L 7 AS 1953/11 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 1246/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 1953/11 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Beitragsrückstände zur privaten Krankenversicherung - Nachholbedarf - Ruhen - Übernahme nur bis zum hälftigen Basistarif
Bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen sumarischen Prüfung dürfte ein Anspruch auf Übernahme der Beiträge zur privaten Krankenversicherung nur bis zum hälftigen Basistarif bestehen. Eine Übernahme darüber hinausgehender Beiträge dürfte ausscheiden.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 5. Mai 2011 (Versagung einstweiligen Rechtsschutzes) wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die gemäß § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragstellerin, der Beschwerdeausschlussgründe im Sinne des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG nicht entgegenstehen, ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Im Beschwerdeverfahren verfolgt die Antragstellerin ihr erstinstanzliches Begehren weiter, den Antragsgegner im Wege der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig zu verpflichten, ihre Beitragsrückstände in der privaten Krankenversicherung bei der S. Krankenversicherung a.G. (S.) i.H.v. 2.637,23 EUR zu übernehmen, hilfsweise ihr vorläufig ein Darlehen in entsprechender Höhe zu gewähren. Das Sozialgericht Heilbronn (SG) hat den hierauf gerichteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit - wie hier - nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend kommt, wie vom SG zutreffend erkannt, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Beides sind gleichberechtigte Voraussetzungen, die ein bewegliches System darstellen: Je nach Wahrscheinlichkeit des Erfolges in der Hauptsache können die Anforderungen an den Anordnungsgrund geringer sein und umgekehrt. Völlig entfallen darf hingegen keine der beiden. Dementsprechend sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch im Hinblick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind dann in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes ergebenden Gebotes der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruches auf effektiven Rechtsschutz unter Umständen nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 6. September 2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - beide (juris) unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 4. April 2008 - L 7 AS 5626/07 ER-B - und vom 11. Juni 2008 - L 7 AS 2309/08 ER-B - beide (juris)).

Die Beitragsrückstände, deren Übernahme die Antragstellerin begehrt, sind laut Schreiben der S. vom 6. Januar 2011 im Zeitraum ab 7. September 2010 entstanden und betrugen ausweislich des Schreibens der S. vom 7. März 2011 damals aktuell 2.637,23 EUR. Die hier streitgegenständlichen Beitragsrückstände sind somit insgesamt vor der Beantragung einstweiligen Rechtsschutzes beim SG (5. April 2011), teilweise sogar vor der Beantragung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) beim Antragsgegner (4. November 2010) entstanden.

Soweit - wie hier - Ansprüche für bereits vor Stellung des einstweiligen Rechtsschutzantrages abgelaufene Zeiträume erhoben werden, ist die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung regelmäßig zu verneinen (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. und 17. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 - und L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164.; Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Aufl., Rdnr. 259 (alle m.w.N.)). Eine Ausnahme ist bei einer begehrten Regelungsanordnung nur dann zu machen, wenn die Notlage noch bis in die Gegenwart fortwirkt und den Betroffenen in seiner menschenwürdigen Existenz bedroht (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - (juris); ferner Krodel, NZS 2007, 20, 21 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Einen derartigen Nachholbedarf hat die Antragstellerin hier glaubhaft gemacht, sodass ihrem Begehren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nicht entgegen steht, dass sie damit die Gewährung von Leistungen für bereits vor Stellung des einstweiligen Rechtsschutzantrages abgelaufene Zeiträume beansprucht.

Ausweislich der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Mitgliedsbescheinigung der S. vom 4. August 2011, bestätigt durch die bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen, besteht für die Antragstellerin dort bereits seit 1. Juli 2001 ein vertraglicher - privater - Krankenversicherungsschutz nach dem Tarif GR2, dessen Leistungen der Art nach denen der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) entsprechen. Bei einer solchen Krankenkostenversicherung, die - wie hier - eine Pflicht nach § 193 Abs. 3 Satz 1 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) in der ab 23. Juli 2009 geltenden Fassung des Gesetzes vom 17. Juli 2009 (BGBl. I S. 1990) erfüllt, ist gemäß § 206 Abs. 1 Satz 1 VVG jede Kündigung durch den Versicherer ausgeschlossen. Dies gilt auch für den Fall des Zahlungsverzuges. Allerdings kann in diesem Fall unter den in § 193 Abs. 6 Sätze 1 und 2 VVG näher bestimmten Voraussetzungen das Ruhen des Leistungsanspruchs vom Versicherer festgestellt werden. Während der Ruhenszeit haftet der Versicherer weiter, jedoch gemäß § 193 Abs. 6 Satz 6 VVG ausschließlich für Aufwendungen, die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft erforderlich sind (Notversorgungspflicht). Das Ruhen endet nach § 193 Abs. 6 Satz 5 VVG, wenn alle rückständigen und die auf die Zeit des Ruhens entfallenden Beitragsanteile gezahlt sind oder wenn der Versicherungsnehmer oder die versicherte Person hilfebedürftig im Sinn des Zweiten oder Zwölften Buches Sozialgesetzbuch wird. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift spricht vieles dafür, diese so auszulegen, dass nicht nur ein bereits eingetretenes Ruhen bei Eintritt von Hilfebedürftigkeit endet, sondern ein Ruhen bei bereits bestehender Hilfebedürftigkeit - wie vorliegend - gar nicht erst eintreten kann (so Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 3. Dezember 2009 - L 15 AS 1048/09 B ER - ZfSH/SGB 2010, 107; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 16. Oktober 2009 - L 20 B 56/09 SO ER - , vom 23. Oktober 2009 - L 19 B 300/09 AS ER - und vom 5. Mai 2010 - L 7 B 379/09 AS ER -; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. März 2010 - L 13 AS 919/10 ER-B - (alle juris)). Allerdings ist der Gesetzeswortlaut nicht entsprechend formuliert. Die Verwendung des Wortes "wird" scheint darauf hinzudeuten, dass § 193 Abs. 6 Satz 5 VVG (möglicherweise) nur gilt, wenn jemand, der bisher nicht hilfebedürftig war, Beitragsrückstände in der privaten Krankenversicherung hat und nunmehr erstmalig anspruchsberechtigt nach dem SGB II wird. Hierauf hat insbesondere der Bundesrat hingewiesen (vgl. "Unterrichtung durch die Bundesregierung. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften und Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung", BT-Drucks. 16/12256, abgedruckt bei BT-Drucks. 16/12677, S. 17). Diese Auslegungsfrage ist bislang ungeklärt und bedarf auch vorliegend keiner Klärung. Denn die S. hat mit Schreiben vom 16. Februar 2011 das Ruhen der Leistung aus der Krankheitskostenversicherung im Sinne des § 193 Abs. 6 VVG festgestellt, das am 21. Februar 2011 eingetreten ist.

Aufgrund durchgehend bestehender Beitragsrückstände besteht diese Feststellung nach wie vor unverändert fort, sodass die Antragstellerin weiterhin nur Anspruch auf die Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände hat. Aufgrund des Ruhens ihrer Versicherungsleistungen hat sie daher derzeit nur einen "eingeschränkten" Krankenversicherungsschutz. Durch das festgestellte Ruhen ihrer Leistungen ist sie von sämtlichen Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen sowie von der Behandlung chronischer Erkrankungen ohne Schmerzzustände ausgeschlossen. Da eine ausreichende medizinische Versorgung Teil des von Art. 1 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG geschützten Existenzminimums ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - BVerfGE 125, 175 ff., 223), begründet die hier nicht mehr gewährleistete ausreichende Gesundheitsversorgung einen hinreichend gewichtigen Nachteil (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. Januar 2010 - L 34 AS 2001/09 B ER - ; Senatsbeschluss vom 11. Oktober 2010 - L 7 AS 4197/10 ER-B - (beide juris)). Der "eingeschränkte" Krankenversicherungsschutz der Antragstellerin besteht hierbei nicht nur zum gegenwärtigen Zeitpunkt, sondern auch zukünftig, möglicherweise für einen nicht absehbaren Zeitraum. Die nur anteilige Zahlung von Beiträgen zur privaten Krankenversicherung führt dazu, dass während des Bezugs von Arbeitslosengeld II weitere Beitragsrückstände aufgebaut werden. Scheidet die Antragstellerin aus dem Hilfebezug aus, weil sie etwa eine selbständige Tätigkeit aufnimmt, so führen diese Beitragsrückstände spätestens ab diesem Zeitpunkt dazu, dass der Krankenversicherungsschutz "ruht" bzw. auf eine Notversorgung begrenzt ist. Der besondere Schutz bei Hilfebedürftigkeit nach § 193 Abs. 6 Satz 5 2. Alternative VVG würde dann in keinem Fall mehr eingreifen. Das Ruhen würde in diesem Falle nur dann enden, wenn alle rückständigen und die auf die Zeit des Ruhens entfallenden Beitragsanteile gezahlt sind (§ 193 Abs. 6 Satz 5 1. Alternative VVG). Je nach Höhe der Beitragsschuld kann dies zu einer dauerhaften oder zumindest lange währenden Einschränkung des Versicherungsschutzes führen. Die vom Antragsgegner abgelehnte Übernahme der Beitragsrückstände ist somit in ihrer Wirkung nicht auf einen vor Antragstellung beim SG abgelaufenen Zeitraum begrenzt, sondern wirkt bis heute fort. Ein Nachholbedarf im oben dargestellten Sinn besteht.

Gleichwohl fehlt es an dem für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsgrund. Nach dem Vorbringen der Antragstellerin möchte sie ihren Krankenversicherungsschutz bei der S. einschließlich ihrer - inzwischen gekündigten - Zusatzversicherungen auf Krankenhaustagegeld und Krankentagegeld im vertraglich vereinbarten Umfang erhalten, ohne dass ihr Krankenversicherungsschutz auf eine "Notversorgung" im oben dargestellten Sinn begrenzt ist. Dieses Ziel kann die Antragstellerin jedoch mit ihrem Begehren, den Antragsgegner zur vorläufigen Übernahme von Beitragsrückständen i.H.v. 2.637,23 EUR bzw. zur vorläufigen Gewährung eines Darlehens in entsprechender Höhe zu verpflichten, nicht erreichen. Bereits oben wurde dargestellt, dass nach § 193 Abs. 6 Satz 5 VVG das Ruhen der Leistungen erst dann endet, wenn u.a. alle rückständigen und die auf die Zeit des Ruhens entfallenden Beitragsanteile gezahlt sind. Ausweislich der von der S. vorgelegten Versicherungsscheine für die Krankenversicherung der Antragstellerin beträgt der von ihr zu leistende monatliche Beitrag für die private Krankenversicherung ohne Krankenhaustagegeld- und Krankentagegeldversicherung bis 31. Dezember 2010 386,95 EUR und ab 1. Januar 2011 446,80 EUR. Der Antragsgegner gewährte der Antragstellerin hingegen seit 4. November 2010 einen Zuschuss zu dieser privaten Krankenversicherung lediglich i.H.v. 256,59 EUR monatlich. Diese Zuschussgewährung beruht auf § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II (in der bis zum 31. März 2011 geltenden Fassung) bzw. auf § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II in der ab 1. April 2011 geltenden Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des SGB II vom 13. Mai 2011 (BGBl. I S. 850). Danach gilt für (Bezieherinnen und) Bezieher von Arbeitslosengeld II, die - wie die Antragstellerin - in der gesetzlichen Krankenversicherung weder versicherungspflichtig noch familienversichert sind und die für den Fall der Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind, § 12 Abs. 1c Satz 5 und 6 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG). In Anwendung des § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG und unter Berücksichtigung des Urteiles des Bundessozialgerichtes (BSG) vom 18. Januar 2011 (B 4 AS 108/10 R (juris)) gewährt der Antragsgegner einen Zuschussbetrag i.H. des halben Basistarifs (575,44 EUR: 2 = 287,72 EUR) abzüglich des Zuschusses zur Krankenversicherung aus der der Antragstellerin gewährten Witwenrente i.H.v. 31,13 EUR monatlich, sodass der Antragsgegner monatlich einen Betrag von 256,59 EUR als Zuschuss zur privaten Krankenversicherung der Antragstellerin leistet. Da dieser Zuschussbetrag erheblich unter dem von der Antragstellerin zu ihrer privaten Krankenversicherung monatlich zu entrichtenden Beitrag liegt, sind seit der Mitteilung der S. von 7. März 2011 weitere Beitragsrückstände aufgelaufen. Die Beitragsrückstände der Antragstellerin belaufen sich ausweislich des Kontoauszuges vom 5. August 2011 inzwischen auf insgesamt 4.888,48 EUR. Selbst bei einer Übernahme der Beitragsrückstände in der von der Antragstellerin ausdrücklich beantragten Höhe von 2.637,23 EUR wären damit nicht die gesamten rückständigen Beitragsanteile gezahlt. Es würden selbst dann weiterhin Beitragsrückstände von erheblicher Höhe bestehen, sodass das Ruhen der Leistungen selbst bei Übernahme der Beitragsrückstände i.H.v. 2.637,23 EUR nicht enden würde. Zudem würden auch künftig weiterhin Beitragsrückstände entstehen, die letztendlich wieder zu einer Feststellung des Ruhens der Leistungen nach § 193 Abs. 6 Satz 2 VVG führen könnten. Die begehrte Übernahme von Beitragsrückständen i.H.v. 2.637,23 EUR ist daher nicht geeignet, den derzeit bestehenden "eingeschränkten" Krankenversicherungsschutz der Antragstellerin zu beseitigen.

Daneben fehlt es auch am erforderlichen Anordnungsanspruch, da bei der im Rahmen der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung ein Anspruch auf Übernahme von Beitragsrückständen i.H.v. 2.637,23 EUR bzw. hilfsweise auf Gewährung eines Darlehens in entsprechender Höhe nicht besteht. Bei summarischer Prüfung ist es nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner der Antragstellerin seit 4. November 2010 einen monatlichen Zuschuss zu ihrer privaten Krankenversicherung i.H.v. 256,59 EUR gewährt. Ein Anspruch auf einen höheren Zuschuss oder auf eine vollständige Übernahme ihrer Beiträge zur privaten Krankenversicherung besteht nicht. Damit hat die Antragstellerin auch keinen Anspruch gegen den Antragsgegner auf Übernahme von Beitragsrückständen.

Das BSG hat in seinem Urteil vom 18. Januar 2011 (a.a.O.) entschieden, dass § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II (bzw. ab 1. April 2011 § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II) eine planwidrige Regelungslücke enthält, da hierdurch die Höhe des Beitragssatzes für Bezieher von Arbeitslosengeld II beschränkt ist. Dies führe zu einer nicht gerechtfertigten "Beitragslücke", die durch eine analoge Anwendung des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 1 SGB II zu füllen sei, wonach für Bezieher von Arbeitslosengeld II für die Dauer des Leistungsbezugs der Beitrag zur freiwilligen Krankenversicherung ohne höhenmäßige Begrenzung übernommen werde. Aus den weiteren Ausführungen des BSG wird deutlich, dass der Grundsicherungsträger jedenfalls verpflichtet ist, die Beiträge zur privaten Krankenversicherung bis zur Hälfte des Basistarifes in vollem Umfang zu übernehmen (so auch Senatsbeschluss vom 11. Oktober 2010, a.a.O.). Ob der Zuschussbetrag generell auf die Höhe des hälftigen Basistarifs beschränkt ist oder eine Verpflichtung des Grundsicherungsträgers besteht, darüber hinaus den vollen Krankenversicherungsbeitrag zu übernehmen, war vom BSG nicht zu entscheiden. Allerdings zeigen die weiteren Ausführungen des BSG im Urteil vom 18. Januar 2011 (a.a.O.), dass der Zuschussbetrag auf die Höhe des hälftigen Basistarifs beschränkt sein dürfte.

Nach der gesetzlichen Konzeption des SGB II sollen Bezieher von Leistungen nach dem SGB II umfassenden Krankenversicherungsschutz genießen, ohne mit Beiträgen belastet zu sein. Demgemäß sind nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld II nach dem SGB II nicht nur darlehensweise beziehen und auch nicht familienversichert sind, versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung. Ihnen stehen die Leistungen nach dem SGB V in vollem Umfang zu, ohne dass sie selbst Krankenversicherungsbeiträge zahlen müssen, da gemäß § 251 Abs. 4 SGB V deren Beiträge der Bund trägt. Die Versicherungspflicht gilt allerdings nach dem seit dem 1. Januar 2009 geltenden § 5 Abs. 5a Satz 1 SGB V, eingefügt durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 378) nicht, wenn der Leistungsbezieher unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II privat krankenversichert oder weder gesetzlich noch privat krankenversichert war und zu dem Personenkreis des § 5 Abs. 5 SGB V oder den in § 6 Abs. 1 oder Abs. 2 SGB V genannten Personen gehört oder bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätte. Zu diesem in § 5 Abs. 5a Satz 1 SGB V genannten Personenkreis gehört die Antragstellerin, die vor dem am 4. November 2010 begonnenen Bezug von Arbeitslosengeld II privat krankenversichert war. Die Ausnahmeregelung des § 5 Abs. 5a Satz 2 SGB V findet in ihrem Fall keine Anwendung, da sie auch am 31. Dezember 2008 nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V versicherungspflichtig war.

Nach der Begründung des Gesetzgebers zum GKV-WSG handelt es sich bei der zum 1. Januar 2009 eingefügten Regelung des § 5 Abs. 5a Satz 1 SGB V um eine Folgeänderung zur Neuordnung des Verhältnisses von gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen. Da die privaten Krankenversicherungen künftig nach § 12 Abs. 1a VAG einen bezahlbaren Basistarif im Umfang des Leistungsangebots der gesetzlichen Krankenversicherung für Personen anbieten müssten, die privat krankenversichert seien oder sein könnten, erscheine es nicht länger erforderlich, diese Bezieher von Arbeitslosengeld II in die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung einzubeziehen (BT-Drucks. 16/3100 S. 94 f. - zu § 5 SGB V). Der Gesetzesbegründung ist indes kein Hinweis darauf zu entnehmen, der Gesetzgeber habe - abweichend von der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Rechtslage - privat krankenversicherte Bezieher von Arbeitslosengeld II nun gegen ihren Willen mit einem Teil der Krankenversicherungsbeiträge belasten wollen. Vielmehr sollte sichergestellt bleiben, dass die Betroffenen finanziell nicht überfordert werden (BT-Drucks. 16/3100 S. 207 - zu § 12 VAG). Dies erschien dem Gesetzgeber offenbar in der Annahme der "Bezahlbarkeit des Basistarifs" (BT-Drucks. a.a.O.) gewährleistet.

Die Gesetzesmaterialien dürften somit belegen, dass der Gesetzgeber mit seinem Regelungskonzept eines "bezahlbaren Basistarifs" zum einen Kostenrisiken für die Allgemeinheit durch verspätete oder unterlassene Versicherungen vermeiden und zum anderen einen Versicherungsschutz für alle in Deutschland lebenden Menschen zu bezahlbaren Konditionen sicherstellen wollte. Der Versicherungsschutz sei bezahlbar, weil die Prämie im Basistarif auf den Höchstbetrag der gesetzlichen Krankenversicherung begrenzt sei und sich im Fall des Eintritts von Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II reduziere (so BVerfG, Urteil vom 10. Juni 2009 - BVerfGE 123,186 ff).

Für den von § 5 Abs. 5a Satz 1 SGB V umfassten Personenkreis enthält § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II in der bis zum 31. März 2011 geltenden Fassung (ab 1. April 2011 § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II) eine Regelung zur Übernahme von Beiträgen zu einer privaten Krankenversicherung dergestalt, dass § 12 Abs. 1c Satz 5 und 6 VAG gilt.

Die Sätze 5 und 6 des zum 1. Januar 2009 durch das GKV-WSG eingefügten § 12 Abs. 1c VAG haben folgenden Wortlaut: Besteht auch bei einem nach Satz 4 verminderten Beitrag Hilfebedürftigkeit im Sinne des Zweiten oder des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, beteiligt sich der zuständige Träger nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch auf Antrag des Versicherten im erforderlichen Umfang, soweit dadurch Hilfebedürftigkeit vermieden wird. Besteht unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Beitrags Hilfebedürftigkeit nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, gilt Satz 4 entsprechend; der zuständige Träger zahlt den Betrag, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist.

Diesem Verweis in § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II (ab 1. April 2011 § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II) auf § 12 Abs. 1c Satz 5 u. 6 VAG kommt nach Ansicht des BSG (a.a.O.) nicht nur eine formale, sondern eine materiell-rechtlich begrenzende Wirkung zu, weil in § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II (ab 1. April 2011: § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II) auch die Verpflichtung des SGB II-Trägers zur Kostentragung gesetzlich fixiert ist. Dies zeigt nach Auffassung des Senats, dass der Gesetzgeber zum einen mit Einführung des Basistarifs einen bezahlbaren ausreichenden Krankenversicherungsschutz für alle in Deutschland lebenden Menschen sicherstellen und zum anderen bei Beziehern von SGB II-Leistungen eine Überforderung des SGB II-Trägers mit Beitragsleistungen vermeiden wollte. Da ausreichender Krankenversicherungsschutz durch den Basistarif gewährleistet wird, erscheint es konsequent, dass der SGB II-Träger in Anwendung der Regelungen in § 12 Abs. 1c Sätze 4 bis 6 VAG einen Zuschuss lediglich bis zur Höhe des hälftigen Basistarifs zu leisten hat. Über den hälftigen Basistarif hinaus dürfte jedoch kein Anspruch eines privat Krankenversicherten gegen den Grundsicherungsträger auf Zuschussgewährung bestehen, selbst wenn die zu leistenden Beiträge über dem hälftigen Basistarif liegen (noch offengelassen von BSG, Urteil vom 18. Januar 2011, a.a.O.). In einem solchen Fall dürfte der privat Krankenversicherte - wie hier die Antragstellerin - zur Vermeidung von Beitragsrückständen gehalten sein, in den Basistarif zu wechseln. Einem solchen Antrag hätte die S. nach § 12 Abs. 1b VAG, abgesehen von den hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmefällen des § 12 Abs. 1b Satz 4 VAG, zu entsprechen. Das in der Verwaltungsakte des Antragsgegners befindliche entsprechende Angebot vom 25. November 2010 zeigt, dass die S. auch durchaus bereit ist, die Antragstellerin in den Basistarif aufzunehmen. Entgegen ihrer Ansicht ist der Antragstellerin ein Wechsel in den Basistarif auch durchaus zumutbar. Der (derzeit) gegenüber dem regulären Basistarif niedrigere "Normaltarif" der Antragstellerin begründet keinen vermögenswerten Vorteil, der grundsicherungsrechtlich schützenswert ist, weil dessen Verwertung im Sinne des § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II nicht gefordert werden kann. Vermögen im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB II sind nach dessen gesetzlicher Definition alle verwertbaren Vermögensgegenstände. Zu unterscheiden ist daher stets, ob ein bestimmter Gegenstand überhaupt Vermögen darstellt, ob er grundsätzlich rechtlich und tatsächlich verwertbar ist und ob ggf. gesetzlich bestimmte Ausnahmen (wie etwa die Härtefallausnahme des § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II) von der Verwertungspflicht bestehen. Der Krankenversicherungsvertrag mit dem Tarif GR2 mag für die Antragstellerin zwar einen in Geld messbaren Vorteil gegenüber einem Vertrag im Basistarif bedeuten, fällt allerdings nicht unter den Begriff des Vermögens bzw. ist nicht verwertbar. Als Vermögen kann in der Grundsicherung nur gelten, was in irgendeiner Form geeignet ist, zum Lebensunterhalt beizutragen (vgl. Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 12 Rdnr. 13). In einer günstigen Beitrags- bzw. Prämieneinstufung liegt aber kein vermögenswerter Vorteil, den die Antragstellerin "zu Geld" machen kann bzw. der in sonstiger Weise geeignet erscheint, zum Lebensunterhalt beizutragen. Darüber hinaus sind der Tarif und die Einstufung nicht verwertbar, da sie nicht übertragbar sind. Für die Antragstellerin wird die Beitragsschuld im Basistarif auch erst dann höher sein als ihr derzeitiger Normaltarif, wenn sie aus dem Bezug des Arbeitslosengeld II ausscheidet. Wenn sie sich zunächst für die Dauer des Hilfebezugs zum Wechsel in den Basistarif entschiede, könnte sie ggf. durchaus auch wieder in den Tarif GR2 wechseln. Soweit die Antragstellerin darauf hinweist, einem Wechsel zurück in diesen Tarif stehe dann eine Gesundheitsprüfung entgegen, die sie nicht bestehen würde, ist dies zum jetzigen Zeitpunkt lediglich Spekulation. Selbst wenn dieser Fall eintreten sollte, rechtfertigt dies, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der weiter anwachsenden Beitragsrückstände und der damit einhergehenden Notversorgung, nicht das Verbleiben der Antragstellerin im bisherigen Tarif GR2 bei der S ...

Auch nach § 21 Abs. 6 SGB II in der ab 1. April 2011 geltenden Fassung (a.a.O.) besteht kein Anspruch der Antragstellerin auf Übernahme der Beitragsrückstände in geltend gemachter Höhe. Nach dieser Vorschrift wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Wie dargestellt erscheint der Antragstellerin ein Wechsel in den Basistarif ohne weiteres zumutbar mit der Folge, dass danach keine Beitragsrückstände mehr entstehen. Ein unabweisbarer Mehrbedarf, der möglicherweise eine Übernahme bereits bestehender Beitragsrückstände rechtfertigen könnte, liegt somit nicht vor.

Der Antragstellerin ist zur Vermeidung weiterer Beitragsrückstände somit ein Wechsel in den Basistarif dringend anzuraten. Erst nach einem solchen Wechsel dürfte eine Übernahme bestehender Beitragsrückstände überhaupt in Betracht kommen, um wieder "vollwertigen" Krankenversicherungsschutz erhalten zu können.

Auch die hilfsweise begehrte Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung eines Darlehens i.H.v. 2.637,23 EUR scheidet aus. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der ab 1. April 2011 geltenden Fassung (a.a.O.) kommt die Gewährung eines Darlehens nur dann in Betracht, wenn im Einzelfall ein vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf nicht gedeckt werden kann. Bei den Beiträgen zur Krankenversicherung handelt es sich jedoch nicht um einen vom Regelbedarf umfassten Bedarf (vgl. Schwabe in ZfF 2011, 97ff).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG (vgl. BSG SozR 3-1500 § 193 Nr. 6).

Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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