L 5 AS 332/11 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 15 AS 791/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 332/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller und Beschwerdeführer wenden sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau (SG). Dieses hat es abgelehnt, den Antragsgegner und Beschwerdegegner im Rahmen eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes zur Zusicherung i.S.v. § 22 Abs. 4 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) zu verpflichten.

Die Antragsteller beziehen als Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II und bewohnten zunächst eine 60 m² große Drei-Raum-Wohnung mit einer Gesamtmiete von zuletzt 418,45 EUR/Monat. Am 2010 wurde der Antragsteller zu 4. geboren.

Am 21. März 2011 beantragten die Antragsteller die Zusicherung für eine neue Unterkunft. Sie legten ein Angebot über eine Vier-Raum-Wohnung in W. , B. , mit einer Wohnfläche von 83,84 m² und einer Gesamtmiete von 565,32 EUR/Monat vor. Sie gaben an, die jetzige, zu kleine Wohnung sei zum 30. Juni 2011 kündbar. Es fielen keine Kosten an, da der Umzug in Eigenleistung durchgeführt werde. Leistungen für eine Wohnungserstausstattung machten die Antragsteller ebenfalls nicht geltend. Der Antragsgegner lehnte mit Bescheid vom 21. April 2011 die Zusicherung ab. Der Umzug sei zwar erforderlich, das vorliegende Wohnungsangebot jedoch unangemessen.

Die Antragsteller haben den Mietvertrag am 27. April 2011 mit Wirkung zum 1. Juni 2011 unterschreiben. Für Juni und Juli 2011 ist mietvertraglich eine reduzierte Mietzahlung i.H.v. 155,34 EUR/Monat vereinbart worden. Nach ihren Angaben ist der Umzug am 5. Juli 2011 erfolgt.

Am 2. Mai 2011 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Dessau-Roßlau im Rahmen eines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz die Verpflichtung des Antragsgegners zur Zusicherung der Kostenübernahme begehrt. Dessen Richtlinie zu den Unterkunftskosten fehle eine Ermächtigungsgrundlage und die Werte seien nicht schlüssig. Ohne den Abschluss des Mietvertrags wäre die in Aussicht genommene Wohnung anderweitig vermietet worden. Auch danach bestehe noch ein Rechtsschutzbedürfnis. Sie benötigten Gewissheit, ob die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) übernommen würden, oder ob sie das neue Mietverhältnis gleich wieder kündigen müssten. Voraussichtlich müssten sie jahrelang auf eine Hauptsacheentscheidung warten. Ohne die Zusicherung könnten sie auch keine Kostenerstattung für den Umzug erhalten.

Der Antragsgegner hat eingewendet, die in Aussicht genommene Wohnung sei nicht angemessen. Außerdem fehle ein Eilbedürfnis, da der Umzug erst zum 1. Juli 2011 möglich sei.

Das Sozialgericht Dessau-Roßlau hat mit Beschluss vom 14. Juli 2011 den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt. Es fehle an einem Anordnungsanspruch. Nach der Unterschrift unter den Mietvertrag könne die erstrebte Zusicherung keine Schutzwirkung mehr entfalten. Die in Anspruch genommene Rechtssicherheit lasse sich auch durch das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, in dem nur eine vorläufige Regelung getroffen werden könne, nicht erreichen. Für die Umzugskosten sei gegebenenfalls ein Klageverfahren anzustrengen.

Dagegen haben die Antragsteller am 9. August 2011 Beschwerde beim erkennenden Senat eingelegt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Sie tragen vor, ein Anspruch auf Zusicherung bestehe auch nach Abschluss des Mietvertrags und erfolgtem Einzug. Ohne die erstrebte Zusicherung könne ihr Bedarf nicht sichergestellt werden. Falls das Beschwerdeverfahren erfolglos ende, wäre ihnen eine Kündigung des Mietverhältnisses möglich.

Die Antragsteller beantragen,

den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 14. Juli 2011 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen gemäß § 22 Abs. 4 SGB II zuzusichern, dass er ihre Aufwendungen für die Wohnung in W. , B. übernimmt.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält den angegriffenen Beschluss für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Verwaltungsverfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten und Beiakten Bezug genommen. Die Verwaltungsakte des Antragsgegners hat vorgelegen und ist Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

II.

1.
Die Beschwerde ist form- und fristgerecht gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben.

Sie ist auch statthaft gemäß § 173 Abs. 3 Ziffer 1 SGG. Danach ist die Beschwerde ausgeschlossen in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Hier wäre die Berufung wegen des Überschreitens des Berufungsstreitwerts von 750,00 EUR ohne Weiteres zulässig. Der Streitwert einer Zusicherung entspricht dem eines entsprechenden Verwaltungsakts. Bei einem solchen hätte der Antragsgegner die KdU regelmäßig mindestens für die nachfolgenden sechs Monate übernommen (§ 41 Abs. 1 Satz 3 SGB II). Die Zusicherung zielt demnach auf die Übernahme der Differenz zwischen den bisherigen und den neuen KdU (ständige Rechtsprechung des Senats, L 5 B 421/08 AS ER, Beschluss vom 12. April 2010). Hier beträgt diese monatliche Differenz 146,87 EUR (565,32 EUR - 418,45 EUR); bezogen auf einen sechsmonatigen Bewilligungszeitraum ergibt sich ein Streitwert von 881,22 EUR.

Die Beschwerde war jedoch als unzulässig zu verwerfen. Das Rechtsschutzinteresse für die begehrte vorläufige Zusicherung ist spätestens mit dem Umzug der Antragsteller in die neue Wohnung am 5. Juli 2011 entfallen. Offen bleiben kann hier, ob dies auch schon ab dem Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags gilt, da die Beschwerde hier nach dem Umzug eingelegt worden ist.

Unzulässig ist ein Rechtsmittel dann, wenn ein sachliches Bedürfnis des Rechtsmittelführers nicht mehr besteht, weil ihm die weitere Rechtsverfolgung in diesem Verfahren keine rechtlichen oder tatsächlichen Vorteile mehr bringen und das Rechtsschutzziel nicht mehr erreicht werden kann (so auch: Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 6. April 2011, B 4 AS 5/10 R (14) bei einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Zusicherung gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 SGB II i.d.F. bis zum 31. Dezember 2010 nach erfolgtem Umzug).

Gemäß § 22 Abs. 4 SGB II n.F., der inhaltlich § 22 Abs. 2 SGB II a.F. entspricht, soll vor Abschluss eines Vertrags über eine neue Unterkunft die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die Leistungserbringung bisher örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen.

Nach dem erfolgten Umzug ist über die Höhe der von dem Antragsgegner zu leistenden KdU im Rahmen eines gesonderten Verfahrens über die Bewilligung höherer Leistungen bzw. im Rahmen des Antrags auf Weiterbewilligung von Leistungen zu befinden. Dort ist als Vorfrage eines Anspruchs auf höhere angemessener KdU notwendigerweise auch die Erforderlichkeit des Umzugs und die Angemessenheit der neuen Unterkunftskosten zu klären (BSG, a.a.O, (15)).

Die hier begehrte Zusicherung ist keine Voraussetzung für einen Anspruch auf höhere KdU. Wird eine neue Unterkunft ohne Zusicherung des Grundsicherungsträgers bezogen, hat dies keine nachteiligen Folgen, sofern der Umzug erforderlich und die neuen KdU angemessen sind. Zweck der Zusicherung ist es nicht, den Umzug überhaupt zu ermöglichen. Ihre Aufgabe besteht lediglich darin, in einem Vorabverfahren sicherzustellen, dass die KdU der neuen Unterkunft künftig übernommen werden (so auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17. Januar 2011, L 6 AS 1914/10 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Juli 2008, L 26 B 807/08 AS ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 5. Juni 2008, L 9 AS 541/06; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 22. Juli 2008, L 10 B 203/08, juris). Nach erfolgtem Umzug besteht für eine gesonderte Zusicherung als vorgreiflicher Teilregelung kein Rechtsschutzinteresse mehr (BSG, a.a.O., (14)). Die Angemessenheit der neuen KdU ist Gegenstand der Prüfung bei der nun erforderlichen Anpassung der Bewilligungsbescheide nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) bzw. der Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II.

Der Umzug ist hier bereits vor der Beschwerdeeinlegung durchgeführt worden. Daher fehlt aus den genannten Gründen das Rechtsschutzbedürfnis für das eingelegte Rechtsmittel.

Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Vorbringen der Antragsteller, wonach die Fortführung des Rechtsstreits notwendig sei, um Gewissheit über die Höhe der KdU zu erlangen und gegebenenfalls die Wohnung wieder kündigen zu können. Ein Fortsetzungsfeststellungsantrag ist im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes grundsätzlich unzulässig (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 133 Rn. 9b; LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.). Darüber hinaus wäre die von den Antragstellern angestrebte Zusicherung auch gar nicht geeignet, ihnen dauerhaft "Rechtssicherheit" zu bieten. Wegen des Verbots einer endgültigen Vorwegnahme der Hauptsache kommt in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes immer nur eine vorläufige Regelung in Betracht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86b Rn. 31).

Keine andere Bewertung ergibt sich aus dem Einwand, ohne eine Zusicherung käme eine Kostenerstattung für den Umzug gemäß § 22 Abs. 6 Satz 1 SGB II nicht in Betracht. Nach der Durchführung des Umzugs sind die entstandenen Kosten bezifferbar und können beim Antragsgegner geltend gemacht und ggf. nach Ablehnung und Durchführung des Widerspruchsverfahrens eingeklagt werden. Dies dürfte indes hier nicht relevant sein, denn die Antragsteller haben noch im Antrag auf Zusicherung vom 21. März 2011 ausdrücklich erklärt, keine Umzugskosten geltend zu machen.

2.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war abzulehnen.

Nach § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO ist auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, soweit der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dabei hat der Antragsteller gemäß § 115 ZPO für die Prozessführung sein Einkommen und Vermögen einzusetzen, soweit ihm dies nicht aufgrund der dort genannten Tatbestände unzumutbar ist.

Als hinreichend sind die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels einzuschätzen, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gewiss, eine Erfolgschance jedoch nicht unwahrscheinlich ist (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13. März 1990 - 1 BvR 94/88 -, NJW 1991, S. 413 f.). Prozesskostenhilfe kommt hingegen nicht in Betracht, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Februar 1998 - B 13 RJ 83/97 R -, SozR 3-1500 § 62 Nr. 19).

Das Beschwerdeverfahren hatte bereits bei Einlegung des Rechtsmittels am 9. August 2011 wegen des bereits erfolgten Umzugs keine Aussicht auf Erfolg. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verweisen.

3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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