L 2 AS 416/10 B

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 4 AS 3103/10
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AS 416/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 15. September 2010 wird aufge-hoben und der Klägerin wird für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. B. bewilligt.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein beim Sozialgericht Halle (SG) anhängiges Klageverfahren.

Die am ... 1975 geborene Klägerin bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Leistungsträger war bis Ende 2010 der Landkreis S , Eigenbetrieb für Arbeit (im folgenden als Eigenbetrieb bezeichnet), der ab Anfang 2011 die Bezeichnung Eigenbetrieb für Arbeit – Jobcenter S führt. Dabei beschränkt sich die Zuständigkeit dieses Trägers auf die Erbringung der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II. Die Klägerin bewohnt ein ihr gehörendes Eigenheim. Der Eigenbetrieb bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 17. Februar 2010 Leistungen für die Zeit vom Dezember 2009 bis Mai 2010 in Höhe von 72,90 EUR für Dezember 2009 und die Höhe von jeweils 91,45 EUR für die restlichen Monate des Bewilligungszeitraums. In den Gründen des Bescheides war zur Berechnung der Leistungen angegeben: Die Heizkosten (nach Abzug eines Betrages für die Warmwasserbereitung in Höhe von monatlich 24,07 EUR) seien aufgrund der Heizölrechnung vom 21. Februar 2009 ermittelt und auf monatliche Beträge umgerechnet worden. Die für die Finanzierung des Hauskaufs anfallenden monatlichen Raten würden nicht berücksichtigt, weil es sich um Tilgungsbeträge handele, die grundsätzlich nicht übernommen würden. Hiergegen erhob die Klägerin anwaltlich vertreten Widerspruch und wandte sich gegen die Nichtberücksichtigung der Aufwendungen für die Tilgung und die Höhe der anerkannten Heizkosten. Zu den Heizkosten gab sie sinngemäß an, abzustellen sei auf den Jahresverbrauch. Hierzu legte sie eine von ihr erstellte Berechnung "Heizölverbrauch (2008 und 2009)" vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2010 half der Eigenbetrieb teilweise ab und berücksichtige nun bei der Leistungsbewilligung im Monat zusätzlich 311,87 EUR. Dem lag die vollständige Anerkennung der Tilgungsraten als Unterkunftskosten zugrunde. Im Übrigen wies der Eigenbetrieb den Widerspruch zurück und führte aus, die Berechnung der Heizkosten sei nicht zu beanstanden. In der Kostenentscheidung zum Widerspruchsbescheid stellte der Eigenbetrieb fest, die im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten würden zu 5/10 erstattet. In Ausführung dieses Widerspruchsbescheides erstattete der Eigenbetrieb mit 154,70 EUR die Hälfte der von den Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin insgesamt berechneten Kosten.

Die Klägerin hat am 3. Juni 2010 Klage beim SG erhoben und zur Begründung ausgeführt: Die Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid berücksichtige nicht, dass ihrem Widerspruch wirtschaftlich gesehen weitgehend abgeholfen worden sei. Zum Heizölverbrauch legte sie erneut ihre Verbrauchberechnung und in Kopie Rechnungen für die Lieferung von Heizöl vor und zwar: für eine Lieferung am 4. November 2008 über 744,84 EUR für 1012 Liter; für eine Lieferung am 17. Dezember 2008 über 1.028,36 EUR für 1973 Liter und für eine Lieferung am 21. Februar 2009 über 442,58 EUR für 938 Liter. An 22. Juni 2010 hat die Klägerin den Antrag gestellt, ihr für das Klageverfahren PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt B. zu bewilligen.

Das SG hat die Bewilligung von PKH mit Bescheid vom 15. September 2010 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Die Klage habe keine Aussicht auf Erfolg. Die im Jahr 2008 angefallenen Kosten für Heizöl könnten nicht in die Berechnung der Kosten für den aktuellen Bewilligungszeitraum einfließen. Die Kostenquote im Widerspruchsbescheid habe zutreffend berücksichtigt, dass die Klägerin zwei Begehren geltend gemacht habe und mit einem Begehren Erfolg im Widerspruchsverfahren gehabt habe. Nach der Berechnung der Klägerin ergäben sich monatliche Heizkosten von 184,64 EUR, dieser Betrag weiche wertmäßig "nicht so gravierend" von der nun mit monatlich 311,87 EUR berücksichtigten Tilgungsrate ab, dass dies die Kostenquote im Widerspruchsbescheid "ermessensfehlerhaft" mache. Gegen den ihr am 29. September 2010 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 27. Oktober 2010 Beschwerde erhoben und vorgetragen, ihre Klage habe Erfolgsaussichten schon im Hinblick auf die Verkennung der wirtschaftlichen Bedeutung der Anerkennung der Tilgungsleistungen bei der Kostenquote im Widerspruchsbescheid.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 15. September 2010 aufzuheben und ihr für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. B zu bewilligen.

Der Beklagte hat sich zur Beschwerde nicht geäußert.

Für weitere Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten nebst PKH-Heft verwiesen. Die Akten haben vorgelegen und sind vom Senat bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt worden.

II.

Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden.

Die Beschwerde ist auch statthaft. Sie ist nicht nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) ausgeschlossen. Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass nach den genannten Vorschriften die Beschwerde gegen eine Entscheidung über die Ablehnung von PKH ausgeschlossen ist, wenn in der Hauptsache der Beschwerdewert der Berufung nicht erreicht wird (siehe LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 8. April 2009, L 2 B 264/08 AS - sozialgerichtsbarkeit.de). Dies ist hier bei überschlägiger Betrachtung nicht der Fall. Die Klägerin hat ihr Klagebegehren nicht beziffert. Zu den geltend gemachten Leistungen für die Kosten der Heizung geht der Senat wie das SG davon aus, dass die Klägerin Leistungen unter Berücksichtigung der von ihr nachgewiesenen Kosten für das für "eine Heizperiode" angeschaffte Heizöl begehrt. Aus den drei von ihr vorgelegten Rechnungen für Lieferungen im November und Dezember 2008 sowie im Februar 2009 ergibt sich ein Gesamtbetrag von 2.215,78 EUR. Umgerechnet auf den Monat ergibt dies einen Betrag von 184,46 EUR. Werden davon die von dem Eigenbetrieb als monatlicher Bedarf für die Heizung anerkannten 24,07 EUR abgesetzt, ergibt sich ein Differenzbetrag von 160,39 EUR bzw. für den Bewilligungszeitraum von sechs Monaten ein Betrag von 962,34 EUR. Schon damit wird der erforderliche Beschwerdewert eines 750,00 EUR übersteigenden Betrags erreicht.

Die Beschwerde ist auch begründet. Die für die Bewilligung von PKH hinreichenden Erfolgsausichten der Klage liegen vor.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Als hinreichend sind die Erfolgsaussichten einer Klage einzuschätzen, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gewiss, eine Erfolgschance jedoch nicht unwahrscheinlich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990 – 1 BvR 94/88 – NJW 1991, 413). Prozesskostenhilfe kommt dagegen nicht in Betracht, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BSG, Urteil vom 17. Februar 1998 - B 13 RJ 83/97 R - SozR 3-1500 § 62 Nr. 19).

Die Klage bietet hinreichende Erfolgsaussicht.

Für die Höhe der der Klägerin nach § 22 SGB II zustehenden Kosten für die Heizung wird es darauf ankommen, ob und in welcher Höhe im Bewilligungszeitraum Kosten für die Betankung des Heizöltanks anfielen (s. dazu Bundessozialgericht - BSG - Entscheidung vom 16. Mai 2007 – B 7b AS 40/06 R zitiert nach juris). Hierzu fehlen bisher Feststellungen. Alleine daraus, dass die Klägerin von ihrem Rechtsstandpunkt ausgehend, dazu nichts vorgetragen hat, kann nicht geschlossen werden, in der Zeit von Dezember 2009 bis Mai 2010 sei kein Heizöl bezogen und bezahlt worden. Insoweit sind weitere Ermittlungen erforderlich. Ob in diesem Zusammenhang die Bewilligung weiterer Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung ggf. schon deshalb ausscheidet, weil im Ergebnis die Voraussetzungen für die vollständige Berücksichtigung der Tilgungsraten nicht vorlagen (das BSG macht die Berücksichtigung als Kosten der Unterkunft von weiteren Voraussetzungen abhängig - siehe BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 – B 14/11b AS 67/06 R – zitiert nach juris) und die Klägerin schon jetzt mehr erhält, als ihr "zusteht", kann der Senat offenlassen. Denn die hinreichenden Erfolgsaussichten ergeben sich jedenfalls daraus, dass die Entscheidung im angefochtene Widerspruchsbescheid über die Quote der zu erstattenden Kosten falsch sein dürfte und der Klägerin - selbst wenn die Entscheidung im Vorverfahren Bestand haben sollte - eine höhere Kostenerstattung zusteht. Grundlage für die Kostenerstattung ist § 63 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Verwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Bei nur teilweisem Erfolg des Widerspruchsverfahrens hängt der Umfang der Kostenerstattung von dem Verhältnis des Erfolgs zum Misserfolg ab (vgl. Krasney in Kasseler Kommentar, Stand März 1995, § 63 Rdnr. 6). Die Entscheidung über die Höhe der Quote der zu erstattenden Kosten steht nicht im Ermessen der Behörde, die vollständig von Gericht überprüfbar unter Berücksichtigung der konkreten Gegebenheiten zu entscheiden hat. Der Widerspruch der Klägerin hatte insoweit Erfolg, als monatlich zusätzlich 311,87 EUR als Bedarf anerkannt wurden; bezogen auf einen Betrag von monatlich 184,64 EUR hatte der Widerspruch keinen Erfolg. Also hatte der Widerspruch Erfolg in einem deutlich den Misserfolg überwiegenden Umfang, was bei der Kostenquote von 5/10 keine ausreichende Berücksichtigung findet. Die Auffassung des SG, hier wichen die beiden Beträge "wertmäßig nicht so gravierend" voneinander ab, dass dies zu berücksichtigen sei, hält der Senat für nicht überzeugend.

Die Klägerin kann nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten für die Prozessführung nicht aufbringen. Maßgeblich sind die wirtschaftlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Beschlussfassung. Dies ist bei der Prozesskostenhilfebeschwerde der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung. Die Klägerin bezieht aktuell weiter Arbeitslosengeld II und daneben Elterngeld, dass in Höhe von 300,00 EUR monatlich anrechnungsfrei bleibt. Sie ist nunmehr ihrem am 11. April 2010 geborenen Sohn gegenüber unterhaltspflichtig. Es verbleibt kein anrechenbares Einkommen; einzusetzenden Vermögen ist nicht vorhanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist nach § 193 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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