose "F 25.2" auf (gemischte schizoaffektive Störung, gemischte schizophrene und affektive Psychose, zyklische Schizophrenie). Bei der Entlassung sei die Klägerin nicht arbeitsfähig gewesen. Nach einem Attest der Ärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapie Dr. L. vom 1. Juli 2005 war die Klägerin wegen des Verdachts auf eine Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis im Fachkrankenhaus U. behandelt worden und noch nicht wieder arbeitsfähig (Bl. 22 VA).

Auf Anforderung der Beklagten legte die Klägerin im Widerspruchsverfahren drei auf den Namen "Restaurant W." ausgestellte Quittungen vom 15. Mai, 3. Juni und 8. Juli 2005 über Gehaltszahlungen für die Monate April 2005 (511,37 EUR), Mai 2005 (511,37 EUR) und Juni 2005 (433,71 EUR) sowie entsprechende undatierte Gehaltsabrechnungen vor.

Mit Bescheid vom 12. Oktober 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, da die ungewöhnlichen Arbeitsverträge und die weiteren Umstände gegen ein tatsächlich ausgeübtes Beschäftigungsverhältnis sprächen. Allenfalls erlaubten die ungewöhnlichen Umstände die Feststellung familienhafter Mitarbeit. Es dränge sich der Verdacht auf, dass ein Scheinarbeitsverhältnis zur Erlangung von Krankenversicherungsschutz habe konstruiert werden sollen.

Mit ihrer am 1. November 2005 beim Sozialgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin im Wesentlichen geltend gemacht, dass ihr Vater das Gehalt ordnungsgemäß abgerechnet und Sozialabgaben abgeführt habe. Allerdings habe die Beklagte zwischenzeitlich die abgeführten Beträge zurücküberwiesen. Zum "Hintergrund" des Arbeitsvertrages gibt die Klägerin an, dass sie als gelernte Gymnastiklehrerin vergeblich versucht habe, zusätzlich das Examen als Krankengymnastin zu machen. Als Gymnastiklehrerin habe sie sodann keine Arbeit gefunden mit Ausnahme eines befristeten Arbeitsverhältnisses in Duisburg. Nach dessen Beendigung zum 30. September 2004 habe sie es versäumt, eine freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten zu beantragen. Schließlich habe auch das Sozialamt seine Leistungen eingestellt. Ein neuer Antrag sei nicht gestellt worden, da die Verwertung des Grundstücks befürchtet wurde. Aus Angst, Scham und Frustration habe sie sich für eine gewisse Zeit aus dem Leben zurückgezogen. Da habe ihr Vater ihr den Vorschlag gemacht, das Lokal der Eltern zu übernehmen und auszubauen. Begeistert habe sie dem zugestimmt. Allein aus Gewohnheit habe ihr Vater in den Arbeitsvertrag eine 40-Stunden-Woche aufgenommen. Vom Beginn des Arbeitsverhältnisses bis zu ihrer Erkrankung habe sie eine Reihe von Konzepten zur Gestaltung und Vermarktung des Ausflugslokals entwickelt, von der Speisekarte bis zu begleitenden touristischen Angeboten. Hierzu legte die Klägerin ein Unterlagenkonvolut vor (Bl. 73 – 104 d. A.).

Nach kurzer Zeit ihrer Tätigkeit habe der Vater bemerkt, dass sie auffällig unkonzentriert geworden sei. Sie habe plötzlich angefangen, ohne Grund zu weinen. Dies sei über mehrere Tage so verlaufen. Ihre Eltern hätten professionelle Hilfe zu Rate gezogen. Es sei sehr schnell erkannt worden, dass sie psychisch erkrankt sei. Die aufgestaute übergroße Hilfs- und Perspektivlosigkeit sei schließlich endgültig herausgebrochen.

Die Klägerin hat weiter angegeben, dass sie mittlerweile durch den Bezug von Arbeitslosengeld II wieder gesetzlich krankenversichert sei, wegen der Behandlungskosten in dem Fachkrankenhaus U. aber auf die Feststellung der Krankenversicherungspflicht ab dem 1. April 2005 angewiesen sei.

Demgegenüber hat die Beklagte an ihrer Auffassung festgehalten, dass die Eingliederung der Klägerin in einen Betrieb ihres Vaters (Waldgaststätte) nicht belegt sei. Am 22. Juni 2006 habe ein Mitarbeiter der Beklagten die Gaststätte "W." aufgesucht und festgestellt, dass die frühere Ausflugsgaststätte baufällig und seit längerer Zeit nicht mehr in Betrieb sei. Auf dem Hof stehe ein Gebäude, in welchem sich wohl der frühere Imbisskiosk befunden habe. An der Hauswand sei ein Schild mit der Aufschrift "Besucher auf dem Hof melden" angebracht. Der äußere Eindruck des Areals wirke eher ungepflegt und unbewirtschaftet. Es sei zweifelhaft, dass der Kiosk überhaupt eine Existenzgrundlage abgeben könne. In ca. 5 km Entfernung gebe es eine Tankstelle mit Raststättenbetrieb und Hotel; die Raststätte werde von Reisenden gut angenommen.

Das Sozialgericht hat nach zweimaliger vergeblicher persönlicher Ladung der Klägerin mit Urteil vom 3. Mai 2007 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass es nicht davon überzeugt sei, dass die Klägerin ab dem 1. April 2005 bei ihrem Vater in einem sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Unter Berücksichtigung aller Umstände ergebe sich ein Gesamtbild, das erhebliche Zweifel an der ernstlichen Absicht zur tatsächlichen Durchführung eines Arbeitsverhältnisses aufkommen lasse. Insbesondere spreche die Vertragsgestaltung gegen die Ernstlichkeit des Vorhabens. Nach der ursprünglichen Regelung hätte die Klägerin 40 Stunden in der Woche bei einer Vergütung von 405 Euro im Monat Arbeitsleistung erbringen müssen (Stundenlohn 2,34 Euro). Nach dem späteren Änderungsvertrag habe sich zwar das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung verbessert, doch hätte die Klägerin in dem Zeitraum vom 1. April 2005 bis zu ihrer stationären Aufnahme in das Fachkrankenhaus U. am 4. Mai 2005 115 Stunden Arbeitsleistung erbringen müssen. Es bestünden erhebliche Zweifel an einer tatsächlichen Arbeitsleistung in dieser Zeit. Keiner der vorgelegten Tätigkeitsnachweise ließe sich eindeutig diesem Zeitraum zuordnen. Teilweise handele es sich um Unterlagen aus den Jahren 2000 bis 2002. Es spreche viel dafür, dass die Vertragsgestaltung allein der sozialversicherungsrechtlichen Absicherung der Klägerin gedient habe.

Gegen das ihr am 11. Juni 2007 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer am 6. Juli 2007 beim Landessozialgericht eingegangenen Berufung. Darin wiederholt und vertieft sie im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Sachvortrag nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 27. Februar 2008. Die ursprüngliche Vereinbarung eines geringfügigen Entgelts sei dem Umstand geschuldet, dass ihr zunächst Kenntnisse nach Art eines Lehrverhältnisses vermittelt werden sollten. Was den Umfang der tatsächlichen Arbeitsleistung bis zur stationären Einweisung anbetrifft, sei zu berücksichtigen, dass sich ihre Erkrankung schleichend angebahnt und deshalb einer höheren Arbeitsleistung entgegen gestanden habe. Anstelle der unbaren Entgeltzahlung habe der Vater ihr die Vergütung im Krankenhaus in bar ausgezahlt, um umständliche Bankvollmachten etc. zu ersparen; zudem habe sie das Bargeld benötigt.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts vom 3. Mai 2007 den Bescheid der Beklagten vom 28. April 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2005 abzuändern und festzustellen, dass sie auf Grund ihres Beschäftigungsverhältnisses bei ihrem Vater seit dem 1. April 2005 der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegt.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen und verteidigt das Urteil des Sozialgerichts.

Der Senat hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 10. Februar 2010 sowie – nach zwischenzeitlicher Mandatsniederlegung durch die Prozessbevollmächtigte – die Klägerin selbst mit Schreiben vom 28. Juni 2010 aufgefordert, ihre im Jahre 2005 behandelnden Ärzte zu benennen und von der Schweigepflicht zu entbinden. Es sei beabsichtigt, die Patientenakte des Fachkrankenhauses U. und einen Befundbericht der Ärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapie Dr. L. beizuziehen. Die Klägerin hat mitgeteilt, dass sie sich mit ihren – erneut mandatierten – Prozessbevollmächtigten darüber beraten wolle. Eine Entbindung von der Schweigepflicht lehne sie vorerst ab. Mit Beschluss vom 16. November 2010 hat der Berichterstatter die Klägerin darauf hingewiesen, dass ohne Benennung der Ärzte und Entbindung von der Schweigepflicht die Rechtsverfolgung der Klägerin aussichtslos erscheine. Mit Schriftsatz vom 25. November 2010 ließ die Klägerin mitteilen, dass sie die medizinischen Unterlagen selbst zusammenstellen wolle und hierzu die Hilfe ihrer Mutter benötige, die jedoch derzeit erkrankt sei. Mit Schreiben vom 30. November 2010, der Bevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 7. Dezember 2010, hat der Berichterstatter der Klägerin unter Hinweis auf die Folgen verspäteten Vorbringens (§ 106a Sozialgerichtsgesetz (SGG)) aufgegeben, die im Jahre 2005 behandelnden Ärzte sowie die Krankenhäuser, in denen sich die Klägerin in diesem Jahr befand, bis zum 31. Dezember 2010 zu benennen und von ihrer Schweigepflicht zu entbinden. Die Klägerin teilte daraufhin mit, dass sie ihre Ärzte nicht von der Schweigepflicht entbinden wolle und eine mündliche Verhandlung wünsche.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24. Februar 2011 erschien die Klägerin nicht. Am Vortag hat ihre Prozessbevollmächtigte einen Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 2. Februar 2011 vorgelegt, in dem die geschlossene Unterbringung der Klägerin wegen fehlender Einsichtsfähigkeit (längstens bis zum 2. Mai 2011) genehmigt wurde. Ferner hat sie im Termin die Bestellungsurkunde der Betreuerin vorgelegt, wonach diese die Klägerin gerichtlich und außergerichtlich im Bereich der Gesundheitsfürsorge, aller Vermögensangelegenheiten, bei Behörden und in der Aufenthaltsbestimmung vertritt (Bl. 354 GA). Ein Einwilligungsvorbehalt wurde nicht angeordnet. Der Senat hat die Verhandlung vertagt und der Klägerin und ihrer Betreuerin unter Fristsetzung erneut aufgegeben, die im Jahre 2005 behandelnden Ärzte zu benennen und von ihrer Schweigepflicht zu entbinden. Mit Schreiben vom 28. März 2011, der Klägerin zugestellt am 31. März 2011, hat er dies unter Fristsetzung bis zum 29. April 2011 und Hinweis auf die Folgen verspäteten Vorbringens (§ 106a SGG) wiederholt und die Klägerin zugleich zur Vorlage der von ihr angekündigten, nicht näher bezeichneten ärztlichen Unterlagen aufgefordert. Die Prozessbevollmächtigte hat daraufhin eine – vom Senat erbetene – Vollmacht der Betreuerin sowie deren Schreiben aus April 2011 (fälschlich datiert mit "11.10.2010") vorgelegt, wonach die Klägerin keine Entbindung von der Schweigepflicht erklären wolle. Unterlagen hat sie nicht vorgelegt.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Der Entscheidung des Senats stand ein Verfahrenshindernis nicht entgegen. Die Zweifel an der Prozessfähigkeit der Klägerin können dahinstehen, da sie durch eine Prozessbevollmächtigte vertreten war (§ 202 SGG i.V.m. §§ 241, 246 Zivilprozessordnung (ZPO)). Deren Vollmacht war zu Beginn des Rechtsstreits wirksam erteilt und überdies nachfolgend von der vertretungsberechtigten Betreuerin schriftlich bestätigt worden. Der Rechtsstreit ist auch nicht durch den Tod des notwendig beigeladenen Arbeitgebers, des Vaters der Klägerin, unterbrochen (BSG 10. September 1980 – 11 RK 1/80, BSGE 50, 196). Anstelle des verstorbenen Arbeitgebers hat der Senat seine Witwe als Erbin beigeladen.

II. Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1 und 2 SGG statthafte sowie gem. § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat ihre gemäß §§ 54, 55 SGG als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässige Klage zu Recht abgewiesen. Der Senat konnte offenlassen, ob die Klägerin ab dem 1. April 2005 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – SGB V zunächst in einem Arbeitsverhältnis zu ihrem Vater gestanden hat. Denn ein solches hätte jedenfalls keinen Versicherungsschutz begründet. Es wäre allein oder ganz wesentlich zu dem Zweck begründet worden, Krankenversicherungsschutz zu erlangen. Dies ist rechtsmissbräuchlich. Der ablehnende Bescheid der Beklagten ist daher rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG).

1. Für die Feststellung der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V gelten folgende Grundsätze:

a. Die Begründung eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses setzt Willenserklärungen mit der ernsthaften Absicht voraus, die gegenseitigen Pflichten des vereinbarten Arbeitsverhältnisses tatsächlich einzugehen. Nach § 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) ist Beschäftigung die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Die Beurteilung, ob ein solches entgeltliches Beschäftigungsverhältnis vorliegt, richtet sich nicht nur nach den Angaben oder Erklärungen der Betroffenen, sondern danach, ob die tatsächlichen Verhältnisse insgesamt den Schluss auf die ernstliche Absicht rechtfertigen, die mit einer Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis verbundenen gegenseitigen rechtlichen Verpflichtungen einzugehen. Die Begründung eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ist einerseits von einem Scheingeschäft abzugrenzen, mit dem ein Beschäftigungsverhältnis lediglich vorgetäuscht werden soll, um Leistungen der Krankenversicherung zu erlangen. Andererseits tritt auch bei tatsächlicher Begründung eines Arbeitsverhältnisses Versicherungspflicht nicht ein, wenn dies allein oder im Wesentlichen in der Absicht geschieht, Krankenversicherungsschutz zu erlangen und die Tätigkeit unter Berufung auf eine bekannte Arbeitsunfähigkeit erst gar nicht anzutreten oder alsbald wieder aufzugeben. Vor einer solchen missbräuchlichen Rechtsgestaltung ist die Versichertengemeinschaft zu schützen. In Fällen, in denen die Umstände ein missbräuchliches Verhalten oder eine Manipulation zu Lasten der Krankenkasse nahe legen, bedarf es einer sorgfältigen Aufklärung dieser Umstände und der von den Arbeitsvertragsparteien wirklich verfolgten Absichten. Zusätzliche Ermittlungen sind beispielsweise erforderlich, wenn bereits bei der Arbeitsaufnahme Arbeitsunfähigkeit besteht, dieses bekannt ist und die Arbeit alsbald aufgegeben wird. Liegt außerdem eine familiäre oder verwandtschaftliche Beziehung zwischen den Arbeitsvertragsparteien vor, ist eine offensichtlich vom üblichen Rahmen abweichende Lohnhöhe vereinbart, hat der Betroffene einen anderweitigen Versicherungsschutz verloren oder ist eine rückwirkende Anmeldung bei der Krankenkasse nach zwischenzeitlichem Auftreten einer kostenaufwendigen Erkrankung erfolgt, kann von einer Versicherungspflicht nur ausgegangen werden, wenn weitere Tatsachen diese Verdachtsmomente entkräften (vgl. BSG 29. September 1998 – B 1 KR 10/96 R, Rn. 19, Juris).

b. Die Feststellungslast für die Tatsachen, die Versicherungspflicht begründen, trägt allgemein derjenige, der sich auf sie beruft (BSG 29. September 1998 – B 1 KR 10/96 R, SozR 3-2500 § 5 Nr. 40; BSG 4. Dezember 1997 – 12 RK 3/97, BSGE 81, 231, 240). Wer ein Recht in Anspruch nimmt, trägt im Zweifel die Beweislast für die rechtsbegründende Tatsache, wer ein Recht leugnet, die Beweislast für die rechtshindernden, rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Tatsachen (BSG 26. November 1992 – 7 RAr 38/92, BSGE 71, 256 m.w.N.). Wie sich die objektive Beweislast verteilt, also welche Tatbestandsmerkmale rechtsbegründend und welche rechtshindernd sind, ist der für den Rechtsstreit maßgeblichen Norm, in der Regel einer Norm des materiellen Rechts zu entnehmen (vgl. BSG 26. November 1992 a.a.O., m.w.N.). Ist die objektive Beweislast nicht unmittelbar selbst und eindeutig vom Gesetz bestimmt, ist letztlich maßgeblich, welche Seite nach dem Plan des Gesetzgebers, hilfsweise nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen, im Falle der Nichterweislichkeit mit dem potentiellen Unrecht belastet werden kann (Berg, JuS 1977, 23, 26; Baader, Vom richterlichen Urteil, 1989, S 21 ff; vgl. BVerfG 25. Juli 1979 – 2 BvR 878/74, BVerfGE 52, 131, 143, 146 f). Es sind dabei nicht nur der Zweck der Norm, sondern auch ihre Stellung sowie Erfordernisse wirksamen Rechtsschutzes zu berücksichtigen. Anhaltspunkte für die Abgrenzung bieten so unterschiedliche Kriterien wie Regel und Ausnahme (BVerwG 4. Mai 1956 – V C 172.55, BVerwGE 3, 267, 273; BVerwG 17.05.1961 – V C 45.60, BVerwGE 12, 247, 250; Berg, JuS 1977, 23, 27), die Zumutbarkeit der Belastung mit einem Beweisnachteil (vgl. BVerfG a.a.O.; BGH 27.06.1978 – VI ZR 183/76, BGHZ 72, 132, 136) und der Zurechenbarkeit der Ungewissheit bzw. Unaufklärbarkeit zur Verantwortungssphäre der einen oder anderen Seite (BVerwG 16. Januar 1974 – VIII C 117.72, BVerwGE 44, 265, 271; BVerwG 30. März 1978 – V C 20.76, BVerwGE 55, 288, 297).

Ob danach zu den Tatsachen, welche die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V begründen, neben den äußeren Merkmalen der Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses auch die Umstände gehören, die den Missbrauch dieser Rechtsgestaltung (oder ein Scheingeschäft) ausschließen, erscheint fraglich (unklar insoweit BSG 29. September 1998 und 4. Dezember 1997, jeweils a.a.O.). Im Zivilprozess handelt es sich jeweils um rechtsvernichtende Einwendungen (vgl. etwa BGH 8. Juni 1988 – VIII ZR 135/87, NJW 1988, 2597(Scheingeschäft); BGH 31. Januar 1975 – IV ZR 18/74, NJW 1975, 828 (Rechtsmissbrauch)). Auch im Sozialgerichtsverfahren dürfte die Feststellungslast für Rechtsmissbrauch und Scheingeschäft, welche vom "Normalfall" abweichende Umstände darstellen, grundsätzlich als rechtsvernichtende Einwendungen anzusehen sein. Der Gesichtspunkt eigener Kenntnis und Sphäre desjenigen, der Versicherungsschutz behauptet, wird dagegen im Hinblick auf seine Mitwirkungspflichten im Verwaltungsverfahren (§§ 60 bis 65 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – SGB I) und im Gerichtsverfahren (§ 103 Satz 1 Halbs. 2 SGG) für die Verteilung der Feststellungslast nicht entscheidend sein. Denkbar ist andererseits aber auch, dass die maßgebliche materielle Norm (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) – anders als etwa § 611 BGB im Arbeitsverhältnis – auf der Tatbestandsseite nicht lediglich einen Vertragsschluss erfordert, sondern sozusagen als ungeschriebenes negatives Tatbestandsmerkmal voraussetzt, dass ein Versicherungspflicht auslösendes Beschäftigungsverhältnis nicht allein zur Erlangung des Versicherungsschutzes und ohne wirklichen Realisierungswillen in Bezug auf die wechselseitigen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis eingegangen wurde. Dies wäre dann, jedenfalls bei Anhaltspunkten für Zweifel, von dem zu beweisen, der sich auf die Versicherungspflicht beruft.

2. Die Frage kann jedoch offen bleiben. Auch wenn man die Feststellungslast für mangelnden ernstlichen Realisierungswillen und damit für Rechtsmissbrauch bzw. Scheingeschäft dem Sozialversicherungsträger auferlegt, ist der Entscheidung zugrunde zu legen, dass ein etwaiges Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und ihrem Vater keine Versicherungspflicht begründet hat.

Unter Würdigung der Gesamtumstände des vorliegenden Falles ist davon auszugehen, dass die Klägerin und ihr Vater den Arbeitsvertrag allein in der Absicht geschlossen haben, einen Krankenversicherungsschutz für die Klägerin zu begründen, und die Erfüllung der wechselseitigen Pflichten aus dem Arbeitsvertrag nicht ernstlich angestrebt haben. Der Senat stützt dies auf alle erkennbaren Umstände des Einzelfalls (dazu a). Dabei hatte er zugrunde zu legen, dass die Klägerin und ihr Vater bereits bei Vertragsschluss Kenntnis von der Erkrankung der Klägerin und ihrer voraussichtlichen Arbeitsunfähigkeit auf unabsehbare Zeit hatten (dazu b).

a. Für die Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses sprechen im Wesentlichen der von beiden Parteien unterzeichnete Arbeitsvertrag, die Quittierung der Entgeltzahlung für April bis Juni 2008 sowie die Abführung entsprechender Sozialversicherungsbeiträge. Daraus ist jedoch nur das äußere Bild eines Beschäftigungsverhältnisses ersichtlich, und dies auch nur in Teilen. Die weiteren Umstände des Falles sprechen demgegenüber bereits stark dafür, dass das Arbeitsverhältnis allein oder ganz wesentlich deshalb eingegangen wurde, um Krankenversicherungsschutz zu erlangen, während die Tätigkeit unter Berufung auf eine bekannte Arbeitsunfähigkeit alsbald wieder eingestellt werden sollte.

aa. In diese Richtung weisen zunächst die Zweifel an der Arbeitgebereigenschaft des im April 2005 bereits 71 Jahre alten Vaters der Klägerin. Dessen unternehmerische Pläne werden im Rechtsstreit, der erstinstanzlich noch unter seiner Beteiligung geführt wurde, sehr unklar dargestellt. Es wird nicht deutlich, ob sie auf einen Kiosk mit angeschlossenem Imbiss, ein Restaurant oder eine irgendwie geartete "touristische Einrichtung" zielen. Zweifel daran, dass der Vater wirklich derartige unternehmerische Ziele verfolgt hat, begründet auch der Umstand, dass in 5 km Entfernung bereits eine von Gästen gut frequentierte Raststätte existiert. Ferner ist nicht erkennbar, ob überhaupt und gegebenenfalls wann und in welchem Umfang die Lokalität vom Vater zuletzt tatsächlich betrieben worden ist. Weitere Arbeitnehmer wurden jedenfalls nicht beschäftigt, auch nicht nachfolgend anstelle der Klägerin. Auch liegen Rechnungen oder sonstige Belege für einen laufenden Betrieb nicht vor. Unklar ist, aus welchen Einnahmen oder Erwerbsquellen der Vater das Entgelt für die Klägerin auf Dauer hätte zahlen wollen. Mit diesen Zweifeln steht in Einklang, dass der Vater nachfolgend seine unternehmerischen Aktivitäten offenbar nicht fortgesetzt hat.

bb. Die Zweifel an einem ernstlichen Realisierungswillen setzen sich auf der Arbeitnehmerseite fort. Neben der familiären Bindung zu ihrem Vater, die nach der Rechtsprechung bereits für sich Anlass zu eingehender Prüfung des behaupteten Beschäftigungsverhältnisses ist, fehlt es auf Seiten der Klägerin an einschlägiger Ausbildung oder Erfahrung. Die Klägerin ist gelernte Gymnastiklehrerin. Eine Ausbildung zur Krankengymnastin scheiterte. Ein beruflicher Bezug zur Gastronomie oder Touristik ist nicht ersichtlich.

cc. Die Zweifel verstärken sich durch die Umstände, unter denen das behauptete Arbeitsverhältnis eingegangen wurde. Die Klägerin war zuvor bis zum 30. September 2004 befristet bei den Wirtschaftsbetrieben in Duisburg beschäftigt und hatte im Anschluss daran die Frist für den Abschluss einer freiwilligen Krankenversicherung versäumt. Sie war somit nicht gegen Krankheit versichert. Daraufhin gewährte Sozialleistungen wollte sie nicht länger in Anspruch nehmen, da sonst eine Zwangsversteigerung ihres Hauses gedroht hätte. In der Folge zog sie sich, wie sie selbst vorträgt, aus Angst, Scham und Frustration aus dem Leben zurück. Wenn in dieser Lage der Vater vorschlug, mit der Klägerin ein Arbeitsverhältnis zu begründen, erscheint dies eher als ein Akt der Hilfeleistung unter Familienangehörigen, der in erster Linie den fehlenden Krankenversicherungsschutz begründen sollte. Jedenfalls wird nicht erkennbar, dass der Vater, wie er im Feststellungsbogen gegenüber der Beklagten angegeben hat, sonst einen anderen Arbeitnehmer hätte einstellen müssen. Dies ist nachfolgend auch nicht geschehen.

dd. Hinzu tritt der unrealistische Inhalt des Vertrages vom 24. März 2005. Die vereinbarte Vergütung hätte zu einem Stundenlohn von etwa 2,34 Euro geführt (405,00 EUR x 3: 13: 40). Dies ist auch als Anfangsvergütung kein angemessenes und realistisches Entgelt, zumal gerade kein Ausbildungsverhältnis im Sinne der §§ 4 ff Berufsbildungsgesetz begründet werden sollte. Die erstinstanzliche Einlassung der Klägerin, dass es sich dabei um einen Irrtum des Vaters gehandelt habe, der die Anzahl der Wochenstunden gewohnheitsmäßig in den Vertrag eingesetzt habe, überzeugt bei der Länge des Arbeitsvertrages von nur wenigen Zeilen (Bl. 3 der Verwaltungsakte = VA) nicht. Im Übrigen leuchtet es nicht ein, wie sich eine solche Gewohnheit bei dem Vater eingestellt haben sollte, wo doch die Klägerin seine einzige Arbeitnehmerin war. Offensichtlich war der Vertragsinhalt für die Parteien nur insoweit von Bedeutung, als ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis zu überschaubaren Kosten begründet werden sollte. Dafür spricht auch, dass nach der Beanstandung des Vertrages durch die Beklagte sowohl Entgelt als auch Arbeitsumfang (Stundenzahl) angepasst wurden. Aber nicht nur in Bezug auf das Verhältnis von Arbeitsleistung und Entgelt, sondern auch hinsichtlich der vereinbarten Tätigkeit geht der Vertragsinhalt an der Wirklichkeit vorbei. In Anbetracht des Zustandes der Liegenschaft, wie er von der Beklagten aufgrund eines Ortstermins im Juni 2006 beschrieben wurde (vgl. auch die Fotografien Bl. 104 GA), sowie der fachlichen Kenntnisse und Erfahrungen der Klägerin erscheint die Arbeitsaufgabe "gesamter administrativer Bereich, insbesondere der Aufbau und die Entwicklung einer touristischen Einrichtung" realitätsfern.

ee. In dieser Lage wäre der Feststellung einer tatsächlichen Vertragsdurchführung indiziell noch ein gewisses Gewicht für die Annahme eines ernstlichen Realisierungswillens der Vertragsparteien zugekommen. Doch wurde auch diese für den in Betracht kommenden Zeitraum vom 1. April bis zur stationären Einweisung der Klägerin am 4. Mai 2005 nur vage dargestellt. Die vorgelegten Belege (Unterlagenkonvolut Bl. 73 bis 104 GA) sollen im Wesentlichen touristische Pläne und Ausarbeitungen der Klägerin darstellen. Ihre Erstellung lässt sich jedoch in keinem Fall zweifelsfrei dem vorgenannten Zeitraum zuordnen. Teilweise handelt es sich um allgemein zugängliche Unterlagen aus anderen Zeiträumen. Der Umfang etwaiger Ausarbeitungen entspricht zudem unter normalen Umständen nicht dem im vorgenannten Zeitraum angefallenen Arbeitsvolumen von ca. 115 Stunden. Auch die Umstände der Entgeltzahlung für die Monate April, Mai und Juni 2008 – entgegen der vertraglichen Abrede in bar gegen Quittung und während des stationären Aufenthalts der Klägerin in der Fachklinik U. – entsprechen nicht der Abwicklung eines normalen Arbeitsverhältnisses. Wofür die Klägerin in der Psychiatrie über ein Taschengeld hinaus ihr Gehalt in bar benötigte, erschließt sich aus ihrem Vorbringen nicht. Im Vordergrund für diese Form der Auszahlung dürfte der Zweck gestanden haben, das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses belegen zu können.

b. Schließlich – und entscheidend für die Feststellung des Rechtsmissbrauchs – hat der Senat seiner Entscheidung zugrunde zu legen, dass der Klägerin und ihrem Vater bei Abschluss des Arbeitsvertrages die ernstliche Erkrankung der Klägerin, die sie auf unabsehbare Zeit an der Erfüllung ihrer eingegangenen Arbeitspflichten hinderte, bekannt gewesen ist.

aa. Hierfür spricht zunächst die Einlassung der Klägerin selbst, wonach sie sich schon vor dem Vertragsschluss aus Angst, Scham und Frustration aus dem Leben zurückgezogen habe. Nach Beginn des Arbeitsverhältnisses am 1. April 2005 habe sich ihr Zustand schleichend verschlechtert. Die aufgestaute übergroße Hilfs- und Perspektivlosigkeit sei schließlich endgültig herausgebrochen. Am 4. Mai 2005 wurde die Klägerin dann mit der Diagnose F25.2 (gemischte schizoaffektive Störung, gemischte schizophrene und affektive Psychose, zyklische Schizophrenie) in stationäre Krankenhausbehandlung aufgenommen.

bb. Hiervon ausgehend war eine besonders sorgfältige Abklärung der Frage unverzichtbar, ob die Erkrankung der Klägerin im Zeitpunkt der behaupteten Vertragseingehung tatsächlich bereits bestanden hatte und bekannt war. Es ist Aufgabe des Gerichts, verbleibende Zweifel zu beseitigen und den Sachverhalt aufzuklären (§ 103 SGG). Alle entscheidungserheblichen Angaben der Klagepartei müssen überprüfbar sein, soweit ihre Richtigkeit im Einzelfall nicht offenkundig ist. Denn es geht um Sozialleistungen zu Lasten einer Solidargemeinschaft, die ein Recht darauf besitzt, dass nur gesetzmäßige Ausgaben getätigt werden (vgl. etwa BSG 28. November 1990 – 4 RLw 5/90, SozR 3-1300 § 32 Nr 4; BSG 2. September 2004 – B 7 AL 88/03 R, Juris).

Der Senat hat aus diesem Grunde die Klägerin aufgefordert, ihre Ärzte zu benennen und von der Schweigepflicht zu entbinden sowie von ihr angekündigte medizinische Unterlagen vorzulegen. Anderweitige Erkenntnisquellen oder erfolgversprechende Ermittlungsmöglichkeiten bestanden insoweit nicht. Weil die Klägerin dieser Aufforderung trotz mehrfacher Hinweise – auch unter Fristsetzung und Belehrung nach § 106a Abs. 3 SGG – nicht nachgekommen ist und auch ansonsten keine medizinischen Unterlagen zu der o.g. Frage vorgelegt, ihre Mitwirkung zuletzt vielmehr ausdrücklich verweigert hat, musste die unverzichtbare Aufklärung dieser entscheidungserheblichen Frage unterbleiben.

cc. Die somit gegebene Beweisvereitelung geht zu Lasten der Klägerin.

(1) Es ist ein das gesamte Beweisverfahren beherrschender Grundsatz, dass auch das prozessuale Verhalten einer Partei Gegenstand der Beweiswürdigung sein kann. Vereitelt oder erschwert eine Partei der anderen schuldhaft die Benutzung eines Beweismittels, kann dies zu Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr führen. Aus entsprechenden Einzelregelungen der Zivilprozessordnung (ZPO; vgl. §§ 427, 441 Abs. 3 Satz 3, 444, 453 Abs. 2, 454 Abs. 1 ZPO) und unter Beachtung des auch das Prozessrecht beherrschenden Grundsatzes von Treu und Glauben (§§ 241 Abs. 2, 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) kann eine solche Rechtsfolge für die Fälle der Beweisvereitelung unter Beachtung der Umstände des Einzelfalles verallgemeinert werden (BGH 15. November 1984 – IX ZR 157/83, NJW 1986, 59).

Diese Grundsätze gelten in vorsichtiger Analogie zu § 444 ZPO auch im sozialgerichtlichen Verfahren (vgl. BSG 10. August 1993 – 9/9a RV 10/92, SozR 3-1750 § 444 Nr. 1 m.w.N.; BSG 2. September 2004 – B 7 AL 88/03 R, Juris). Danach kommt eine Beweiserleichterung wegen Beweisvereitelung in Betracht, wenn alle Möglichkeiten zur Sachverhaltsfeststellung ausgeschöpft sind (BSG 2. September 2004 a.a.O.). Beweisvereitelung liegt nur vor, wenn der beweisbelastete Beteiligte durch pflichtwidriges Handeln oder Unterlassen eines anderen Beteiligten in Beweisnot gerät (BSG 10. August 1993 a.a.O.). Ob ein Pflichtverstoß vorliegt, kann unter Heranziehung der Wertungen der §§ 60 bis 65 SGB I, die unmittelbar nur für das Verwaltungsverfahren gelten, festgestellt werden (BSG 2. September 2004 a.a.O.). Rechtsfolge von Beweisvereitelungen können auch im sozialgerichtlichen Verfahren je nach den Umständen des Einzelfalles Beweiserleichterungen in Form einer Absenkung des Beweismaßes bis hin zur Beweislastumkehr sein.

(2) Bei Anwendung dieser Maßstäbe ist der Klägerin eine besonders vorwerfbare Beweisvereitelung zur Last zu legen, die insoweit zu einer Beweislastumkehr führt. Wie oben ausgeführt, sind alle Möglichkeiten des Senats zur Sachverhaltsfeststellung in der hier maßgeblichen und unverzichtbaren Frage, ob die ernstliche Erkrankung der Klägerin im Zeitpunkt der Vertragseingehung tatsächlich bereits bestanden hatte und ihr und ihrem Vater bekannt war, ausgeschöpft. Da die Klägerin Krankenversicherungsschutz und damit Sozialleistungen begehrt, ist sie nach dem Rechtsgedanken des § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I gehalten, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen. Gründe für eine Beschränkung der Mitwirkungspflicht gemäß § 65 SGB I sind nicht ersichtlich. Weder steht die Benennung der Ärzte und ihre Entbindung von der Schweigepflicht in einem nicht angemessenen Verhältnis zur begehrten Sachleistung (Abs. 1 Nr. 1), noch kann sich das Gericht mit geringerem Aufwand als die Klägerin selbst anderweitig die erforderlichen Kenntnisse verschaffen (Abs. 1 Nr. 3), noch ist der Klägerin die Mitwirkung aus einem wichtigen Grund nicht zumutbar (Abs. 1 Nr. 2), insbesondere besteht nicht die Gefahr einer Strafverfolgung (Abs. 3). Die Wertungen der §§ 60 bis 65 SGB I können im vorliegenden Fall ohne weiteres zur Konkretisierung der prozessualen Mitwirkungsobliegenheiten der Klägerin herangezogen werden. Danach oblag es der Klägerin, ihre im Jahre 2005 behandelnden Ärzte zu benennen und von der Schweigepflicht zu entbinden. Indem sie dies verweigerte, vereitelte sie die Aufklärung von Tatsachen, deren Feststellung für den von ihr gleichzeitig verfolgten prozessualen Anspruch unabdingbar war. Ein solches widersprüchliches Verhalten ist – unabhängig von der Schuldfähigkeit der Klägerin – rechtsmissbräuchlich und führt daher zur weitestgehenden Beweiserleichterung für die Beklagte in Form einer Beweislastumkehr, zumal – wie dargelegt – bereits die unstreitigen äußeren Umstände deutlich dafür sprechen, dass der Klägerin und ihrem Vater bei Abschluss des Arbeitsvertrages die erhebliche Erkrankung bekannt gewesen ist. Dabei wirkt die Umkehr der Beweislast nur in Bezug auf die Tatsachen, deren Feststellung vereitelt wurde. Handelt es sich – wie hier – um reine Indiztatsachen, beschränkt sich die Beweislastumkehr darauf und berührt die Beweislast für die Haupttatsache nicht.

(3) Die Klägerin trägt somit die Feststellungslast für die Unaufklärbarkeit der Frage, ob ihre Erkrankung im Zeitpunkt der Vertragseingehung tatsächlich bereits bestanden hatte und ihr und ihrem Vater bekannt war. Eine Aufklärung dieser Frage ist ohne Mitwirkung der Klägerin nicht möglich. Der Entscheidung ist daher zugrunde zu legen, dass die ernste Erkrankung bei Vertragsschluss tatsächlich bereits bestanden hatte und der Klägerin und ihrem Vater bekannt war.

c. Nach alledem ist von folgendem Gesamtbild auszugehen:

Die Klägerin hatte bereits im September 2004 ihren Krankenversicherungsschutz verloren. Im Frühjahr 2005 hatten sie und ihr Vater Kenntnis von einer ernsthaften Erkrankung der Klägerin, die auf unabsehbare Zeit deren Arbeitsunfähigkeit sowie hohe Behandlungskosten konkret erwarten ließ. Daraufhin begründeten die Klägerin und ihr Vater ein Arbeitsverhältnis, das sowohl nach seinem Inhalt unrealistisch als auch nach den Umständen seiner Eingehung und Abwicklung – auf Arbeitgeber- wie Arbeitnehmerseite – wirklichkeitsfern erscheint. Eine feststellbare Arbeitsleistung erbringt die Klägerin nicht. Nach wenigen Wochen wird sie zur stationären Behandlung in ein Krankenhaus aufgenommen. Der Vater stellte keine Ersatzkraft ein und führt auch sonst die – angeblichen – unternehmerischen Pläne nicht weiter.

Dies zugrundelegend ist der Senat unter Berücksichtigung aller Umstände davon überzeugt, dass der Vertragsschluss allein mit Blick auf den fehlenden Krankenversicherungsschutz und in Kenntnis der schweren Erkrankung der Klägerin erfolgte und die Vertragsparteien nicht ernstlich an eine tatsächliche Vertragsdurchführung gedacht hatten. Eine solche missbräuchliche Rechtsgestaltung vermag keine Krankenversicherungspflicht zu begründen.

III. Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, da es sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage handelt.
Rechtskraft
Aus
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